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Fanfiction

Mud and Blood - Felix Felicis

von Dr. S

Der Wind heulte durch das Treppenhaus und kratzte mit heruntergerissenen Zweigen und Blättern an den Fensterscheiben. Oben im Gryffindorturm fühlte der Wind sich immer kräftiger und lauter an, auch an ruhigen Tagen. Lily saß im Halbdunkel auf ihrem Bett und hörte nichts vom Wimmern des Windes. In ihren Ohren rauschte das Blut und ihr Herzschlag hatte sich mitsamt Echo in ihrem Kopf ausgebreitet. Ihre Wangen glühten wie die Kohlen im Ofen.

Sie wusste nicht, ob sie sich je im Leben so geschämt hatte. Regulus gegenüber zu stehen und in seinen Augen zu sehen, dass er genau wusste, was sie ihm angetan hatte, bevor sie eine Chance hatte sich zu erklären, ließ sie nahezu wortwörtlich im Boden versinken – sie war die Treppen so schnell nach oben gerannt, dass sie die Trickstufe übersehen und fast ins Stockwerk darunter gefallen war. Es war feige wegzulaufen, das wusste sie, aber sie hatte nicht dort bleiben können. Nicht eingekesselt zwischen Regulus und James, die sich über ihren Kopf versuchten gegenseitig zu verfluchen.

Mary und Dorcas waren nicht hier. Lily war dankbar, dass sie ihr zumindest für einen Moment die Ruhe des Schlafsaals ließen – vielleicht hatten sie auch nur großen Hunger und diskutierten in der Halle das viel betrachtete Drama, das Lily sicher nicht besser gemacht hatte, als sie wie aus einem brennenden Haus davon gestürmt war.

Unter ihrem Kopfkissen schaute eine Ecke von Regulus‘ Schal hervor, als wollte er sie gleichzeitig herausfordern und verurteilen. Lily griff danach und zog die restlichen zwei Meter Wolle hervor. Graue Streifen zogen sich über das dunkle Grün, um das Silber von Slytherins Hausfarben zu imitieren. Keine Farben, die man oft hier oben sah.

Sie vergrub ihr heißes Gesicht in dem Schal, an dem zumindest in ihrer Vorstellung noch Regulus‘ Geruch haftete. Nach fast einem halben Jahr in ihrem Koffer und Bett war das eher weniger wahrscheinlich, aber es erinnerte sie daran, wie sie sich oft an seine Schulter geschmiegt hatte. Wenn sie draußen einen Spaziergang gemacht hatten, dann hatte genau so ein Schal sie von seinem Hals ferngehalten. Trotzdem hatte sie selten irgendwelche Stunden so genossen, wie die in Regulus‘ Nähe. Sie vermisste es. Sie vermisste die Stunden im Klassenzimmer für Zaubertränke, in der Bibliothek, draußen auf den Ländereien, vor und nach den Trainingseinheiten für Quidditch, die Regulus‘ perfekt gescheiteltes Haar oft zerwühlter zurückgelassen hatten, als ihre Hände es hinbekommen hatten. Auch wenn sie nie jemand hatte sehen dürfen, war sie nie glücklicher gewesen. Und eine Ewigkeit in den Schatten mit Regulus war so viel besser, als eine allein unter ihrer Decke.

In den letzten Monaten hatte sie sich mehr als einmal anhören müssen, dass sie eine Schlampe war, und sie hatte immer darüber weghören können. Weil sie keine war. Sie hatte sich nie wie eine gefühlt. Und jetzt musste sie anscheinend zugeben, dass alle Recht hatten. Sie hatte James geküsst und mit nichts hätte sie Regulus mehr verletzen können. Außer vielleicht, wenn sie Sirius geküsst hätte.

Er würde ihr das nie verzeihen. Wenn sie einen Zauberspruch oder Trank kennen würde, um wieder in Ordnung zu bringen, was sie innerhalb von zwei Sekunden zerstört hatte, würde sie es tun. In sieben Jahren in Hogwarts‘ Klassenzimmern hatte sie gelernt, wie sie Ratten in Weingläser verwandeln konnte, ein Kissen nicht mehr selbst in James Potters Gesicht schleudern musste und danach die kaputten Brillengläser wieder reparieren konnte. Aber wie sie die wirklich wichtigen Dinge reparieren sollte, wusste sie nicht, und ihr Zauberstab würde ihr nicht dabei helfen.

Oder?

Lily strich abwesend über die dunkelgrüne Wolle des Schals und schaute dabei zu ihrem Nachttisch. Ein Foto von ihr mit ihren Eltern und einer mürrischen Petunia an der Seite stand dort. Ihre große Schwester hatte die Mundwinkel soweit heruntergezogen, dass sie ein bisschen wie ein Pferd aussah. Zu Füßen des Bilderrahmens lagen Haarbänder, Schmuckstücke und ihre Haarbürste – ein gefundenes Fressen für jeden Vielsafttrank. Das wirklich Interessante war in ihrer Schublade versteckt.

Lily zog die oberste auf und holte eine samtene Schatulle heraus, die sie öffnete und damit ein goldenes Glitzern herausließ. In einer kristallenen Phiole funkelte Regulus‘ Geburtstagsgeschenk, reines Felix Felicis, flüssiges Glück. Der Korken steckte fest an Ort und Stelle. Lily hatte ihn nicht bewegt und es auch nicht vorgehabt. Es reichte ihr den Trank ab und zu anzusehen, wie Mary ihre Kette aus echtem Gold, und sich vorzustellen, wie sie selbst einmal so eine wunderschöne Flüssigkeit zusammenmischen könnte.

Sie fuhr mit den Fingern über das kühle Glas und den rauen Korken. Einen Grund die Phiole zu öffnen hatte sie sich ausgemalt, wenn sie in ihrem Bett gelegen und dabei zugesehen hatte, wie die goldene Flüssigkeit gegen den Rand schwappte. Regulus hatte sie ihren Eltern vorstellen wollen und ihr war kein Augenblick eingefallen, bei dem sie mehr Glück hätte gebrauchen können. Ihr letztes Treffen mit den Blacks unterstrich das nur, und sie fragte sich genau jetzt die immer gleiche Frage: Wäre es besser gelaufen, wenn sie etwas mehr Glück auf ihrer Seite gehabt hätte?

Wenn sie jetzt ein kleines Schlückchen nahm würde Regulus ihr verzeihen? Würde sie sich selbst verzeihen?

Nein. Selbst wenn Felix ihr die Prise Glück geben würde, die sie vielleicht wieder mit Regulus zusammenbringen könnte, würde sie ihn danach nicht mehr ansehen können. Man konnte niemanden zwingen bei sich zu bleiben, auch wenn man denjenigen mochte. Mehr als mochte. Zauberei machte vieles leichter, aber man durfte sie nicht benutzen um den freien Willen irgendeines Menschen zu beeinflussen, besonders nicht von jemandem, den man gern hatte. Deswegen verachtete sie Lord Voldemort so. Er benutzte Erpressung und Flüche bis zur Unverzeihlichkeit um seine abscheulichen Ziele zu erreichen, und eher ließ sie sich von ihrer Scham ersticken, als so zu werden. Wenn sie anders darüber denken würde, wenn sie nie selbst in Voldemorts rote, seelenlose Augen geblickt hätte, dann hätte schon früher weniger zwischen Regulus und ihr gestanden. Er hatte Voldemort bewundert, aber das Herz am rechten Fleck, und das Mal auf seinem Arm war kein Loyalitätsbekenntnis.

Lily drehte die Phiole, bis der goldene Trank das Licht aus dem Ofen auffing und auffunkelte. Mit ein bisschen Glück könnte sie Mulciber und auch Severus vielleicht endlich das Handwerk legen. Ihr behagte nicht bei dem Gedanken, dass Regulus wieder eine Nacht in der unmittelbaren Nähe ihrer bescheuerten Rachepläne verbrachte. Aber das wäre auch nicht richtig, oder?

Auch wenn sie zugegeben niemanden beeinflussen würde, außer sich selbst. Felix Felicis sorgte für eine begrenzte Zeit für ein bisschen Glück, indem es Selbstbewusstsein und Wahrnehmung steigerte, bis alles, was man anfasste, funktionieren würde. Und ein Tropfen zu viel brachte einen dazu zu denken, dass man sich von Astronomieturm werfen und wie ein Phönix über die Ländereien fliegen konnte.

Aber wenn sie einen Schluck nahm, einen ganz kleinen, würde Mulciber ihr direkt vor Professor Dumbledore oder McGonagalls Büro in die Arme laufen und alles ausplaudern. Alles, was er und Severus sich geleistet hatten und noch leisten wollten. Alles, was sie brauchte, war ein Quäntchen Glück. Und die Dreistigkeit des negativen Klischees eines Gryffindors, der sich planlos ins Getümmel warf.

Lily spielte mit dem Korken. Dann stopfte sie Regulus‘ Schal zurück unter ihr Kissen, stand auf und lief aus dem Schlafsaal, rauschte mit wehendem Umhang die Treppen herunter in den Gemeinschaftsraum.

Sie hatte die Phiole noch in der Hand, als sie in dem kreisrunden Turmzimmer ankam, das um diese Zeit rege befüllt war. Schüler spielten Schach in der Ecke, lernten an den verteilten Tischen, und ein paar Erstklässler schreckten vor dem Fast Kopflosen Nick zurück, der plötzlich durch die Tischplatte kam und seinen Kopf vor ihnen zum Gruße zog. Viele Augenpaare entdeckten Lily und folgten ihr, begleitet von Tuscheln, aber sie hatte schon Schlimmeres erlebt und konnte es ignorieren. Sie erreichte das Portraitloch, als Marys Stimme hinter der Wand ertönte, leise und dumpf, aber bedrohlich nahe.

Jemand packte sie von hinten um die Hüfte und zog sie über die Sofalehne. Lily plumpste zwischen die tiefroten Sitzkissen. Marys Kopf tauchte in ihrem Augenwinkel aus dem Portraitloch auf. Sie ging rückwärts und sprach mit Dorcas, was Lily ein wenig mehr Zeit gab noch einmal feige zu sein. Lily zog die Beine über die Lehne auf die Couch, raus aus Marys Blickfeld.

„Wir hätten gleich mit ihr reden sollen. So alleine hier oben zu sitzen“, sagte Mary und schüttelte den Kopf. „Das zieht sie nur runter.“

„Ich finde immer noch, dass wir sie in Ruhe lassen sollten“, gab Dorcas zurück.

„Du bist eine miese Freundin, Dorcas, wirklich.“ Mary stampfte in Richtung Treppen voraus und zog Dorcas an der Hand hinterher, auch wenn sie angeblich eine miese Freundin war. Das traf auf keine von ihnen zu.

Als ihre Schatten auf der Wendeltreppe verschwanden, schaute Lily sich das erste Mal nach dem Besitzer der Hand auf ihrer Hüfte um. Sirius saß neben ihr in der Mitte des Sofas und grinste sie an. Er hatte die Karte in der Hand, die James ihr einmal gezeigt hatte. Hunderte schwarze Punkte wanderten durch die Schlosskorridore.

Neben Sirius hatte Remus sich zusammengerollt und schlief tief und fest, ein Buch in der Hand und den Kopf auf die Sofalehne gebettet.

Lily strich ihren Rock herunter, der ihr weit über die Knie gerutscht war. Mit Schwung drehte sie sich herum und setzte sich an Sirius‘ Seite. Sie wusste nicht, ob sie sich bedanken sollte.

„Hab hier gesehen, wie sie kommen, und ich dachte, du vermeidest so ein Gespräch lieber“, sagte Sirius und zeigte seine blitzweißen Zähne beim Lächeln. Manchmal fragte Lily sich, wie er es schaffte immer einen Grund zum Lächeln oder Lachen zu finden. Er schien unzerbrechlich optimistisch.

Lily amüsierte ihn mit einem Augenrollen und lehnte sich über Sirius‘ Schulter um einen Blick auf die Karte zu werfen. Sie entdeckte James‘ Namen in Professor McGonagalls Büro im ersten Stock. Anscheinend hatte seine Eskapade mit dem Zauberstab zurückgefeuert und ihn in Schwierigkeiten gebracht. Sie fragte sich, ob Regulus gerade in Professor Slughorns Büro einer ähnlichen Standpauke lauschen musste. Er würde es sich definitiv mehr zu Herzen nehmen als James. Er würde auch leichter wegkommen. Regulus konnte überzeugend sein und Professor Slughorn ließ sich gerne überzeugen.

„Oh, und übrigens hab ich hier noch etwas für dich, Lily…“

Sirius griff in seine Hosentasche und holte ein sorgfältig gefaltetes Pergament heraus, das von seinem Gewicht ordentlich zerknittert worden war. Offensichtlich eine Nachricht und sie hatte eine riesengroße Angst, dass sie von James kam. Dass er doch nicht ihr Freund bleiben wollte.

Trotzdem nahm Lily die Phiole in die andere Hand, um das Pergament zu nehmen, hielt sie aber umsonst offen. Sirius hatte den Trank ins Auge gefasst. Der Unsinn in seinem Kopf glänzte in seinen Augen. Er zog das Pergament wieder zurück – Lily würde ihn mit einem Kitzelfluch belegen, wenn er die Hand jetzt bei jedem Versuch wegziehen würde.

„Na, was haben wir denn da?“ Sirius schnappte ihr die Phiole aus der Hand, bevor sie überhaupt blinzeln konnte, und drehte sich sofort aus ihrer Reichweite, als sie danach greifen wollte. Mit dem gewichtigen Blick eines Wissenschaftlers, der eine große Entdeckung vor sich hatte, schwenkte er die Phiole und schnippte dagegen. „Ein Schlückchen flüssiges Glück, oho.“

„Woher weißt du das?“, fragte Lily und unternahm einen weiteren, vergeblichen Versuch ihren Trank wiederzubekommen. Sie hing am Ende halb über Sirius‘ Schultern und gab dann lieber auf.

„Oh, keine Sorge. Ich bin nicht plötzlich ein Genie in Zaubertränke, das dir deine Position streitig macht. Auch wenn Schniefelus‘ Gesicht es wert wäre…“ Einen Moment versank er wohl in genau dieser Vorstellung und schreckte erst wieder hoch, als Lilys Hand vor seiner Nase auftauchte und nach der Phiole tastete. Er rutschte von ihr weg und lehnte sich halb auf Remus, der im Schlaf ein leises Grummeln von sich gab. „Regulus hat die Hälfte seiner Weihnachtsferien in der Winkelgasse verbracht, um das Zeug für dich aufzutreiben. Und einen Großteil seines Golds.“

Lily fühlte einen neuerlichen Schauer Scham auf sich einprasseln und gleichzeitig zuckten ihre Mundwinkel.

Sirius schenkte ihr dieses schelmische Schmunzeln, wegen dem so viele Mädchen ihm hinterher schmachteten. „Ich hätte an seiner Stelle eher in einen Trank investiert, der mir einen kleinen Regulus vom Leib hält.“

Lily begegnete diesem Kommentar mit eisiger Kälte und nutzte Sirius‘ bellendes Lachen aus, um ihren Trank aus seinen Händen zu schnappen. „Zum Glück kannst du wenigstens einen Trank selbst zusammenbrauen“, sagte sie und Sirius griff sich an die Brust, als hätte sie ein Messer hineingerammt. So wie er war, fing er sich schnell wieder.

„Was hast du damit vor? Etwas Illegales?“ Er ließ die Augenbrauen hüpfen und Lily ahnte, dass er sich gerne anhängen würde, wenn sie etwas Gefährliches vorhaben würde.

„Ich denke nicht. Hast du vor, mir dieses Pergament noch zu geben?“

Sirius musterte sie einen Moment, als würde er über irgendetwas nachdenken und seine Antwort schon auf den Lippen haben. Dann schob er das Pergament wieder in die Hosentasche. „Ich leg’s dir auf dein Bett“, sagte er mit einem zweideutigen Unterton, den Lily überhörte.

„Du kommst nicht in den Schlafsaal der Mädchen.“

Sirius schnaubte und winkte ab. „Bitte.“

Lily seufzte, fragte aber lieber nicht nach.

„Felix wird das schon besser richten, als irgendein peinliches Gekrakel, oder?“, sagte Sirius.

„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst, Sirius, aber ich hoffe, Felix hilft mir dabei Mulciber und… und Snape das Handwerk zu legen“, sagte Lily. „Ab heute sind sie ganz in Regulus‘ Nähe. Er sitzt sozusagen im Nest der Schlangen fest. Mir ist nicht wohl dabei.“

„Und du meinst, Felix wird das schon für dich richten?“

Lily zuckte die Achseln. „Ich hätte nichts gegen seine Meinung. Mir fällt nichts Besseres ein. In der Bibliothek finde ich nichts Brauchbares und in meinem Kopf herrscht reines Chaos.“

„Vielleicht solltest du dir einen Zeitpunkt aussuchen, wenn dein Kopf etwas aufgeräumter ist.“

„Mir geht’s gut.“

Sirius gab sich nicht einmal die Mühe skeptisch auszusehen und schüttelte nur locker den Kopf. Es war merkwürdig so mit ihm zu reden, ganz vertraut, als hätte er nicht mehr als einen Grund auf sie sauer zu sein. Sie hatte sein Geheimnis verraten, Regulus dazu und James geküsst. Was davon schlimmer sein musste, konnte sie ihm nicht ansehen.

Auf der Karte führte James‘ Name einen merkwürdigen Tanz in Professor McGonagalls Büro auf.

Remus drehte sich im Schlaf und bettete den Kopf auf Sirius‘ Schulter, schmiegte sich wie eine schnurrende Katze an ihn. Sirius zog die Augenbrauen hoch und wischte ihn wie eine nervende Fliege weg. Remus‘ Kopf rollte nach hinten auf die Sofalehne.

„Vielleicht geht es mir nicht gut“, lenkte Lily ein. „Ich fühle mich schrecklich, wolltest du das hören? Was, wenn ich mir die ganze Zeit eingeredet habe, dass Mulciber und seine Freunde mich wegen meinem Blut hassen, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass ich einfach ein schlechter Mensch bin?“

Sirius legte seine Hand auf ihren Oberschenkel und tätschelte ihn tröstend. „Du bist kein schlechter Mensch, Lily. Du hast Gefühle. Wenn überhaupt, macht dich das menschlicher. Zumindest kann dich niemand mehr als unantastbare Miss Perfect beschimpfen.“

Lily hob die Augenbrauen, aber Sirius schien da nicht drauf eingehen zu wollen. Dann lächelte sie ihn an und hoffte, dass das reichte um Danke zu sagen, auch wenn seine Worte natürlich nicht gutmachen konnten, was sie getan hatte. Sie tippte gegen die Karte, genau in den Korridor vor Professor McGonagalls Büro, in dem James noch immer festsaß.

„Verrätst du mir, wo Mulciber sich rumtreibt?“, fragte sie.

„Daran willst du Felix verschwenden?“

„Ja, dafür will ich ihn benutzen“, sagte Lily. „Nicht dafür, wessen Arme mich auffangen, wenn ich wiedermal die Treppe runterfalle.“

Sirius faltete bereits resignierend die Karte ganz auf und suchte in einer bemerkenswerten Geschwindigkeit die unzähligen Korridore vom obersten Stockwerk an ab, was nur zeigte, wie geübt er darin war.

„Glück bringt dich nur so weit, Lily. Wenn ich Old Sluggy richtig zugehört hab, dann ist Felix Felicis nicht die Brechstange, die dich durch starke Magie bringt. Liebe ist die mächtigste Magie von allen, und Glück wird dir da wohl sowieso nicht weiterhelfen. Dumbledore hat sowas in der Art mal gesagt. Er kann damit durchkommen.“ Sirius seufzte und strich sich über das Kinn. „Ich wette, das liegt am Bart.“

Lily schmunzelte. „Ich glaube, dass ich selbst für mein Glück verantwortlich bin. Das sind wir alle.“

Sirius hieb seinen Zeigefinger auf die Karte. Er war wieder dort angekommen, wo er begonnen hatte. „Da. Erster Stock, rechts vom Krankenflügel. Was auch immer er um diese Uhrzeit dort will. Oh, ich hoffe, eine Patrouille erwischt ihn.“

„Ja, ich“, sagte Lily und zog den Korken aus der Phiole.

Sirius sah aus, als wäre er kurz davor an einem unterdrückten Lachanfall zu ersticken. „Viel Glück“, presste er hervor.

Lily rollte mit den Augen und nahm einen vorsichtigen Schluck, vielleicht gerade genug um das Glück zwei Stündchen auf ihre Seite zu ziehen. Sirius behielt sie neugierig im Auge.

Ein merkwürdig warmes, aber angenehmes Gefühl durchströmte sie. Ihr Blickfeld schien sich zu verschärfen, als wäre sie jahrelang kurzsichtig durch die Gegend gestolpert und würde endlich eine Brille tragen. Sie fühlte sich leichter. Die ganze Last und Schuld auf ihren Schultern schien abzufallen, wenn auch nicht zu verschwinden. Auf einmal fand sie es lächerlich sich zu verkriechen, anstatt mit allen Mitteln zu retten, was noch zu retten war.

