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Fanfiction

Die Wanderungen der Minerva - Auf dem Weg nach Hause - 3

von käfer

Wir erreichen London eher als gedacht, nicht zuletzt, weil mich der grüne Strahl auf dem kürzesten Wege führt.
Ohne dass wir noch ein Wort darüber verloren haben, sind wir zusammen weitergegangen, schweigend, solange wir liefen und angenehm plaudernd, wenn wir rasteten. Wir konnten es uns leisten, nachts unachtsam zu sein, denn ich habe heimlich um jeden Rastplatz einen Schutzzauber gelegt, außerdem war das Einhorn da.
In weniger als einer Stunde werden wir einander versprechen, uns nie wiederzusehen. Dann geht jeder seiner Wege und das ist gut so, denn weder war John ehrlich zu mir noch ich zu ihm.
Gestern Abend hat John mich gefragt, ob ich auch auf der absoluten Trennung bestehen würde, wenn er der Kronprinz wäre.
„Dann erst recht“, habe ich geantwortet, „ich könnte mir vorstellen, dass die Gemahlin des Kronprinzen ziemlich unter der Fuchtel der königlichen Schwiegermutter steht.“
John hat nur gelacht und das Thema gewechselt.
Der Kronprinz ist er mit Sicherheit nicht, dafür ist er zu alt. Aber ich bin sicher, dass John – wenn das wirklich sein Name ist - der Sohn eines wohlhabenden Adligen oder Industriellen ist. Wie sonst wäre zu erklären, dass er eine große Wohnung samt Dienstmädchen sein eigen nennt?
Was mich betrifft – es ist nach wie vor verboten, einem Muggel den Zauberstab zu zeigen, bevor man offiziell mit ihm verlobt ist. Und eine neue Ehe ist genau das, was ich mir absolut nicht vorstellen kann.
Wir haben bereits die ersten Vororte der Hauptstadt erreicht, auch wenn es hier noch ziemlich ländlich zugeht und Hühner auf der Straße scharren. Nachdem ich mit dem linken Fuß in einen Kuhfladen getreten bin, wasche ich mir die Füße und hole die Schuhe hervor.

Wie verabredet laufen wir noch bis zur ersten großen Kreuzung gemeinsam, dann reichen wir uns die Hände, sagen „Mach´s gut“ und gehen in verschiedene Richtungen. Mir tun schon die Füße weh, ich appariere in die Nähe vom „Tropfenden Kessel“. Das rostige Wirtshausschild hängt noch an Ort und Stelle. Ich trete ein und sehe mich um. Hier hat sich gar nichts verändert. Die Kneipe ist voller Lärm und Leute. Ist das nicht Abraxas Malfoy, dort in der Ecke? Er redet mit einem Mann, der nicht aussieht, als würde ich ihm gern nachts in einer engen Gasse begegnen. Abraxas schaut zu mir herüber, ich nicke ihm zu, aber er tut so, als würde er mich nicht erkennen. Hastig wirft er Münzen in einen Beutel und schiebt ihn dem Kerl zu. Malfoy macht also immer noch heimliche Geschäfte mit der Unterwelt. Soll er, ich habe nichts mit ihm zu schaffen, auch wenn er ein Vetter dritten Grades ist.
„He, passen Sie doch auf!“ Um ein Haar wäre ich mit dem Wirt zusammengestoßen. „Tom? Bist du das oder träume ich?“
„Minerva! Tatsächlich, Minerva Mulciber gibt sich die Ehre! Wo hast du nur gesteckt in den vergangen drei Jahren? Hättest ruhig zur Einweihungsfeier kommen können!“
„Ist ´ne lange Geschichte, Tom. Ich erzähle sie dir später, jetzt habe ich einiges zu erledigen.“
„Aber wirklich kommen! Universumsforscherehrenwort?“
„Universumsforscherehrenwort!“
Universumsforscherehrenwort – wie kindisch! Und wie rührend. Keinem haben die „Erforscher des Universums“ so viel bedeutet wie Tom. Keiner wurde so verspottet und gehänselt wie der bucklige Wirtssohn und fast alle haben gelacht, als er um Aufnahme in unseren Geheimbund bat. Patrick, der im Prinzip der Anführer der Gruppe war und von dem Tom überhaupt von deren Existenz erfahren hatte, wollte Tom Peterson gar nicht erst zu den Proben zulassen. Doch in unseren von allen unterschriebenen Statuten stand, dass jeder mitmachen durfte, der von der Gruppe wusste und die Aufnahmeprüfungen bestand. Dies war das erste und leider auch letzte Mal, dass ich Patrick widersprochen und mich widersetzt habe, was er mir ziemlich übelnahm. „Ich hätte nicht gedacht, dass Du mir in den Rücken fällst“, sagte er zornig.
„Wieso falle ich dir in den Rücken? Die Statuten stammen hauptsächlich von dir und du selber hast festgelegt, dass jeder aufgenommen werden muss, der darum bittet und die Proben besteht.“
„Aber doch nicht der krumme Tom! Was soll der uns schon nützen?“ Patrick schnaubte verächtlich.
Ich war ziemlich wütend. „Tom ist krumm und bucklig, aber schlau und mutig. Oder könntest du seelenruhig im Verbotenen Wald schlafen, wenn ringsum Werwölfe heulen? Keiner kriegt solche Schutzzauber hin wie Tom Peterson.“
Wir haben uns noch ein kleines bisschen gezankt und drei Tage nicht mehr miteinander geredet. Dann habe ich um Schönwetter gebettelt und musste Patrick versprechen, seine Autorität nicht noch einmal zu untergraben. Wäre ich damals nur hellhörig geworden!
Patrick widersprechen, meine eigene Meinung äußern – hätte ich das nur öfter getan!
Ich hasse Sätze mit „hätte“.

