von käfer
Der Kreis der schwarzen Kämpfer öffnet sich. Ein alter Mann tritt hervor, gekleidet in blendend weiße Gewänder, mit weißen, glatten Haaren und einem langen weißen Bart. In der Hand hält er einen langen weißen Stab. Er strahlt eine unglaubliche magische Macht aus. Magische Macht und – Gier nach meinem Smaragdring.
„Seid gegrüßt, Fremde“, sagt er mit sanfter Stimme, in der eine Spur Falschheit liegt. „Ich bin Saruman der Weise. Kommt mit, bei mir in Isengard seid Ihr sicher.“
Meine Gedanken setzen sich langsam wieder in Bewegung. Saruman der Weise also. DER WEISE. Wie anmaßend, sich selbst als weise zu bezeichnen. Professor Dippet hat einmal gesagt, die Bezeichnung „Der oder die Weise“ erhält man als eine Art Ehrentitel von anderen und es wäre absolut nicht weise, sich selbst so zu bezeichnen.
„Seid gegrüßt, Saruman“, entgegne ich langsam. „Ich bin Minerva. Ich danke Euch für Eure Einladung nach Isengard, aber ich kann sie nicht annehmen, da ich andere Pläne habe.“ Ich habe Angst und ich fürchte, in Isengard eingesperrt zu werden. Oder schlimmeres.
Sarumans Gesicht verfinstert sich eine Sekunde lang, dann lächelt er. Das Lächeln erreicht seine Augen nicht und es liegt eine ziemliche Portion Überheblichkeit darin. Sein Blick ist auf meine linke Hand gerichtet und ich spüre sein Verlangen nach dem Ring. Nur über meine Leiche! Und im Moment habe ich gerade keine Lust, zu sterben.
„Edle Minerva, Ihr macht einen großen Fehler. Die Orks werden zurückkommen.“
Orks heißen die schwarzen Krieger also. Sie sind brutale Kämpfer ohne viel Hirn, das habe ich vorhin gemerkt. Sie handeln nur auf Befehl. Der Anführer hat meinen Ring verlangt, also musste es ihm jemand aufgetragen haben. Saruman? Ich befürchte es.
„Macht Euch keine Sorgen um mich, Saruman. Ich komme zurecht, ich bin nicht unbewaffnet.“
„Meint Ihr das Holzstäbchen da?“
Ich halte meinen Zauberstab in der rechten Hand, doch sein Blick ist nach wie vor auf die Linke gerichtet und ich spüre die Gier immer deutlicher.
„Oh, in dem Stäbchen steckt mehr als Ihr glaubt.“ Ich deute eine Verbeugung an. „Es war mir eine Freude, Euch kennengelernt zu haben, Saruman. Auf Wiedersehen.“
Ich habe einen Hügel erspäht, dorthin will ich apparieren. Doch Saruman ist schnell. Mit seinem Elfenbein-Zauberstab hält er mich fest. Die Sache wird interessant.
„Was wollt Ihr von mir?“, frage ich betont scharf.
„Ihr habt etwas, das mir gehört.“
„Was denn?“
„Den Ring mit dem grünen Stein.“
Die Katze ist aus dem Sack. „Unter welchen Umständen ist er Euch denn abhanden gekommen?“ Ich packe meinen Zauberstab fester.
„Er wurde mir vor einigen Jahren gestohlen.“
„Vor einigen Jahren? Dann ist es nicht Euer Ring, Saruman. Dieser hier befindet sich seit hundertfünfzig Jahren im Besitz meiner Familie.“
Saruman ist mächtiger als ich. Doch ich fürchte ihn nicht. Ich habe keine Zeit, mich darüber zu wundern.
Anscheinend habe ich ihn wütend gemacht. Seine Augen sprühen vor Zorn, er fasst seinen Stab mit beiden Händen.
Ich mache mich auf ein hartes Duell gefasst.
Saruman bläht sich auf das Dreifache seiner normalen Größe auf und beugt sich vor.
Billiger Trick.
„Gib mir den Ring oder du bist des Todes!“, brüllt er und schleudert einen Blitz, den ich leicht ablenken kann. Ein großer Felsblock zersplittert und keinesfalls zufällig wird Saruman von einem Brocken getroffen.
„Der Ring gehört mir und ich werde ihn zurückbekommen!“
„Der Ring gehört mir und ich werde ihn behalten!“ Ich will den Ring mit ins Grab nehmen und nicht irgendeinem alten Mann überlassen.
„Dein letztes Wort, Minerva?“
„Mein letztes Wort, Saruman!“
Er versucht, mich zu töten. Ich wehre mich instinktiv, verteile Flüche, die ich bis dahin kaum kannte, versuche, Sarumans Elfenbeinstab zu zerstören. Das alles tue ich eher unbewusst, es ist, als ob mein Zauberstab von alleine agiert.
Der Kampf ist endlos, es wird schon dunkel, als ich endlich Zeichen der Erschöpfung bei meinem Gegner erkenne. Allerdings schnappe ich selber nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Wer dieses wahnsinnige Duell gewinnt, hängt wohl von der Kondition ab. Und Saruman, der aussieht, als wäre er zweihundert Jahre alt, kämpft wie ein junger Hüpfer.
Plötzlich ist alles in grünes Licht getaucht. Der Smaragd an meinem Finger erglüht, ich strecke Saruman die Faust entgegen, der Lichtstrahl trifft seine Augen. Er stößt einen Schmerzenslaut aus, stößt mit seinem Stock auf den Boden und ist verschwunden.
Er hat sich nicht unsichtbar gemacht, er ist wirklich weg, ich spüre keine Präsenz mehr. Doch was, wenn jetzt diese Orks wiederkommen? Die kann ich nicht spüren. Ich muss… mich… verstecken… und… ausruhen… Alles dreht sich um mich herum, ich sehe bunte Sterne und gleite ins Nichts.
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