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Fanfiction

Die Wanderungen der Minerva - Die dritte Welt - 1

von käfer

Die Stadt im ersten Teil wurde inspiriert von Yadegar Assisis Panoramabild "Das alte Rom", bei den Soldaten standen vermutlich die Römer aus den Asterix-Filmen Pate, der Rest ist eigene Erfindung.



Ich fühle mich, als würde ich kopfunter, kopfüber eine steile Treppe hinunterfallen. Es heult und pfeift in meinen Ohren, später kommt noch ein rasselndes Geräusch wie von wandernden Kakerlakenschwärmen dazu.
Endlich bleibe ich liegen. Knie und Gesicht fühlen sich an, als würden sie auf grobem Sand liegen, in meine Rippen presst sich eine Kante. Das Heulen und Pfeifen vergeht, das Kakerlakenrasseln bleibt.
Mühsam stemme ich mich hoch, mir schmerzt jeder einzelne Knochen. Wahrscheinlich bin ich wirklich eine riesige Treppe hinuntergerollt, vor meinen Augen türmen sich steile Stufen bis in den Himmel. Das rasselnde Geräusch stammt zum Glück nicht von Kakerlaken, sondern von großen rötlichen Sandkörnern, die von einem stetigen heftigen Wind über die Treppe und den Platz getrieben werden, der sich zu meinen Füßen ausbreitet.
Wo bin ich denn jetzt wieder herausgekommen? Undeutlich erinnere ich mich an den Schlund, in den ich gesprungen bin, in dem Glauben, dass es endlich zu Ende geht mit mir. Es ist nicht zu Ende, ich stehe hier mit schmerzenden Gliedern, also lebe ich. Wieso? Warum kann ich nicht irgendwo aufprallen und mir dabei das Genick brechen? Was habe ich hier in dieser Einöde verloren? Die Gebäude – Festungen oder Paläste oder Mietskasernen, was weiß ich – sind definitiv verlassen. Nirgendwo regt sich auch nur das winzigste Zeichen menschlichen Lebens. Nur der Wind bläst und treibt Sandkörner vor sich her.
Die Sonne knallt von einem stahlblauen Himmel herab. Unter meinen Füßen ist es heiß, der Wind kühlt nicht. Die Schatten der Häuser sind winzig, ich drücke mich an den Mauern entlang. Abkühlung bringt es nicht, die Wände strahlen eine unglaubliche Hitze ab, ganz so, als würde im Inneren ein gewaltiges Feuer lodern.
Neugierig spähe ich in den einen oder anderen Durchgang. Nichts als stickige, dunkle Schwärze ist zu erkennen. Nur einmal sehe ich in einem schwarzen, leeren Raum ein weißes Einhorn mit smaragdgrünen Augen, doch es verschwindet, als ich mich ihm nähere.
Anscheinend bin ich ganz allein hier, ohne etwas zu essen und vor allem ohne einen einzigen Schluck Wasser. Die Becken sind entweder leer oder voller Sand, je nachdem, wo sie sich befinden.
Mit dem Wind im Rücken laufe ich aufs Geradewohl los. Vielleicht verdurste ich hier – je eher, desto besser, auch wenn verdursten nicht gerade das Ende ist, das ich wählen würde. Als ich an einer Seitengasse vorbeirenne, höre ich neue Geräusche – Schritte und Männerstimmen. „…Mädchen… entlaufene Sklavin… holen wir uns…“ Während die ersten Worte noch undeutlich sind, verstehe ich den letzten Satz übergenau: „Heute Abend werden wir Spaß haben.“
Aber nicht mit mir! Voller Panik springe ich durch eine von vielen schmalen Öffnungen zu meiner Rechten. Dahinter ist weiter nichts als ein halbdunkler, kühler Gang, der sich an der ganzen Gebäudefront entlang zieht. Voller Angst presse ich mich innen gegen die Mauer. Meine Fußspuren können mich nicht verraten, wenigstens dazu ist der Wind gut. Draußen sind die Männer; sie suchen nach mir. Ich kann vier Stimmen unterscheiden.
