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Fanfiction

Die Wanderungen der Minerva - Zamonien - 9

von kÀfer

KĂ€pt'n-BlaubĂ€r-Fans dĂŒrfte hier einiges bekannt vorkommen...



Die Sterne hören auf zu tanzen. Ich fĂŒhle mich benommen und beim Aufstehen wird mir schwindlig. Ich beiße die ZĂ€hne zusammen. SchwĂ€che kann ich jetzt ĂŒberhaupt nicht gebrauchen. Ich muss Riepischiep in Sicherheit bringen. Wo ist er eigentlich?
Es regnet fast nicht mehr, dafĂŒr hat sich dicker Nebel gebildet. Ich kann kaum fĂŒnf Schritte weit sehen. Wie soll ich da eine Maus finden, selbst wenn sie die GrĂ¶ĂŸe einer Katze hat? „Riepischiep“, rufe ich, „kannst du mich hören? Wo bist du?“ – Keine Antwort.
Ich rufe noch einmal. Der Nebel verschluckt alle GerĂ€usche. Oder bin ich taub geworden? Schon klopft mein Herz wieder bis zum Hals. Da entdecke ich am Boden vor meinen FĂŒĂŸen einen smaragdgrĂŒnen Strahl. Wie im Trance folge ich ihm und finde, zitternd vor KĂ€lte und ebenfalls klatschnass, Riepischiep, der sich in eine Höhlung zwischen Baumwurzeln gezwĂ€ngt hat.
Ich bin so froh, meinen kleinen ReisegefĂ€hrten wiederzuhaben, dass ich ihn hochnehme und ganz fest drĂŒcke, bis er quietscht und nach Luft schnappt.
Der grĂŒne Strahl liegt noch immer vor meinen FĂŒĂŸen. Ich trockne uns ab und spreche einen AufwĂ€rmezauber. Ein sicherer Platz zum Feuermachen wĂ€re mir allerdings lieber. So setzen wir uns in Bewegung; Riepischiep hat ausnahmsweise nichts dagegen, dass ich ihn auf dem Arm trage wie ein kleines Kind.
Der Nebel lichtet sich, dafĂŒr fĂ€ngt es wieder an zu regnen. Unvermittelt stehe ich vor einem Felsbrocken, der so aussieht wie der, den ich verwandeln wollte, ehe die Hexe kam. Ich baue eine Höhle daraus, mache ein Lager zurecht und entfache ein Feuer aus herumliegenden Ästen, die ich schnelltrockne. Riepischiep sitzt regungslos da und sieht mir beim Zaubern zu.
Wir machen es uns warm und gemĂŒtlich, sehen dem Regen zu und erzĂ€hlen Geschichten. Es dĂ€mmert bereits, als der Regen endlich nachlĂ€sst, deshalb bleiben wir an Ort und Stelle.
Als ich in der Nacht einmal aufwache, sehe ich den durchscheinenden Hintern eines weißen Pferdes. Ich weiß, dass es das Einhorn mit den smaragdgrĂŒnen Augen ist, und schlafe beruhigt weiter. Am Morgen bin ich nicht sicher, ob ich wirklich wach war oder nur getrĂ€umt habe.
Wir essen zum FrĂŒhstĂŒck die letzten Reste unseres Lindwurmfeste-Proviants. Wenn wir nicht bald etwas Essbares finden, mĂŒssen wir hungern.
Der Tag ist wieder strahlend schön, von den RegengĂŒssen ist keine Spur geblieben. In diesem Land wundere ich mich ĂŒber gar nichts mehr.
Der Vormittag ist vielleicht halb vergangen, als Riepischiep, der auf meiner Schulter den rĂŒckwĂ€rtigen Ausguck macht, mich mit seinem Degen piekt und sagt: „Es stinkt nach diesen angezogenen Wildschweinen. Sie sind hinter uns und kommen nĂ€her, mindestens drei.“
Ich halte es fĂŒr besser, der MĂ€usenase zu vertrauen, schlage mich seitwĂ€rts in die BĂŒsche und gehe unter einem Desillusionierungszauber in Deckung, wĂ€hrend Riepischiep sich hinter mir in eine Kuhle presst.