„Und?“, fragte Sirius.

Lily schaute ihn an und sein Grinsen, sonst so hinreißend und verzaubernder als ein Imperius-Fluch, schien bröselig wie altes Pergament.

„Wie ist es? Das Gold wert?“, fragte er neugierig.

„Find’s raus“, sagte Lily, verschloss die Phiole und drückte sie Sirius in die Hand. Sie schloss seine Faust fest um den Trank, bevor er mehr als verwirrt blinzeln konnte. „Vielleicht bricht es keine starken Zaubersprüche, aber bei deinen Eltern brauchst du jede Minute Glück um einen Unbrechbaren Schwur zu überstehen.“

„Ich… Was?“

„Ich muss jetzt in den ersten Stock. Zu Professor McGonagall.“

„Was?!“, platzte es aus Sirius raus, da stand Lily schon auf. „Warte, du wolltest doch… Warte, willst du zu McGonagall oder James?“

„Ich finde nicht, dass er dafür bestraft werden sollte, dass ich ihn in ein verwirrendes Chaos gezogen habe. Zumindest sollte ich es Professor McGonagall erklären“, sagte sie.

Sirius presste sich eine Hand vor den Mund und dämpfte einen Fluch. „Ich dachte, du würdest in die Kerker gehen. Ich dachte, du… Was hab ich jetzt schon wieder ruiniert?“

„Du hast gar nichts falsch gemacht. Oh.“ Sie gluckste. „Viel Glück. Das war witzig, ja.“ Lily verabschiedete sich mit einem Klaps auf Sirius‘ Schulter. Remus schreckte von dem Geräusch hoch.

„Ich war’s nicht. Ich war’s nicht!“, entfuhr es ihm atemlos. Lily und Sirius schauten ihn beide verwundert an. Leichenblass wischte Remus sich das Haar aus der Stirn und suchte konfus Halt in seiner Nähe. Er packte Sirius am Arm und zog ihn halb auf sich.

Lily nutzte den Moment und kehrte ihnen den Rücken zu. Gepresste Protestlaute folgten ihr bis zum Portraitloch, durch das sie hinaus auf den hell beleuchteten Korridor stieg.

Zum ersten Mal in einer Woche verharrte sie länger als ein paar Sekunden vor der Fetten Dame. Genau hier, etwas weiter links zu ihren Füßen, hatte sie James geküsst. Er hatte auch sie geküsst. Nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn nicht auf diese Art sehen wollte. Dafür konnte sie sich nicht alleine verantwortlich machen.

Lily ließ die Stelle ihrer Unsicherheit hinter sich zurück und lief die Treppen herunter. Die beweglichen Stufen schoben sich in perfektem Timing genau vor ihre Füße und die Trickstufe schimmerte auffällig im Fackelschein, sodass sie leichtfüßig darüber hüpfen konnte. Sie bog in den Korridor des ersten Stocks, als Felix es nicht gut mit ihr meinte. Jemand rannte genau gegen sie.

„Entschuldige“, rief Lily aus und lächelte, bevor sie überhaupt das andere Gesicht erkannt hatte.

Das Mädchen aus Ravenclaw mit dem recht faulen Mund starrte ihr entgegen. Sie wirkte alles andere als sauer, eher schockiert und hilflos. Wie ein Fisch auf dem Trockenen öffnete sie den Mund und schloss ihn wieder.

„Schon okay“, presste sie etwas zittrig hervor. „Nicht deine Schuld.“

Sie ging bereits weiter, als Lily auf dem Boden ein Ball aus wuscheligen, rosa Federn auffiel. Sie hob das Ding auf und drehte sich dem Mädchen nach.

„Honoria, richtig?“

Das Mädchen drehte sich um und Lily streckte ihr das Büschel entgegen, das von ihrer Tasche gefallen sein musste.

„Du hast das verloren, glaube ich.“

„Danke“, sagte das Mädchen leise und nahm ihr Federbüschel an, hakte es wieder an den Verschluss ihrer aufwändig dekorierten Tasche. Lily wollte sich schon umdrehen, als sie diesmal zurückgehalten wurde. Das Mädchen schlitterte direkt in ihren Weg. Die tiefroten Flecken auf den sonst so abfällig verzogenen Gesichtszügen behagten Lily nicht ganz. „Ich… ähm… Die Sache neulich in der Bibliothek…“

Auch oder gerade weil es ihr schwer über die Lippen zu kommen schien, lächelte Lily und versuchte sie ausreden zu lassen.

„Ich finde es sehr mutig, dass du Mulciber die Stirn geboten hast. Er ist widerlich.“

Lily blinzelte perplex. „Woher weißt du davon?“

„Das hier ist Hogwarts. Es gibt keine Geheimnisse hier, die länger als eine Woche halten“, sagte sie und spielte nervös mit dem rosa Federball an ihrer Tasche. „Also… Was ich schon die ganze Zeit sagen wollte… Man kriegt dich nicht leicht alleine zu sprechen, weißt du? Ich will nicht, dass die Leute mich für einen Feigling oder sowas halten, also… Also, vielleicht erinnerst du dich, dass ich… ähm, ich war da. Als Mulciber in die Bibliothek gekommen ist, war ich da.“

Lily musste schlucken, aber irgendetwas sagte ihr, dass sie erst einmal nichts sagen sollte.

