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Mud and Blood - Schlammblut

von Dr. S

Ihr Spiegelbild sah aus wie die Personifikation des Flohnetzwerks, oder zumindest das vom Flohpulver gefärbte Feuer. Lily strich zum wiederholten Male unsichtbare Falten aus ihrem Rock. Ihre dunkelgrünen Roben züngelten wie hohe Flammen zu ihrem Dekolleté, um dann in schwarze Spitze überzugehen, die sich über ihre Schultern und Arme erstreckte. Flohpulver gefärbtes Feuer mit Rauch als Ärmeln. Vielleicht ein wenig viel.

Lily atmete tief ein und presste sich die Hände gegen ihren verkrampften Magen. „Ich hab das Gefühl, dass ich nicht atmen kann.“

Petunia beobachtete sie von der Bettkante aus. „Vielleicht hättest du dieses Ding eine Nummer größer kaufen sollen?“

„Man kauft Roben nicht von der Stange – sie werden extra angefertigt“, sagte Lily und zupfte an den Spitzenärmeln.

„Sie sind sicher nicht in deinem Schrank geschrumpft.“

Lily hob die Augenbrauen. Petunia betrachtete desinteressiert ihre linke Hand und den funkelnden Ring dort, aber ihre Lippen kräuselten sich in ein gehässiges Grinsen. Anscheinend konnte sie sich diese Reaktion nicht verkneifen, und Lily ahndete das mit einem Augenrollen.

Es war der letzte Tag der Osterferien und ihr stand eine Prüfung bevor, die sie mehr in Panik versetzte als die androhenden UTZe. Jeden Moment musste sie sich Regulus‘ Eltern stellen, die sie nicht leiden konnten und es ihr nicht leicht machen würden. Lily wollte trotzdem einen guten Eindruck machen – vor allem für Regulus. Vielleicht spielten seine Eltern ein Spiel mit ihr, aber sie würde sie nicht gewinnen lassen, ohne zumindest zu versuchen mitzuspielen. Sie würde annehmbar aussehen, auch wenn es den Blacks egal war. Sie würde sich benehmen, egal wie viele Spitzen kamen. Sie würde so tun, als wäre die Einladung und die angebliche Chance keine Farce um Regulus seinen Fehler aufzuzeigen.

Ihr Magen verknotete sich, als würde er in einem Schraubstock feststecken. Lily fuhr sich nervös durch die langen dunkelroten Haare, die in seidig glänzenden Wellen offen über ihren Rücken fielen.

Sie hatte den halben Nachmittag in ihrem Zimmer verbracht, mit ihren Roben gekämpft und ihre Haare bezwungen. Petunia war auf halbem Wege hereingekommen, um nach ihr zu sehen, und obwohl ihr Mund andere Dinge getan hatte, hatte sie Lily mit dem Verschluss ihrer Roben geholfen.

„Ich weiß gar nicht, wieso du so ein Drama darum machst. Solche Leute zu beeindrucken wird nicht schwer sein. Fuchtel mit deinem Stock rum und zeig ihnen den Krötenschleim in deinen Taschen; das werden sie lieben“, sagte Petunia.

„Schön wär’s“, murmelte Lily.

„Wirst du wirklich über Nacht bleiben?“, fragte Petunia und lehnte sich auf Lilys Bett zurück, um nach ihrer Tasche zu greifen. Sie drehte sie misstrauisch in den Händen, als würde sie der Größe nicht trauen. „Und das ist alles, was du mitnimmst?“

„Vergrößerungszauber“, sagte Lily. „Alles, was ich brauche, ist da drin. Ich will nicht mit meinem Koffer dort auftauchen.“

Petunia schnaubte. „Oder den Eindruck machen, dass du Schlafsachen dabei hättest.“

Lily kehrte ihrem blassen Spiegelbild den Rücken und schaute Petunia fragend an. „Was willst du damit sagen?“

„Dass du dich so unter Wert verkaufst.“ Petunia fuhr in einer eindeutigen Geste über ihren linken Ringfinger, den Vernon mit einem klobigen Saphirring frisch in Ketten gelegt hatte. Er hatte sie vor wenigen Tagen erst im Wohnzimmer seiner Mutter gefragt. Als Lily über dieses mentale Bild gelacht hatte, war Petunia ihr triumphierendes Lächeln vergangen. Anscheinend hatte sie das nicht lächerlich und unromantisch von Vernon gefunden.

Lily hatte versucht sich für ihre Schwester zu freuen, aber Vernon, den sie letzten Freitag bei einem Essen mit ihren Eltern hatte kennenlernen müssen, war ein grauenhafter Mann. Meistens sprach er über sich oder proklamierte engstirnige politische Ansichten, die selbst ihre Mutter die Augen verdrehen ließen. Obendrauf beäugte er Lily, als würde sie ihn jeden Moment in die Luft jagen, und Petunia schwärmte davon, wie großzügig er darüber hinwegsah, welche Bürde Lilys Andersartigkeit für Vernon und sie darstellen würde. Drei volle Stunden hatte Lily schneidende Seitenkommentare ertragen müssen und es als Übung für ihr Dinner mit den Blacks angesehen, aber als sie danach nachts in ihrem Bett gelegen hatte, wo Petunia jetzt mit herablassender Miene saß, waren ihr die Tränen gekommen. Anscheinend sah ihre Schwester nicht mehr in ihr als ein Hindernis, das erfolgreich überwunden worden war.

„Wir haben nicht mehr 1910, Tuney“, antwortete Lily. „Ich bin keine Ware, die an den Mann gebracht werden muss, und ich bin nicht beschädigt, wenn ich eine Nacht im Haus meines Freundes verbringe. Außerdem haben sie mehr als ein Zimmer, das sich alle teilen müssen.“

„Ich weiß nicht, wie eure Leute das halten“, sagte Petunia.

„Mum und Dad haben nichts dagegen, und sie sind deine und meine Leute“, gab Lily zurück. Sie strich noch einmal über ihre Roben und breitete fragend die Arme aus. „Also?“

Petunia seufzte, setzte sich gerade hin und musterte Lily von oben bis unten. Ihr Blick verdunkelte sich und ihr Gesicht verkrampfte sich in die pferdeähnliche Grimasse. „Zu Halloween könnte man so rumlaufen, ja.“

Lily lächelte sie an. Ihr Magen entspannte sich ein wenig und ihre nervösen Finger hörten endlich auf den Stoff glätten zu wollen.

„Aber zu meiner Hochzeit ziehst du sowas nicht an“, ergänzte Petunia. „Jeder würde dich anstarren.“

Lily gluckste. „Ich dachte auch, die Braut sucht die Garderobe der Brautjungfern aus.“

Petunia stieß ein spöttisches Schnauben aus und reckte ihren langen Hals. „Du wirst nicht meine Brautjungfer. Ich habe Freundinnen, Lily.“

Lilys Lächeln fiel in sich zusammen.

Petunia war zu beschäftigt ihren Ring zu drehen, um etwas davon mitzubekommen. „Vernon ist so verständnisvoll. Er hat sogar vorgeschlagen, dass wir uns im Sommer zum Essen treffen. Du, dein Freund und natürlich wir. Vorausgesetzt, das zwischen euch ist etwas Ernstes. Oder wie auch immer deine Leute –“

Die Türklingel fiel Petunia barsch ins Wort. Lilys Kummer wurde von einem ganz gegensätzlichen Gefühl abgelöst. Ihr Magen drehte und wandte sich vor Aufregung, aber ihre Mundwinkel schossen in ein Lächeln. Sie schnappte sich ihre Tasche vom Bett und stürmte aus dem Zimmer, ohne weiter auf Petunia zu achten.

Aus dem Erdgeschoss drangen bereits Stimmen zu ihr. Lily eilte die Treppen herunter und fand Regulus im Flur vor. Er sprach mit ihren Eltern, die sich beide an der Haustür versammelt hatten, als wäre der Premierminister persönlich vorbeigekommen. Als sie Lilys Schritte hörten, drehten sie sich alle um. Lily fing Regulus‘ Blick auf und lächelte ungezwungen, was er kaum merklich erwiderte. Sie eilte die letzten Stufen herunter und auf ihn zu.

„Da bist du ja.“ Lily begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange, streifte dabei hauchzart seinen Mundwinkel.

„Und ich dachte, ich wäre pünktlich.“ Regulus strich über ihren Arm und ließ seine Hand dort liegen. Der Hauch eines Lächelns stand ihm unglaublich gut. Es ließ seine grauen Augen silbern aufblitzen. Sein Haar lag in einem ordentlichen Seitenscheitel und fiel ihm schwarz wie die Nacht halb in die Stirn. Er trug außergewöhnlich gut geschnittene, aber einfach schwarze Roben. Darunter schimmerte eine Weste in dezentem Nachtblau.

„Ihr seid ein sehr hübsches Paar“, sagte ihre Mutter mit einem Seufzen.

Lily errötete. „Mum…“

„Danke, Mrs. Evans“, sagte Regulus viel gewandter.

Ihre Mutter schaute ihn an, als hätte er ihr gerade ein Kompliment von der Größe des Ben Nevis gemacht.

„Seid ihr sicher, dass ihr gleich los müsst?“, fragte ihr Vater. Lily konnte die Neugierde in seinen Augen glühen sehen, wie jedes Mal, wenn etwas aus der Zaubererwelt über ihre Türschwelle kam. So, wie sie ihn kannte, würde er Regulus am liebsten die ganze Nacht in seinem Arbeitszimmer ausfragen.

„Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein“, sagte Regulus, „aber ja. Meine Eltern nehmen es mit der Uhrzeit sehr genau.“

Lilys Mutter tätschelte seinen Arm. „Du musst uns versprechen, dass du auch bald einmal zu uns zum Essen kommst. Wir haben zwar keine selbst rührenden Töpfe, aber ich bekommen auch einen ganz guten Braten hin.“

„Ganz gut ist untertrieben“, sagte ihr Vater und versuchte seinen Bauchansatz einzuziehen.

„Das würde mich sehr freuen“, sagte Regulus.

Lily lächelte ihn zufrieden an. „Wir sollten los.“

„Hast du alles?“, fragte Regulus und schaute auf ihre Tasche herunter, worauf Lily nickte. Er wandte sich an ihren Vater. „Sir, wenn wir gleich aus ihrem Haus disapparieren könnten, wäre das sehr hilfreich.“

„Tut euch keinen Zwang an“, sagte ihr Vater abwinkend. Er breitete die Arme aus und fasste Lily ins Auge. „Komm her, Liebes. Verabschiede dich von deinem Daddy.“

Lily verdrehte die Augen, bevor sie ihn umarmte. „Wiedersehen, Dad.“

Ihr Vater strich ihr über die Haare. „Du siehst sehr hübsch aus, Liebes. Aus meinem Funken ist ein richtiges Feuer geworden.“

Lily gluckste und ließ ihn los. Ihr Vater schüttelte Regulus die Hand.

„Pass gut auf sie auf.“

„Mach’s gut, Lily.“ Ihre Mutter umarmte sie ebenfalls zum Abschied und flüsterte ihr ins Ohr: „Mehr Zimmer bedeuten übrigens, dass ihr euch keins teilen müsst.“

„Mum.“ Lily kniff die Augen zusammen, während ihre Mutter ihr ins Ohr kicherte. Regulus schien das wenigstens nicht gehört zu haben. Er kam herüber, um auch Lilys Mutter die Hand zu schütteln.

„Hat mich gefreut, Sie wiederzusehen, Mrs. Evans.“ Regulus schaute auf die Treppe. „Miss Evans.“

Petunia stand auf der letzten Stufe und krallte sich so am Geländer fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Lily ging auf sie zu und stellte sich auf die Zehenspitzen, um sie in den Arm zu nehmen. Es dauerte einen Moment, bevor Petunia sie halb in den Arm nahm.

„Wiedersehen, Tuney.“ Lily ließ sie los und lächelte. Petunia blickte sie aus steinharten Augen an; ihr Blick flatterte kurz zu Regulus und schien sich noch zu verdüstern. Als würde sie alles an ihm verachten, und vielleicht tat sie das, weil er genau die Welt repräsentierte, von der sie sich ausgestoßen fühlte.

„Können wir, Lily?“ Regulus kam an ihre Seite und schob seine Hand in Lilys. Er begegnete Petunias kühlem Blick gelassen. „Ein schöner Ring, übrigens. Meinen Glückwunsch.“

Lily zwickte ihm in die Finger, aber Petunia schien den Sarkasmus zu überhören. Sie reckte ihr Kinn, was ihren Hals noch länger erscheinen ließ.

„Danke sehr“, sagte sie steif, aber nicht ohne sich den Triumph zu verkneifen – als hätte sie Regulus und damit auch Lily in einem Wettrennen geschlagen. „Amüsiert euch gut.“

Lily wünschte, sie könnte die Herablassung in Petunias Stimme überhören und sich einfach darüber freuen, aber alles an ihren letzten Worten machte deutlich, dass sie ihnen keinen Spaß wünschte und dass sie wusste, dass sie ihn nicht haben würden.

Regulus zog Lily an der Hand ein Stück nach hinten, fast so, als würden sie die Haustür benutzen. Lily winkte ihren Eltern noch einmal; im Gegensatz zu Petunia mussten sie sich nicht zum Lächeln zwingen. Ihr Vater wartete gespannt auf ein Fünkchen Magie und ihre Mutter zwinkerte ihr zu, bevor der Knall beim Disapparieren sie beide und Petunia aus Lilys Blickfeld riss.

Lily landete auf feuchter Erde und stolperte aus dem Gleichgewicht fast in eine Hecke. Regulus hielt sie fest und zog sie gegen sich. Sie standen in einem kleinen Parkstück, gut vor neugierigen Muggelblicken versteckt hinter ein paar Büschen.

„Da wären wir.“ Regulus deutete aus dem Dunkel heraus auf die andere Straßenseite.

Eine Reihe georgianischer Häuser starrte auf sie herunter. In der Abenddämmerung wirkten ihre Ziegel noch dunkler, wie eine schwarze, unüberwindbare Mauer. Die Straßenlaternen waren noch nicht eingeschaltet, dafür aber brannten Lichter in der Nummer elf und dreizehn. Die Zwölf lag in absoluter Finsternis versteckt dazwischen.

Regen lag in der Luft, und als der Wind durch die Baumkronen über ihnen raschelte, landeten einige nasse Tropfen auf Lilys Kopf. Lily zuckte zusammen und erntete einen milde amüsierten Blick von Regulus, als sie sich durch die Haare fuhr. Er strich einen Wassertropfen weg, der über ihre Wange rollte.

„Bist du soweit?“

„Gib mir einen Moment…“ Lily umfasste sein Gesicht und küsste Regulus, wie sie es hatte tun wollen, seit sie ihn wiedergesehen hatte. Regulus ließ ihren Kuss nicht lange unerwidert, schlang beide Arme um sie und zog Lily fest gegen sich. Gut versteckt im Schatten der hohen Häuser und ungebändigten Sträucher fanden ihre Lippen wie von alleine zueinander. Und es war unendlich schwer wieder loszulassen.

Lily seufzte gegen Regulus‘ warme Lippen. „Du hast mir gefehlt.“

Regulus küsste sie auf die Stirn und Lily nutzte die Gelegenheit, um sich eng gegen ihn zu schmiegen. Für einen Moment wollte sie einfach nur genießen, wie wunderbar warm es in seinen Armen war. Den Rest des Abends würde sie einen viel zu großen Abstand zu ihm halten müssen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Regulus.

Lily nickte, worauf er sie nur noch fragender anschaute. Sie lenkte ein, auch wenn es nicht der richtige Zeitpunkt war. „Tuney will mich nicht als Brautjungfer.“

„Das hat sie dir jetzt gesagt?“ Regulus atmete scharf aus, als Lily schuldbewusst zu Boden blickte, und tippte ihr Kinn wieder nach oben.

„Ich hätte es nicht erwarten sollen“, sagte Lily. „Es ist nur so, dass ich es mir immer vorgestellt habe. Wir sind Schwestern. Als wir klein waren, musste ich ihren Toilettenpapierschleier tragen, wenn sie zu einem Altar aus Karton geschritten ist, um den zwei Meter Stoffhasen zu heiraten, den Dad auf dem Rummel gewonnen hat.“

Regulus stellte sich das vor und seinem Gesichtsausdruck schien er es genauso gleichermaßen verstörend und niedlich zu finden, wie es in Lilys Erinnerung war.

„Ich hätte in einem fiesen Kleid, das sich mit meiner Haarfarbe beißt, stecken sollen, während sie Vernon anschmachtet, dem der Hals von seinem zu engen Kragen eingeschnürt wird. Ich hätte ihr zwei Stunden vorher Luft zufächern sollen, wenn sie Panik kriegt.“ Lily zuckte mit den Schultern und spürte Regulus‘ Hände über ihre Schulterblätter gleiten. „Vielleicht will sie mich nicht einmal dabei haben.“

„Natürlich nicht.“

Lily schaute ihn verwirrt und gleichzeitig entsetzt an.

Regulus legte eine Hand auf ihre Wange, fing mit der Kühle seiner Handfläche die Hitze ihrer Scham auf. „Selbst in dem fiesesten Kleid, würde jeder nur Augen für dich haben.“

Lily wurde jetzt erst recht rot. Sie wollte Regulus gegen die Brust schlagen, schaffte aber nicht mehr als sanft über seinen Oberkörper zu streichen. Er machte ihr selten Komplimente, und wenn dann eher versteckte, aber das störte sie nicht. Sie musste nichts davon hören. Wenn Regulus sie ansah, fühlte sie sich wie das hübscheste, klügste, humorvollste Mädchen auf der Welt.

„Sie wird dich einladen“, sagte Regulus. „Sie hat vielleicht Angst, dass du sie in den Schatten stellst, aber sie wird sich nicht die Gelegenheit nehmen lassen, dir ihr Glück unter die Nase zu reiben.“

„Ich hatte auf einen weniger feindseligen Grund gehofft“, sagte Lily.

„Lily, ich weiß, was es heißt Geschwister zu haben. Man hasst sie so sehr, dass man ihnen das Gesicht abziehen will, und will sie trotzdem nicht missen.“ Regulus fing ihren Blick ein und schaute sie forschend an. „Wenn du dir meine Eltern nicht mehr antun willst, musst du es nur sagen.“

Lily schüttelte sofort den Kopf. „Nein. Nein, entschuldige. Ich war nur…“

„Man entschuldigt sich nur, wenn man Unrecht hat, also lass es.“

Lily hatte keine andere Wahl als ihn anzulächeln. Sie nahm Regulus‘ Hand und ließ sich von ihm aus dem Dickicht führen. Sie überquerten die Straße und steuerten die Hausnummer zwölf an. Die Muggel, die auf der Straße an ihnen vorbeigingen, schienen sie einfach zu übersehen, als gäbe es nur die elf und dreizehn.

Regulus bemerkte ihren neugierigen Blick. „Das Haus ist unortbar. Mein Vater hat alle Sicherheitszauber in seinem Repertoire darauf gelegt, damit wir ungestört zwischen den Muggeln leben können. Einmal hat er es so übertrieben, dass nicht einmal mehr die Eulen uns gefunden haben. Sirius hat seinen Hogwartsbrief ziemlich spät bekommen. Zwei Wochen lang dachte er, man würde ihn nach Durmstrang schicken.“

„Oje, da hätte er sich warme Gedanken machen müssen“, sagte Lily.

Regulus schien dieser Gedanke ein sehr warmes Gefühl zu bereiten. Mit einem amüsierten Funkeln in den grauen Augen öffnete er die Haustür. Er ließ Lily vorausgehen.

Sie betrat einen hohen Korridor, dessen Wände mit alten Portraits behangen waren. Die Zauberer darin taten so, als würden sie schlafen, aber Lily wurde bei jedem Schritt von halb geschlossenen Augen beobachtet. Ein leises, feindseliges Tuscheln brach hinter ihr aus.

Sogar die Portraits schienen sich darüber zu echauffieren, dass eine muggelstämmige Hexe ihren kostbaren Reinblut-Boden betreten hatte. Wenn sie sich recht an Mrs. Blacks Worte erinnerte, war das angeblich schon über hundert Jahre her. Auch wenn sie sehr bezweifelte, dass Mrs. Black sich den Stammbaum eines jeden Besuchers geben ließ, bevor er über ihre Türschwelle kam. Dann allerdings…

Der Flur ging in eine hohe Halle über, in der die Treppen in die oberen Stockwerke führten. Lily folgte dem Geländer nach oben und hörte Schritte zwei oder drei Stockwerke weiter oben. An der Wand der Treppen aufgereiht befanden sich dutzende Glasbehälter. Lily schrak zusammen, als sie erkannte, was darin gelagert war. Die Köpfe toter Hauselfen starrten ihr entgegen.

„Das ist Tradition“, sagte Regulus leise, als würde er befürchten, die schrumpeligen Köpfe würden ihn hören und für seine Worte verachten. „Ich finde es eher makaber, aber für unsere Hauselfen ist es angeblich eine Ehre. So bleiben sie und ihre Dienste uns in Erinnerung.“

„Das macht es nicht weniger makaber“, stimmte Lily zu.

„Das kleine Schlammblut beschämt die Ehre von Kreachers Vorfahren, ja?“

Lily drehte sich um. Eine kleine Kreatur kletterte die Treppen aus dem Keller nach oben. Sie hatte riesige, fledermausartige Ohren, aus denen erste Haare sprießten, und eine krumme Nase. Feindselige Augen nahmen Lily ins Visier. Es war nicht das erste Mal, dass sie einen Hauselfen sah, aber irgendwie hatte sie sie niedlicher in Erinnerung.

„Kreacher“, sagte Regulus scharf und entsetzt. „Ich weiß nicht, was meine Mutter dir gesagt hat, aber Miss Evans ist unser Gast und du wirst dich ihr gegenüber genauso höflich und respektvoll benehmen, als würdest du mir persönlich gegenüber stehen.“

Kreacher riss die Augen auf, als hätte Regulus ihm vor die Füße gespuckt, aber hinter dem verletzten Stolz, loderte Scham auf. Er verbeugte sich so tief, dass seine Nasenspitze den Boden berührte.

