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Fanfiction

Die Wanderungen der Minerva - Sandsteinwelt - 1

von käfer

Die vierte Welt (Geschrieben unter dem Eindruck der Flut von 2013. Die zerklüftete Felslandschaft ist die Sächsische Schweiz in ?? Jahren [hoffentlich nie!!!], die Figuren stammen aus dem Star-Wars-Universum)


Ich sitze unter einem natürlichen Felsentor in grauem Sand, den Rücken an eine gelbgraue Gesteinswand gelehnt. Links und rechts rauschen graue Regenvorhänge herunter, von der Welt dahinter ist nichts zu erkennen.
Ich fühle mich ausgelaugt, zu Tode erschöpft und unendlich müde, bin kaum in der Lage, den kleinen Finger zu bewegen. Mein Kopf ist leer, jeder Gedanke löst sich auf, ehe ich ihn auch nur halb gedacht habe. Verloren starre ich in den Regen. Die Regenschnüre verschwimmen, verschmelzen mit der Felswand, bilden flimmernde Wirbel.
Stunden später – oder Tage? – liege ich im Sand. Vor meinen Augen laufen Ameisen hin und her. Sie schleppen alle etwas – Tannennadeln, kleine Holzstückchen, Blattreste. Das Gewimmel erinnert mich an die Felder und Wiesen von Sir Featherline zur Erntezeit. Der Großgrundbesitzer schaffte es jedes Jahr aufs Neue, nahezu alle Bewohner der umliegenden Dörfer als Erntehelfer zu bekommen, ob die Leute nun seine dienstverpflichteten Pächter waren oder freie Kleinbauern. Selbst dreijährige Kinder mussten mitmachen und vergessene Grashalme oder liegengebliebene Kartoffeln einsammeln. Lohn bekamen freilich nur die Erwachsenen. Featherline, der sich mit „Lord“ anreden ließ, obwohl er keiner war, ritt den ganzen Tag umher und passte auf.
Meine Großtante, die einmal kam, um ihre Schwester zu besuchen und dabei den Lord zu Gesicht bekam, meinte, seine Tage wären gezählt. Alle haben gelacht; Featherline sah aus wie die Gesundheit in Person. Doch Tantchen Martha sollte Recht behalten, nur Wochen nach diesem Besuch fiel Sir Featherline tot vom Pferd.
Alle hofften, dass die Schinderei nun vorbei war, doch Lady Featherline trieb die Leute noch schlimmer an als zuvor ihr Mann, bis ihr eine vom Mut der Verzweiflung getriebene Magd Feuer unters Bett machte.

Etwas sticht mich in den Handrücken. Eine Ameise hat zugebissen. Ich habe keine Kraft, das Tierchen abzuschütteln. Die große schwarze Ameise ist das letzte, was ich sehe.

Keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe, bewusstlos war oder unterwegs im Raum zwischen Leben und Tod. Das goldene Licht kommt jedenfalls von der realen Sonne und die leise Musik stammt von echten Vögeln, die in der Nähe singen. Ich liege noch immer unter dem grauen Felsentor. Warum konnte ich nicht in jenem Traumland bleiben?
Ich war im Gebirge unterwegs, talaufwärts. Man hatte mir gesagt, weiter oben im letzten gastlichen Haus würde ich finden, was ich suche. Anfangs glaubte ich, dass es jenes enge, tiefe Tal in der Schweiz war, das ich einst gemeinsam mit Patrick durchwandert hatte, dieses traumhafte Fleckchen Erde, wo Wasserfälle hoch oben über die Kante von steilen Felswänden stürzten und auf dem Weg nach unten zerstoben. Das Tal, in dem ich mich in meinem Traum befand, war jenem ähnlich, aber es war um vieles schöner. Auf halber Höhe hatte man ein Plateau aus dem Felsmassiv gehauen und darauf Gebäude errichtet. Die Wässer flossen mitten hindurch, um anschließend in Stufen lieblich zu Tale zu plätschern, vorbei an üppigen, unglaublich grünen Pflanzen. Die weiten Räume waren hell und luftig, geschmückt mit wunderschönen Bildern und Wandteppichen. Balustraden und Säulen waren aus Stein gemacht, doch wirkte alles so leicht und luftig wie Seide. Von Ferne klang Musik, Flöten und Gesang, ruhig und getragen, voller Leben. Ich konnte ungehindert umherwandeln, niemand war zu sehen. *)
Patrick war nirgends zu entdecken. Ein Mann kam mir auf einem schneeweißen Pferd entgegen. Für einen Moment glaubte ich, es sei Patrick, doch ich hatte mich getäuscht, es war nicht Patrick und es war auch kein gewöhnlicher Mann. Vielleicht war er Herrscher, jede einzelne seiner geschmeidigen Bewegungen wirkte vornehm und strahlte natürliche Autorität aus. Der Fremde war groß und schlank, trug schlichte, aber sehr edle Kleider aus einem Tuch, das ich noch nie gesehen habe. Sein seidig-glattes, nach hinten gekämmtes Haar wurde von einem schmalen Goldreif gehalten. Der Herr sprach nicht, er sah mich nur an. Ich wurde von seinem Blick aufgesogen, versank förmlich in den schwarzen Augen und wünschte mir, ich könnte für immer dort bleiben und die Schönheit betrachten.
Doch ich bin hier wieder aufgewacht, liege da und fühle mich betrogen.
Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als aufzustehen und mich auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen oder nach einer Stelle, von der aus ich mich zu Tode stürzen kann.
Auf der einen Seite des Tores finde ich einen großen Platz, dort steht ein Haus. „Gasthaus“ kann ich die Schrift an der Wand gerade noch erkennen. Ich eile darauf zu, doch ich werde enttäuscht. Das Gasthaus ist geschlossen und das nicht nur, weil ausgerechnet heute Ruhetag ist. Überhaupt sieht es aus, als wäre schon ewig kein Mensch mehr hier gewesen.
Ich scheine mich irgendwo weit oben zu befinden, das Gelände ringsum ist abschüssig. Ein Weg führt den Berg hinunter; Bäume liegen kreuz und quer darüber, so weit das Auge reicht. Dieser Pfad ist für mich im Moment unpassierbar; lange Schatten künden das Hereinbrechen der Nacht an.
Notgedrungen kehre ich um. Auf der anderen Seite des steinernen Tores ist ein schmaler Sims. Das verfaulende Holzgeländer bietet keinesfalls Halt. Ein verwitterter Pfeil zeigt nach rechts. Vorsichtig taste ich mich an der Wand entlang und finde einen schmalen Durchschlupf. Im Licht meines Zauberstabes entdecke ich, dass der Gang nach ein paar Schritten links abbiegt. Der Boden sieht aus, als wäre er von unzähligen Füßen ausgetreten. Die Steinstufe, über die ich in die kleine Höhle gelange, hat eine Kuhle.
Durch ein Loch in der Felswand sehe ich eine Gewitterwolke, die rasch größer wird und näherkommt. Schon grollt es in der Ferne, so dass ich beschließe, in dem Loch zu bleiben.