„Er hat mich angerempelt und meine Bücher runtergerissen. Dann bist du gekommen und wolltest mir helfen sie aufzuheben, und er ist hinter mein Regal geschlüpft. Ich hab nichts gesagt, weil ich… ich weiß nicht. Und als ich wieder aufgesehen habe, war er weg. Er muss einen Desillusionierungszauber oder sowas benutzt haben. Ich konnte mir nicht denken, wieso. Vielleicht wollte er sich in die Verbotene Abteilung schleichen.“

Das Mädchen errötete, bis die Flecken auf ihren Wangen zu einer Fläche wurden. „Zumindest hab ich mir das eingeredet. Als ich gehört hab, dass du im Krankenflügel warst und dass Regulus auch dort war… na ja…“

„Ist schon gut“, sagte Lily und strich ihr über die Schulter.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nicht okay. Ich dachte… Ich hab gehofft, dass ihr Schluss macht, du und Regulus. Ihr passt doch nicht zusammen, weil du ein Trampel mit Muggelblut bist und er der Spross einer der ältesten reinen Zaubererfamilien. Er braucht doch jemanden auf seiner Stufe.“

„Das ist nicht besonders nett“, sagte Lily vorsichtig.

Das Ravenclaw-Mädchen schaute sie aus großen Augen an, als hätte sie sich gar nicht zugehört. „Ich wollte nicht… Was ich eigentlich wollte… Es tut mir leid, Lily. Wirklich.“

„Das muss dir nicht leid tut. Ich kann dir schlecht deine Meinung verbieten“, sagte Lily. „Du hast ja nicht gewusst, was Mulciber vorhatte oder dass es überhaupt mit mir zu tun hatte. Und Fehler sind bekanntlich auch dazu da sie auszubügeln und daraus zu lernen. Zum Beispiel könntest du Professor McGonagall immer noch erzählen, dass du ihn dort gesehen hast. Das würde zumindest etwas bringen.“

Das Mädchen aus Ravenclaw, Honoria, lächelte sie ein wenig überrascht an. „Sicher. Ich meine, wenn es dir irgendwas bringt.“

Lily nickte den Gang herunter und Honoria ging auch ohne ihre Hilfe den ersten Schritt, damit sie sich besser fühlen konnte. Stumm gingen sie den Korridor herunter; Lily hielt es für besser, wenn sie nicht noch ein paar Beleidigungen aus ihr herausholte oder daran erinnert wurde, dass die Chance, dass zwischen Regulus und ihr nicht alles verloren war, sehr gering war. Sie war da, aber gering.

„Willst du, dass ich mitgehe?“, fragte Lily, als sie vor dem Turm standen, in dem Professor McGonagalls Büro, mit bestem Blick auf das Quidditch-Stadion ausgerichtet, lag.

„Ich brauche dich nicht, damit du meine Hand hältst“, sagte Honoria.

Lily beantwortete das damit, an die Tür zu klopfen. Schritte kamen näher, schnell, und Lily folgte ihrem Instinkt, bevor Honoria die Hand ausstrecken und sie schubsen konnte. Sie drückte sich gegen die Wand, sodass die Tür ihr fast gegen die Nase schlug, als Professor McGonagall sie öffnete.

„Oh… Wissen Sie, wie spät es ist? Sie sollten auf Ihrer Patrouille sein. Was wollen Sie?“, fragte Professor McGonagalls Stimme.

„Ich weiß, Professor, aber…“ Honoria übertrieb es etwas mit ihrer leidenden Stimme. „Mich quält seit einer Woche etwas und ich… ich denke, dass es das Richtige wäre, mit Ihnen darüber zu reden. Wenn Sie ein wenig Zeit für mich hätten. Bitte, Ma’am.“

Professor McGonagall hatte ein strenges, aber gutes Herz und das ließ ihr keine andere Wahl als Honoria hereinzulassen. „Kommen Sie herein. Mr. Potter, Sie dürfen gehen. Und versuchen Sie auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum Ihren Zauberstab in der Hose zu lassen.“

Lily hörte, wie James sich bei seiner Verabschiedung ins Fäustchen lachte. Als die Tür zugezogen wurde, grinste James ihr direkt ins Gesicht.

„Hallo“, sagte Lily freudig.

James schien von diesem Ton aus dem Gleichgewicht geschlagen zu werden. Er fand sein Grinsen schnell wieder. „Hi. Was machst du denn hier?“

„Ich dachte, ich könnte dich vor einer allzu großen Strafe retten“, sagte Lily.

„Tatsächlich hast du das“, sagte James. „Sie wollte mich gerade so schnell loswerden, dass sie mir gar keine Strafe gegeben hat. Wenn du davon absiehst, dass meine Ohren noch klingeln, weil ich das Haus Gryffindor beschämt hatte. Schon wieder.“

„Du kannst keine Schande über Gryffindor bringen, James. Dein ganzer Vorrat ist seit der Fünften aufgebraucht.“

James lachte auf, dann lenkte er nickend ein.

„Regulus kommt hoffentlich auch so gut davon“, murmelte Lily.

„Wieso hast du ihn nicht gerettet?“

„Weil ich der wahrscheinlich letzte Mensch auf dieser Welt bin, von dem er im Moment wohl gerettet werden will.“

James ließ unter den Anzeichen eines schlechten Gewissens die Schultern hängen und wühlte durch das Chaos seiner Haare. „Wenn du willst, rede ich mit ihm.“

„Oh, James. Wenn ihr beide miteinander redet, endet das entweder mit Schlägen oder Flüchen.“

„Du bist deswegen wütend auf mich, oder?“, fragte James.