Was würde Patrick jetzt tun? Wie sehr wünsche ich mir, er wäre jetzt an meiner Seite, würde sagen: „Beruhige dich, ich mach das schon.“ Doch er ist nicht da. Niemand ist bei mir. Ich muss selber sehen, wie ich hier rauskomme. Ich höre die Männer draußen: „Weit kann die nicht fort sein.“ - „Die muss doch hier irgendwo stecken.“
Zitternd presse ich mich gegen die rauen Steine und wünsche, ich könnte in der Wand verschwinden. Mein Herz hämmert, die Angst lähmt die Gedanken.
Wenn die Kerle alle in den Gang kämen, könnte ich versuchen, wegzulaufen, doch so dumm sind sie natürlich nicht. Stattdessen fangen sie an, mit Stangen durch die Öffnungen zu spießen. Dabei fluchen sie laut und unflätig.
Da dämmert es mir: die Männer passen wahrscheinlich nicht durch die schmalen Schlitze im Mauerwerk. Ich schöpfe ein klein wenig Hoffnung. Eng an die Wand gepresst versuche ich einen ungesprochenen Desillusionierungszauber. Beim dritten Mal klappt es, mein weißes Kleid verschwimmt mit der grauen Umgebung. Jetzt muss ich bloß noch stillhalten und darauf hoffen, dass die Männer aufgeben.
Ich bekomme einen Krampf im Bein. Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit, bis die Kerle sich entfernen und ich wagen kann, mich ein bisschen zu bewegen. Mein Kleid raschelt und ich erschrecke. Am Ende verrate ich mich noch durch Geräusche – bloß nicht! Zum Glück habe ich einige Schleichzauber auf Lager – unabdingbar, wenn man zu verbotenen Zeiten an verbotenen Orten wandelt. Es ist bestimmt nicht gelogen, wenn ich sage, dass ich von den Mädchen aus meiner Klasse diejenige war, die am häufigsten nachts in Hogwarts unterwegs war – aber erwischt worden bin ich nie. Allerdings habe ich auch nie das Bedürfnis verspürt, die dunklen Dinge, von denen ich in den alten Büchern der verbotenen Abteilung gelesen hatte, auszuprobieren. Es hat mich schon mit Grauen erfüllt, zu wissen, was alles möglich war. Dennoch glaube ich, dass Professor Dumbledore wusste, dass ich unten quasi Stammgast war. Der Blick, mit dem er mich bedachte, nachdem ich Chrystal Weddingsfield in die Krankenstation geschleift hatte, sagte mir, dass er Bescheid wusste. Hätte ich aber nicht erkannt, das Chrystal vermutlich einen Verklump-Fluch abbekommen hatte, wäre sie qualvoll erstickt; die junge Heilerin konnte mit den Symptomen nichts anfangen. Dumbledore hat mich nicht gefragt, woher ich wusste, wie die Folgen eines Verklump-Fluches aussehen, also brauchte ich auch nicht zuzugeben, dass ich in einem schwarz markierten Buch gelesen hatte, aber ich bin sicher, dass er die Wahrheit kannte. Einen Monat habe ich durchgehalten, dann hat mich die Sucht nach den alten Büchern wieder hinausgetrieben.
Das hilft mir aber jetzt nicht weiter. Vorsichtig spähe ich um die Ecke. Die Männer sind nur ein paar Schritte von mir entfernt. Jetzt wird auch klar, warum sie mir nicht einfach in den Gang gefolgt sind: sie sind viel zu groß und zu kräftig, um durch eine derart schmale Öffnung zu passen. Ihre Körper stecken in leichten Rüstungen, das, was man zu sehen bekommt, lässt auf ziemliche Kraft schließen. Vorsichtig drücke ich mich an der Wand entlang rückwärts, bis ich eine Gasse auf der anderen Straßenseite finde, in die ich möglichst geräuschlos husche. Ein letzter Blick – ich bin davongekommen.
Nicht für lange, denn während ich noch unschlüssig dastehe und überlege, was ich tun soll und mich frage, was Patrick wohl tun würde, kommen die nächsten Männer anmarschiert, zwei Dutzend Soldaten in Reih und Glied, nicht weniger groß und muskelbepackt als die ersten, aber sie tragen keine Rüstungen aus Metall, sondern steife Lederwämser. Nur der fünfundzwanzigste, der sie kommandiert, schleppt die volle Rüstung und schwitzt darunter wie ein Pferd. Die Truppe stapft so dicht an mir vorbei, dass ich den scharfen Männerschweiß riechen kann. Ekelhaft.