Es sind in der Tat drei mitgenommen aussehende Wildschweinlinge, die so stinken, dass selbst ich sie eher riechen als sehen kann. Zu hören sind sie freilich von weit her, denn sie streiten sich. Ausgerechnet auf der Höhe meines Verstecks bleiben sie stehen, weil sich der jĂŒngste, schmĂ€chtigste und schmutzigste von ihnen einfach an den Wegrand setzt und erklĂ€rt, er werde keinen Schritt weitergehen.
„Und das Lösegeld?“, fragt der Mittlere, „willst du auf den schönen Kies verzichten? Mann, mit dem Zaster könntest du deine Karriere starten.“
„Dazu muss Eißpinn die Kohle erstmal rausrĂŒcken! Wie ich diese Schrecksenmeister kenne, wird er keine einzige MĂŒnze locker machen, er lĂ€sst er die Schreckse abkratzen, wenn es ĂŒberhaupt eine ist.“
Der grĂ¶ĂŸte, dickste, stinkendste Wildschweinling fĂ€hrt herum: „Was willst du damit sagen? ‚Wenn es ĂŒberhaupt eine ist‘ – wie meinst du das?“
„Nun ja“, der Junge wird ziemlich kleinlaut, aber mir bleibt bei seinen Worten das Herz stehen: „Es gehen GerĂŒchte um, dass eine Menschin unterwegs ist. Ich – ich hab sie gesehen. Sie war in Gralsund bei der Mythenmetz-Lesung.“
Die beiden Ă€lteren lachen dröhnend, schlagen sich auf die Schenkel, springen auf und ab. „Bei dir ist ja KĂŒmmel und Korn verloren!“, schreit der Älteste und schnappt nach Luft. „Also mal ehrlich, warst du wirklich bei der Mythenmetz-Lesung? Das hĂ€tte ich nicht von dir gedacht.“
„Weichei! Lindwurmfeste-Dichtung – das ist doch nichts fĂŒr Kerle wie uns, also bitte!“, haut der zweite in dieselbe Kerbe.
„Meine Tante hat einen Begleiter gebraucht“, murmelt der Wildschweinling verlegen.
Eine neue Lachsalve ist die Antwort.
„Macht euch lustig ĂŒber mich, wenn ihr wollt, aber ich gehe zurĂŒck. Selbst wenn wir wirklich einer SCHRECKSE gefolgt sind und keinem Phantom – hier zwischen den BĂ€umen haben wir gegen ihre Zauberei keine Chance. Das Gewitter gestern – das war bestimmt die Schreckse und das galt garantiert uns. Ich pfeif auf das Lösegeld! Ich gehe heim!“ Entschlossen springt der Wildschweinling auf seine FĂŒĂŸe und hinkt in die Richtung, aus der sie – und wir auch – gekommen sind. Die beiden grĂ¶ĂŸeren dringen auf der gegenĂŒberliegenden Seite in den Wald ein.
Ich greife Riepischiep und schleiche in die andere Richtung davon.
Entweder sind Schrecksen taub oder die Wildschweinlinge dumm. Die beiden machen bei ihrer Suche einen solchen LĂ€rm, dass ich keine Schwierigkeiten habe, ihnen aus dem Weg zu gehen. Sie malen sich in leuchtenden Farben aus, was sie wohl mit dem vielen Geld anstellen, mit dem der Schrecksenmeister seine Untertanin freikaufen wird.
Nicht lange, und ich höre auch aus der Gegenrichtung GerĂ€usche. Äste knacken und jemand schnauft. Ich gehe in Deckung und spanne. Auf der alten Straße sind tatsĂ€chlich drei ausgewachsene BĂ€ren unterwegs. Sie tragen KnĂŒppel und Dolche bei sich, haben Hemden und Hosen an und sprechen. Der grĂ¶ĂŸte von ihnen ist smaragdgrĂŒn und trĂ€gt um den Hals ein weißes Tuch, die beiden anderen leuchten in verschiedenen Rottönen. Leise verschwinden sie zwischen den BĂ€umen und nach einer Weile kĂŒnden KampfgerĂ€usche und Schmerzensschreie davon, dass die BĂ€ren ihr Revier erfolgreich verteidigen. Ich nutze die Gunst der Stunde, husche hinaus auf die Straße und nehme die Beine in die Hand.

