von QueenLily
10.48 Uhr
Das Taxi bewegte sich langsam durch den Londoner Verkehr.
Es war noch eine weite Entfernung bis zum Bahnhof; Lily war sich nicht sicher, ob sie es schaffen würde.
10.52 Uhr
Lily wusste, gleich würden sie um die Ecke biegen und sie würde den Bahnhof sehen –
noch etwa achthundert Meter. Das Taxi blieb stehen. „Hier geht heute gar nichts mehr“, nuschelte der Fahrer in seinen Bart. „Das wird nichts.“
Lily wurde panisch. Das erste Mal alleine zum Bahnhof, und sie vergeigte es!
„Okay“, sagte sie, und atmete tief durch. „Okay.“ Sie gab ihm das Geld und sprang aus dem Wagen. „Ich laufe den Rest des Weges! Dankeschööön---“
Hastig zerrte sie ihren Koffer hinter sich her. Sie mußte es schaffen!
10.57 Uhr
Durch die Tür hetzend plante Lily schon ihren weiteren Weg. Rechts, links, rechts – Gleis 9, Gleis 10. Und durch laufen, keine Zeit verlieren --
10.59 Uhr
Geschafft! Da stand er, der Zug. Schnell sprang Lily in irgendein Abteil, froh, es noch geschafft zu haben.
Na das Schuljahr ging ja fabelhaft los.
Ihren Koffer und ihren leeren Eulenkäfig hinter sich herziehend – Yoshi hatte sie heute morgen vorausgeschickt, vermutlich würde er sie irgendwann auf dem Weg finden – ging sie, jetzt langsamer, durch den Zug, in alle Abteile guckend, aber ihre Freundinnen fand sie nicht. Tatsächlich fand sie niemanden aus ihrem Jahrgang. Typisch.
„Remus!“ Sie fiel ihm etwas stürmischer um den Hals, als es vielleicht notwendig geworden wäre. Und auf einmal war er so groß geworden! Sie fragte sich, ob andere Jungen auch einen Wachstumsschub hatten…
„Lily, hey! Alles gut?“ Er sah sie leicht besorgt an.
„Jaa… jaa… bisschen hetzig gewesen, heute morgen, aber das kennen wir ja alle.“ Sie versuchte ein selbstsicheres Grinsen. „Hast du Katie oder Amy gesehen?“
„Nein, aber ich glaube, sie sind genau am anderen Ende des Zuges, Lils. Aber jetzt ist eh Vertrauensschülertreffen, geradeaus weiter gehen. Ich wollte nur noch Jaden und Alice Bescheid sagen – geh ruhig schon vor. Lass den Koffer doch bei uns im Abteil, ich denke nicht, das jemand ein Problem damit hat.“, sagte er und zwinkerte ihr zu. Seit Jahren stichelte er sie schon wegen ihrer und James Liebeleien – besser gesagt, wegen James Liebeleien. Nicht, dass sie da was mit zu tun hätte. Nein. Oder das überhaupt wollte. Erst recht nicht.
„Schon gut“, sagte sie, und merkte, daß sie schon wieder rot wurde – was schnell passierte und ihrem Kopf im Zusammenspiel mit den roten Haaren ein seltsam-tomatiges Aussehen gab. „Ich nehm ihn einfach mit.“
Remus grinste nur und nickte ihr zu. „Alles klar. Bis dann.“
„Lils! Da bist du ja endlich!“
Katie fiel ihr stürmisch um den Hals. „Ich dachte schon, du hast den Zug verpasst!“
„Nein, na ja, fast, aber hab’s noch geschafft – nur musste ich noch zum Vertrauensschülertreffen und so weiter - du weißt schon – kannst du mir mit dem Koffer helfen?“
Nachdem der Koffer auf der Ablage lag und wieder mehr Platz im Abteil war, machten die drei Freundinnen es sich gemütlich. Lily hatte die beiden den ganzen Sommer nicht gesehen, da sie es nie geschafft hatten, einen passenden Termin zu finden – Urlaub und Familienfeiern waren immer irgendwie dazwischen gekommen. Amy und Katie wohnten beide in der Nähe von London und hatten sich häufiger gesehen, worüber Lily insgeheim ein wenig eifersüchtig war – nach den Sommerferien schienen die beiden sich immer viel näher zu sein als Lily. Aber nachdem sie sich stundenlang über Urlaub in Frankreich, Irland, Cousin Aden, Alice und Frank Longbottom wollen heiraten - oh mein gott! -, James Potter soll eine Freundin haben – sicher nicht! Mach Lils nicht traurig! – Amy, halt die Klappe! - , habt ihr Sirius gesehen? Der hat sich wohl die ganzen Ferien die Haare nicht geschnitten! – und vieles mehr unterhalten hatten, fühlte Lily sich wieder viel vertrauter mit ihnen.