Patrick hat nie so gestunken. Mit Wehmut erinnere ich mich an seinen besonderen Duft, der mich rasend machte vor Verlangen, sobald er in meine Nähe kam. Dann genügte ein einziger Blick, eine winzige Berührung und wir fielen übereinander her, verloren uns in Küssen und Umarmungen, vergaßen Zeit und Raum. Nichts war schöner als nach einem innigen Beisammensein eng aneinandergekuschelt einzuschlafen.
Dies wird es für mich nicht mehr geben, nie mehr. Selbst wenn ich gegen meinen Willen überleben sollte, werde ich nie mehr mit einem Mann schlafen. Das bin ich Patrick einfach schuldig.
Upps! Im letzten Moment fahre ich zurück und presse mich wieder an die Mauer. Eine neue Gruppe im Gleichschritt marschierender Lederwamsträger kommt aus der Gasse, sie biegen ab zu dem Platz mit der Treppe. Mir bleibt gerade Zeit für einen tiefen, erleichterten Atemzug, dann schlendern vier Offiziere – ich nehme jedenfalls an, dass die Männer in Rüstung Offiziere sind – an mir vorbei. Sie haben offenbar dienstfrei und sind auf der Suche nach Frauen. „…habe die Beischläferinnen satt.“ – „Es ist wie Dienst, mit denen auf die Matte zu gehen. Ich will endlich mal eine, die macht, was ich will und nicht umgekehrt.“
Mein Herz setzt einen Moment aus, nur um dann umso lauter und schneller zu schlagen. Kalter Schweiß läuft mir den Rücken hinunter.
„Ich bin so scharf, dass ich schon Weibergeruch in der Nase habe.“
Zwei der drei anderen Männer lachen.
Ein Staubkorn kitzelt in meiner Nase. Wenn ich jetzt niesen muss, bin ich geliefert. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so angestrengt, stille zu halten.
Der größte und älteste der vier, der bis jetzt geschwiegen hatte, sagt: „Wenn ihr weiter so lärmt, werdet ihr keinen Erfolg haben. Die Wachen hören euch Längen gegen den Wind und bringen die Weibchen in die Löcher, wo wir nicht hinkommen. Vor allem müssen wir aber weg vom Stützpunkt.“
Mit zustimmendem Knurren fallen sie in Laufschritt.
Kaum ist die eine Gruppe Soldaten fort, nähert sich die nächste. Urplötzlich kommen sie von überallher anmarschiert, immer zwölf oder vierundzwanzig Mann im Gleichschritt, vorneweg ein Offizier. Nur mit Mühe und Not und unter Aufbietung all meiner magischen Kräfte schaffe ich es, wieder in den Laubengang zu gelangen. Ich streiche um das Gebäude, bis ich einen Eingang finde. Er besteht aus einer schweren Tür, die nur von der Straße aus über eine Freitreppe zu erreichen ist. Keine gute Idee, wenn eine ganze Arme hier entlangmarschiert. Hastig ziehe ich mich in den Schatten zurück. Ich bezweifle, dass diese Soldaten meiner Bitte nachkämen, mich zu töten. Ich will schnell und schmerzlos sterben und vorher auf gar keinen Fall vergewaltigt werden. Verhungern und verdursten kommt auch nicht in Frage, also muss ich mich in Sicherheit bringen und dann weitersehen.
Über meinem Kopf befinden sich Öffnungen in der Wand, wenig größer als Schießscharten. Ein Mensch kann dort nicht hindurch, aber eine Katze. Noch nie habe ich versucht, mich mitten im Magischen Sprung zu verwandeln. Wenn ich es jetzt nicht schaffe, pralle ich mit voller Wucht gegen die Mauer. Wenn ich wüsste, dass ich mir dabei das Genick breche, würde ich es tun, aber ich glaube nicht daran. Wieso habe ich mir eigentlich bei diesem Sturz von der Treppe nicht das Genick gebrochen? So etwas überlebt man normalerweise nicht!