„Entschuldigung“, sagte Lily, worauf der Hauself sie verdutzt anblickte. „Ich wollte Sie nicht beleidigen. Oder Ihre Vorfahren. Ihre Arbeit hat sicher jede Wertschätzung verdient… die sie bekommt.“

Regulus‘ warmer Blick kreuzte ihren, als sie nach den passenden Worten suchte. „Kreacher, bring Miss Evans‘ Tasche bitte in ihr Zimmer. Du weißt, dass sie über Nacht bleiben wird.“ Regulus ließ sich von Lily ihre Tasche geben und reichte sie an Kreacher weiter, der sie wie einen Schatz in beide Hände nahm. „Wir kommen vor dem Essen nicht hoch. Solltest du also irgendwelche Überraschungen für nötig befunden haben, hast du genügend Zeit sie zu überdenken.“

„Kreacher hat verstanden, Master Regulus.“ Kreacher verbeugte sich erneut und schaute Lily an, verbeugte sich dann erneut, wenn auch um einiges niedriger. Er lief die Treppen nach oben, vorbei an den Köpfen seiner Vorfahren, die eingepfercht in ihre Glasbehälter traurig und verloren wirkten.

Schritte polterten Kreacher entgegen. Ein Schatten tauchte auf den Stufen auf und ein Rumpeln ertönte, als Kreacher beiseite hüpfen musste.

„Willkommen, willkommen!“ Sirius blieb im ersten Stock stehen und lehnte sich lässig gegen das Geländer, schaute wie der Herr eines Schlosses auf sie herunter. Sein Auftritt erinnerte Lily an die historischen Dramen des BBC. „Wie gefällt dir mein Haus, Lily? Hast du den abgeschnittenen Trollfuß schon entdeckt, den meine Mutter als Regenschirmständer missbraucht?“

Lily drehte sich um und entdeckte dort, wo Sirius hingedeutet hatte, tatsächlich etwas, das wie ein Trollfuß aussah und ein paar Regenschirme beherbergte.

„Es ist nicht dein Haus, Sirius“, sagte Regulus.

„Noch nicht, Brüderchen.“ Sirius kam die Treppe herunter und blieb bei ihnen stehen. Er hatte sich ebenfalls zurechtgemacht, aber auf eine andere Weise, als sie es je von ihm auf einer von Professor Slughorns Partys gesehen hatte. Elegant und hochmütig, aber weniger lässig. Sein Haar war frisch gestutzt und in einen peniblen Scheitel gezogen, seine Roben zogen sich stramm über seine breiten Schultern und ließen ihn aufrechter stehen. Er trug eine aufwändig gebundene dunkelrote Krawatte, das einzige Zugeständnis an Gryffindor.

„Hallo, Sirius.“ Lily begrüßte ihn mit einer Umarmung. Unter diesem Dach war er wahrscheinlich der Einzige, der auf Regulus und ihrer Seite stand.

„Du siehst phantastisch aus, Lily.“ Sirius musterte sie noch einmal, als Lily ihn losließ. Es störte sie nicht, aber anscheinend ging sein Blick Regulus zu tief. Er rückte nämlich dicht an ihre Seite. „Daran wird niemand etwas zu meckern haben“, sagte Sirius mit einem Zwinkern.

„Danke dir“, sagte Lily und ließ Regulus‘ Hand zwischen ihre Finger.

„Daran vielleicht schon“, sagte Sirius, ließ ihre Hände aber ineinander liegen. „Knutscht vielleicht nicht unbedingt miteinander rum.“

„Wirklich?“, fragte Regulus trocken. „Und ich dachte, das wäre angebracht.“

„Denkst du wirklich, dass das einen großen Unterschied machen wird?“, fragte Lily. „Ich habe schon einen schlechten Eindruck bei euren Eltern hinterlassen.“

„Darum geht es nicht“, sagte Regulus.

„Ja, du hattest schon einen schlechten Eindruck bei ihnen hinterlassen, bevor sie dich überhaupt gesehen haben“, fügte Sirius hinzu.

Regulus schoss ihm einen scharfen Blick zu und Lily verdrehte die Augen. Sie wusste, dass er Recht hatte. Sie hatte nie eine Chance gehabt die Sympathien von Regulus‘ Eltern zu gewinnen. Sie würde auch nie eine Chance haben. Als sie sich auf King’s Cross das erste Mal gegenüber gestanden waren, hatten sie ihr ach so unreines Blut gewittert, wie Spürhunde, und sie sofort abgelehnt. Heute ging es nicht darum das zu ändern, sondern einfach Frieden miteinander zu schließen.

„Guten Abend.“ Mr. Black kam in die Halle und Lily streckte ganz automatisch die Wirbelsäule durch, um so gerade wie möglich zu stehen. Er hatte sich ebenfalls sehr herausgeputzt. Sein steifer Kragen und die schwarzen Roben erinnerten Lily an den Frack, den ihr Vater einmal zu einem wichtigen Geschäftsessen hatte tragen müssen, als jemand mit einem Titel es für nötig befunden hatte die Kohlekraftwerke zu begutachten.

Zu ihrer Überraschung streckte Mr. Black ihr die Hand entgegen. „Miss Evans, ich hoffe, Sie haben gut hierher gefunden.“ Sein Griff war schwach und lieblos und er klang gefühlloser, als Regulus in seinen kältesten Zeiten.

„Eine kleine Herausforderung mit einem unaufspürbaren Haus“, sagte Lily mit einem nervösen Lächeln.

Mr. Black blinzelte, als hätte er mit einem Scherz genauso wenig gerechnet, wie mit einer Ohrfeige. „Ich bemühe mich seit Jahren darum meine Söhne vor den Unannehmlichkeiten eines Lebens in dieser Gegend soweit es geht zu schützen.“

„Du meinst, du spielst gerne mit Schutzzaubern wie ein zweitklassiger Mitarbeiter der Abteilung für magische Strafverfolgung?“ Mrs. Black betrat hinter ihrem Mann die Halle und wenn Lily je geglaubt hatte, dass ihre Roben ein wenig zu viel waren, wurde ihr jetzt das Gegenteil bewiesen. Regulus‘ Mutter sah aus, als würde sie mehrere Lagen an Vorhängen aus schwerer, purpurner Seide tragen, die aufwändig bestickt waren. Ihr Schmuck schien so schwer, dass er sich in ihren Hals grub. Und was immer sie in ihrem Haar trug erinnerte sehr an einen Phönix kurz vor dem Brandtag.

Alle Blacks schienen ein Abendessen für eine sehr ernste Angelegenheit zu halten. Lily fühlte sich, als wäre sie bei einem Graf oder Herzog im Eton Square zum Essen eingeladen. Remus hatte sie genau davor gewarnt, anscheinend war er nämlich einmal in etwas aus den Nähten gehenden Roben hier aufgetaucht. Zugegeben, seine Erzählung hatte Lily nicht unbedingt beruhigt. James wiederum hatte ihr gesagt, dass es nicht mehr als ein Spiel war – andem er anscheinend stets kläglich scheiterte. Aber sie war seiner Meinung. Sie musste nicht so sein wie die Blacks, sondern nur einmal mitspielen.

Das imposante Haus, der Hauself, der einem alles nachtrug, extravagante Abendessen; all das musste seinen Teil zu dem Touch Hochmütigkeit beigetragen haben, den sowohl Regulus, als auch Sirius ausstrahlten.

Mr. Black verdrehte über den Kommentar seiner Frau die Augen. Er sah müde aus, aber ob die Erschöpfung auf seinen Gesundheitszustand zurückzuführen war, oder einfach auf die Tatsache, dass er jeden Tag solche Spitzen ertragen musste, konnte Lily nicht sagen. Sie wusste auch nicht, ob er ihr leidtat. Natürlich wollte sie nicht, dass er ihretwegen erneut einen solchen Schock erlitt, aber dieses Mal, zumindest hatte Regulus ihr das versichert, hatte er genügend Zeit gehabt, sich auf den Gedanken einzustellen.

„Sie haben ein sehr beeindruckendes Haus, Mrs. Black“, sagte Lily und hielt Regulus‘ Mutter ihre Hand entgegen. Sie griff ins Leere und wurde hängengelassen.

„Danke“, sagte Mrs. Black. „Ich vermute die Norm ist beeindruckend, wenn man aus Ihren Umständen kommt.“

Lilys Lächeln knickte ein.

„Können wir dann reingehen?“, meldete Sirius sich zu Wort. „Ich verhungere. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Kreacher seit Sonnenaufgang an diesem Essen kocht.“

Lily fand ihr Schmunzeln wieder, vor allem bei Mrs. Blacks panischem Gesichtsausdruck. Anscheinend wurde ein Teil von dieser ‚Norm‘ aufgefahren, um sie zu beeindrucken – oder zu verschrecken. Sie schaute zu Regulus, der ihr unauffällig, aber sanft über den Handrücken streichelte.

„Wenn du zum Tee runtergekommen wärst, würdest du nicht verhungern“, murmelte Mr. Black, als er eine der beiden Türen im Erdgeschoss öffnete.

„Ja, aber dann müsste ich mit dir reden“, gab Sirius zurück und ging vor, obwohl seine Mutter als erste hatte gehen wollen. „Und da verhungere ich lieber.“

„Wir entscheiden selbst über unser Schicksal, Sirius“, erwiderte Mr. Black gelangweilt darauf. „Wenn du dich dafür entscheidest zu verhungern, werde ich dafür sorgen, dass im Tagespropheten steht: Starb im vollen Besitz seines Stolzes.“

„Danke sehr, Vater“, kam Sirius‘ Stimme aus dem Esszimmer.

Mrs. Black wollte folgen, als ein Knistern wie von aufflammendem Feuer aus dem anderen Zimmer kam. Ihr Gesicht hellte sich auf, aber ihr gehässiges Lächeln machte sie nicht unbedingt hübscher.

„Erwarten wir noch jemanden?“, fragte Regulus misstrauisch. Seine Finger verkrampften sich leicht um Lilys und sie ahnte nichts Gutes. Es musste das Flohnetzwerk sein, das dieses Geräusch verursacht hatte. Lily wusste nicht, ob sie einen Notfall herbeiwünschen würde, um das hier schneller zu beenden.

„Ja, tun wir“, sagte Mrs. Black in einem Tonfall, als hätte Regulus einen Termin mit dem Zaubereiminister persönlich vergessen.

„Ich wusste nicht, dass noch jemand kommt, Mutter.“

Sirius‘ Kopf schaute aus dem Esszimmer heraus. Er wirkte gleichermaßen neugierig und verwirrt. Nur Mr. Black schien nicht überrascht.

„Ich dachte, eine solch amüsante Gesellschaft verdient Zuwachs. Und wenn Miss Evans schon die Familie kennenlernen will, sollte sie auch die Familie kennenlernen“, sagte Mrs. Black und eilte an Regulus und Lily vorbei ins Wohnzimmer. „Ah, Narcissa. Du siehst bezaubernd aus wie immer.“

Lily schluckte hart. Sie fragte sich, wie viele Blacks oder ehemalige Blacks gerade durch das Feuer gestolpert waren.