Es wird eine unruhige Nacht. Bald nachdem sich das Gewitter verzogen hat, höre ich Schritte, in deren Rhythmus Metall klappert, dazu Männerstimmen: Reden, Lachen, Schimpfen. Schläge, Stöhnen, Fluchen.
Eine Weile ist es ruhig, dann sind wieder Männer unterwegs. Leiser diesmal, ungleichmäßige Schritte, huschend, schleichend, keine Gespräche. Ein Ast knackt überlaut, der darauffolgende Fluch bricht in der Mitte ab. Ein unheimliches, pfeifendes Jaulen ertönt, ein Schrei, etwas raschelt, etwas fällt, dann ist es lange still.
Am Morgen krieche ich aus dem Loch und spähe über den Rand des Simses. Es geht weit hinunter. Unten gibt es ein paar nackte Felsen, wenn man dort gut aufschlägt, bricht man sich das Genick.
Nur Sekunden später stehe ich am Fuß der Felswand und wundere mich ein wenig. Statt eines beherzten Kopfsprunges habe ich einen magischen Hüpfer gemacht und bin ganz sanft mit den Füßen zuerst auf dem Boden aufgekommen. Seufzend mache ich mich auf den Weg ohne Ziel, ich laufe einfach der Nase nach bergab.
Es ist noch sehr früh am Morgen, der Boden unter meinen Füßen fühlt sich kalt und feucht an, die Sonne geht gerade erst auf. Eine Amsel fliegt laut schimpfend von ihrem Ast auf, vor Angst oder Ärger kackt sie im Flug. Ich kümmere mich nicht um den Klecks auf meinem Busen, stolpere weiter durch das Unterholz, bemüht, so viel Raum zwischen mich und das Felsentor zu bringen wie möglich. Meine Angst ist irrational, das weiß ich; ich war völlig allein dort oben. Dennoch rase ich bergab. Ich kämpfe mich durch das Unterholz, bleibe hängen, stolpere, bekomme Zweige ins Gesicht. Erst als ich einen Wildwechsel erreiche, komme ich besser voran.
Hinter einer Biegung schimmert etwas Helles im Gebüsch. Dass das kein Stein ist, sehe ich auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick denke ich, dass es Patrick ist, der dort zwischen den Büschen liegt. Ich riskiere einen dritten Blick. Der Mann ist viel größer und massiger als Patrick, mit nichts bedeckt als gekräuselten rotblonden Haaren und hat ein ziemlich großes Loch im Hinterkopf. Spuren ringsum verraten, dass zwei stiefeltragende Männer den Toten entkleidet haben, sie sind anschließend nach rechts gegangen. Schaudernd wende ich mich nach links.
Ein Fehler, wie sich nach wenigen Schritten herausstellt. Den steilen Weg herauf kommen keuchend drei Männer in enganliegender schwarzer Kleidung mit glänzenden Helmen auf dem Kopf, gewehrähnliche Dinger griffbereit. Dummerweise ist der Wald hier so licht, dass ich nicht anders kann als mich seitlich davonzumachen. Nicht schnell genug, wie ein erschrockener Ausruf erkennen lässt: „Da! Ein Gespenst!“
„Quatsch!“, lacht einer der Männer, „es gibt keine Geister.“
„Da wär ich mich nicht so sicher. Es gibt jede Menge Geschichten über Geräusche und Erscheinungen zwischen den Felsen. Irgendwas Wahres muss doch daran sein.“
„Diebe und Schmuggler, weiter nichts!“, mischt sich der dritte ein. „Kommt weiter und seid leise, für den Fall, dass noch jemand in der Nähe ist.“
„Die sind über alle Berge, darauf verwette ich mein Ersatzknie.“
Schweigend, aber nicht weniger schnaufend stapfen die drei weiter bergan. Ich atme auf, sie haben mich vergessen. Mit Patrick an meiner Seite wäre das nicht passiert, er hätte mich rechtzeitig hinter einen Baumstamm geschoben und mit einem Tarnzauber belegt. Ich fühle mich hilflos, schutzlos, ausgeliefert.
Vielleicht finde ich weiter unten im Tal Häuser, Menschen, Essen. Leise gehe ich weiter. Nichts ist zu hören, bis unter meinem Fuß ein Ast knackt, laut wie ein Schuss. Ich werfe mich zu Boden. Drei Sekunden später knallt und pfeift es um mich herum, ein Geschoss schlägt in den Baumstamm neben mir.
Ich bin aber auch blöd! In meinem weißen Kleid bin ich selbst hier im Wald bestens zu sehen, die perfekte Zielscheibe. Ich bleibe einfach liegen und tarne mich mit einem Desillusionierungszauber. Die Männer, leiser diesmal, kommen näher. Als einer beinahe auf mich tritt, bleibt mir nichts anderes als mich zu verwandeln und sichtbar zu werden. Fauchend springe ich mit ausgestreckten Fingern auf den Mann zu, treffe ihn am Helm und rase im Katzengalopp bergab. Leuchtende Spuren zischen beängstigend nahe an meinem Kopf vorbei.

*) Das ist natürlich Bruchtal aus Mittelerde


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