Ich habe es geschafft, sitze oben in dem Loch und spähe in einen weiten, hallenartigen Raum, in dem unendlich viele dicke Säulen die oberen Etagen tragen. Den Boden kann ich nur verschwommen erkennen. Ich muss turnen und mich mit den Händen in der Lücke festhalten, langmachen und dann kann ich mich verwandeln. Es sieht bestimmt nicht sportlich-elegant aus, aber das ist mir egal, das Landen auf Katzenart ist einfach zu schmerzhaft.
Der Boden unter meinen Füßen besteht aus rauen, kalten Steinplatten. Der ganze Raum ist dämmrig und kalt und die Luft fühlt sich feucht an. Ganz deutlich spüre ich in meiner Nähe eine große Menge Wasser. Wo kommt es her? Merkwürdig still ist es hier drin. Es ist, als ob alle Geräusche gedämpft werden, selbst das Rascheln meines Kleides dringt nicht bis an mein Ohr. Ich schnippe mit den Fingern. Nein, taub bin ich nicht.
Wozu mag diese Halle nur gedient haben? Sie ist alles andere als wohnlich, geradezu unheimlich. Der Geisterkeller in Hogwarts war gemütlicher, sofern keine Kopflosen-Jagd hindurchpreschte.
Vor den Soldaten bin ich sicher. Was tun die hier? Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Die Stadt ist verlassen, und doch sind hier hunderte, wenn nicht gar tausende Soldaten stationiert. Wie ein zartes Pflänzchen keimt Neugier in mir auf. Doch ehe ich der nachgeben kann, muss ich meine dringendsten Bedürfnisse befriedigen und etwas zu mir nehmen. Ich schüttele die Furcht ab und konzentriere mich auf die Wasseransammlung. Langsam, immer wieder innehaltend und lauschend nähere ich mich dem Reservoir und finde schließlich in der Mitte des riesigen Raumes eine Zisterne. Nun muss ich doch Licht machen.
Das Wasser ist klar und frisch, als käme es direkt aus einer Quelle. Ein Blick in die Tiefen der Zisterne offenbart es mir: sie wird von einer unterirdischen Quelle gespeist und hat oben eine schmale Rinne als Ablauf.
Mit gedämpftem Zauberstablicht schaue ich mich um. Über dem Wasserbecken befindet sich eine Klappe, vermutlich wurde hier Wasser geschöpft. In einiger Entfernung entdecke ich eine Treppe, die an einer Falltür endet. Ein Alohomora-Zauber lässt den Riegel zurückschnappen, gedämpft quietschend öffnet sich die Tür. Vorsichtig winde ich mich durch die Klappe und gelange in einen kleinen, kahlen Raum. Es ist heller und wärmer als unten, aber genauso leer. Das Nebenzimmer diente früher vermutlich als Küche. Einziger Hinweis darauf ist eine gemauerte Feuerstelle unter einem rußgeschwärzten Rauchabzug. Der ganze Palast ist ausgeräumt. In vergangenen Zeiten waren Tür- und Fensteröffnungen einmal von Vorhängen bedeckt, jetzt zeigen nur noch Löcher in den Mauern die Stellen, an denen sie befestigt waren. Es gibt keine zurückgelassenen Möbelstücke, keine zerbrochenen Alltagsgegenstände, keine vergessenen Lampen, kaum dass eine Staubschicht den Fußboden bedeckt – der Alptraum eines Archäologen. „Stell dir vor, du hast endlich eine uralte Siedlung gefunden und dann erfährst du rein gar nichts über die Bewohner, weil die genügend Zeit hatten, beim Auszug ihre Besitztümer ordentlich einzupacken und mitzunehmen.“ Und wenn dann der Geldgeber der Expedition keine Gnade kannte, bedeutete das den Ruin des Grabungsleiters. Hector Mulciber, meinem Cousin dritten oder vierten Grades war es so ergangen. Weil seine magischen Fähigkeiten zu wünschen übrig ließen, hatte er Hogwarts nach der dritten Klasse verlassen, war auf eine Muggel-Highschool gegangen und hatte Archäologie studiert. Wenn er von den alten Ägyptern erzählte, saßen wir Kinder mucksmäuschenstill und lauschten verzückt. Hector, der seine Doktorarbeit mit Summa cum laude abgeschlossen hatte, arbeitete heute in London in einem Museum als Wächter und zahlte immer noch seine Schulden ab.

