von QueenLily
Es war irgendwann im kalten, grauen, verregneten November, als Lily es sich eingestand. Sie hatte es nicht zugeben wollen, aber als sie eines Abends alleine auf ihrem Bett saß â€“ Katie war mit einem Mädchen aus Ravenclaw in der Bibliothek und nur der Teufel wusste, wo Amy schon wieder steckte - , konnte sie es nicht länger leugnen. Niemals hätte sie gedacht, dass es so weit kommen würde – aber da war sie nun. Verliebt bis über beide Ohren – in James Potter. Wann hatte das passieren können?
Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn letztes Jahr noch gehasst hatte. Oder zumindest hatte sie ihn wirklich nicht leiden können. Sie war definitiv nicht in ihn verliebt gewesen! Es musste irgendwann im Verlauf dieses Jahres um sie geschehen sein… aber wie?
Wie hatte das passieren können?
Er benahm sich keinen Deut besser als früher – obwohl – er war viel seltener in Severus’ Nähe zu sehen. Früher hatte er ihn ständig genervt, sich über ihn lustig gemacht, ihn verhext… andauernd war er in seiner Nähe gewesen. Aber tatsächlich war er seit einiger Zeit so gut wie nie um ihn herum zu sehen – tatsächlich konnte sie sich nicht erinnern, die beiden dieses Jahr überhaupt schon mal in Kontakt gesehen zu haben… lag es etwa daran, was letzten Sommer passiert war? Konnte das eine solche Bedeutung gehabt haben? Sie wusste, dass James immer allergisch auf Beleidigungen gegenüber Muggelblütern – besonders ihr – gewesen war, aber war das nicht eher ein Grund, ihn noch mehr zu ärgern?
Die Gedanken weit weg von allem, was Schulstoff war, starrte Lily aus dem Fenster, mit einem perfekten Blick auf den See.
Lag es womöglich daran, dass… dass sie nicht mehr in Severus’ Nähe zu sehen war?
James war schon immer daran interessiert, ihr zu imponieren, Severus vor ihr vorzuführen, wieso also jetzt aufhören?
Vielleicht hatte sie ihm Unrecht damit getan, ihm nicht zuzutrauen, dass er … was? Ein guter Mensch war? Wusste, was Liebe ist? Überhaupt in sie verliebt war?
War ihm doch bewusst, wie sehr sie unter dem Bruch mit Severus gelitten hatte?
Es gab zu viele Fragen in ihrem Kopf, auf die sie keine Antwort finden konnte.
Lily wusste nicht, mit wem sie über ihre Gefühle reden könnte – Amy wäre sicher dafür, dass Lily und James sofort ein Paar würden, und sie war sich nicht sicher, ob sie schon bereit dazu war.
Katie… Katie würde es vielleicht verstehen. Aber irgendwie fühlte sich Lily nicht danach, mit ihr zu reden, was ihr unbekannt war – früher konnten sie über alles reden. Aber sie merkte, wie sie sich von ihren Freundinnen zu entfernen begann… konnte gar nicht sagen, woran es lag.
Kurz schoss es ihr durch den Kopf, mit Remus zu reden, aber es war klar, dass das nicht funktionieren würde. Remus war zwar der liebste Junge, den sie kannte, aber am Ende würde er sowieso zu James halten und ihr im Zweifelsfall eher mit einer Notlüge antworten als mit der Wahrheit. Wahrscheinlich würde er sogar James direkt von ihrem Gespräch erzählen, und dass wäre wirklich an Peinlichkeit kaum zu überbieten – nein, wenn, dann musste sie es ihm selbst sagen.
Ihre Optionen im Kopf abwägend gelangte Lily zu dem Schluss, dass wahrscheinlich nur eine Person für ein Gespräch über James Potters Gehirn inklusive Gedanken, Beweggründen und Gefühlen war – James Potter.
Sollte sie wirklich mit ihm reden?
Lily konnte sich nicht vorstellen, wie sie dieses Gespräch anfangen sollte („Hey, James, uhm, weißt du noch, wie du mir letztes Jahr immer hinterher gelaufen bist und meinen besten Freund gedemütigt hast? Wieso hast du damit eigentlich aufgehört?“) und erst recht nicht, wie James reagieren würde.
Vielleicht war er schon längst weiter gezogen, nachdem er gemerkt hatte, dass sie wahrscheinlich nicht an ihm interessiert war – was sie ihm ja auch nur ungefähr dreiundfünfzig mal gesagt hatte. Pro Woche.
