von käfer
Ich erwache am hellen Vormittag von einem Piepsen, fahre hoch und muss mir die Augen reiben. Vor Yoda steht etwas, das aussieht wie ein Mülleimer auf Raupenfüßen. Das dunkelgrüne halbkugelige Oberteil dreht sich hin und her, darunter blinken Lichter. Das Ding ist es, das die Pieps-Laute ausstößt: Piep-piep – düdülü-piep. An der Seite fährt ein schwarzer steifer Arm mit einem Stecker heraus und stöpselt sich an einen grauen Kasten an, der gestern noch nicht da war. Aus diesem Kasten dringt nun eine blecherne Stimme: „Lagebericht. Im System Mulnatao sind imperiale Späher und Versorgungsschiffe aufgetaucht, die begonnen haben, die unterplanetaren Energiereserven anzuzapfen. Offenbar wird ein ständig bemannter Stützpunkt aufgebaut. Die Rebellen konnten ihre Basis rechtzeitig räumen und beseitigen. Prinzessin Leia befand sich nicht dort, sie wird mit unverminderter Intensität gesucht. Koordinaten des neuen Rebellen-Stützpunktes:“ Es folgen Zahlen, die mir nichts sagen. Yoda scheint zu wissen, was sie zu bedeuten haben, er sitzt mit ausgestreckten Ohren vor dem grauen Kasten und saugt die Zahlen förmlich ein, bis zum „Ende der Nachricht.“
„Err zwo A eins – in Wartestellung gehen!“
„Verstanden. Wartestellung“, spricht das Mülleimerding, zieht den Stecker aus dem Kasten und fährt mit kurzen Piepslauten nach draußen, wo ein Vehikel wartet, in dem es sich wieder anstöpselt. Gleich darauf heult das Vehikel auf und steigt in die Luft.
Yoda hat gemerkt, dass ich wach bin und winkt mich nach draußen: „Wir beginnen.“
Ohne Frühstück!
Aus unerfindlichen Gründen bleibt mir der Protest im Halse stecken und brav folge ich dem Grünling nach draußen.
Auf zwei Steinen setzen wir uns gegenüber; Yoda eröffnet das Verhör: „Dein vollständiger Name wie lautet?“
„Minerva McGonagall.“
McGonagall. Der Name, den mir Patrick gab. McGonagall. Ein Clanname. Aber den Clan McGonagall gab es schon lange nicht mehr, er wurde wie so viele andere Clans auch nach den Jacobitenaufständen im 18. Jahrhundert zerschlagen. Der Clan hat nicht überlebt, die McGonagalls schon. Ich hoffe wenigstens, dass noch jemand aus Patricks Sippe am Leben ist, dass sie nicht auch ausgelöscht wurde wie meine ganze Familie.
„Aus welchem Volk du kommst?“
„Schotten.“
„Wo die Schotten leben?“
Ich hexe mir eine Europakarte her und zeige es ihm. Meister Yoda schüttelt den Kopf und ist sichtbar erstaunt: „Dort nichts ist als Wasser. Doch Geschichten kursieren, das da Land einst gewesen ist.“
Mir klappt die Kinnlade herunter. Andererseits: diese seltsamen Wesen, merkwürdige Waffen, Vehikel, die ohne Pilot durch die Gegend fliegen – das konnte kaum die Erde sein, die ich kannte. Wer weiß, ob meine Seele nicht durch die Welten irren muss, weil sie aus Versehen im Körper geblieben ist.
Blödsinn. Ich bin immer noch ich mit all meinen Erinnerungen, meinem Wunsch zu sterben, aber auch mit all meinem Wissen und Können. Vielleicht ist es eine Laune des Schicksals, dass ich nicht sterben darf, weil ich einfach noch nicht dran bin? Vielleicht gibt es einen Grund, warum ich diese eigenartige Reise durch die Welten absolvieren muss. Denn dieses oberflächlich-fröhliche Blumenland hatte gar nichts mit der strengen Gemeinschaft auf der alten Avalon-Insel und den spukigen Ruinen gemeinsam und alles unterscheidet sich völlig von der gefährlichen Gegend hier. Dieser Yoda tut zwar freundlich, aber warum lässt er mich nicht einfach meiner Wege gehen? Warum fragt er mich so aus? Der will alles wissen: wie alt ich bin, wer meine Familie war, was ich gelernt habe und es interessiert sich unglaublich für meinen Zauberstab und was ich damit machen kann. Was hat er vor?
Ich habe die Nase voll davon, ausgefragt zu werden. Und das ohne Frühstück! Jetzt drehe ich einfach den Spieß um: „Worin bist du Meister, Yoda?“
Ich duze ihn, schließlich duzt er mich auch.
„Der Jedi-Meister ich bin.“
Als ob ich Fremde wissen müsste, was ein Jedi ist! Also frage ich nach. Yodas Gesicht verfinstert sich für einen Moment, dann grinst er und sagt: „Schwer zu erklären das ist. Jedi die besondere Gabe haben, zu nutzen die Macht.“
Ich schaue wohl ziemlich dumm aus der Wäsche, das Grinsen wird immer breiter und mein Bedürfnis, ihn zu erwürgen, wächst.
„Einen uralten Orden die Jedi bilden.“
Schön. Und?
Yoda sitzt da und schweigt und guckt geradeaus. Aha, der Herr wollen gefragt sein. Also tue ich ihm den Gefallen. Und er antwortet tatsächlich, erklärt richtig ausführlich. Diese magie-ähnliche Gabe, die man haben muss, um als Jedi ausgebildet zu werden, lässt sich anhand der Konzentration von winzigsten Teilchen im Blut messen. Außerdem äußert sich die Gabe oft schon im frühen Kindesalter in überdurchschnittlichem technischen Verständnis und Talent für die Fliegerei. Die jungen Jedis werden darin geschult, die Gabe zu nutzen und wenn sie das Jünglingsalter erreicht haben, befindet der Rat der Jedi-Ritter, dessen Vorsitzender Yoda ist, ob einer würdig ist, zum Jedi-Ritter zu werden, das heißt, in tiefere Geheimnisse eingeweiht zu werden.
Und wenn ich das Ganze richtig verstanden habe, ist es kein Problem und ganz normal, zwischen Galaxien hin und her zu fliegen, es gibt sogar künstlich geschaffene Planeten!
Das jagt mir eine gewaltige Gänsehaut über den Körper; in meinem Kopf tut sich eine ganze Liste von Fragen auf. Aber jetzt sind wir bei den Jedis.
„Seid ihr viele?“
Yodas Antlitz verfärbt sich grau, der ganze Kerl sinkt in sich zusammen und krümmt sich, die langen Ohren hängen traurig herab. „Nicht mehr“, sagt er leise.
„Was ist passiert?“, frage ich und ahne bereits die Antwort. Es gibt viele Parallelen zwischen Jedi und Magiern…
„Einer, der sich der dunklen Seite hat verschrieben… Er hat getötet und vernichtet die ganze Jedi-Schule…“
„Dieser schwarzgekleidete mit dem roten Gesicht?“ Ein neuer Schauer rinnt mir den Rücken hinunter.
„Das nur ein einfacher Diener der dunklen Seite ist.“
Yoda versinkt in Trauer, doch ich MUSS die Frage stellen: „Gibt – oder gab – es auch Frauen unter den Jedis?“
Mein Gegenüber hebt den Kopf wieder, die Ohren richten sich auf, er sieht mich an. „Ganz wenige, nur einzelne Frauen die Gabe haben. Warum, niemand weiß. Doch gerade jetzt ein junges Mädchen lebt, sie von ihrer Gabe noch nichts weiß.“
„Prinzessin Leia?“
Yoda nickt nur.