Ich spähe aus einem zur Straße führenden Fenster. Die Sonne neigt sich dem Horizont entgegen, die Schatten werden länger. Unten marschiert ein Trupp Soldaten im Eilschritt vorbei. Der Offizier treibt seine Leute an: „Beeilt euch! Wir müssen in den Stützpunkt zurück, es wird gleich dunkel!“ Die Soldaten fallen in Laufschritt, Angst verzerrt ihre Gesichter.
Wovor fürchten sich die Krieger, dass eine ganze Gruppe von Männern rennt, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her?
Obwohl ich keine Präsenz spüre und die einzigen Geräusche, die an mein Ohr dringen, meine eigenen sind, merke ich, dass ich nicht allein bin. Jemand oder etwas beobachtet mich.
Ich muss raus aus dieser trostlosen Stadt. Wasser habe ich zwar, und mit den Sandkörnern von der Straße und meinem Zauberstab kann ich einiges anfangen, aber kein Essen hexen. Das gäbe es zwar im Stützpunkt der Soldaten, aber nach den Satzfetzen, die ich aufgeschnappt habe, verspüre ich keine Lust, dorthin zu gehen. Das Beste wäre es, mit dem Kopf voran aus dem obersten Fenster zu springen, aber wer gibt mir die Garantie, dass ich mir das Genick breche? Unschlüssig bleibe ich am Fenster stehen, unbeachtet von den Soldaten, die in immer ungeordneteren Reihen zu ihrem Stützpunkt hetzen.
Nach dem Misserfolg seiner Ausgrabung wollte Hector sich das Leben nehmen. Er schluckte Schlafpulver und legte sich ins Bett. Während er darauf wartete, dass die Wirkung einsetzte, ging ihm durch den Kopf, dass es zwar seine eigene Schuld war, Dokumenten aus unsicherer Quelle blindlings zu vertrauen, aber den Triumph, ihn völlig zu vernichten, wollte er seinem Konkurrenten nicht gönnen. Er stand auf, nahm ein Brechmittel, überlebte und rächte sich an seinem Rivalen, indem er dessen aufkeimende Beziehung zur Tochter seines Gönners zerstörte.
Rache als Triebkraft des Lebens – nicht einmal das ist mir vergönnt. An wem sollte ich mich für Patricks Tod rächen? Die schwarzen Gestalten waren viel zu wenig greifbar.

Beinahe schlagartig wird es finster. Stockdunkel ist es hier drin und totenstill, abgesehen vom allgegenwärtigen Rasseln der windgetriebenen Sandkörner, das die tiefe Stille der Nacht noch mehr betont. Gerade so kann ich eine Fensteröffnung erkennen. Ich taste mich hin und sehe hinaus.
Unter mir herrscht totale Schwärze. Plötzlich ertönt ein grauenvoller Schrei, ich höre flüchtende Schritte, Stolpern, ein schwerer Körper fällt. Mein Herz klopft zum Zerspringen. Was ist dort unten?
Ein flackernder Lichtschein fällt durch die Löcher, wird heller. Männer rufen sich Worte zu. Ich wage noch einmal, hinauszuschauen, getarnt diesmal. Auf der Straße stehen zwei Soldaten, einer hält eine hell brennende Fackel in der Hand. „…Geist gesehen! Da oben!“ Der Fackelträger schaut hoch, genau in die richtige Richtung. Ich gehe in Deckung und lausche. Wenn die Soldaten hereinkommen und nachsehen, habe ich ein Problem.
Noch mehr Soldaten mit Fackeln kommen. Sie rufen durcheinander. „Ein Geist? Bist du sicher? Nichts wie weg hier!“ Dicht aneinandergedrängt machen sie sich eiligst aus dem Staub.
Ganz schöne Feiglinge sind das!
Oder haben sie tatsächlich Grund, sich zu fürchten? Schlimmer als Peeves, der Poltergeist kann doch keiner sein, oder?
Dass es in Hogwarts Geister gibt, wusste ich, aber auf Peeves war ich echt nicht vorbereitet. Man hatte mir gesagt, dass die Hogwarts-Geister zwar manchmal nervten, aber ansonsten friedlich waren und zumindest mit den Schülern ihrer Stammhäuser freundschaftlich verkehrten. Peeves jedoch…
Er muss im Sommer vor meinem ersten Schuljahr überhaupt erst aufgetaucht sein. Keiner meiner älteren Verwandten und Bekannten hatte einen Poltergeist je erwähnt.
Peeves´ Bekanntschaft machte ich, als ich das allererste Mal nachts allein in der Schule unterwegs war. Ich hatte meine Kräuterkunde-Hausaufgaben vergessen. Ich kann mich noch gut erinnern, es war die Ausarbeitung über Sicherheitsvorkehrungen beim Anbau von halluzigenen Kräutern im Gewächshaus. Dummerweise war Kräuterkunde am anderen Morgen gleich die erste Stunde und man brauchte für die Hausarbeit zwei Bücher aus der Bibliothek. Mir blieb also gar nichts anderes übrig als bei Nacht hinzugehen. Ich wartete, bis meine Zimmergenossinnen schliefen, dann zog ich den Umhang übers Nachthemd, griff den Zauberstab und ging los.
Zu Beginn meiner Schulzeit in Hogwarts war es für mich ungewohnt, dass auf Gemälden dargestellte Personen sprechen und sich bewegen konnten wie lebende Menschen und sogar von Bild zu Bild huschten. In jener Nacht fühlte ich mich beobachtet und verfolgt; damals wusste ich noch nicht, dass die Bilder mit einem Fluch belegt waren, damit die Dargestellten nicht in der Lage waren, Schüler zu verpetzen. Mit vor Angst klopfendem Herzen kam ich ungestört in der Bibliothek an, fand die beiden Bücher und schrieb hastig alles auf. Kaum dass die Tinte trocken war, stopfte ich das Pergament in den Umhang und machte mich auf den Rückweg. In der Verbotenen Abteilung sah ich Tom Riddle herumgehen, in der Hand ein Buch, das das Totenkopfzeichen trug. Das wunderte mich nicht wenig, Riddle wurde von allen Lehrern als vorbildlicher Schüler gelobt.
Im zweiten Stock passierte es. Kurz vor mir begann eine Ritterrüstung, sich zu bewegen, schlenkerte mit Armen und Beinen, schwankte und fiel mir schließlich vor die Füße, dass ich stolperte. Gleichzeitig ertönte ein grausiges Jaulen.
Als ich mich wieder hochrappelte, sah ich ein merkwürdig geformtes, durchscheinendes Wesen vor mir. Es war so hoch wie ein Zwerg, an einem kugelrunden Rumpf baumelten streichholzdürre Beine, dafür waren Arme und Hände umso kräftiger. Augen, Nase und Mund bildeten schwarze Löcher in dem schimmernden Gesicht. Das Wesen lachte meckernd, fuhr herab, nahm die Rüstung weiter auseinander und warf die Teile nach mir. Ich wollte ausreißen, aber ehe ich zwei Schritte gemacht hatte, war der Geist wieder vor mir, warf nach mir und schrie dabei ohrenbetäubend.
Der Lärm rief Professor Wonder auf den Plan, vielleicht hatte ihm aber auch Riddle Bescheid gegeben. Der Poltergeist hatte inzwischen damit begonnen, Stühle aus einem Klassenzimmer zu holen und die Teile in der Gegend herumzuwerfen. Ein Stuhlbein traf nur deshalb nicht die Stirn von Professor Wonder, weil dieser es mit seinem Zauberstab ablenkte. „Peeves!“, brüllte der Lehrer, dass das Echo von den Wänden widerhallte. Der Geist erstarrte und hing wie eine Marionette mit baumelnden Armen in der Luft. Bevor ich auf die Idee kommen konnte, zu verschwinden, packte Wonder mich mit der linken Hand am Oberarm; die ausgestreckte Rechte zeigte mit dem Zauberstab auf den Geist, während der Professor einen Bann sprach. Ich lauschte aufmerksam und wollte mir alles merken, aber später konnte ich mich nur noch an einzelne Fetzen erinnern. Kaum war der Zauberstab gesunken, verschwand der Geist mit einem Zischen.
„Und nun zu dir, kleines Fräulein“, wandte sich Wonder an mich. „Was hast du um diese Zeit in den Korridoren zu suchen?“
Stockend berichtete ich von der vergessenen Hausaufgabe.
