von käfer
Ich sitze auf einem Stein, der seit ein paar Tagen mein Mobiliar bereichert, frühstücke geschmacklose Kaktusfrüchte und denke über meinen Traum nach. Ich habe heute Nacht einen Mann gesehen, besser gesagt, den Schwanz eines Mannes. Patrick war es nicht, dessen Unterleib hätte ich erkannt. „Du weißt, weswegen ich gekommen bin?“ – „Ich kann es kaum erwarten!“ – Das war unsere „Unterhaltung“. Die Stimme des Mannes kam aus dem Nichts, außer dem erigierten Penis war alles verschwommen. Voller Verlangen hatte ich mich zurechtgelegt, doch als das Glied näher kam, um zu tun, wozu es geschaffen war, löste sich alles im Nichts auf und ich erwachte mit einem Schrei der Enttäuschung.
Ein verlangendes Ziehen durchfuhr meinen Unterbauch und scharf wie ich war hätte ich mir zugetraut, selbst Albus Dumbledore zu verführen, obwohl der nur auf junge blonde Männer stand.
Jetzt, am Morgen, nachdem ich meinen Körper mit einem eiskalten Guss aus den Tiefen der Erde gekühlt und meinen Verstand geschärft habe, sitze ich da und versuche, Ordnung in meine Gefühle zu bringen. War ich schon so tief gesunken, dass ich mich jedem x-beliebigen Mann hingeben würde, nur um ein bisschen Befriedigung zu spüren? Würde ich Patricks Andenken wirklich so beschmutzen? Oder bedeutete der sich auflösende Penis, dass ich nie mehr mit einem Mann schlafen sollte? Wenn das so war, dann hätte ich auf der Insel der Jungfrauen bleiben können. Warum hatte ich überlebt? All die vielen Versuche, in den Tod zu springen – warum bin ich immer wieder aufgewacht? Doch nicht etwa, um bis an mein Lebensende durch eine menschenleere Wüste zu laufen! Wenn ich schon existieren muss, dann sollte diese Existenz wenigstens einen Sinn haben! „Merlin, hilf!“
Unbewusst rufe ich es laut heraus: „Merlin, hilf mir hier wegzukommen!“
Nichts passiert. Natürlich nicht. Merlin existiert schon lange nicht mehr. Die Sonne steht halb hoch am wolkenlosen Himmel. Es gibt hier keine Wolken, keinen Regen, keine Abkühlung. Um mich herum ist nichts als Sand, Kakteen und ein paar verdorrte Sträucher. Es ist genau zu erkennen, wie weit meine Schutzzauber reichen – an der Grenze kriechen Schlangen und Krabbeltiere, die es nur darauf abgesehen haben, mich zu beißen. Und am Horizont verhöhnt mich der Einschnitt in der Bergkette. Mein Smaragd scheint wieder zu glühen, aber vielleicht ist es auch nur die Sonne, die ihn leuchten lässt.
Wütend schlage ich mit der Faust auf den Boden. „Warum habe ich das alles überlebt?!“
„Weil dein Leben an den Smaragden des Ewigen Pfades gebunden ist.“
Schon beim ersten Wort bin ich aufgesprungen. Mit dem Zauberstab in der Hand stehe ich lauschend da und sehe mich um. Hier ist niemand. Ich werde langsam verrückt. Die Sonne dörrt mein Hirn aus.
„Was tut der Smaragd des Ewigen Pfades?“
„Das solltest du wissen.“
Danke schön.
Ein aberwitziger Gedanke huscht durch meinen erhitzten Schädel: „Bist du Merlin?“
„Nein.“
„Wer dann?“
„Finde es heraus.“
Na fein. Mal sehen, was ich dem „Großen Geist der Wüste“ noch für Antworten entlocken kann. „Wo bin ich?“
„In der Wüste.“
Das weiß ich selbst. „Wohin muss ich gehen?“
„Finde dich selbst, dann findest du den Weg.“
Sehr hilfreich. Zwischen einem früchtetragenden Kaktus und mir lauert eine giftig aussehende leuchtendrote Schlange. Ich atme tief ein und stoße den Zauberstab neben mir in den Sand, so weit es geht. Vorsichtig mache ich einen Schritt auf die Schlange zu.
Urplötzlich wird es dunkel. Die Schlange erstarrt zischend. Ein grüner Strahl fährt ihr direkt ins Auge; sie wirft sich herum und flieht. Es grollt wie Donner. Der Zauberstab springt mir zurück in die Hand, ohne nachzudenken ziehe ich das Schutzschild hoch. Es wird wieder hell. Das Grollen klingt nicht mehr wie Donner, sondern wie ein böses Brummen. Es ist die Stimme von vorhin.
Ich schüttele mich und beginne wieder, zu laufen und dabei meine Gedanken zu sortieren. Irgendetwas will nicht, dass ich meinem Leben ein Ende setze. Und dieses Etwas ist mächtig genug, mich am Sterben zu hindern, jedesmal und immer wieder. Aber warum? Wie als Antwort auf diese unausgesprochene Frage wächst in mir wieder das Gefühl, etwas ganz Wichtiges noch nicht getan zu haben. Und es hängt mit dem Einhorn mit den grünen Augen zusammen.
Wenn das stimmt, bin ich hier an der falschen Stelle. Einhörner leben in uralten Wäldern mit schattigen Lichtungen.
Mir ist furchtbar heiß und die Füße schmerzen. Die Zunge klebt am Gaumen, meine Beine wollen nicht mehr. Das lauwarme Wasser löscht meinen Durst nicht.
Ein blühender Kaktus weckt eine vage Erinnerung an ein aromatisches Getränk in mir. Ich zupfe ein paar Blättchen ab und untersuche sie. Sie sind genießbar. Ich ernte einige der Blüten und sammle vom Nachbarkaktus die Früchte ein. Dann baue ich mein Zelt auf und sinke in seinem Schatten zu Boden. Heute tue ich keinen Schritt mehr.
Ein paar Meter entfernt hockt eines der karnickelähnlichen Tiere. Binnen einer Minute liegt es fertig zubereitet vor mir. Ich ziehe Wasser aus dem Boden, bringe es zum Kochen und streue die Blüten hinein. Nach einiger Zeit habe ich eine einigermaßen an Tee erinnernde Flüssigkeit im Becher. Auf die Idee hätte ich früher kommen sollen!
Ich lege mich hin und döse ein. Im Traum sehe ich das Einhorn. Es sieht mich unverwandt an.
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