Endlich haben wir es geschafft. Wir sind in der Hauptsiedlung der BuntbĂ€ren angekommen. Hier herrscht ein Treiben wie in einer britischen Großstadt; Riepischiep meint, in den StĂ€dten der Narnianen gehe es genauso bunt zu. Das ist mit Abstand die sauberste und ordentlichste Siedlung, die ich in Zamonien zu Gesicht bekomme. Jedes der SteinhĂ€user hat einen ordentlich angelegten, sorgfĂ€ltig gepflegten Garten. Die Straßen sind gepflastert und sauber, es gibt LĂ€den mit verlockenden Auslagen, ein Rathaus, ein Spritzenhaus und sogar ein Schulhaus. Es klingelt und heraus strömen dutzende bunte BĂ€rchen mit ebenso bunten Schulranzen auf dem RĂŒcken. Ein wĂŒrdiger LilabĂ€r, der um den Mund herum schon ein wenig weiß wird, steht an der SchultĂŒr und sieht lĂ€chelnd seinen SchĂŒtzlingen zu.
Mir wird schwer ums Herz. Kinder zu unterrichten, ihnen etwas beizubringen, das sie im Leben gebrauchen können – was fĂŒr eine schöne Aufgabe ist das doch! Und ich? Habe ich eine Aufgabe im Leben? Meine ganzen Wanderungen – wofĂŒr? Die Sinnlosigkeit meines Daseins wird mir wieder einmal voll bewusst.
„Ich sehe nirgendwo einen BĂ€ren, der auch nur ein bisschen BLAU aussieht“, bringt sich Riepischiep in Erinnerung. Immerhin, diese Aufgabe habe ich: eine Maus beschĂŒtzen.
Aber Riepischiep hat Recht. Von blendend weiß bis tiefschwarz weisen die Felle der BĂ€ren jeden nur denkbaren Farbton auf – außer blau. „Vielleicht haben sie dir einen BĂ€ren aufgebunden und es gibt gar keine blauen BĂ€ren und somit auch keinen KapitĂ€n, der uns ĂŒber’s Meer bringt?“
Mein Blick fĂ€llt auf das Schaufenster einer Buchhandlung. Auf einem eingestaubten WĂ€lzer erkenne ich das PortrĂ€t eines Lindwurms – Hildegunst von Mythenmetz. Ein Erinnerungsfetzen zuckt hinter meiner Stirn: ein Hörsaal, rechts neben mir der Fuchsling Regenschein und links: ein BLAUER BÄR. „Doch, es gibt blaue BĂ€ren. Ich habe sogar schon neben einem gesessen.“
Wir fragen uns durch. Zu guter Letzt ist es Riepischiep, der auf den Lehrer zugeht und die gewĂŒnschte Auskunft erhĂ€lt. Eilends machen wir uns auf den Weg.

Wir biegen um die letzte Ecke und sehen unser Ziel vor uns. Riepischiep macht ein GerĂ€usch, wie es nur von einer Maus kommen kann; mir entfĂ€hrt ein entsetztes: „Äh-hpf!“ Das Schiff ist voll getakelt und sieht aus, als könne es jeden Augenblick in See stechen. Aber es steht hoch ĂŒber dem Meer auf einer Klippe.
Die letzten Schritte werden zur Qual. Mein ganzer Körper besteht aus schwerstem Blei, nur Knie und FĂŒĂŸe sind aus Wackelpudding. Riepischiep lĂ€sst von den Ohren bis zum Schwanz alles hĂ€ngen, der Degen schleift ĂŒber den Boden.
Aus.

„KeptĂ€-Ă€n, wir kriegen Besuch!“ An der Reling steht eine mannshohe gelbe Ratte in Matrosenkleidung. Bei unserem Anblick verschwindet die Gestalt im Inneren des Schiffes, stattdessen erscheint der KapitĂ€n selber. Es ist der blaue BĂ€r, der in der Mythenmetz-Lesung neben mir saß. „Willkommen an Board“, ruft er freundlich und klappt fĂŒr mich eine Treppe herunter. Zögernd steige ich nach oben, doch es gibt kein ZurĂŒck mehr. Jetzt mĂŒssen wir uns dem BlaubĂ€ren vorstellen, aber wir mĂŒssen ihm nicht unbedingt erzĂ€hlen, was wir von ihm wollen.
„Sie habe ich doch schon mal gesehen. Wo war das doch gleich? Ach ja, in dieser vermaledeiten Lesung von diesem aufgeblasenen Lindwurm. Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen? Na egal“, sagt er. „Ges-tatten, BlaubĂ€r. Das“ – er weist auf die große Ratte -, „das ist Hein Blöd und die drei kleinen Rangen hier sind meine Enkel.“
Erst jetzt entdecke ich die drei BĂ€rchen, die sich hinter dem RĂŒcken ihres Opas verstecken – eines sieht grĂŒn aus, eines gelb und das dritte, welches an einer Haarschleife und einem Röckchen als MĂ€dchen zu erkennen ist, hat ein pinkfarbenes Fell.
„Denn man rin in die gute Ss-tube“, sagt der KĂ€ptÂŽn, nachdem ich Riepischiep, der plötzlich nicht mehr reden kann oder will, und mich vorgestellt habe. Wir folgen ihm einen engen Gang entlang in einen Raum, der eine Mischung aus Schiffskabine und gutbĂŒrgerlichem Wohnzimmer ist. Hein Blöd erhĂ€lt den Auftrag, fĂŒr Tee und Kekse zu sorgen, und dann muss ich die Katze aus dem Sack lassen, denn der Schiffsherr fragt: „Und was treibt euch zwei hierher ans Ende der Welt? Wie habt ihr mich ĂŒberhaupt gefunden?“
„Wir sind fremd hier in Zamonien, stammen beide aus anderen Welten und sind jeweils durch einen dummen Zufall durch ein Weltentor in dieses Land hier geraten. Jetzt
“ Ich kann nicht mehr weiter sprechen, ein Kloß im Hals schnĂŒrt mir die Kehle zu. Dieses Schiff sitzt auf dem Trockenen hundert Meter ĂŒber dem Meer, es wird nie wieder einen Tropfen Wasser unterm Kiel haben, wenn es ĂŒberhaupt jemals die Meere befahren hat. Wer hat mir nur geraten, ausgerechnet hierher zu gehen und um Rat zu fragen?
Riepischiep hat seine Stimme wiedergefunden. „Sie sind unsere letzte Hoffnung, verehrtester KapitĂ€n. Man erzĂ€hlt sich von Euch, dass Ihr der einzige seid, der es wagen wĂŒrde, mit Eurem Schiff zu den LĂ€ndern der Menschen zu fahren. Wenn Ihr die LĂ€nder der Menschen kennt, dann wisst Ihr vielleicht auch, wo mein geliebtes Narnia liegt.“
„Zu den LĂ€ndern der Menschen bin ich frĂŒher gefahren, das ss-timmt. Ich war in der Tat der letzte Zamonier, der das gewagt hat, aber das ist lange her, ich fahre nicht mehr. Auch wenn ich mein Schiff seetĂŒchtig halte, man brĂ€uchte den alten Kahn nur zu Wasser zu lassen. Aber Narnia?“, sagt der alte BlaubĂ€r nachdenklich. „Narnia, Narnia. Ich fĂŒrchte, davon habe ich noch nie gehört.“
Eine TrÀne rollt aus Riepischieps linkem Auge und tropft in seinen Tee.
„Aber, aber! Wer wird denn weinen! Einem mit den Wassern aller Meere gewaschenen SeebĂ€ren wird doch wohl was einfallen, beim Klabauter! Und bis dahin seid ihr meine GĂ€ste.“
Die drei kleinen BĂ€rchen freuen sich sichtlich ĂŒber den Besuch, aber ihr Opa erinnert sie an ihre Pflichten: „Habt ihr eigentlich schon eure Schulaufgaben gemacht? Aber los jetzt!“
Murrend ziehen die Kleinen ab, um ein paar Augenblicke spĂ€ter mit ihren Schulranzen wieder zu kommen. Wir rĂ€umen den Tisch, Hein Blöd verschwindet in der KĂŒche, der KĂ€ptÂŽn setzt sich in seinen Lehnsessel und die Kinder breiten kichern und tuschelnd ihre Hefte und BĂŒcher aus. WĂ€re ich nicht weit und breit das einzige menschliche Wesen, könnte sich diese Szene glatt in der Stube meiner Großmutter zutragen.

Wir unterhalten uns zunĂ€chst ĂŒber Hildegunst von Mythenmetz. Der BlaubĂ€r lĂ€sst kein gutes Haar an dem Lindwurm, und als ich von meiner Begegnung mit dem Schriftsteller erzĂ€hle, schnaubt der KĂ€ptÂŽn nur: „Dieser Volltrottel! Jedes Kind weiß doch, dass in der Gegend um Weltend jeder angegriffen wird, der nur ein bisschen wohlhabend aussieht. Wie kann er nur auf den Gedanken kommen, dass ausgerechnet er verschont wird? Wie kann er sich nur einbilden, dass jeder einzelne in Zamonien ihn kennt? Die armen Wegelagerer haben gar keine Zeit, die MythenmetzÂŽschen EndlosergĂŒsse zu lesen!“
„Die Geschichten, die unser Opa erzĂ€hlt, sind hundertmal spannender“, mischt sich das grĂŒne BĂ€rchen ein.
UnwillkĂŒrlich muss ich schmunzeln. So war es frĂŒher bei uns auch immer: die Kinder waren in ihr Spiel vertieft und doch bekamen sie alles mit, was die Erwachsenen redeten.

Zum Abendessen gibt es FischstĂ€bchen und PĂŒree. Das gelbe BĂ€rchen verkĂŒndet: „Heute bin ich an der Reihe, dem Großen FischstĂ€bchen das Opfer zu bringen.“ Neunmalklug belehrt uns das grĂŒne BĂ€rchen: „Das letzte FischstĂ€bchen darf man nĂ€mlich nicht essen, denn das gehört dem großen FischstĂ€bchen. Wenn man die Opfergabe nicht ĂŒber Bord gibt, kommt das Große FischstĂ€bchen und macht alles dreckig und fettig.“
Ich beiße mir auf die Zunge, damit ich nicht loslache, aber die Schiffsbewohner nehmen die Sache anscheinend ernst. Das letzte FischstĂ€bchen wird auf ein Silbertablett gelegt und in einer Art Prozession zum Bug getragen: Voran geht mit feierlicher Miene das gelbe BĂ€rchen, dahinter folgen seine Geschwister. Dann kommen Hein Blöd und der KapitĂ€n und ich als Gast gehe mit Riepischiep auf der Schulter als letztes.
Der gelbe BĂ€renjunge ist gerade so groß, dass er die HĂ€nde ĂŒber die Reling strecken kann. Mit lauter Stimme ruft er: „Großes FischstĂ€bchen, komm herbei. Wir bieten dir das Opfer des letzten FischstĂ€bchens, sei uns gnĂ€dig, nimm es an und lasse unser Schiff sauber und heil.“
Die Wogen tief unter uns brausen auf, das FischstĂ€bchen fliegt ins Wasser und aus dem Meer steigt tatsĂ€chlich ein Wesen, das aussieht wie ein ĂŒbermannsgroßes FischstĂ€bchen. Es hat Augen und sperrt ein Maul auf, mit dem es zielsicher das kleine FischstĂ€bchen auffĂ€ngt. Das Wesen lĂ€sst ein RĂŒlpsen hören und taucht ab, die BĂ€ren und Hein Blöd jubeln.
Ich jedoch schwanke. Es zieht mich in die Tiefe, ich möchte hinunterspringen, aber eine andere Kraft hĂ€lt mich zurĂŒck. Ich weiß, ich werde springen, aber jetzt ist die Zeit noch nicht reif. Riepischiep scheint Ă€hnliches zu spĂŒren, er hĂ€lt sich krampfhaft an meinem Ohr fest.
Hein Blöd hat eine GĂ€stekajĂŒte fĂŒr uns zurecht gemacht, spĂ€ter, als wir in den Betten liegen, frage ich Riepischiep: „Hast du das auch gespĂŒrt, vorhin an der Reling? Etwas hat mich gerufen, regelrecht in die Tiefe gezogen.“
„Ja“, antwortet der MĂ€userich, „es zieht mich hinunter. Ich habe keine Ahnung, was es ist, aber ich weiß, dass ich heute Nacht springen muss und ankommen werde, wo immer ich ankommen soll.“ Nach einer Pause fĂŒgt er hinzu: „Ich hoffe, daheim in Narnia, bei meinem Herrn Prinz Kaspian und seinen Freunden.“
„Weck mich, wenn du gehst. Ich bringe dich zur Reling.“
Doch als ich erwache, scheint die Sonne in die Kabine und das Bett auf der anderen Seite ist leer.
Ich stĂŒrze hinaus, hin an die Stelle, an der ich gestern Abend die geheimnisvolle Kraft gespĂŒrt habe. Heute treibt es mich zurĂŒck, es kostet meine ganze Kraft, an die Reling zu treten und mit dem Fernglas hinunter zu sehen. Aber unten auf dem schmalen steinigen Strand ist nichts, kein zerschmetterter MĂ€usekörper. DafĂŒr gewahre ich auf halbem Weg zwischen Schiff und Ufer ein Loch in der Klippe. Vielleicht ist das das Tor