„Und Lucius. Wie geht es dir?“

Lilys verkrampfter Magen füllte sich auf einen Schlag mit purer Wut. Sie ballte die Hände zu Fäusten und zerquetschte dabei beinahe Regulus‘ Hand. Ein Zimmer entfernt stand der Mann, dem Regulus diese schreckliche Verletzung auf seinem Arm zu verdanken hatte, und sie durfte ihm nicht all die Flüche entgegen werfen, die sie sich für ihn überlegt hatte.

„Ich wusste von nichts“, raunte Regulus ihr zu.

Lily nickte. „Ich weiß. Aber er? Ausgerechnet? Wie können Sie dir das antun?“

Regulus wollte etwas sagen, aber tapsende Schritte unterbrachen ihn. Kreacher kam aus dem Wohnzimmer und balancierte schwere Stoffmäntel. Ihr Gewicht drohte ihn nach hinten zu reißen. Lily beugte sich herunter, um ihm zu helfen, aber Regulus zog sie zurück und schüttelte sanft den Kopf.

Im nächsten Moment traten die Malfoys aus dem Wohnzimmer, Lucius und Narcissa, als hätte Mrs. Black gewusst, dass Lily eines dieser Gesichter in ihren schlimmsten Alpträumen sah. Lucius stellte ein arrogantes Grinsen zur Schau, als er ihren brennenden Blick auffing.

„Lily Evans“, grüßte er. „Dass wir uns einmal in unserer Freizeit begegnen. Daran hätte ich im Traum nicht gedacht.“

Seine Frau kicherte kühl. Lily hatte Narcissa Black, nein, Malfoy, nicht mehr gesehen, seit sie ihren Abschluss gemacht hatte. Sie sah tatsächlich bezaubernd aus, besonders wenn sie lachte. Auf den ersten Blick sah sie ihren Cousins nicht ähnlich, mit ihren großen blauen Augen und langen blonden Haaren, die nur eine Nuance dunkler waren, als die ihres Mannes, aber wie Sirius und Regulus hielt sie sich mit der einer hochmütigen Eleganz. Sie brauchte keinen Vogel in den Haaren; in ihren schlichten, eng anliegenden tiefblauen Roben überstrahlte sie alles.

„Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Evans“, sagte Narcissa und schaute sie äußerst genau an, als würde sie nach der kleinsten Falte in ihren Roben suchen. „Du bist groß und hübsch geworden.“ Sie wandte sich Regulus zu, als würden sie ein Geheimnis teilen, ließ aber nur die Augenbrauen hüpfen.

Lily schaute verwirrt zwischen ihnen hin und her. Sie räusperte sich. „Du auch, Black… ähm, Narcissa.“

„Oh, wir sind bei den Vornamen“, sagte Narcissa amüsiert und lehnte sich gegen ihren Ehemann. „Anscheinend bin ich dem Namen Malfoy nicht würdig genug.“

Lucius schmunzelte.

„Ein anderer hätte dir auch gut gestanden“, sagte Lily und wischte Lucius‘ Grinsen aus seinem Gesicht, wie ein Mopp den Schmutz vom Boden.

„Ihr kennt einander, sehr gut“, sagte Mrs. Black, als hätte sie das nicht erwartet. Natürlich hatte sie das. „Dann –“

„Können wir jetzt essen?“, sagte Sirius. „Oder müssen wir noch den verbalen Weltkrieg beenden?“

„Oh, Sirius.“ Narcissa hakte sich bei ihm ein und zog ihn mit sich ins Esszimmer. „Du musst dich neben mich setzen. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr miteinander gesprochen.“

„Aber wir schweigen uns doch immer so gut an?“, hörte Lily Sirius sagen.

Mrs. Black schleppte einen etwas verloren zurückgelassenen Lucius hinter sich ins Esszimmer, während Mr. Black wie ein Türsteher die Tür offen hielt.

Regulus streichelte weiter ihre Hand und nickte zur Tür.

Lily schluckte leicht. „Sie ist sehr hübsch, nicht wahr?“

„Wer?“, fragte Regulus, als würde ein Dutzend wunderschöner Frauen in seinem Haus herumlaufen. Dann schaute er sich um. „Was? Oh. Ja, sie ist aus Frankreich. Eine richtige Antiquität.“

Lily runzelte verwirrt die Stirn, bis sie Regulus‘ Blick folgte, der an einer Lampe mit einem hübsch bestickten Schirm mit Kordeln daran hing. Sie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, worauf Regulus ihre Verwirrung übernahm.

„Ja, sehr hübsch“, sagte sie und ließ sich von Regulus und seiner gerunzelten Stirn ins Esszimmer führen. Direkt in die Höhle des Löwen. Mr. Black schloss die Tür hinter ihr, kaum dass sie einen Fuß hineingesetzt hatte. Narcissa und Mrs. Black saßen schon, und als Regulus ihr einen Stuhl hervorzog, auf den sie sich setzte, folgte der Rest an den Tisch.

Mr. Black setzte sich an die Mitte, seine Frau gegenüber davon. Narcissa hatte ihren gewünschten Platz neben Sirius am Kopfende bekommen, Lucius nahm auf der anderen Seite neben Mrs. Black Platz. Lily saß ihm genau gegenüber. Sie war nur froh, dass Regulus den Platz zwischen ihr und seinem Vater besetzte. Dass er an ihrer Seite blieb. Unter dem Tisch suchte und fand sie seine Hand.

Der ovale Tisch war aufwändig gedeckt. Silberne Kerzenleuchter strahlten gegen das Licht der Lampen an. Eine perfekt gebügelte weiße Tischdecke verdeckte das edle Holz, das sie nur an den Tischbeinen erkennen konnte. Silberne Eindeckteller lagen eingepfercht zwischen zwei Reihen mehrerer Gabeln, Löffeln und Messern zu beiden Seiten. Wein- und Wassergläser nahmen den vorderen Teil in Beschlag.

Lily spürte Lucius Malfoys Blick genau auf sich, als sie das Besteck musterte, und schaute unauffällig weg. Sie wusste, dass es eine Lappalie war, sich davon überfordert zu fühlen, aber wenn sie es jemandem nicht zeigen wollte, dann diesem Voldemort-vergötternden Bastard.

Das Essen erschien mit einem leisen Plopp auf ihren Tellern, genauso wie in Hogwarts. Lily vermutete, dass Kreacher unten in der Küche einen ähnlichen Tisch vor sich hatte und alles zu ihnen nach oben zauberte. Vor ihr tauchte eine Suppe in einem tiefen Orange auf. Sie tippte auf Kürbis. Regulus ließ ihre Hand los, um zu essen, und Lily griff zum Löffel am äußersten Rand. Am Rand ihres Blickfelds sah sie Lucius die Augen verdrehen. Er hatte wohl gehofft, sie würde mit dem Messer ihre Suppe essen. Kaum nahm sie den ersten Löffel fiel ihr Mrs. Blacks Blick auf, der sich ebenfalls enttäuscht abwandte.

Lily konnte nicht abstreiten, dass sie dieses Benehmen lächerlich fand. Genauso lächerlich war aber vielleicht, dass sie genau das hier geübt hatte. Sirius hatte ihr geholfen, als sie nach Remus‘ traumatischen Schilderungen, James‘ Versuchen ihr die Anspannung zu nehmen und den näher rückenden Ferien zunehmend nervöser geworden war. Sie hatten sich nachmittags im Klassenzimmer für Zaubertränke getroffen, aber anstatt Baldrian zu zerschneiden und Tränke brodeln zu lassen, hatte er ihr erklärt, was zum Geier ein Bouillonlöffel sein sollte. Ihr merkwürdiger Nachhilfeunterricht hatte ein abruptes Ende gefunden, als Regulus im Klassenzimmer für Zaubertränke aufgetaucht war, einen Ausdruck in den Augen, als würde er ein tanzendes Einhorn sehen. Es hatte nicht unbedingt geholfen, dass Sirius sich eine oder zwei oder auch drei unanständige Bemerkungen nicht hatte sparen können, dass sie gerade wieder angezogen waren et cetera. Regulus‘ Antwort darauf war gewesen sich zu ihnen zu setzen und Sirius‘ Job zu übernehmen. Er war ein sehr guter Lehrer, so gut, dass Lily nicht wusste, wieso sie ihn nicht gleich gefragt hatte ihr zu helfen.

„Sie haben ein wirklich schönes Haus, Mr. Black“, versuchte Lily es erneut, während Mrs. Black von dem Gespräch zwischen Narcissa und Sirius abgelenkt war. „Wie lange leben Sie hier schon?“

„Fast dreißig Jahre“, sagte Mr. Black, ohne sie anzusehen. „Meine Familie besitzt das Haus seit dem neunzehnten Jahrhundert.“

„Du meinst meine Familie“, mischte sich Mrs. Black ein, die anscheinend spitzere Ohren hatte, als man ihr ansah.

„Ich mache da keine großen Unterschiede, Darling“, sagte Mr. Black. „Deine Familie ist meine Familie.“

„Sehr romantisch von Ihnen“, sagte Lily lächelnd.

Mrs. Black schnaubte auf. „Romantisch? Realistisch trifft es besser.“

„Wie steht es mit Ihnen, Miss Evans?“, sagte Mr. Black etwas lauter, als würde er die Worte seiner Frau im Keim ersticken können. „Regulus hat uns erzählt Sie leben in den Midlands?“

„Oh, ja. Wir –“

„Cokeworth, wenn ich mich recht entsinne?“, meldete Lucius sich zu Wort und trank einen Schluck Wein. „Ich habe Severus dort einmal einen Besuch abgestattet. Ein düsteres Fleckchen. Weniger Magie habe ich selten an einem Ort erlebt.“

Lily erwiderte seinen herablassenden Blick eiskalt. „Dagegen würden ich und mein Zauberstab gerne argumentieren. Und meine Kindheit war alles andere als düster.“

„Severus kann das nicht sagen“, murmelte Lucius in sein Glas.

„Cokeworth ist eines der Spitzengebiete, wenn es um Kohleförderung geht“, sagte Regulus, als er ähnlich wie sein Vater versuchte Lucius‘ Feindseligkeit zu ersticken.

„Kohle?“ Mrs. Black musterte Lily, als würde sie mit schwarzen Fingern vor ihr sitzen und tagtäglich mit bloßen Händen Kohle schürfen. „Sehr eigentümlich. Muggel müssen sich stets bewehren, um in unserer Welt zu überleben, nicht wahr? Man sollte es ihnen die Last abnehmen.“

Lily hatte das dringende Gefühl, dass Mrs. Black nicht im Sinn hatte irgendeinem Muggel zu helfen, um ihnen ‚die Last abzunehmen‘. „Zauberer benutzen auch Kohle, Mrs. Black.“

„Richtige Zauberer brauchen nur ein Holz, um ein Feuer zu entzünden: Ihren Zauberstab“, sagte Lucius und erntete ein Lachen seiner Frau, während Mr. Black ihm zutoastete.

Lily war versucht nach ihrem Weinglas zu greifen, aber sie drehte in letzter Sekunde ab und nahm einen Schluck Wasser.

„Und, Miss Evans? Was machen Ihre Eltern in Cokeworth?“, fragte Mr. Black. „Wie verdienen sie ihr Muggelgeld?“

„Mein Vater ist im Vorstand der Fabrik. Meine Mutter ist Hausfrau.“

„Hausfrau, so, so. Haben Sie vor in ihre Fußstapfen zu treten, nach Ihrem Abschluss?“

Lily musste tief durchatmen, um ihre Ruhe zu behalten. Es war nichts falsch daran Hausfrau zu sein und sie würde niemanden ihre Mutter beleidigen lassen. Dafür hatte sie zu viel Respekt vor allem, was ihre Mutter getan hatte.

„Ich… Ich habe darüber nachgedacht in die Abteilung für magische Strafverfolgung zu gehen“, sagte Lily und präsentierte Lucius ihr falschestes Lächeln. „In letzter Zeit passieren so viele grauenhafte Dinge. Ich will etwas tun, um zu helfen. Manchmal fühlt es sich an, als stünden wir kurz vor einem Krieg, und dann brauchen nicht nur Muggel jeden Schutz, den sie bekommen können. Und ich denke, dass es auch sonst viele Dinge gibt, die eine helfende Hand gebrauchen können. Nicht nur, wenn es um die Beziehungen zwischen Zauberern und Muggeln geht, sondern auch die Abgrenzungen zwischen Zauber- und Tierwesen.“

Regulus hörte jedem ihrer Worte mit dem Ansatz eines Lächelns auf den Lippen aufmerksam zu. Seine Hand schob sich unter dem Tisch auf ihr Bein und strich ihr sanft übers Knie. Zum ersten Mal heute Abend fühlte Lily sich, als hätte sie etwas Richtiges getan.

„Kurz vor einem Krieg?“ Lucius schüttelte amüsiert den Kopf. „Dumbledore sorgt wirklich dafür, dass seine Schäfchen gut behütet in diese Welt gehen. Damit sorgt er nur dafür, dass es genügend Opferlämmchen gibt.“

„Eine respektable Ambition“, sagte Narcissa, aber Lily fiel es schwer ihr zu glauben. „Sehr ambitioniert. Wenn wir nicht aufpassen, veränderst du noch unsere ganze Welt.“ Jetzt wusste Lily auch wieso.

„Ich will nur meinen Teil tun“, sagte Lily.

„Bewundernswert“, sagte Lucius kühl. „Dumbledore muss Sie sehr schätzen.“

Lily ließ sich von seinem schneidenden Blick nicht berühren.

Mit einem Plopp verschwand die Suppe von ihren Tellern und die Hauptspeise erschien. Für Lily ein Zeichen, dass ein Drittel geschafft war. Es gab Rinderfilet mit Gemüse und einer tiefbraunen Soße; einfach aber sehr appetitlich aussehend. Lily hatte trotzdem keinen Hunger mehr.

Sirius räusperte sich in die Stille hinein. „Lily ist übrigens Klassenbeste in Zaubertränke. Professor Slughorn hat dir sicher schon von ihr vorgeschwärmt, Vater.“

„In der Tat“, sagte Mr. Black.

„In Zaubertränke?“ Mrs. Black nippte bereits an ihrem dritten Glas Wein, während Lily sich noch nicht einmal an das erste gewagt hatte. Regulus blieb ebenfalls bei Wasser.

Sirius schwenkte sein Weinglas geübt. „Verwandlungen kann sie nicht haben.“

„Wir wollen nicht hören, worin du Zweitbester bist, Sirius“, sagte Mrs. Black. „Und auch nicht, worin James Potter gut ist.“

Sirius stürzte den Inhalt von seinem Glas herunter.

„So wie ich gehört habe, ist jemand anderes Klassenbester in Zaubertränke“, sagte Lucius, der sehr eifrig sein Fleisch zerschnitt.

„Dieser jemand wird sich selbst ein wenig überschätzen“, sagte Lily. Sie stellte Severus‘ Talent nicht in Frage, aber in letzter Zeit hatte er mehr von seinen Fähigkeit in schwarze Magie gesteckt, als in Zaubertränke.

Lucius zog eine Augenbraue hoch. „Vielleicht gilt das auch für einige an diesem Tisch.“

„Lucius.“ Regulus hatte schon eine Weile nichts mehr gesagt, umso schärfer schnitt seine Stimme durch das Tischgespräch. „Wenn du das Talent meiner Freundin in Frage stellen willst, solltest du dich vorher mit Professor Slughorn darüber austauschen, dass er sie an meine Seite gestellt hat, als ich kurz davor war durchzufallen, und nicht Severus Snape.“

Mrs. Black verschluckte sich an ihrem Wein und hustete wild drauf los. Narcissa sprang förmlich weg von ihr und tupfte sich entsetzt mit der Serviette über ihre Roben, die ein paar Tropfen Spucke und Wein abbekommen hatten. Sirius lachte stumm in seine Faust und setzte blitzschnell eine mitleidige Miene auf, als Narcissa ihn ansah.

„Durchzufallen?“, wiederholte Mr. Black gepresst.

„Ich hatte viel um die Ohren.“ Regulus konzentrierte sich wieder auf sein Essen und schnitt in Seelenruhe sein Fleisch – Lily bemerkte das leichte Zittern in seinen Fingern als Einzige.

„Dein Bruder hatte viel um die Ohren und trotzdem keine Hilfe nötig, um genügend Ohnegleichen nach Hause zu bringen“, sagte Mr. Black.

„Dann hast du Glück, dass er wieder da ist“, sagte Regulus.

Mr. Black senkte die Stimme: „Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe, Regulus. Reiß dich zusammen.“

„Regulus hat ein großes Potential, wenn es um Zaubertränke geht“, sagte Lily und sie meinte jedes Wort, auch wenn Regulus sie ansah, als würde sie übertreiben. „Lehrer wäre nicht unbedingt ein Beruf für mich, glaube ich, aber ich hatte selten so viel Vergnügen jemandem etwas beizubringen.“

„Das kann ich mir vorstellen“, kommentierte Mrs. Black.

Lily errötete. Sie wollte nach dem Wein greifen, als Regulus‘ Hand ihre unter dem Tisch zu fassen bekam. Er strich ihr zärtlich über den Handrücken, womit er nicht unbedingt ihren Puls beruhigte, aber anders beschleunigen ließ. Angenehmer.

„Jetzt übertreibt mal nicht. Ich hatte auch Phasen, in denen ich keine Lust darauf hatte mir in den Finger zu schneiden“, sagte Sirius. Lily erinnerte sich sehr gut an diese ‚Phasen‘, in denen er seine Zaubertrankstunden damit verbracht hatte Pufferfischaugen nach Severus zu werfen. „Und nur, weil Lucius auf Snape steht, heißt das nicht, dass der wirklich in allem überragend ist.“

„In Sachen unangebrachte Schwärmereien bist du ja Experte, Sirius“, sagte Lucius, dann schweifte sein Blick zu Regulus. „Bis jetzt?“

„Geschwisterrivalitäten“, sagte Regulus sachlich. „Man versucht immer sich irgendwie auszustechen. Nicht wahr, Narcissa?“

„Wenn wir davon sprechen, welche meiner Schwestern den besten Fang gemacht hat, würde ich einfach mal sagen: Ich“, sagte Narcissa und warf Lucius einen Blick zu, der funkelte, als würde sie einen fein geschliffenen Diamanten vor Augen haben.

„Hoffen wir, dass du dich an deiner Cousine Narcissa orientierst, Regulus“, sagte Mrs. Black und sparte sich den Blick in Lilys Richtung nicht. Es war eindeutig, dass sie Lily nicht einmal für einen annehmbaren Fang hielt, sondern auf eine Stufe mit dem angeblichen Fehler stellte, den seine Cousine Andromeda gemacht hatte. Eine weitere Spitze von vielen. Lily spürte sie zwar, aber sie versuchte sie zu ignorieren. Und mit Regulus‘ Hand, die sie auf ihrem Knie einfing und in ihre nahm, fiel es ihr viel leichter.

„Übrigens, das sind sehr schöne Roben, Lily“, sagte Narcissa.

Lily wartete darauf, dass ein stichelnder Satz folgte, aber Narcissa trank lieber einen Schluck. „Dankeschön“, sagte Lily.

„Es muss schwer sein etwas zu finden, das sich nicht mit dieser Haarfarbe beißt. Das Grün passt wunderbar zu deiner Augenfarbe.“

„Danke“, wiederholte Lily etwas verwirrt. „Deine Roben sind auch sehr hübsch. Ist das Seide?“

„Oh, ja.“ Narcissa strich über den sanft schimmernden Stoff, der besser als eine zweite Haut an ihrem Körper lag. „Ich wüsste nicht, wie ich mit einem begrenzten Budget zurechtkommen würde. Aber anscheinend findet man auch in Second-Hand Läden sehr interessante Sachen.“

Da war die Spitze. Lily war naiv genug gewesen keine mehr zu erwarten. Sie straffte die Schultern und brachte das Spitzenmuster über ihrem Dekolleté besser heraus. „Davon hab ich leider keine Ahnung. Aber du musst mich mal mitnehmen.“

Narcissas Augen blitzten gefährlich auf. Sie sah gar nicht mehr hübsch aus, als sie die Nase rümpfte und ein Gesicht zog, als wäre Lily ein Haufen Dreck in ihrem Weg. „Ich befürchte, mein Ruf würde es nicht verkraften mich mit einem Schlamm–“

„Übrigens“, warf Sirius ein. „Herzlichen Glückwunsch, Cissa.“

Narcissa schaute ihn verwirrt an und auch Lucius zog eine Augenbraue hoch.

Sirius grinste in die Runde. „Dass es endlich geklappt hat. Ich weiß, ihr habt euch da schwer getan, aber jetzt hast du einen süßen, schnuckeligen Erben in der Warteschlangen, oder Lucius? Wann ist es soweit?“

Mit vor Entsetzen geweiteten Augen setzte Narcissa sich noch gerade hin und zog den Bauch ein. „Ich… Ich weiß nicht, wovon du redest. Lucius und ich genießen unsere Zeit zu zweit.“ Ein Satz, der so einstudiert klang, dass Narcissa Lily unweigerlich leidtat. Sie hielt sich zwar würdevoll, wagte aber nicht mehr Lucius anzusehen.

„Oh, du bist nicht schwanger?“ Sirius streckte sich von seinem Stuhl, um einen besseren Blick auf Narcissas Bauch zu werfen. „Nur ein bisschen dicker?“

Stuhlbeine scharrten über den Boden, als Lucius aufsprang. Er schmiss seine Serviette auf seinen Teller. „Du verzogene, kleine –“

„Was?“, gab Sirius zurück und legte erwartungsvoll den Kopf schief. „War das schlimmer, als alles, was den ganzen Abend schon aus deinem Mund kommt? James würde dir den Mund mit Seife auswaschen.“

„James Potter würde dir die Welt zu Füßen legen, so wie du von ihm redest“, sagte Lucius. „Er scheint sich in deinem dreckigen Maul sehr wohl zu fühlen. Vielleicht sollte ich es mal mit Seife auswaschen?“

„Bitte“, sagte Mr. Black scharf. „Setzen wir uns und erinnern uns an die Tischmanieren. Es sind Damen anwesend.“

Lucius fiel zurück auf seinen Stuhl. Er sah aus, als wäre er kurz davor irgendjemandem am Tisch sein Messer in die Brust zu rammen. Neben ihm fing Mrs. Black an Narcissa aufzumuntern, dass sie schlank wie eh und je war. Ein Musterbeispiel für Schönheit und Eleganz. Dass jeder sie gerne als Schwiegertochter haben wollen würde. Lucius schien diese Komplimente zu überhören. Lily nicht.

„Es tut mir leid“, murmelte Lily Regulus zu, während Lucius seine Wut in mehr Wein ertränkte. Die Teller waren erneut leer, bis auf Lilys, auf dem nicht mehr als ein paar Möhren fehlten. Sie konnte nichts mehr herunterwürgen. Trotzdem verschwanden alle Teller gleichzeitig.

„Dir muss nichts leidtut“, raunte Regulus ihr zu. „Sirius hat schon bessere Beleidigungen zu Tisch gebracht. Vielleicht machst du ihn nervös.“

„Dann tut mir das leid“, gab Lily schmunzelnd zurück.

Regulus drückte ihre Hand fernab von den Blicken seiner Eltern. „Fast, Lily. Dessert und dann zeige ich dir das Haus. Was meinst du?“

Sie lächelte. „Ich hoffe, das beinhaltet auch dein Zimmer. Meins hast du schließlich auch gesehen. Das ist nur fair.“

„Ich zeige dir auch den Dachboden, wenn du das willst“, flüsterte Regulus.

„Heißt das, du bist zufrieden? Es läuft nicht besonders gut.“ Die verkrampften Gesichter seiner Eltern waren Beweis genug dafür.

„Ich finde, es läuft besser, als ich es mir erträumt habe.“

Lily hätte ihn dafür am liebsten geküsst. Von Naivität war nichts mehr in seinen Worten zu hören. Das hier lief nicht perfekt, nicht einmal wie geschmiert. Sie ratterten sich wie schlecht geölte Zahnräder durch die Spitzen einer Familie, die sie zu neunzig Prozent nicht hier haben wollten. Das als gut zu bezeichnen war realistisch.

„Evans“, holte Lucius‘ Stimme sie aus ihrem Moment mit Regulus. Lucius schwenkte sein neu gefülltes Weinglas. Seine grauen Augen waren eisig und leicht gläsern, trotzdem hatten sie nichts mit Regulus‘ gemein. „Wir konnten noch gar nicht über die grässliche Sache sprechen, die in Hogwarts passiert ist. Natürlich habe ich sofort mit Dumbledore gesprochen. In meiner Position wird das erwartet.“

„Du meinst, die Position deines Vaters“, sagte Regulus.

„Eine unangenehme Sache“, fuhr Lucius einfach fort. Er holte sich nach und nach die Aufmerksamkeit des ganzen Tisches. Sogar Sirius schaute von seinem leeren Teller auf, den er ungeduldig angesehen hatte, und wirkte ernster. „Was dem armen Mr. Mulciber wiederfahren ist. Diskreditiert bis zum Rauswurf.“

„Diskreditiert?“ Lily glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Professor McGonagall hat selbst gehört, wie er zugeben hat, was er getan hat.“

„Ihm droht ein Verfahren in Askaban, findest du das richtig? Achtzehn Jahre, und sein Leben soll für immer ruiniert werden? Nicht, wenn ich etwas dagegen tun kann.“ Lucius stellte sein Glas mit einem deutlichen Geräusch hin, als hätte er den Hammer eines Richters in der Hand. „Ich habe Kontakte ins Ministerium und zum Zauberergamot. Mulciber wird ein gerechtes Verfahren bekommen, und wenn es das letzte ist, was ich tue.“

„Bravo“, brach es aus Mrs. Black heraus und sie klatschte in die Hände. Mr. Black nickte zustimmend und Narcissa schaute Lucius voller Stolz an, aber mit einer Kälte in den eisblauen Augen, als wüsste sie genau, auf welcher Seite ihr Mann stand.

„Oh, ich hoffe sehr, dass er ein gerechtes Verfahren bekommt.“ Lilys Hand zitterte auch in Regulus‘ Griff. „Wenn es einen Funken Gerechtigkeit auf der Welt gibt, dann schickt das Zauberergamot Mulciber nach Askaban.“

Narcissa schlug sich eine Hand vor den Mund und keuchte übertrieben auf. Mrs. Black stimmte ein.

„Ein brutales Urteil, Miss Evans“, sagte Mr. Black. „Ich bin mir sicher, dass die spontanen Ausbrüche von Stupidität junger Männer in unserer Gesellschaft nicht mit einem Leben zwischen Dementoren geahndet werden sollten. Sirius würde ein Drittel seines Lebens dort verbringen.“

„Spontane Ausbrüche nicht“, sagte Lily, „aber böse Absichten. Mulciber ist grausam und hinterhältig, und jede Chance wirft er nur allzu gerne weg.“

„Oh, bitte. Mr. Mulciber ist den dummen Streichen von einem verschmähten Mädchen aufgesessen“, sagte Lucius. „Das weißt du ganz genau, Evans. Du warst darin involviert.“

Diesmal griff Narcissa sich vor Entsetzen an die Brust. „Wie perfide.“

„In der Tat“, stimmte Mrs. Black zu.

Ein Lächeln zuckte über Lucius‘ Mund, aber es verschwand schnell im Austausch für eine ernste Miene auf der Suche nach Gerechtigkeit. „Deine Freundin, Macdonald, wollte Rache. Das weißt du genau. Sie hat Mulciber geliebt und er hat sie zurückgewiesen, aufgrund ihrer Herkunft. Das hat sie nicht verkraftet. Deine Leute verkraften niemals zu hören, egal wie höflich formuliert, was sie sind.“

Lily riss ihre Hand aus Regulus‘ und schlug sie hart auf den Tisch. „Wag es nicht, Malfoy. Wenn du jemandem Intransigenz vorwirfst, dann Mulciber selbst, und es ist nichts, auf dass er stolz sein kann. Er hat meine Freundin verletzt – auf unbeschreibliche Weise. Er hat mich mit einem Unverzeihlichen Fluch belegt. Er wollte Regulus wehtun. Er hat alles verdient, was er bekommen hat.“

„Dann streitest du ab in den Plan involviert gewesen zu sein, der zu seinem Rauswurf aus Hogwarts geführt hat.“

„Nein, das tue ich nicht.“

Erneutes Keuchen kam von Narcissa und Mrs. Black. Mr. Black starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Niemand merkte, als der Nachtisch mit einem leisen Plopp auf den Tellern erschien.

„Da haben wir es“, sagte Lucius kopfschüttelnd. „Siehst du jetzt, was sie wirklich ist, Regulus? Ein ausgefuchstes Biest, das alles dafür tun würde, um unser eins in den Abgrund zu stürzen, und dass aus Gründen falscher sozialistischer Neigungen von Gleichberechtigung. Und dich hat sie in den Klauen, Regulus. Willst du ihr nächstes Opfer werden?“

„Du benimmst dich lächerlich, Lucius“, sagte Regulus.

„Du willst es nicht sehen. Du bist ein guter Junge, Regulus, ich weiß das. Ich kenne dich, seit du deine ersten Schritte machen konntest. Du wolltest sie immer in die richtige Richtung machen, und ich bewundere das. Aber das nutzen die Menschen aus.“ Lucius schaute Lily so voller Abscheu an, als hätte sie Regulus vor seinen Augen das Herz aus der Brust gerissen und es würde ihn interessieren. „Sie nutzt das aus.“

„Ich nutze niemanden aus“, sagte Lily scharf.

„Du bist Klassenbeste in Zaubertränke, nicht wahr?“ Sie verstand nicht, worauf Lucius hinaus wollte. Seinem Grinsen nach, war es nichts Gutes. „Es wäre nicht schwer für dich ein paar Tropfen Veritaserum in Mr. Mulcibers Tee fallenzulassen. Was illegal ist. Das Zauberergamot wird das verstehen. Und Regulus wird es auch einsehen.“

„Lucius“, sagte Regulus warnend, aber sein Vater streckte einen Arm vor ihm aus, ehe er aufstehen konnte, und hielt ihn so zurück.

„Vielleicht sollte ich ein paar Tropfen Veritaserum über deinem Tee verschütten, damit du einmal in deinem Leben die Wahrheit sagst“, sagte Lily ärgerlich. Narcissa keuchte auf, als hätte Lily ihr in den Magen geboxt. Sie hielt sich an Sirius‘ Arm fest, als würde sie sonst vom Stuhl fallen.

„Das war eine Drohung“, zischte sie.

„Oh, bitte“, entfuhr es Sirius.

„Halt den Mund, Sirius, ich warne dich“, sagte seine Mutter.

„Ich hör mir diesen Unsinn doch nicht an“, blaffte Sirius. „An Lilys Stelle hätte ich dir schon meinen Wein in die Hackfresse geschüttet, Malfoy. Ich hoffe, du schaffst es nie ein Kind zu zeugen. Das arme Würmchen, das sich deinen Nonsens anhören muss, tut mir jetzt schon leid.“

Lucius öffnete empört den Mund, aber Narcissa war schneller. Ein Schallen erschütterte den Raum, als sie Sirius hart ohrfeigte. Sein Kopf ruckte herum und Blut perlte sich an einem Schnitt auf seiner Wange, den ihr Ehering hinterlassen hatte. Diesmal war Narcissa ehrlich getroffen. Tränen glitzerten in ihren Augen und sie zitterte am ganzen Körper.

„Da“, sagte Lucius, als wäre das ein Beweis für seine Lügen. Er schien keinen Gedanken daran zu verschwenden seine Frau zu trösten. „Siehst du den Einfluss, dem du deinen Sohn aussetzt, Walburga? Sirius ist schon verloren und Miss Evans ist der Nagel in Regulus‘ Sarg.“

„Da sagst du mir nichts Neues“, antwortete Walburga. „Ginge es nach mir, hätte sie keinen Fuß in dieses Haus gesetzt. Aber Orion hätte lieber ein Schlammblut in Haus, als einen Sohn weniger.“

Mr. Black blickte zu Boden, wie ein gescholtener Junge.

„Mir reicht einer“, fügte Mrs. Black hinzu und das war wie eine Ohrfeige für Regulus. Lily musste mit ansehen, wie er so hart schluckte, als hätte sein Hals sich komplett verknotet.

Das reichte. Sie schmiss ihre Serviette hin und fuhr hoch.

„Ich bin also der schlechte Einfluss?“, entfuhr es ihr laut und schaute in die entgeisterten Augen der Runde. Mrs. Black sah aus, als würde sie ihr am liebsten einen Unverzeihlichen Fluch auf den Hals setzen. „Sie behandeln Ihre Söhne wie ein Paar austauschbarer Socken.“ Mr. Black schaute weiter auf seinen Teller. „Sie haben solche Angst davor, dass die bösen Muggel Ihren Söhnen etwas tun, dass Sie sie in Ihrem eigenen Haus einsperren.“ Lily fasste Lucius Malfoy ins Visier. „Du… Hast du irgendjemandem hier überhaupt gesagt, was du Regulus angetan hast? Du hast ihn gefoltert und erpresst, damit er dir in Voldemorts Arme folgt. Du gehörst nach Askaban. Und ich schwöre, dass ich dich da hinbringe.“

Das erste Wahrhaftige Keuchen ging durch die Runde, als sie den Namen aussprach, vor dem so viele Angst oder vorgetäuschte Angst entwickelten.

„Lily, ist schon gut“, murmelte Regulus und griff nach ihrer Hand.

