von käfer
Vorab: Da bei diesem und beim nächsten Kapitel beim Hochladen irgendwas daneben gegangen ist und statt der "Gänsefüßchen" nur merkwürdige Zeichenketten dastanden, lade ich die beiden Kapitel noch mal hoch in der Hoffnung auf Besserung. Ich bitte um Entschuldigung, habe aber keine Ahnung, was da genau passiert ist!
Ich liege auf etwas sehr hartem. Es bohrt sich in meine Seite, schmerzt.
In meinen Ohren ist ein hässliches Geräusch, es klingt wie ein Wasserkessel.
Mein Körper ist schwer wie Blei.
Ist das der Tod?
Ich muss die Augen öffnen. Der Wasserkessel hört auf zu pfeifen. Dafür höre ich jetzt Gesang und Gelächter.
Ich sehe grün und weiß vor meinen Augen. Grün vom Gras und weiß von meinem Kleid.
Es ist trocken.
Was sich da in meine Seite bohrt, ist mein Zauberstab.
Ich setze mich auf, befühle den Zauberstab. Er ist heil geblieben.
Das Singen und Lachen kommt näher.
Mühsam stemme ich mich hoch, mir tut alles weh. Ich stehe auf einer kreisrunden Tafel aus Stein, ringsum ist nichts als Gras, grüne, saftige Wiese, soweit das Auge reicht. Ich drehe mich um mich selber, sehe nichts als ebene Wiese. Plötzlich steht vor mir ein steinerner Torbogen. Links, rechts, davor, dahinter ist nichts als Wiese. Ebensogut könnte ich an dem Bogen vorbeilaufen, doch ich gehe mitten hindurch und finde mich in einer völlig anderen Landschaft wieder. Sanfte Hügel wechseln sich ab mit schroffen Hängen, Büsche und Bäume sind malerisch verteilt. In der Ferne stürzt ein Wasserfall zu Tale, ich entdecke eine Siedlung mit strohgedeckten Häuschen. Die Wiese, auf der ich stehe, ist voller bunter Blumen. Ein betörender Geruch liegt in der Luft. Von Ferne höre ich wieder Musik.
In der bunten Wiese ist ein schmaler Pfad zu erkennen, eine grüne Spur aus kurzem Gras ohne Blumen.
Ein ebensolcher Pfad schlängelt sich nach links, wo ich Felsbrocken erkennen kann und einen rot-gelb-blau-grün-geringelten Leuchtturm.
Etwas stimmt nicht. Ich spüre das kühle, feuchte Gras unter meinen nackten Füßen, mein Körper fühlt sich an wie Blei. Lebe ich etwa noch? Ich sollte doch tot sein! Dann löst sich die Seele vom Körper und schwebt befreit durchs Universum. Ich aber klebe am Boden fest.
So langsam setzt meine Erinnerung wieder ein. Patrick, die dunklen Gestalten, das Begräbnis der Großmutter, die Schlucht. Hineingesprungen bin ich, ja – aber nie unten angekommen. Und das Kleid, das ich trage, ist mein eigenes Brautkleid.
Wie von allein bewegen sich meine Füße, ich laufe auf das Dorf zu. Ein lauer Wind weht Fetzen von Musik und Gelächter zu mir herüber.
Kurz vor dem Dörfchen komme ich an einem eingezäunten Stück Land vorbei. Umrahmt von blütenweißem Kies sehe ich akkurat ausgerichtete Reihen von hügeligen Blumenbeeten. Ein Friedhof? Es gibt keine Grabsteine und Kreuze, nur diese Hügel und Unmengen von Blumen.
Ich habe keinen Platz, an dem ich Blumen für Patrick ablegen könnte. Er wurde nie begraben, die schwarzen Gestalten haben seinen leblosen Körper mitgenommen, zwei von ihnen sind mit ihm in die Luft geflogen, einfach so, ohne Besen, ohne alles. Mir zieht sich das Herz zusammen.
Warum ich weiter in das Dorf gehe statt mich umzudrehen, zu den Klippen zu laufen und mich kopfüber hinunterzustürzen, weiß ich nicht. Im Dorf scheint eine fröhliche Feier im Gange zu sein – ein Martyrium für meine todsuchende Seele. Ich weiß es und gehe trotzdem darauf zu.