Bei Gringott‘s sieht es so aus wie eh und je. Griesgrämig dreinschauende Kobolde hocken hinter den Schaltern. Fröhlichkeit und Freundlichkeit sind Dinge, die der Natur von Kobolden wiedersprechen. Sie singen nicht und sie tanzen nicht, aber sie machen eine Art Musik, indem sie sich mit ihren Schmiedearbeiten im Kreis setzen und nach einem komplizierten Muster rhythmisch klopfen. Außerdem erzählen sie Geschichten aus alten Zeiten, doch das tun sie nie in Gegenwart von Nicht-Kobolden und so ist es nicht verwunderlich, dass weltweit nicht eine einzige Übersetzung einer Kobold-Legende existiert.
Dies alles weiß ich von meiner Mutter, die das Wesen der Kobolde erforscht hat, ehe sie heiratete. Überhaupt wusste Mom sehr viel über magische Geschöpfe, sie zu studieren war ihre Leidenschaft. Erst waren es Hauselfen, dann Zentauren, die sie beobachtete und schließlich die Kobolde. Mutter brachte uns bei, alle Wesen zu achten, selbst die Kaninchen, deren einzige Bestimmung es war, als Braten auf unseren Tellern zu landen.
Ganz besonderen Wert legt Mom auf den freundlichen Umgang mit Hauselfen. Wie sagte sie doch immer? „Es ist im Wesen der Hauselfen begründet, dass sie jeden Befehl ihres Meister befolgen müssen. Doch man vergibt sich nichts und gewinnt unglaublich viel, wenn man seinen Befehl als Bitte formuliert.“
Mit dieser Meinung war meine Mutter eher die Ausnahme als die Regel. Wenn ich nur an Dolores Jane Umbridge denke! Die triezte die Hogwarts-Hauselfen mehr als im alten Amerika die Sklaventreiber ihre Sklaven. Das sagte zumindest Professor Dumbledore. Er verbot den Hauselfen, sich um die Sachen der Umbridge zu kümmern, worauf diese giftete – das habe ich zufällig selbst gehört: „Wenn ich erst Zaubereiministerin bin, ändere ich die Gesetze!“ Mit etwas geringerem als Zaubereiministerin als Berufswunsch fing dieses machtgierige kleine Biest gar nicht erst an.
Ich folge dem Bankkobold zur Verließbahn. Ein Wagen ist gerade herangerollt und heraus steigt – Dolores Jane Umbridge. Sie ist aufgetakelt wer weiß wie sehr, das Haar onduliert mit einem Schleifchen darin, geschminkt wie eine Nutte und trägt immer noch schweinchenrosa. Überheblich grinsend mustert sie mich von oben herab. „He, Mulciber, bist du unter die Landstreicher gegangen?“
Sofort ist die alte Feindschaft wieder da, die nicht nur darauf basierte, dass wir verfeindeten Häusern angehörten. Ich weiß nicht wie oft ich in meiner Zeit als Schülersprecherin Auseinandersetzungen mit Umbridge hatte, wenn die falsche Schlange versuchte, andere für Dinge bestrafen zu lassen, die auf ihr eigenes Konto gingen.
„Ooch, ich habe frei und komme gerade von einer langen Wanderung. Und du Dolly, was macht deine Karriere?“
„Ich arbeite im Zaubereiministerium“, kommt es angeberisch zurück. Dolores dreht sich um und marschiert davon, ihre Wichtigkeit betonend, indem sie bei jedem Schritt die Hacken auf den Fußboden knallt.
„Federanspitzerin ist sie, weiter nichts“, raunt eine Stimme hinter mir. Sie gehört Theophilius Fudge, einem von Patricks alten Freunden.
Zaghaft sage ich hallo. Ich weiß nicht so recht, wie ich mich Theo gegenüber verhalten soll. Der scheint jedoch meine Verlegenheit nicht zu bemerken und redet weiter über Dolores Umbridge: „Wusstest Du, dass mein Cousin Cornelius ihr Halbbruder ist? Mein Onkel hat nicht nur ein Kind auf der Wildbahn…“
Der Kobold hinter uns knurrt: „Einsteigen! Ich habe nicht ewig Zeit!“
Rasch steige ich ein, Fudge winkt mir kurz zu, während ich mich in den Wagen setze und dann geht die Fahrt ab in die Tiefe.
Federanspitzerin also. Wie kommt es bloß, dass so eine Möchtegern-Chefin den niedrigsten, schlechtestbezahlten Job im Ministerium annimmt? Der letzte, kleinste Angestellte hat die Macht, eine Federanspitzerin und Botin durch die Gänge zu jagen. Der einzige Vorteil, den dieser Job bietet, ist der, dass man so ziemlich alle Mitarbeiter kennenlernt. Die gutbezahlten Jobs und begehrten Ausbildungsplätze waren für Dolores mit ihren eher miesen Leistungen in Theorie und Praxis nicht zu haben, aber vielleicht will das hinterhältige Biest ja Beziehungen nutzen, die sie im Zaubereiministerium aufbaut. Wer weiß! Ich hoffe nur, dass ich mit Dolores Jane Umbridge nie mehr zu tun bekomme.

Das Verließ, das nun mir allein gehört, befindet sich in den mittleren Etagen des Gringott´s-Gewölbes und hat immerhin drei Schlösser. Ganz unten gibt es welche mit sieben Schlössern, die Schatzkammern der uralten Zaubererfamilien. Die der Mulcibers benutzt jetzt der letzte Spross aus der direkten Linie, ein von generationenlanger Inzucht gezeichneter Einfaltspinsel. In der Nebenlinie, der mein Vater entstammte, gibt es so viele Muggel, dass ich beinahe als Halbblut gelte, aber dadurch kam ausreichend frisches Blut in die Familie.
Das Klacken der Schlösser lenkt mich von meinen Gedanken ab. Ich halte die Luft an. Was werde ich finden? Ich hatte Patrick die Verwaltung des Geldes überlassen und mich überhaupt nicht um unsere Finanzen gekümmert.
Es sieht besser aus als ich befürchtet hatte. Ein Teil des Geldes, hauptsächlich Galleonen, ist gestapelt, Knuts und Sickel dagegen liegen in unordentlichen Haufen durcheinander. Ich fange an zu sortieren und zu zählen. Hinter mir schimpft der Kobold: „Warum wollen Sie das alles zählen? Haben Sie noch nichts von der Verließfüllungsauskunft gehört?“
Habe ich tatsächlich nicht. „Ist das neu? Ich war einige Jahre im Ausland.“
Der Kobold wird nicht freundlicher. „Seit fünf Jahren haben wir das. Sie sagen uns das Codewort und wir sagen Ihnen, was alles drin ist in ihrer Kammer.“
„Ich habe kein Codewort.“
Ein unverständliches Knurren ist die Antwort.
Ich nehme mir reichlich Geld, denn auf mich kommen einige Ausgaben zu. Der Kobold wirft die Tür zu, drängt mich zur Bahn und wir fahren wieder nach oben. In der Schalterhalle angekommen, schiebt er mir ein Pergament zu, das ich ausfüllen soll. Jetzt bin ich es, die schlechte Laune hat, die Kobolde wollen viel zu viel von mir wissen. Eine Adresse habe ich nicht und ein Einkommen kann ich auch nicht vorweisen. Der Angestellte nimmt das Pergament dennoch gnädig entgegen, runzelt die Brauen und kramt in einem Aktenschrank. Schließlich zieht er ein Pergament hervor, rollt es auf und sagt: „Für dieses Verließ wurde bereits ein Passwort ausgegeben.“
Sieh an, davon habe ich gar nichts gewusst. „Mein Mann ist verstorben, ohne es mir mitzuteilen.“
„Keine Adresse, kein Einkommen, kein Passwort. Tut mir Leid.“
Ich zucke mit den Schultern und gehe grußlos. Früher waren die Kobolde freundlicher.

Geld habe ich jetzt, und nun?
Die alte Wohnung am Stadtrand. Ich will dort nicht wohnen; entweder ist sie wieder vermietet oder abgerissen, Gerüchte hatte es schon gegeben. Den Geistern der Vergangenheit stellen will ich mich. Nach dem Begräbnis meiner Großmutter war ich noch einmal dort, um aufzuräumen und nach brauchbaren Sachen zu suchen. Doch kaum hatte ich das Brautkleid in die Tasche gelegt, wurde ich von Panik erfasst und bin gerannt wie ein Hase.
In London fällt es nicht auf, wenn jemand plötzlich verschwindet oder auftaucht; ich appariere direkt bis hin. Tatsächlich gähnt an der Straße eine leere Fläche, nur unser Haus und das daneben stehen noch. Die Haustür fehlt, Fensterscheiben sind eingeworfen. Im Durchgang riecht es nach Hundepisse, feuchten Ziegeln und ... Kohl? Auf dem von Staub, abgeblätterter Farbe und Putzbrocken bedecktem Boden sind deutlich frische Fußspuren zu sehen, die zu den Treppen und in den Hinterhof führen. Langsam steige ich die Treppe nach oben. Im Erdgeschoss kann ich bis auf die Straße sehen, die Tür fehlt. Hier hat einst der Hausmeister gewohnt mit seiner Frau, die sich als Aufpasserin verstand. „Miss Miller, Sie hatten schon wieder Herrenbesuch!“ – Miss Miller war unsere Nachbarin und der Herrenbesuch bestand ausschließlich aus ihrem Bruder, der jeden zweiten Sonntag kam und um Geld bettelte. – „Misses McGonagall, wann haben Sie eigentlich das letzte Mal Fenster geputzt?“ – Mein Hölzerner Helfer musste oft genug dafür sorgen, dass die Hausmeisterin vergaß, sich zu wundern, dass sie mich nie beim Putzen sah…
Im ersten Stock gibt es noch eine Tür, sie ist angelehnt und hier hin führen die Spuren. Die Cormings wohnten hier, ein nettes älteres Ehepaar, mit dem wir ab und zu bei einem Glas Wein zusammensaßen. Ich klopfe, erhalte keine Antwort und drücke die Tür auf. Der Flur ist auffallend sauber, an einem Haken hängt eine abgeschabte Jacke, darunter stehen ein Paar ziemlich neue Filzpantoffeln. Gegenüber war das Schlafzimmer der Cormings, der wuchtige Schrank steht noch, allerdings fehlen die Türen. In den Fächern liegt ein bisschen Wäsche, Frauensachen. Die Wohnzimmereinrichtung besteht aus einem Matratzenlager, einem Sessel, einem Esstisch mit einem Plastikstuhl und ein paar Pappkartons. Matratze, Sessel und Tisch kenne ich gut, es waren unsere Sachen. Jemand hat die Schlitze in den Polstern geschickt vernäht und die Kerben im Tisch glattgeschliffen. In der Küche finde ich auf unserem stark verkleinerten Bücherregal ein paar Geschirrteile und Lebensmittel, auf dem Ofen steht ein Topf mit Kohl.
Hier hat sich jemand häuslich niedergelassen und das Ganze geht mich nichts an. Leise ziehe ich mich zurück. Obendrüber, in unserer Wohnung ist nichts zu finden als Dreck. Das alles lässt mich kalt, hier gibt es keine Geister mehr für meine Seele.
Beruhigt appariere ich wieder in die Winkelgasse, gehe in das neueröffnete Cafe, bestelle einen Eisbecher und überlege, was ich als nächstes tun soll. Viel ist es nicht. Zuerst werde ich zu Madam Malkins gehen und Kleider kaufen, bei Tom im „Tropfenden Kessel“ übernachten und morgen früh dorthin apparieren, wo ich mich von John getrennt habe. Dann werde ich wirklich nach Hogwarts laufen und Albus Dumbledore besuchen. Ihm kann ich von meinen Wanderungen erzählen, ich glaube, er ist der einzige, der nicht an mir zweifeln oder über mich lachen würde. Dieser Besuch soll dann der Abschluss meiner Wanderungen sein; danach werde ich mir eine kleine Wohnung und Arbeit suchen, am liebsten etwas, bei dem ich mit möglichst alten Büchern zu tun habe. Wenn ich auf meiner Reise etwas vermisst habe, dann das Lesen, das völlige Vertiefen in Bücher, den Duft von altem Pergament, Tinte und Druckerfarbe.
Während ich mein Eis löffle, das übrigens vorzüglich schmeckt, blättere ich in einem zerlesenen „Tagespropheten“. Mein Blick bleibt an dem Wort „Hogwarts“ hängen: „Die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei sucht zum sofortigen Beginn eine Bibliothekarin oder einen Bibliothekar. Bewerbungen sind zu richten an Albus Dumbledore, Schulleiter.“ Mein Herz macht einen Satz. Das wäre… Diese alten Bücher… diese vielen Bücher… und der von mir so verehrte Albus Dumbledore als Chef…


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