Die Elben haben mir erzĂ€hlt, wenn man durch ein Weltentor tritt, mĂŒsse man genau wissen, wohin man will. Riepischiep wusste es: er wollte nach Hause, nach Narnia, zu Prinz Kaspian. Doch ich? Ich habe kein Zuhause, keine Familie, keinen Platz im Leben. Unten sind große Steine, wenn man da mit dem Kopf zuerst aufschlĂ€gt

Der alte KapitĂ€n tritt neben mich, beugt sich vor, spĂ€ht hinunter. „Ah, tatsĂ€chlich!“, ruft er laut. „Dort is ja das Loch! Beim Klabauter, dass ich das nicht frĂŒher gesehen habe!“ Zu mir gewandt setzt er fort: „Komm mal mit, ich hab da was entdeckt.“
Er fĂŒhrt mich hinunter in die Eingeweide des Schiffes. Unten in einem alten Laderaum hat er eine Bibliothek eingerichtet. „Hier bewahre ich meine SchĂ€tze auf, uralte BĂŒcher, die ich bei meinen Fahrten gesammelt habe.“
Auf einem Pult liegt aufgeschlagen ein riesiger WĂ€lzer mit von Hand beschriebenen Seiten aus echtem Pergament. „Guck mal da!“ Ein blauer Finger weist auf eine Zeichnung. Ich erkenne das Loch wieder.
„Auf einer Klippe am Ă€ußersten Ende von Zamonien, wo sich kĂŒrzlich die BuntbĂ€ren im Walde niedergelassen haben“, liest der BlaubĂ€r mir vor, „befindet sich auf halber Höhe ein seltsames Loch in der Felswand. Man sieht es von weitem, geht man aber die Stufen hinab, die direkt an dem Loch vorbei schon immer ans Ufer fĂŒhren, hat man nichts neben sich als die glatte Wand der Klippe. Es wird erzĂ€hlt, dass dieses Loch ein Tor zu anderen Welten sei, man könne, so man wisse, wie es zu tun sei, gelangen in das Reich des Löwen, in die Lande der El-, komisch, hier steht Elben, mĂŒsste das nicht Elfen heißen? Na egal, also: in die Lande der Elben oder der Maloche. In alten Zeiten saßen oben auf der Klippe und unten am schmalen steinigen Strande 
 hier war die Seite voll, die nĂ€chsten Seiten fehlen leider. Ob das dieses Weltentor ist, das du suchst, Minerva?“
„Ich hoffe es“, antworte ich leise. „Das Reich des Löwen – das ist wohl Narnia, dort, wo der sprechende MĂ€userich seine Heimat hat.“
„Ich wĂŒnsche ihm, dass er heil daheim angekommen ist“, sagt der BlaubĂ€r leise.
Von oben dringt Gepolter herunter. „Ah, die Kinners sind da. Schnell raus hier, die sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was ich hier aufbewahre.“
Rasch schlĂ€gt der BĂ€renopa das Buch zu, stellt es an seinen Platz auf dem massiven Regal, klappt eine Wand davor, an der allerlei Seile, Netze und sonstiger Fischereikrimskrams hĂ€ngt und schließt hinter uns die TĂŒr.

Das Wetter schlĂ€gt um. Ein ausgewachsener Herbststurm tobt ĂŒber die Klippe, Regen peitscht das Deck. Das alte Holzschiff scheint dicht zu sein, wir sitzen warm und trocken.
Die BĂ€renkinder betteln: „Bitte erzĂ€hl uns was, Opa!“
Der KĂ€ptÂŽn kratzt sich an der Nase: „Tjo, wie war denn das damals? Ach ja! Also, da war ich mal mit einer Ladung Ss-treichhölzer unterwegs nach Feuerland. Draußen auf hoher See, weit und breit war kein bisschen Land in Sicht, da sind wir in einen Ss-turm geraten. Ach was, Ss-turm, ein Orkan war das! Wellen drei Mal so hoch wie das Schiff
“
Vermutlich besteht ein nicht unerheblicher Teil der Geschichte aus Seemannsgarn – auch die BĂ€rchen vermelden ab und an Zweifel am Wahrheitsgehalt -, aber es ist gut gesponnenes Seemannsgarn. Ich kann förmlich vor mir sehen, wie dieses eigentlich solide gebaute Schiff von den Wellen gebeutelt wird wie ein Spielzeug; ich leide mit dem seekranken Hein Blöd, sehe den Riesenkraken aus dem Meer aufsteigen und blicke der inselgroßen fleischfressenden Pflanze in den Rachen