Der Professor lachte los, dass sein Bauch auf und ab hüpfte. „Hat man so was schon gehört? Das ist die tollste Ausrede, die ich je zu Ohren gekriegt habe, ha-ha-ha.“
„Doch, wirklich, ich habe Kräuterkunde-Hausaufgaben gemacht.“ Mit zitternden Händen holte ich das Pergament aus der Umhangtasche.
Das verursachte einen neuen Heiterkeitsausbruch. Von einigen Gemälden an der Wand rief es: „Ruhe!“, aber Wonder ignorierte das. Ich wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken, aber die Pranke des Kräuterkundelehrers quetschte noch immer meinen Arm.
„Was ist denn so lustig, Walther?“ Unbemerkt war Professor Dumbledore zu uns getreten. „Von deinem Lachen wird ja von den Mäusen im Keller bis zu den Eulen auf dem Dach alles wach.“
„Die Kleine hier glaubt, besonders clever zu sein“, gluckste Wonder, „guck dir das an, sie hat angeblich schnell noch Hausaufgaben für meine erste Stunde morgen gemacht. Sogar ein Pergament mit der fertigen Aufgabe hat sie dabei.“
Noch einmal musste ich erklären, warum ich nicht im Bett war. Albus Dumbledore sah mich über seine Brille hinweg an, stundenlang, wie mir schien. Dann sagte er: „Du hast also Hausaufgaben gemacht?“
Ich nickte.
„Sicher hast du auch Tinte und Feder dabei.“
Walther Wonder fing wieder an zu lachen und schlug sich auf die Schenkel. Dumbledore bedachte ihn mit einem Seitenblick, Wonder verstummte.
Ich holte mein Schreibzeug heraus, Dumbledore prüfte die Feder und reichte sie mir mit einem Lächeln zurück. „Siehst du, Walther“, lächelnd hielt Dumbledore seinem Kollegen einen tintenbeschmierten Finger hin, „siehst du, Walther, Miss Mulciber sagt die Wahrheit. Ich denke, für dieses Mal können wir auf eine Bestrafung verzichten.“ Er wandte sich mir zu: „Räume bitte die Stühle auf, Minerva, und dann sieh zu, dass du ins Bett kommst.“
Ich atmete erleichtert auf und zückte meinen Zauberstab. Professor Wonder wollte protestieren, aber Dumbledore hielt ihn mit einer knappen Geste davon ab. Beleidigt drehte sich Wonder um und stapfte davon.
Als ich wieder aus dem Klassenzimmer kam, war auch Dumbledore verschwunden. Dafür war der Poltergeist wieder da. Er huschte so knapp an mir vorbei, dass ich seinen kalten Hauch spüren konnte. Schon hatte er mit dämonischem Grinsen zwei Stühle gepackt und zielte in Richtung Fenster. „Peeves!“, brüllte ich so laut ich konnte und zeigte mit dem Zauberstab auf ihn. „Stell die Stühle hin und lass dich hier nicht mehr blicken! Verstanden?“
„Mmpf“, machte der Poltergeist, ließ die Stühle fallen und verließ tatsächlich das Klassenzimmer – nicht ohne mich „anzurempeln“. Igitt, war das kalt!
Am Ende des Korridors hing eine erloschene Laterne. Sie hing immer da und nie brannte Licht darin. Was mich bewog, hinzusehen, weiß ich nicht, vielleicht hatte ich unbewusst die Bewegung wahrgenommen. Peeves nahm die Laterne vom Haken und schwang sie herum. „Peeves! Lass das!“, rief ich und richtete meinen Zauberstab nach oben, bereit, die Lampe aufzufangen. Zu meinem Erstaunen hängte Peeves die Laterne wieder auf und verschwand grummelnd in der Wand.
An der letzten Biegung vor dem Eingang zum Gryffindor-Wohnturm stand auf einem Sockel eine Büste. Das heißt, normalerweise stand sie da, jetzt schwebte sie unter der Decke, gehalten von zweikräftigen Händen, die ich heute schon mehrfach gesehen hatte. Wie von allein ging mein Zauberstab hoch. „Peeves! Stell die Büste ab! Und zwar leise!“
„Olle Spaßverderberin!“, maulte der Geist, aber er gehorchte.
Am liebsten wäre ich auf der Stelle wieder in die Bibliothek gerannt und hätte nachgeschlagen, warum der Geist mir aufs Wort gehorchte, doch ich wollte nicht riskieren, noch einmal erwischt zu werden. Außerdem war ich todmüde.
Weil wir so viele Hausaufgaben aufhatten, dauerte es bis Sonntag, ehe ich Zeit fand, Bücher über Geister zu suchen. Ich musste mich durch mehrere dicke Wälzer wühlen, ehe mir klar war, dass es nur darauf ankam, den Namen des Geistes laut und deutlich auszusprechen und den Zauberstab auf ihn zu richten, um ihn zu Gehorsam zu zwingen. Professor Wonder hatte den unendlich langen Bann wohl nur gesprochen, um mich zu beeindrucken. Fraglich ist jetzt nur, ob ich mit meinem angelesenen Wissen über Geister hier in der Fremde weiterkomme. Die panische Angst der Soldaten gibt mir schwer zu denken.

Himmel! Statt über Geister zu sinnieren, sollte ich lieber an das Wesentliche denken – Nachtlager und Essen.
„Träum nicht! Konzentriere dich endlich auf das Nächstliegende!“
Ich fahre herum, lausche, schaue, fühle mit allen Sinnen, doch ich bin allein und es ist still. Totenstill. Patricks vorwurfsvolle Stimme eben war also nur in meinem Kopf, eine Erinnerung an oft gehörte Worte.
Ich habe mich früher selten mit dem „Nächstliegenden“ befasst, nie Pläne gemacht. Wozu auch? Der große Planer war Patrick, meine oft unausgegorenen und manchmal albernen Vorschläge wurden meistens abgelehnt, manchmal ad absurdum geführt und nur selten angenommen. Selten? Nie.
Jetzt muss ich mir schon selber Gedanken machen und überlegen, wie ich entweder ein halbwegs vernünftiges Nachtlager und etwas zu Essen beschaffe oder möglichst rasch zu Tode komme.
Von ganz oben kopfüber auf die Straße springen? Der Sand ist zu weich, das Haus nicht hoch genug und die Treppe nach oben habe ich noch nicht entdeckt. Ich würde mich verletzen, aber nicht sterben.
Mich in der Zisterne ertränken? Könnte ich das? Ich versuche mir vorzustellen, wie es ist, atmen zu wollen und es nicht zu können. Ich bräuchte schwere Steine, damit ich garantiert nicht wieder nach oben steige und Luft hole und vorher müsste ich meinen Zauberstab zerbrechen.
Morgen tue ich es, wenn ich wieder etwas sehen und Steine suchen kann.
Ich vergewissere mich, dass keine Soldaten auf der Straße sind, halte den Zauberstab aus dem Fenster und hole eine Handvoll von diesen großen Sandkörnern herauf. Theoretisch kann ich tote Materie beliebig umformen, könnte mir also ein weiches, sauberes Himmelbett hexen.
Theoretisch.
Praktisch habe ich noch nie vergleichbares gemacht. Halblaut sage ich den Spruch vor mich hin.
„Mach es doch nicht so kompliziert! Warum willst du gleich so ein Luxuxding haben? Einfache Sachen sind genauso nützlich.“
Schon wieder Patrick. In meinem Kopf? In meinem Kopf. Hier ist niemand, das weiß ich. Ich hätte es gespürt.
Ein Himmelbett muss es vielleicht doch nicht sein. Aber auf dem Boden schlafen? Wer weiß, was nachts hier krabbelt! Also vier Steinsäulen, darauf eine steinerne Unterlage. – So, das steht. Ist natürlich hart, deshalb eine Turnmatte darauf. Das gelingt mir erst beim zweiten Versuch, aber es gelingt. Ein Kissen; mir perlt der Schweiß auf der Stirn.
Probehalber setze ich mich auf die Matte. Könnte ein bisschen weicher sein, geht aber. Eine Decke und zum Schluss noch ein paar Schutzzauber. Jetzt bin ich völlig erschöpft, dürfte aber sicher sein. Um Essen kümmere ich mich morgen. Oder um den Tod.


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Die Entschlüsselung der Namen ist gut und schön, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass dem zuviel Bedeutung beigemessen wird. Überspitzt gesagt, könnte Malfoy auch Müller-Lüdenscheid heißen, er würde aber dieselbe finstere Figur bleiben.
Klaus Fritz