„Sagen wir so, ich bin nicht glücklich darüber, dass du dich einmischen musstest und dass Regulus sich hat provozieren lassen, anstatt mir eine Chance zum Reden zu geben“, sagte Lily. „Wenn ich es mir genau überlege, wird er sich bei Professor Slughorn rausreden können. Er kann sehr überzeugend sein.“ Sie lächelte beim Gedanken daran.

James wirkte wie in die Schatten gestoßen. Er zuckte mit der rechten Schulter. „Sluggy findet sicher leicht eine Ausrede, um seinen Zauberspruch als so überwältigend gut abzustempeln, dass er fünfzig Hauspunkte dafür kassiert.“

„James“, sagte Lily warnend. „Du vergisst, dass sein Zauberspruch sehr gut war. Dein Funkenregen hat mir fast das Gesicht weggebrannt.“

James grinste verlegen. „Keine Absicht. Sorry.“

„Lily?“

Sie drehte sich blitzartig herum. Regulus brach aus der Düsternis des Korridors und starrte sie an, als könnte er nicht ganz glauben, dass sie da war. Dann kam er direkt auf sie zu. Zuerst ging er schnell und auf den letzten Metern verfiel er in einen regelrechten Laufschritt. Nicht einmal Felix konnte ihre Überraschung mildern, als er sie in die Arme zog, so heftig, dass er sie fast von den Füßen hob. Aber es war Felix‘ Beistand, der sie dazu brachte sich an ihm festzuhalten.

Funktionierte Glück so? Dass das, was man wollte, einem einfach in die Arme fiel?

„Du hast meine Nachricht bekommen“, murmelte Regulus in ihr Ohr. „Ich dachte schon, Sirius würde sie dir nicht geben.“

Er ließ sie los, sonst hätte sie wahrscheinlich die ganze Nacht nicht zugelassen, dass er einen Zentimeter Abstand nahm.

„Ich hab keine Nachricht bekommen“, sagte Lily ehrlich.

Regulus nahm jetzt auch die Hände von ihrem Rücken. Das Grau seiner Augen schien kühl, aber darunter glühte etwas wunderbar Warmes, und es flackerte bedrohlich, als er James ins Auge fasste. Er schluckte kurz, aber deutlich.

„Unwichtig“, sagte er sachlich und straffte seine Roben. Sein Vertrauensschülerabzeichen glitzerte silbern im Fackelschein. „Du bist hier und ich wollte dich hier, wie ist egal. Es geht um Mulciber. Der Bastard hat irgendetwas vor, jedenfalls hat er das Mulciber gesagt, als ich reingeplatzt bin, und diesmal wäre ich ihm gerne einen oder zwei Schritte voraus. Ich dachte, das würdest du wissen wollen.“

„Würde ich“, sagte Lily gerührt.

„Er wird dir nicht nochmal irgendwas antun“, murmelte Regulus.

„Oh, weshalb du sie direkt auf ihn ansetzt?“, warf James ein.

Regulus verdrehte genervt die Augen. „Wenn jemand ein Recht darauf hat, ihm einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen, dann Lily. Kommst du? Er trifft sich mit irgendwem im ersten Stock…“

James machte ein Gesicht, als hätte er jetzt gerne seine Karte bei sich.

Lily musste nicht lange überlegen und nickte. „Er ist gleich um die Ecke des Krankenflügels.“

Regulus schaute sie nicht so verdutzt an wie James, dem der Mund aufklappte, brauchte aber auch einen Moment länger um sich in Bewegung zu setzen. Etwas übermütig und so eingepfercht zwischen Regulus und James, tat Lily das Erste, was ihr in den Sinn kam, um sie in Bewegung zu kriegen. Sie griff Regulus‘ Hand und James‘ Ärmel und zog sie mit sich.

„Warte.“ James blieb abrupt stehen. „Ihr zwei habt keine Ahnung, wie man sich unauffällig durch das Schloss bewegt, hm?“

Er wühlte in seiner Umhangtasche herum, bis er gefunden hatte, wonach er gesucht hatte, und zog zum Glück nicht seinen Zauberstab sondern einen silbrig glänzenden Stoff heraus. Er grinste Lily an, als er ihn wie eine Decke um seine Schultern warf und vom Hals abwärts verschwand. Sein Körper tauchte wieder auf, als er die eine Seite des Umhangs einladend ausbreitete. Dann schaute er Regulus an und bedeutete ihm mit einem Nicken unter den Umhang zu kommen.

Lily schlüpfte unter seinen Arm. Sie hatte noch nie einen Tarnumhang benutzt. Natürlich hatte sie davon gelesen und gehört – Severus hatte mehr als einmal behauptet, Potter würde nur so plötzlich hinter jeder Ecke auftauchen, weil er einen haben würde. Anscheinend hatte er da nicht so Unrecht.

Regulus blieb fest an Ort und Stelle stehen.

„Komm schon, Black. Sonst kann man ihm direkt vor die hässlichen Füße laufen“, sagte James und zwang Regulus unter seinen Umhang, indem er ihn einfach über ihn drüber warf.