Was, wenn sie zu spät war?
Panik überkam sie. Wieso war sie erst so spät zu dem Schluss gelangt, dass sie ihn mochte?
Sie wusste, sie würde es nicht ertragen, ihn mit einer anderen zu sehen.
Aber wenn es so käme, wäre es ihre eigene Schuld.
Sie hätte einfach „ja“ sagen können.
Verdammt.
Auch in den nächsten Tagen verwarf sie den Gedanken daran, mit James zu reden, nicht völlig. Allerdings waren sie nicht einmal alleine, und sie wollte dieses Gespräch auf keinen Fall vor Publikum führen.
Davon abgesehen war es einfach schön. Sie waren jetzt so was wie Freunde geworden, immer öfter saßen sie beim Essen oder Lernen in größerer Runde zusammen.
Selbst der Schulstress hatte seinen Vorteil – nachdem ihr Katie beim Mittag etwas verzweifelt versucht hatte zu erklären, was sie gerade in Verwandlung durchnahmen, bot James ihr an, es ihr zu erklären. Während sie aufstanden, um jeweils zu Muggelkunde und Astronomie zu gehen, verabredeten sie sich für abends in der Bibliothek.
Als James und seine Freunde zum Astronomieturm abgebogen waren, zog Katie Lily flüsternd auf: „Na, haben wir ein Date mit James Potter?“
Lily sah sie erschrocken an und flüsterte energisch zurück, dass sie still sein solle, worauf Katie nur kicherte.
Vielleicht hatten sie sich doch nicht so sehr auseinandergelebt, wie Lily es befürchtet hatte.
Als Lily sich beschwingt auf den Weg Richtung Bibliothek machte, war sie bereits etwas spät dran. Aber sie war sich sicher, dass sie mit Hilfe ihres Wissens über die Geheimgänge Hogwarts’ noch rechtzeitig kommen würde.
Doch als sie hinter einer Statue auftauchte, hörte sie sie schon. Sie hatte es immer gehasst, diese lauten Gespräche, das Gegröhle, den Kampf um den Alphatierposten, weswegen sie es immer vermieden hatte, mit Severus’ Freunden rumzuhängen. Kurz dachte sie darüber nach, einfach umzudrehen, um ihnen nicht über den Weg zu laufen, aber dann würde sie auf jeden Fall zu spät sein, und sie hatte auch keine Lust, sich von ein paar wildgewordenen Halbstarken vertreiben zu lassen.
In ihrem Umhang hatte sie ihren Zauberstab fest ergriffen, als sie um die Ecke bog, aber auch der half ihr nichts.
„Ha! Schlammblut!“, schrie einer von Severus’ Freunden, als er sie erblickte. „Wohin des Weges, kleines Mädchen?“
Sie ignorierte sie und versuchte, an ihnen vorbei zu gehen.
Er packte sie an ihrem Umhang und schleuderte sie gegen eine Wand, an welche er sie gedrückt hielt. „Wohin du gehst, hab ich gefragt“, fletschte er. Sein Atem roch stark nach Alkohol und noch etwas anderem, was sie nicht zuordnen konnte. „Schlammblut!“ Sie wusste genau, dass er selbst einen Muggel zum Vater hatte – aber das war es sicher nicht, was hier von Belang war.
„Was willst du? Lass mich einfach gehen!“
„Was glaubst du, wer du bist? Brichst meinem kleinen Freund Sev hier das Herz und meinst, hier herumstolzieren zu dürfen? Wo ist eigentlich dein Zauberstab? Hab ja keine Lust, dass du jetzt so was abziehst wie bei Lucius damals…“
Grob durchwühlte er ihre Taschen, bis er ihn hatte. Er ließ sie los, doch das nur, um sie weiter zu quälen.
„Weißt du, was ich schon immer mal üben wollte? – Den Cruciatus! Ich weiß, ich weiß. Eigentlich erwartet man von einem tollen Typen wie mir, dass ich das längst kann – keine Buhrufe. Aber weißt du, jeder fängt mal klein an…“
Als er auf sie zukam und zum Sprechen ansetzte, dachte sie noch: wenigstens werden meine Schreie bald ein paar Leute anlocken. Aber dazu hatte er dann doch noch genug in der Birne, denn er belegte sie mit einem Schweigefluch und kein Wort kam mehr aus ihrem Mund. Flehend sah sie zu Severus, doch er starrte nur regungslos zurück.
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