„Hast du eigentlich schon Peter gesehen?“, fragte Lily.
„Ja, vorhin am Bahnsteig – und wir haben uns ja in den Ferien auch jede Woche getroffen, also waren die Sehnsüchte nacheinander nicht übermäßig groß“, sagte Amy und grinste. Lily verdrehte die Augen. Auch wenn sie Amys taffe Art meistens bewunderte – manchmal war sie auch einfach nur unromantisch. Trotzdem konnte auch Lily sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie sich Amy vorstellte, wie sie sich nach einwöchiger Trennung schmelzend in Peters Arme warf.
„Hey, Pete!“, rief Amy, als sie aus dem Zug stiegen. Peter drehte sich um und winkte ihnen zu. Er stieß seine Freunde an und sie warteten auf die Mädchen.
„Naa“, sagte James betont gleichgültig, sein Blick, der durch die Runde ging, blieb aber doch an Lily hängen und als sie ihn auffing, musste er doch grinsen - und sie auch. Ein bisschen. Verdammt. (Hatte er sie wohl doch noch nicht aufgegeben… so ein Jammer aber auch. Kann man wohl nichts machen.)
„Ich will ja nicht die Stimmung kaputt machen“, sagte Sirius, „aber ich würde sagen, wir nehmen diese Kutsche – ist nämlich die letzte. Und ich hab keine Lust, zu laufen!“
Also zwängten sie sich gemeinsam in eine Kutsche. Zu siebt wurde es in der Kutsche dann auch etwas eng, aber mit Amy auf Peters Schoß fanden sie alle Platz.
„Schöne Ferien gehabt?“, fragte Lily in Richtung James und Sirius, die ihre gegenüber saßen. Die beiden grinsten gleichzeitig und Lily konnte sich vorstellen, wie sie ihre Ferien verbracht hatten. „Mhhhmm – viel Spaß gehabt. Und du?“
„Waren ganz schön.“
Das war leider noch eine Übertreibung – Petunia hatte einen Kerl kennengelernt, der war so unglaublich schrecklich, dass die Ferien kaum zum Aushalten gewesen waren. Jeden Tag war er bei ihnen gewesen, um „die Familie kennen zu lernen“ – und er war so langweilig! Eine Woche hatte sie ihn ertragen, und als kein Ende in Sicht war, hatte sie sich jeden Morgen früh rausgeschlichen und war abends spät heimgekommen. Sie war jeden Tag durch die Gegend gezogen und endete meist auf einem Spielplatz in der Nähe, auf dem sie und ihre Schwester als Kinder immer gespielt hatten… bis eines Tages der Brief nach Hause kam.
Das Fest war so berauschend wie immer – endlich sah sie alle ihre Freunde und Klassenkameraden wieder, das Essen war wie immer köstlich, und am Ende bekam sie nicht viel von Dumbledores Rede mit, weil sie viel zu erschöpft vom Tag war. Im Schlafsaal überkam sie ein Gefühl von Heimat – so wie es ist, wenn man Tomatensauce riecht und mit seinem Hund kuschelt oder nach einer langen Reise im eigenen Bett aufwacht.
Lily war jedes Jahr wieder fasziniert davon, wie schnell man sich wieder in den Schullalltag reinfinden konnte – kaum war ein Tag rum, war man schon wieder im Trott. Aber wenn sie ehrlich war, hatte sie ebendiesen auch ziemlich vermißt. Auch nach den fünf Jahren Magie war sie immer noch begeistert von dieser Schule, die so viel spannender war als das, was man in Muggelschulen beigebracht bekam – selbst Geschichte der Zauberei war für sie ein interessantes Fach, was ihre Halb- und Reinblutfreunde noch mit einem Kopfschütteln beobachteten. (aber bei den ZAG-Vorbereitungen im letzten Jahr waren sie alle froh, Lilys Aufzeichnungen zu benutzen.)
Lily schlief ziemlich schnell, nachdem sie sich ins Bett gelegt hatte, und ließ Amys und Katies leises Flüstern ihr Schlaflied sein.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel
