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Fanfiction

Die Wanderungen der Minerva - Auf dem Weg nach Hause - 4

von käfer

Ich habe keine Bewerbung geschrieben. Schuld daran ist ein Mann. Tom.
Am Montagabend war nicht viel los im „Tropfenden Kessel“, Tom hatte Zeit und wir unterhielten uns stundenlang. Seine Worte klingen mir noch in den Ohren: „Bibliothekarin in Hogwarts – das ist doch nichts für dich, Minerva! Willst du wirklich so eine vertrocknete, papierstaubgepuderte alte Schachtel werden wie Ella Cunningdale? Jeden Tag Dienst bis Ultimo und dann den Büchern hinterherjagen – ich bitte dich!“
Ich hatte nur geschluckt und versucht, schnell das Thema zu wechseln. Tom redete genau wie Patrick, gleiche Wortwahl, gleicher Tonfall. Genau davon hatte ich mich immer „überzeugen lassen“, Patrick wusste es einfach besser. Tom auch? Der kannte mich doch gar nicht! Oder wirkte ich wie ein Kind, das man vor einer Dummheit bewahren muss? Ins Grübeln gekommen bin ich trotzdem: ist es richtig, was ich da tun will?
Ich habe beschlossen, zunächst meine Wanderung fortzusetzen. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, bin ich drei Wochen vor Schuljahresbeginn in Hogwarts. Bis dahin will ich mich entschieden haben, was ich machen werde. Bewerbe ich mich als Hogwarts-Bibliothekarin oder nicht? Es gibt einiges, was dafür spricht: Hogwarts verspricht Ruhe und Sicherheit, junge Leute und alte Bücher, vor allem aber ungehinderten Zutritt in die Verbotene Abteilung. Vor allem die Verbotene Abteilung zieht mich an. Drei Viertel des Bestandes sind keineswegs schwarzmagische Bücher, sondern einfach nur sehr alt, historisch wertvoll oder selten. Oder alles zusammen.
Was spricht gegen den Job? Nicht viel. Ich glaube, man muss nicht von morgens um acht bis abends um neun präsent sein, schließlich gibt es Autosortierzauber und selbstschreibende Karteikarten.
Im Moment steht mir der Sinn nicht nach Ausgehen und Zerstreuung; Bequemlichkeit verspricht die Schule allemal.
Aber ist es wirklich das Richtige für mich? Zum dritten, vierten, fünften Mal drehen sich meine Gedanken im Kreis, höre ich wieder Toms Worte, dieses nachsichtig-nachdrückliche „das ist nichts für dich“.
Schluss damit! Es ist ganz allein meine Entscheidung! Ich wollte mir doch nie wieder etwas einreden lassen. Wie soll ich denn wissen, was das Richtige für mich ist, wenn ich es nicht probiere? Wenn es mir nicht gefällt, kann ich immer noch kündigen. Schluss. Aus. Ich werde nach Hogsmeade laufen, mir ein Zimmer suchen und als erstes die Bewerbung schreiben.
Alarmiert halte ich inne. Etwas hat sich verändert. Ich lausche angespannt, sprungbereit, die Hand am Zauberstab. Still ist es geworden, drückend. Die Vögel haben aufgehört zu zwitschern. Fängt doch noch einer an zu pfeifen, hält er sofort wieder inne, als wäre es ungehörig, jetzt zu singen. Die Sonne ist weg, dunkle Wolken türmen sich am lilafarbenen Himmel. Ein leichter Wind hat sich aufgemacht, ein Wind, der keine Abkühlung bringt, der bedrohlich wirkt. Gewitterstimmung eben.
Ich beschleunige meinen Schritt. Lange halte ich das nicht durch, ganz schnell gerate ich ins Schnaufen, der Schweiß rinnt in Strömen an mir herunter. Die drückende Luft hemmt jede schnelle Bewegung. Dennoch muss ich sehen, dass ich einen trockenen Platz finde. Wenn dieses Gewitter losbricht, wird es heftig.

Gerade eben war die Straße noch voller Muggel in ihren Automobilen, jetzt bin ich plötzlich mit einer Familie mit zwei Kindern und einem Bauern mit einem Handwagen voller Reisig allein.
Erlösend weist ein Schild den Weg ins nächste Dorf. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, den Ortsnamen zu entziffern, sondern laufe los. Schon grollt von Ferne der erste Donner.
Die ersten dicken Tropfen fallen gerade, als ich den Dorfrand erreiche. Obwohl früher Nachmittag, ist es dämmrig. Es herrscht jene Stille, in der jedes Geräusch überlaut zu hören ist. Ich haste weiter, in der Hoffnung, eine Herberge zu finden.
Eine Sekunde lang ist alles ringsum in gleißendes Licht getaucht, ein Krachen lässt es erbeben. Eine panisch schreiende Katze läuft mir vor die Füße, fast wäre ich gestolpert. Ich renne los, auf der anderen Seite des Dorfangers habe ich das erlösende Wirtshausschild erspäht.
Der Himmel öffnet seine Schleusen, als ich nur noch ein paar Schritte bis zur Tür habe. Trotzdem bin ich nass bis auf die Knochen, als ich eintrete.
Ich frage mich, ob ich schon wieder durch ein Weltentor geraten bin. Die Gaststube hier sieht so aus, wie man es aus mittelalterlichen Geschichten kennt: dicke Mauern mit hoch liegenden, kleinen Fenstern, derbe Holztische und Stühle, der Fußboden aus gestampftem Lehm. Das Holz im Kamin qualmt, es riecht nach Rauch. An den Wänden hängen Öllampen. In einer Ecke ist ein junger, kräftiger Mann damit beschäftigt, die Fensterläden zu schließen. Unter der Lederschürze, die ihn als Wirt ausweist, trägt er Jeans und ein kariertes Hemd.
„Einen Moment bitte, Miss“, sagt er nach einem kurzen Blick in meine Richtung, „ich kümmere mich gleich um Sie.“
Das ist nicht nötig, denn aus der Küche kommt eine dralle Frau gelaufen, die ein Kleid trägt, wie ich es kürzlich in London zu Dutzenden gesehen habe. „Schrecklich da draußen“, sagte sie nach einem Blick auf meine nasse Erscheinung. „Sie möchten bestimmt ein trockenes, warmes Plätzchen.“
Ich nicke bekommen. Draußen kracht ein Donnerschlag, der die festgefügten Mauern erbeben lässt. Der Wind heult durch die Ritzen. Wo bis jetzt kein Feuer im Ofen gebrannt hat, bleibt es kalt. Doch wenn ich nicht wieder hinaus will in das Unwetter, muss ich der Wirtin folgen.
Meine Befürchtungen erweisen sich als nicht ganz unbegründet. Das Zimmer ist klein, aber trocken und einigermaßen warm und es hat ein eigenes Badezimmerchen. Aber es ist dunkel und ich sehe weder Lampe noch Lichtschalter. Die Wirtin drückt mir eine elektrische Taschenlampe in die Hand, dazu ein Öllicht und Zündhölzer. „Elektrischen Strom haben wir hier nicht, die Leitung hört oben am Schloss auf.“ An der Tür dreht sie sich noch einmal um: „Essen gibt es von sechs bis acht.“
Weg ist sie und ich stehe da mit der funzeligen Taschenlampe in der Hand. Bevor die Batterie ganz ihren Geist aufgibt, mache ich die Öllampe an. Kein Strom – na, macht nichts. In Hogwarts gab es kein elektrisches Licht und bei meiner Großmutter auch nicht. „Elektrische Birnen haben in einem Hexenhaushalt nichts zu suchen“, das war immer ihr Standardspruch. Meine Mutter hatte sich irgendwann nach vielen Diskussionen mit meinem Vater durchgesetzt und elektrische Lampen, einen Staubsauger und sogar eine Waschmaschine angeschafft, Dinge, wie sie in Muggelhaushalten üblich waren. Ich glaube, Mom hat das für Arabella gemacht.
Wo meine Schwester jetzt wohl ist? Ob sie noch in Australien lebt?

Beim Abendessen, das reichlich ist und vorzüglich schmeckt, entschuldigen sich die Wirtsleute dafür, dass sie am Nachmittag so kurz angebunden waren. Das Gewitter hatte alle überrascht und sie hatten alle Hände voll zu tun gehabt, Haus und Ställe zu sichern und ihr Vieh ins Trockene zu bringen. Verständlich, draußen toben immer noch die Elemente. So etwas habe ich noch nicht erlebt, nicht einmal der Großvater der Wirtin kann sich an solch ein Unwetter erinnern.


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