Lucius seufzte auf. „Sie verträgt die Wahrheit nicht. Sie ist verbittert, weil sie tief drinnen weiß, dass sie nie zu uns gehören wird. Sie ist nur ein weiteres Schlammblut auf dem Grund des Sees.“

Lily riss ihre Hand aus Regulus‘. „Nenn mich noch einmal so.“

Lucius zog die Lippen in ein messerscharfes, zufriedenes Lächeln. Aber nicht er nannte sie noch einmal so.

„Du bist ein Schlammblut, meine Kleine“, sagte Mrs. Black. „Du bist meinen Sohn nicht wert. Du müsstest meilenweit klettern, um einem seiner Blicke würdig zu sein. Und entgegen deiner Überzeugung bin ich der Meinung, dass du nicht den Missratenen abbekommen hast. Regulus kommt zur Vernunft. Das tut er immer. Können wir dann jetzt zum Dessert kommen?“ Sie nahm ihren Löffel in die Hand und begann von was immer zu essen, das man ihr aufgetischt hatte.

Lily blickte in die Runde. Kaum jemand schaute sie an, als wäre jedes Wort, das sie gesagt hatte, an ihnen vorbeigegangen. Sirius schüttelte mit blutender Wange sanft den Kopf in ihre Richtung, Regulus schien sie mit den Augen festhalten zu wollen, seit sie seine Hand festgehalten hatte, und Lucius Malfoy lächelte sie zufrieden an, als wüsste er genau, dass keines ihrer Worte einen Unterschied machte. Er stand meilenweit über ihr und hielt Fäden in der Hand, die sie nicht einmal mit Magie durchschneiden konnte.

Ihr Blickfeld verschwamm, bis sie nur noch die Erinnerung seines selbstzufriedenen Lächelns hatte.

„Ich…“ Lily musste gegen einen Kloß anschlucken, der ihre Stimme erbärmlich einquetschte. „Entschuldigen Sie mich. Ich brauche etwas Luft.“ Sie drehte sich auf den Absätzen um und ging so schnell sie ohne zu laufen konnte auf die Tür zu. Kaum öffnete sie sie hörte sie die Beine von Regulus‘ Stuhl über den Boden scharren. Seine Schritte folgten ihr, als sie durch den Flur in Richtung Haustür lief. Sie riss die Tür auf und Regen schlug ihr entgegen.

Bei dem verbalen Hin und Her hatte sie nicht gemerkt, dass der Himmel regelrecht aufgebrochen war. Lily hielt sich ihren schmerzenden Magen. Sie lief die kleine Treppe herunter auf die Straße und überquerte sie, bis das Dickicht des kleinen Parkstücks ihr wenigstens das Gefühl von Freiheit gab. In London gab es keine weiten Felder, keinen Fluss, an dem man einfach lang laufen konnte, bis einem die Puste ausging. Nur Straßen, die sich ähnlich wie ein Fluss durch die Stadt schlängelten, auf jeder Seite von hohen Häusern bewacht, die auf einen herunterstarrten.

Lilys Brust hob und senkte sich, als wäre sie durch die halbe Stadt gelaufen. Sie vergrub das Gesicht in beiden Händen und schluchzte auf. Die Tränen rollten kaum über ihre Wangen, als sich Hände auf ihre Schultern legten. Regulus nahm sie von hinten in den Arm.

„Es tut mir leid“, murmelte er in ihr Ohr.

Stumm weinte Lily in ihre Hände, aber Regulus ging nicht weg. Er presste sich gegen ihren Rücken und stützte das Kinn auf ihrer Schulter auf, egal wie sehr die bebte. Lily drehte sich um und vergrub ihr weiterhin verstecktes Gesicht in seiner Brust. Der Regen wurde von den Bäumen über ihnen größtenteils aufgefangen und ihre Wangen und Finger waren trotzdem nass.

„Ich hab nie“, presste sie hervor und schluchzte auf. „Ich nutze dich nicht aus. Ich will dich nicht retten oder sonst was. Du brauchst mich nicht, um ein besserer Mensch zu sein.“

Regulus strich ihr mit sanftem Druck über den Rücken. „Denk nicht, dass ich ein Wort glauben würde, das Lucius Malfoy gerade von sich gegeben hat. Er ist ein größenwahnsinniges Arschloch.“

Lily lachte und schluchzte gleichzeitig auf, auch wenn sie nicht wusste, was überwog. Sie hatte Regulus nie so reden gehört.

„Das letzte Mal, als er das hat raushängen lassen, haben wir uns das erste Mal geküsst“, sagte Regulus leise. „Es hat geschneit und nicht geregnet. Erinnerst du dich?“

Lily schaute auf und ließ ihre tränenverschmierten Hände auf Regulus‘ teuren Roben liegen. „Nein. Keine Ahnung.“

Regulus strich ihr sanft über die Wange, fuhr mit dem Daumen unter ihrem Auge entlang um eine letzte Träne aufzufangen. „Tut mir leid, dass ich dich hierzu gezwungen hab.“

Lily schüttelte den Kopf und zog Regulus‘ Hand von ihrer Wange. „Sie haben Recht. Ich bin ein Schlammblut. Und ich bin unsicher deswegen. Das war ich immer schon.“

„Das musst du nicht. Du bist eine der talentiertesten Hexen, die ich je getroffen habe.“

„Und? Ich weiß so vieles über eure Welt nicht. Ich werde immer ein Außenseiter sein. Und wenn ich zu Hause bin, geht es mir nicht anders. Ich stehe irgendwo zwischen deiner Welt und der meiner Familie, und das verunsichert mich.“

„Oh, Lily.“ Regulus strich ihr weiter über die Wange. „Es gibt keine zwei Welten, sondern nur eine. Zauberer und Muggel leben in ein- und derselben Welt. Wie oft muss ich dir das sagen?“

„Severus hat immer gesagt, es würde keinen Unterschied machen, aber es macht einen. Einen Großen.“ Lily drehte erst ihr Gesicht von Regulus‘ Hand weg, dann löste sie sich ganz von ihm. Sie wischte ihre Tränen selbst weg, bis nur ein paar Regentropfen das Weinen für sie übernahmen. „Deine Familie hat Recht. Du wirst sie doch nicht meinetwegen aufgeben. Denkst du, ich weiß nicht, wie das funktioniert? Familie kommt zuerst.“

„Muss ich alles wiederholen, was ich im Krankenflügel gesagt habe?“, fragte Regulus und kehrte dem Haus hinter ihnen den Rücken, worauf es noch finsterer auf ihn herunterzublicken schien. „Sie sind mir egal, Lily. Ich will, dass du meine Familie bist. Fertig.“

Ein Schauer lief über Lilys Rücken und sie nahm sich selbst in den Arm. „Sie sind dir nicht egal. Wenn sie das wären, hättest du nie gewollt, dass wir uns irgendwie arrangieren und dieser ganze Abend hätte nie stattgefunden.“

Regulus wich ihrem Blick nicht aus, sondern hielt ihn entschlossener denn je fest. Aber er widersprach nicht.

„Sie haben Recht, Reg. Mit mir wäre jeder deiner Abende so ein Abend. Bissige Kommentare, merkwürdige Blicke, Tuscheln hinter unseren Rücken. Willst du das wirklich?“, fragte sie. „Willst du, dass sie nie wieder ein Wort mit dir reden? Denkst du nicht, dass du mir das irgendwann vorhältst?“ Lily rieb gegen ein neues, furchtbares heißes Brennen in ihren Augenwinkeln an. „Wenn ich mich für James entschieden hätte, wäre alles für uns beide leichter.“

Regulus trat auf sie zu und packte ihr Handgelenk, zog ihre Finger von ihrem Gesicht herunter. „Wenn du das noch einmal sagst, werde ich dir das übelnehmen. Du sagst das nur, weil du aufgewühlt bist. Ich weiß, dass du mich liebst, Lily.“

Alle Schluchzer, jeder Atemzug und jedes Wort war wie aus ihrer Kehle verschwunden. Lily schaute vorsichtig hoch zu Regulus und fand ihre Stimme nach einem festen Schlucken wieder. „Ach, tust du das?“

Regulus seufzte leise, aber schwer auf. „Mir wäre lieber gewesen, wenn du es mir vor Potter gesagt hättest…“

Lily schluckte erneut, noch härter diesmal. Es fühlte sich an, als müsste sie ihr eigenes Herz herunterschlucken und es schlug beim nächsten Mal nur noch höher. Ihre Wangen glühten und das Blut schoss noch heißer in den Rest ihres Körpers. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sich für Regulus angefühlt haben musste auf der Großen Treppe zu stehen und sie diese Worte sagen zu hören, nur damit sie im nächsten Moment James Potter küsste.

Regulus nahm ihre Hand und Lily wehrte sich nicht, als er sie gegen sich zog. „Komm wieder rein.“

Lily schnappte nach Luft. „Wieso halte ich das für keine gute Idee?“

„Wenn du jetzt abhauen willst, dann komme ich mit und wir bleiben die Nacht über in Sirius‘ Wohnung, die er von Onkel Alphard geerbt hat. Gleich hier um die Ecke. Oder meinetwegen in den Tropfenden Kessel“, sagte Regulus. „Aber du bist eine Gryffindor und die rennen nicht weg. Und ich würde es vorziehen nicht in einem Drama zu verschwinden, zu dem es passenderweise auch noch regnet. Ich will meinen Eltern nicht das Gefühl geben, dass sie sich richtig verhalten haben, weil sie das nicht getan haben. Wenn ich gehe, dann ohne Drama, damit sie irgendwann verstehen, dass es ihr Fehler war und sich nicht daran aufhängen, dass ich naiv oder verblendet bin oder du mich manipulierst. Weil sie damit Unrecht haben. Also komm bitte wieder mit mir rein, sonst haben sie, und allen voran Malfoy, gewonnen.“

Lily konnte sich keine Situation vorstellen, in der sie dazu hätte Nein sagen können. Sie verschränkte ihre Finger mit Regulus‘ und trat dicht an ihn heran. „Tatsächlich hab ich meine Tasche bei euch vergessen.“

Regulus hob ihre Hand an seine Lippen und küsste ihre Fingerknöchel. „Ich wollte dir auch noch mein Zimmer zeigen.“

„Das wolltest du.“ Lily ließ zu, dass Regulus sie mit sich zog, als er zurück über die Straße ging. Die Tür zur Hausnummer zwölf baute sich vor ihnen auf, wie ein dunkler Riese, aber Regulus hatte keine Angst sie zu öffnen und Lily fiel es auch verblüffend leicht wieder durch sie hindurchzutreten. Der schmale, hohe Eingangsflur wirkte trotz zunehmender Düsternis weniger dunkel und erdrückend. Laute Stimmen mitten in einem Gefecht kamen ihnen entgegen.

In der Eingangshalle fanden sie Mrs. Black und Sirius vor.

„Oh“, machte Mrs. Black. „Es regnet, wie ich sehe?“

Lily hakte sich bei Regulus ein und schmiegte sich an seine nasse Seite. Sie lächelte tapfer. „Es tut mir sehr leid, dass ich Ihren Nachtisch verpasst habe, Mrs. Black. Das war ein sehr aufregender Abend für mich und ich brauchte etwas frische Luft.“

Mrs. Black sagte nichts. Ihr Gesicht war feuerrot und ihr extravaganter Hut saß schief. Sie blickte Regulus erwartungsvoll an.