Drei Tage hĂ€lt der Sturm an. Drei Tage vertreiben wir uns die Zeit mit Geschichten. Mit dem, was KĂ€ptÂŽn BlaubĂ€r zum Besten gibt, könnte man einen WĂ€lzer fĂŒllen so dick wie das Buch von Mythenmetz. Vermutlich wĂ€re es weit weniger einschlĂ€fernd.
Am dritten Abend ergibt sich die Gelegenheit. Die BĂ€rchen sind endlich im Bett und schlafen – „die kleinen Krabben sind ĂŒbermĂŒtig, denen fehlt das Toben draußen“, auch Hein Blöd hat sich zurĂŒckgezogen, er muss morgen zeitig raus – „der will zur Landesmeisterschaft im RĂŒckwĂ€rtsjodeln, nicht dass er die Spur einer Chance hĂ€tte, zu gewinnen“. Ich bin mit dem Schiffsherrn allein im Wohnzimmer. Der BlaubĂ€r seufzt auf und sagt: „Nach einem solchen Ss-turm muss man sich auf Seemannsart ss-tĂ€rken. Du leistest mir doch bess-timmt Gesellschaft, oder?“
Er gießt Rum in zwei GlĂ€ser, reicht mir eines herĂŒber. Wir stoßen an und nehmen jeder einen ordentlichen Schluck. Der befĂŒrchtete Hustenreiz bleibt aus, ich blamiere mich diesmal nicht. Als Patricks Onkel mich einmal zu einem SchnĂ€pschen eingeladen hat, musste ich so husten, dass mein Abendessen wieder hochkam, was Patrick zu der altklugen Bemerkung verleitete, dass Schnaps eben nichts fĂŒr zarte Frauen sei.
Der KĂ€ptÂŽn seufzt wohlig und lehnt sich im Sessel zurĂŒck.
„Ein bisschen Seemannsgarn war aber schon in den ganzen Geschichten drin, oder?“, frage ich, verwundert ĂŒber meinen Mut.
Der blaue BĂ€r grinst verschmitzt: „Nu jo, ganz ohne AusschmĂŒckung ist doch alles langweilig, oder? Aber meine Geschichten beruhen immer auf erlebten Tatsachen. Immer. Tatsache. Prost!“
„Prost! Haben Sie schon mal daran gedacht, das alles aufzuschreiben und ein Buch daraus zu machen?“
TĂ€usche ich mich, oder wird der BĂ€r jetzt verlegen? Er streicht sich ĂŒber die Nase, kratzt sich am Ohr, nippt am Rum, dreht das Glas in den HĂ€nden, sagt leise: „Na scha, hab schon angefangen damit. Ich glaub, so wie der Mythenmetz kann ich allemal schreiben.“
„Besser.“

Ich bleibe auf dem Schiff, mache mich nĂŒtzlich. Ich putze Fenster, schrubbe das Deck, koche die Äpfel, die der Sturm vom Baum geworfen hat, zu Mus, wasche WĂ€sche und stopfe die Socken von Hein Blöd. Weil gar so viele nicht mehr zu retten sind, beginne ich, neue zu stricken. Bevor ich nach Hogwarts ging, konnte ich das ganz gut. Meine Großtante Mathilda, ich glaube, sie war mit einem der vielen Crouchs verheiratet, sagte immer: „Eine richtige Hexe trĂ€gt ausschließlich handgestrickte StrĂŒmpfe“, und sie quĂ€lte uns MĂ€dchen mit den Stricknadeln, bis sie zufrieden war. Ich habe bei acht aufgehört zu zĂ€hlen, wie oft ich den ersten Strumpf wieder auftrennen musste. Aber irgendwann hielt ich die fĂŒnf Nadeln locker in den HĂ€nden und strickte flott und gleichmĂ€ĂŸig einen ganzen Strumpf an einem einzigen Nachmittag. Leider ist mir diese FĂ€higkeit wieder abhanden gekommen, denn in Hogwarts galt es als absolut altmodisch, StrĂŒmpfe zu stricken. Da Tante Mathilda zunehmend verkalkte, brauchte ich in den Ferien nicht mehr zu ihr zu gehen und so verlor ich das GefĂŒhl fĂŒr Nadeln und Maschen.
Hein Blöd zieht die Stirn in Falten, als er meine BemĂŒhungen sieht. „Na, so kannst du den Wuppertaler Wollkampf aber nicht gewinnen! So geht das!“ Damit nimmt er mir Nadeln und KnĂ€uel aus der Hand, setzt sich neben mich und strickt los. „Guck, hier, zwei links, zwei rechts und schön gleichmĂ€ĂŸig!“
Neben dieser Ratte hĂ€tte meine Großtante ganz schön blass ausgesehen.
Leise schleiche ich mich davon.
Als Hein Blöd am Abend einen ganzen Sack bunter Wolle ins Wohnzimmer schleppt, stöhnt der KĂ€ptÂŽn: „Der Wollwahn! Nicht schon wieder der Wollwahn! Ich halte das nicht aus!“, aber Hein hört ihn nicht, er strickt im Akkord.


Es ist SpĂ€therbst, vielleicht auch schon FrĂŒhwinter, als ich das erste Mal wieder an jener Stelle am Bug stehe, von der aus man das Loch in der Klippe sehen kann.
Ich musste einfach raus. Die Kinder haben sich den ganzen Nachmittag lang gestritten, KÀptŽn BlaubÀr hat schlechte Laune deswegen und auch, weil Hein Blöd ein aus abgebrannten Streichhölzern gebasteltes Modell des Kölner Doms kaputt gemacht hat. Mir wurde es unter Deck einfach zu eng.
Die BĂ€ume sind lĂ€ngst kahl, ein kalter Wind blĂ€st vom Meer her. Tief sauge ich die frische Luft in meine Lungen. Es ist eisig kalt hier draußen, aber das macht mir nichts aus. Am Horizont versinkt die Sonne blutig rot in den Ozean, ich betrachte ihr Spiegelbild auf den Wellen und frage mich, wie es weiter gehen soll.
Die seltsame Wohngemeinschaft auf dem Schiff hat mich zwar ohne Weiteres aufgenommen, aber mehr als eine HaushĂ€lterin bin ich fĂŒr sie nicht. Die Bibliothek des KapitĂ€ns scheint fĂŒr mich tabu zu sein, BlaubĂ€r erfindet immer neue AusflĂŒchte, um mir nicht das Geheimnis der verborgenen TĂŒr zeigen zu mĂŒssen.
Gehe ich ins Dorf, bin ich ein Fremdkörper. Die BĂ€renleute sind zwar alle recht nett und grĂŒĂŸen freundlich, aber ich werde bestaunt wie ein Prinz aus Afrika in einem englischen Dorf.
Die BĂ€rchen mĂŒssen ihrem Lehrer von mir erzĂ€hlt haben, jedenfalls hat er mich gebeten, doch einmal in die Schule zu kommen. Ich kam mir vor wie ein Affe im Zoo.

Es zieht mich in die Tiefe. Hier vorn am Bug ist eine Strickleiter festgemacht, die der KĂ€ptÂŽn ausrollt, wenn er unten am Strand „nach dem Rechten sehen“ will. Wie alles auf dem Schiff ist sie perfekt gepflegt und gut befestigt. Ich steige hinunter und stehe bald am Strand, wo ich die in den Stein gehauenen Stufen direkt vor mir habe. Sofort beginne ich, hinaufzusteigen.
Ist es ein GerÀusch, eine Bewegung, ein Schatten, der mich aufsehen lÀsst? Oben an der Reling steht der blaue BÀr, nickt mir zu und winkt.
Von unten ist das Loch nicht zu sehen, ich frage mich, ob es wirklich existiert. Doch etwas in meinem Inneren treibt mich an, zwingt mich, die schwindelerregende Treppe nach oben zu steigen, so rasch es geht. Ich höre auf zu denken, ĂŒberlege nicht, was ich mache, wenn ich oben bin, ich steige einfach weiter. Mit der rechten Hand taste ich mich an der Wand entlang, bis meine Finger plötzlich ins Leere greifen. Es zieht mich regelrecht in die Klippe hinein, meine FĂŒĂŸe kommen kaum hinterher.
Den Abgrund sehe ich erst, als ich lĂ€ngst hineinfalle. Unter mir sehe ich Landschaften, HĂ€user, Menschen in einem rasenden Wirbel ineinander fließen. Ehe ich einen klaren Gedanken fassen kann, zieht es mich mit.


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Die EntschlĂŒsselung der Namen ist gut und schön, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass dem zuviel Bedeutung beigemessen wird. Überspitzt gesagt, könnte Malfoy auch MĂŒller-LĂŒdenscheid heißen, er wĂŒrde aber dieselbe finstere Figur bleiben.
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