Ich wage nicht, mich zu rühren. Jeglicher Gedanke an das Frühstück ist weg. Ich vergleiche das, was Meister Yoda mir über die Jedi erzählt hat, mit dem, was ich über die Träger der Gabe der Magie weiß. Es gibt unglaubliche Parallelen. Immer, immer, immer gab und gibt es Menschen, die die Macht, die sie von Natur aus besitzen, missbrauchen, sei es aus Besitzgier oder um über andere zu herrschen. Die dunklen Gestalten, die Patrick getötet haben, finden hier ihre Entsprechung in den Sith. Das sind im Prinzip ehemalige Jedis, die sich der Dunkeln Seite der Macht zugewandt haben.
Sorgfältig sortiere ich die Liste von Fragen in meinem Kopf. Es ist fast Mittag, als ich es wage, Yoda anzusprechen: „Meister Yoda, ich bin fremd hier. Wärt Ihr so freundlich, mir noch einige weitere Fragen zu beantworten?“
„Sprich! Auf der Seele dir einiges lastet.“
Ich frage, Yoda antwortet. Und mit jeder Antwort rutscht mein Herz weiter in die Hose. Von der Welt, die ich gekannt habe, existiert fast nichts mehr. Das Klima hat sich verändert, die britischen Inseln und andere Teile von Europa existieren längst nicht mehr, wo früher sibirischer Dauerfrostboden war, befindet sich ein schier undurchdringliches Moor, während in Europa nahezu tropisches Klima herrscht, ist Afrika eine Eishölle geworden. Die Menschen sind größtenteils ausgewandert und haben sich über das Universum verteilt und neue Völkerstämme gebildet.
Dann stellt Yoda wieder Fragen über die Erde, die ich kenne. Und mir sinkt das Herz weiter.
Schließlich sagt er: „Ich denke, durch ein Zeitloch du gefallen bist.“
„Ein… Zeit…. Loch…“, stammele ich und beginne zu frieren.
Ist das des Rätsels Lösung? Meine Seele kann sich nicht von ihrem Körper lösen und trudelt nun haltlos durch die Zeit? Das Blumenland, die Insel der Jungfrauen – gleicher Ort, nur andere Zeit?
Befindet sich das Zeitloch in dieser Schlucht, in die ich gesprungen bin? Findet man in der Schlucht ohne Wiederkehr die Leichen der Selbstmörder nur deshalb nicht, weil es einfach keine gibt? Weil sie alle durch das Zeitloch fallen?
Bei uns in Schottland kursierten Geschichten von Leuten, die durch Steinkreise gegangen und in der Vergangenheit gelandet sind. In der Vergangenheit, nicht in der Zukunft. – Aber: diejenigen, die zurückgekehrt sind, sind doch quasi in die Zukunft gesprungen? Oder ist das nicht dasselbe?
Steinkreise sind magische Orte. – Aber: habe ich nicht auch Magie gespürt, dort am Rand der Schlucht?
Allerdings: Die Zeit ist etwas Augenblickliches. Man kann sich nicht in ihr bewegen.
Oder doch?
Yoda legt mir seine Hand auf die Schulter. Tröstliche Wärme geht von ihr aus. „Einsam du dich fühlst, verwirrt du bist. Sicher du zurück zu deiner Familie willst.“
„Ich habe keine Familie mehr.“
„Bist du in einem Tempel groß geworden, so wie die Padawans lernen?“
„Nein“, erwidere ich zögernd, „aber so ähnlich.“ Und ich erzähle ihm von Hogwarts und der magischen Gemeinschaft. Ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals Sehnsucht nach der Schule empfinden würde, doch die Erinnerung tut wahnsinnig weh.
Yoda schweigt lange, ehe er antwortet: „Großen Schmerz ich fühle in dir, Schmerz und Trauer und Ratlosigkeit du empfindest. Keinen Zorn du spürst, das ist gut. Einen Weg wir finden werden, wenn wir meditieren.“
„Meditieren – wie macht man das?“
„Eine Jedi du nicht sein kannst, weil keine Midichlorianer du hast. Aber eine Art Macht ich spüre in dir. Ausbilden ich dich werde. Bleiben du kannst bei mir, bis ich Erde verlassen und einen abgelegeneren Planeten aufsuchen werde. Sofort beginnen wir werden.“
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