„Sagst du Vater Gute Nacht von mir, Mutter? Ich wollte Lily noch das Haus zeigen, bevor ich sie in ihr Zimmer bringe“, sagte Regulus. „Schlaf gut, Sirius.“

Sirius hob die Hand und salutierte zum Abschied. Lily lächelte ihn noch an, dann zog Regulus sie die Stufen hoch, vorbei an den Hauselfenköpfen in den ersten Stock. Sie blieben nicht stehen, damit er ihr das Haus zeigte, sondern stiegen höher. In den zweiten, dann den dritten Stock und blieben erst im vierten stehen. Lily fing nicht mehr als Schatten und schemenhafte Umrisse auf, verschlossene Türen und schlafende Portraits. Ehrlich gesagt war sie froh, dass sie nicht tiefer in die Abgründe dieses Hauses schauen musste.

Im vierten Stock gab es nur drei Türen. Eine davon führte in ein Badezimmer, die anderen standen einander gegenüber wie zwei Heere auf einem Schlachtfeld. Auf einer angelehnten Tür stand ‚Sirius‘, auf der gegenüber Regulus‘ voller Name.

„Du hast nicht viel vom Haus gesehen“, sagte Regulus.

„Ich hab genug gesehen“, erwiderte Lily.

„Dein Zimmer ist ein Stockwerk tiefer. Keine Sorge, ich lasse dich nicht alleine hineingehen, falls Kreacher doch eine Überraschung vorbereitet hat.“ Regulus machte einen etwas zögerlichen Schritt auf seine Zimmertür zu. Er legte eine Hand auf die Klinke. „Ich weiß nicht mehr, ob ich aufgeräumt habe.“

„Oh, bitte.“ Lily griff an Regulus vorbei und drückte die Klinke für ihn herunter, stieß die Tür auf. Sie ließ ihn trotzdem vorgehen. Regulus schaltete das Licht an.

Sein Zimmer war aufgeräumt. Gegenüber der Tür lag eine Fensterwand, gegen die der Regen klatschte, und davor stand ein Schreibtisch. Auf dem dazugehörigen Stuhl hingen Hemd und Hose, die er anscheinend heute Morgen noch getragen hatte. In seinem Kamin lagen geschwärzte Holzstücke, aber kein Feuer brannte. Es war trotzdem warm genug.

Grün und Silber dominierten sein Zimmer. Lily fühlte sich, als wäre sie in den Gemeinschaftsraum der Slytherins gelaufen. Zu beiden Seiten seines Fensters hingen dunkelgrüne Vorhänge. Sein Bett war größer als Lilys und verschwand unter einer ebenfalls grünen Decke, die mit Silberfäden bestickt war. Über seinem Bett prangte das Wappen der Blacks mit seiner unmissverständlichen Botschaft Toujours Pur. Darunter war ein Fleck an der Tapete, als hätte lange Zeit etwas dort gehangen. Ein Bild, vielleicht.

„Nicht sehr aufregend“, sagte Regulus. Als wäre er hier nicht zu Hause stand er weiterhin an der Tür.

Lily ging auf sein Bett zu und strich über die Abzeichnungen an der Wand. „Du hattest hier mal etwas hängen.“

„Es hat nicht mehr gepasst“, sagte Regulus schulterzuckend. „Ich hab es Weihnachten abgenommen.“

Lily setzte sich auf die Bettkante und schaute ihn an, wie er an der offenen Tür stand, als würde er jeden Moment nach draußen fliehen wollen. „Du musst mir nicht verheimlichen, wenn du eine hübsche, junge Dame hier hängen hattest.“

Regulus verdrehte die Augen, kam aber endlich auf sie zu. „Sirius hat seine Wände damit bekleistert, das reicht für das ganze Haus.“

„Ach? Das hätte ich ihm nicht zugetraut.“

„Und Motorräder. Die Bilder bewegen sich nicht mal“, sagte Regulus, als wäre das ein Verbrechen an der Zauberei. „Er hat es hauptsächlich getan, um unserer Mutter eins auszuwischen. Sie ist fast in Ohnmacht gefallen, als sie das erste Mal sein neu dekoriertes Zimmer betreten hat. Ich kann es dir zeigen?“ Er streckte die Hand nach ihr aus, um ihr aufzuhelfen.

Lily schüttelte sanft den Kopf. „Du wolltest mir erst dein Zimmer zeigen.“

Regulus schaute sich um. „Es gibt nicht viel zu sehen. Nicht so wie bei dir… Es ist so unspektakulär wie ich.“

„Dann gibt es sehr viel zu sehen“, sagte Lily. Sie entdeckte ein Foto auf seinem Nachttisch und nahm es in die Hand. Die Quidditchmannschaft von Slytherin grinste ihr entgegen, alle bis auf Regulus in ihrer Mitte. Da war Avery, breit grinsend, als hätte er endlich den Pokal gewonnen und als wäre so etwas wie Unverzeihliche Fluche nicht ansatzweise in seinem Kopf. Und Chambers. Der einzige von Regulus‘ angeblichen Freunden, der in letzter Zeit noch mehr als das Nötigste mit ihm redete. Lily konnte ihn nicht nur deswegen leiden, weil er Regulus nicht wie eine heiße Kartoffel fallengelassen hatte. Er war ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht alle Slytherins dunkle Zauberer wurden.

Sie stellte es wieder weg und entdeckte erst dabei ein Bild, das leicht dahinter versteckt stand. Es zeigte Regulus und Sirius als Kinder, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, unter einem Weihnachtsbaum mit funkelnden Feenlichtern, der in der Eingangshalle bei der Treppe aufgebaut war. Regulus lächelte nicht, Sirius dafür für sie beide. Sie standen enger beieinander, als Lily sie je gesehen hatte, mit Sirius‘ Arm lässig um Regulus‘ Schultern drapiert.

„Das hab ich in meiner Schublade gefunden“, sagte Regulus und setzte sich neben Lily. „Mir war danach es wieder aufzustellen.“

Lily lächelte ihn an und legte ihre Hand auf sein Bein. „Das Gesicht deiner Mutter gerade wäre fast ein Foto wert gewesen…“

„Es war richtig wieder zurückzukommen.“

Lily nickte. „Und Lucius Malfoy…“

„Ich glaube, er ist mit einem besseren Gefühl im Magen gegangen, als ihm gestattet sein dürfte.“

„Ich wollte, dass er dafür bezahlt, was er dir angetan hat“, sagte Lily und schob ihre Hand auf Regulus‘ linken Arm. Sie strich auf und ab über die Stelle, wo unter seinem Ärmel das falsche Mal versteckt lag, und schob langsam den Ärmel seiner Robe nach oben. Darunter trennte der Hemdärmel sie weiter von seinem Arm. Vorsichtig schob sie auch diesen Ärmel hoch und schaute auf die Grimasse, die Malfoy auf Regulus‘ Arm hinterlassen. Auch nach Monaten waren die Ränder schmerzhaft gerötet.

„Findest du es so widerlich?“, fragte Regulus, als sie über die eingeritzten Buchstaben fuhr.

„Ich finde es widerlich, dass er dir das angetan hat“, sagte sie und legte ihre flache Hand sanft auf die Wunde. Mehr war es nicht. Eine Narbe, die Regulus mit Würde ertrug. „Du wirst das nie loswerden…“

„Ich will es nicht loswerden“, sagte Regulus. „Ich meine, natürlich wäre ich es gerne los, aber nicht, wenn das bedeutet, dass ich mir wieder irgendwelche Lügen anhören muss. Ich komme mir dumm genug vor, dass ich je darauf reingefallen bin. Dass du mich nicht einfach für einen Idioten gehalten und abgehauen bist…“

Lily lehnte sich an seine Schulter und hob seinen Arm an ihren Mund. Vorsichtig drückte sie ihre Lippen gegen die Worte und den Umriss des Schädels. Sie spürte Regulus‘ Puls gegen ihre Lippen rasen.

„Sie werden dich einen Blutsverräter nennen, wenn du das behältst.“

„Sagst du nicht immer, ich soll das als Kompliment nehmen?“ Als sie Regulus anschaute, lächelte er sie sanft an. „Ich hab lieber das hier und dich, als das Dunkle Mal und ein schlechtes Gewissen.“

Lily beugte sich vor und küsste sein Lächeln. Er ließ sie nie lange hängen. Sie klammerte sich an seinem linken Arm fest, als seine Zungenspitze ihr den Atem raubte und ihr Herz lauter schlagen ließ, als der Regen gegen die Scheiben hämmern konnte.

Der Abend war nicht so schlecht gelaufen. Sie saß hier mit Regulus und presste sich so dicht gegen ihn, dass sie nicht mehr wusste, ob es sein oder ihr Herzschlag war, der durch ihren Körper pulsierte. Seine Eltern würden ihren Stolz wohl über Bord werfen und sie aus dem Haus, wenn sie das hier sehen würden. Lily hielt sich nur fester an Regulus‘ Arm fest, lehnte sich tiefer in den Kuss hinein und hätte ihn am liebsten nicht mehr weggelassen.

Regulus atmete schwer gegen ihre Lippen aus. „Ich sollte dir dein Zimmer zeigen“, murmelte er und fuhr sanft durch Lilys leicht feuchtes Haar, als er es ihr aus dem Gesicht strich.

„Lass mich nicht allein heute Nacht“, flüsterte Lily, selbst ein wenig überrascht, wie heiser ihre Stimme plötzlich klang. Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als alleine in diesem Haus zu sein. Besonders, wenn Regulus nur ein Stockwerk von ihr getrennt liegen sollte.

Regulus‘ Blick brannte sich tief unter ihre Haut. Sie atmete schwerer, je länger er sie so ansah, auch als sein Blick kurz abdriftete. Trotzdem zog er seinen Arm aus ihrer Umklammerung und stand auf. Er ging zur Tür.

Lily sprang förmlich von der Bettkante und folgte ihm zwei Schritte mit glühenden Wangen. „Ich meinte nur…“

Regulus hatte die Tür schon erreicht und Lily seufzte frustriert auf. Er schaute aus seinem Zimmer heraus auf den Flur, dann zog er die Tür zu Lilys Überraschung zu und drehte einen Schlüssel herum. Sie schaute ihn verwundert und mit wild klopfendem Herz an. Regulus setzte sich wie auf ein stummes Kommando in Bewegung. Er kam mit schnellen Schritten auf Lily zu, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie mit einem ungebremsten Hunger, der sie fast von den Füßen hob. Lily schlang die Arme um ihn, hielt sich so fest sie konnte an seinen Schultern fest und ließ ihn die ganze Nacht nicht mehr los.


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Ich will mehr wie jeder andere, dass Joanne K. Rowling mit meiner Luna zufrieden ist, denn es ist ihr Charakter. Ich hatte schon einen Albtraum davon, auf der After-Show-Party zu sein, Jo zu treffen und sie schüttelt nur ihren Kopf und schaut traurig. Das ist mein Irrwicht. Aber bis jetzt hat sie sich mir gegenüber positiv verhalten, also bin ich optimistisch.
Evanna Lynch