Die fröhliche Melodie erinnert mich an diesen Tanz auf unserer Hochzeit. Beim Herumhüpfen habe ich mich im Kleid verfitzt und bin zur Erheiterung aller Gäste auf dem Hinterteil gelandet. Ich spüre einen Kloß in der Kehle, meine Augen werden feucht.
Der Pfad wird breiter, ist mit Steinplatten belegt. Ich gehe zwischen zwei Häusern mit Gärten voller Blumen hindurch und stehe auf einem ovalen Dorfplatz. In der Mitte wächst eine mächtige Linde, davor liegen zehn große weiße Steine. Der Platz dient ganz bestimmt nicht als Marktplatz, er erinnert eher an einen Park. Akkurat gepflasterte Wege verlaufen spinnennetzartig und verbinden alle Häuser miteinander. Dazwischen blühen bunte Blumen.
Die Dorfbewohner scheinen sich sehr sicher zu fühlen, ich erkenne offene Fenster und Türen, obwohl kein Mensch zu sehen ist.
Unschlüssig bleibe ich unter der Linde stehen. Soll ich bleiben und um Aufnahme bitten oder umkehren und von den Klippen springen?
Ehe ich eine Entscheidung treffen kann, steht eine lachende Frau vor mir. „Willkommen im Blumenland!“
Das Alter der Frau ist schwer zu schätzen. Ihr reifer, draller Körper steckt in buntgemusterten Kleidern. Wenn sie lacht und spricht – sie tut beides gleichzeitig – sind feste perlweiße Zähne zu sehen. Die von Fältchen umzogenen Augen blicken weise und übermütig zugleich; Blüten sind in das von grauen Strähnen durchzogene Haar geflochten. „Du kommst von außerhalb, nicht wahr? Bist durch das Tor getreten?“
Ich nicke beklommen.
„Es passiert selten, dass jemand durch das Tor kommt. Ein doppelter Grund zum Feiern. Komm Tanzen!“
„Tanzen?“ Meine Füße sollen sich im Takt der Musik leicht über den Boden bewegen, während mein Herz schwer ist wie ein Klumpen Blei und mein Verstand in ewiger Dunkelheit versinken möchte?
„Ich bin müde von der Reise“, höre ich mich sagen. Warum tue ich das? Was hindert mich daran, die Wahrheit zu erzählen?
Die Frau lächelt verständnisvoll. „Ach so. Na, das ist nicht weiter schlimm, das Fest hat gerade erst angefangen. Komm, ich zeige dir, wo du dich ausruhen kannst. Und morgen führst du den Reigen an.“
Ehe ich etwas sagen kann, dreht sich die Frau um, dass ihr Rock hochfliegt und kräftige braune Waden freigibt, und hüpft wie ein junges Mädchen über die Wege. Obwohl ich es wirklich nicht will, folge ich ihr. Am Rand der Siedlung steht ein größeres Haus. Es ist offen und leer. In einem Vorraum liegen auf einem Tisch Blumenkränze. Sie nimmt einen davon und bedeutet mir, ihr nach oben zu folgen. Das Gebäude muss eine Art Herberge sein, wir gelangen auf einen Gang mit vielen Türen. An einigen hängen Blumenkränze, an anderen nicht. Die Frau hängt den Kranz aus Mohn- und Kornblumen an eine der Türen, öffnet sie und sagt zu mir: „Hier kannst du dich ausruhen. Wenn du Hunger hast, musst du nur runtergehen in die Stube, da findest du alles.“
„Ich habe kein Geld bei mir“, wage ich einzuwenden.
„Geld? Was ist das?“, fragt sie verwundert. Ohne eine Antwort abzuwarten, springt sie die Treppe hinunter und ich bin allein. Ich schließe die Tür und sehe mich um. Das Zimmer ist nicht sehr groß. Links an der Wand steht ein Bett mit soliden Holzpfosten. Rechts befindet sich ein über und über mit Blüten bemalter Schrank und in der Ecke steht ein Waschtisch. Auf einem Tischchen unter dem Fenster stehen eine Vase mit goldgelben Blumen und eine Karaffe mit einem Getränk, dessen Aroma an Holunderblüten erinnert.
Vor dem Fenster ist ein Baum, selbst darauf sind bunte Blüten. Es dauert ein Weilchen, ehe ich erkenne, dass es Vögel sind.
Eine bleierne Müdigkeit übermannt mich. Ich plumpse auf das Bett und versinke im Nichts.
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