Der Korridor schien jetzt vollkommen verlassen. Lily blickte in ein Fenster, aber ihr Spiegelbild wartete dort nicht auf sie. Auch nicht das von Regulus oder James. Ein zutiefst surrealer Anblick, auch nach diversen Desillusionierungszaubern, die sie immer eher an ein Chamäleon erinnert hatten, das sich seiner Umgebung anpasste.

„Versucht eng beieinander zu bleiben“, raunte James.

„Deine Entschuldigung für Kuscheleinheiten?“, zischte Regulus.

„Oh, nur ein-, zweimal.“ James gab das Tempo vor, indem sie sich zuerst ein wenig ungelenk durch den Korridor bewegten. Als sie die T-Biegung erreichten, an der der Krankenflügel lag, hatten sie einen gemeinsamen Rhythmus gefunden. Mit schnellen, fast gleich langen Schritten eilten sie voran.

Mulcibers Stimme kam ihnen zischend entgegen. Er stand nicht mehr auf dem Balkon, wo Sirius ihn entdeckt hatte, sondern mitten auf dem Korridor, die Brust geschwollen, als könnte nichts in diesem Schloss ihm etwas anhaben. Er war nicht allein.

„Ich geb dir noch eine Chance, Pettigrew.“

Peter stand vor ihm. Mit hängenden Schultern und leicht kauernd, wie ein Diener der vor einem Gutsherrn erzitterte, wirkte er zweimal so klein wie Mulciber.

Lily merkte, wie James neben ihr zuckte. Sie streckte ihren Arm wie eine Schranke vor seine Brust, bevor er vorschießen konnte, wie ein losgelassener Pfeil. An ihrem Rücken spürte sie Regulus‘ Hand, die aber nicht bei ihr innehielt, sondern ebenfalls James‘ Umhang packte, um ihn festzuhalten.

„Ich will ihre Adresse. Du wirst mir Evans‘ Adresse besorgen, sonst sage ich deinem geliebten Potter, was du so alles ausplauderst, wenn dir mal jemand zuhört.“

„Wieso fragst du das nicht Snape?“, gab Peter überraschend hitzig zurück, dafür dass er sich noch immer so unterwürfig hielt.

„Weil er auf sie steht, du Vollpfosten. Er würde mir sowas nicht verraten“, sagte Mulciber entnervt. „Ich verschwende meine Zeit nicht damit in diesem Muggelloch rumzuwandern und an jede Tür zu klopfen, damit sie aufmacht. Gib mir ihre Adresse, damit ich ihr Leben beenden kann, bevor sie meins ruiniert.“

„Du… Du meinst metaphorisch, oder?“, fragte Peter etwas leiser.

„Weißt du überhaupt, was metaphorisch bedeutet?“

Peter verzog ärgerlich das Gesicht. „Ich kenne ihre Adresse nicht.“

„Dann find sie raus, Ratte.“

„Find sie doch selbst raus. Ich bin nicht dein Hauself“, fuhr Peter ihn an. Das bisschen Rückgrat half ihm nicht gerade zu stehen.

„Gut, meinetwegen“, sagte Mulciber und Peter wirkte ehrlich überrascht über diese gelassene Reaktion. „Sag mal, soll ich zuerst Potter sagen, was du mir verraten hast, oder erst Evans, dass du ihren Schockzauber von mir genommen hast, als ich ausgeliefert in der Bibliothek lag?“

Nicht einmal Felix Felicis konnte den bitteren Geschmack aus Lilys Mund tilgen. Sie hatte es geahnt und sich dafür geschämt, dabei hatte sie keinen Fehler gemacht, als sie Peter misstraut hatte. Lily schaute in seine kleinen, wässrigen Augen und ihre Zehen kräuselten sich vor Abscheu.

„Wieso hast du es überhaupt so auf sie abgesehen?“, fragte Peter. „Das wird allmählich lächerlich.“

Mulciber schoss vor und packte Peter mit beiden Händen am Kragen. Er presste ein Quieken wie von einem kleinen Tier aus ihm heraus, als er ihn auf die Zehenspitzen zog. „Du bist lächerlich, Pettigrew. Klein, fett und nutzlos. Evans ist ein widerliches Schlammblut. Du solltest keine Sekunde zögern mir zu helfen, sie aus dem Weg zu räumen. In ein paar Jahren gibt es in unserer Welt keine hochmütigen Schlammblüter mehr. Der Dunkle Lord wird sie alle in die Schranken gewiesen haben. Und du wirst es bereuen, dass du nicht gleich auf die richtige Seite gestellt hast.“

Peter schluckte so laut, als hätte er seinen Adamsapfel heruntergewürgt. „We-Wenn ich das tue, was tust du mit ihr?“

Lily reagierte darauf wie auf ein Stichwort und riss den Umhang über ihren Kopf. Sie ließ Regulus‘ Hand los, die sie immer noch gehalten hatte, und ein Teil der absoluten Sicherheit, dass sie das Richtige tat, verließ sie. Aber nicht genug, um James‘ Hand zu erlauben sie zurückzuziehen.

Lily trat aus den Schatten direkt vor Mulciber, der vor Schock Peter fallen ließ und zurück sprang. Peter taumelte nach hinten, versuchte sich im Nichts abzustützen und plumpste auf seinen Hintern.

„Ja, Mulciber“, sagte Lily. „Was willst du mit mir tun?“

Mulciber hatte vor Entsetzen nicht einmal eine dreckige Retourkutsche parat. „Wo kommst du her?“

Peter stieß ein Wimmern aus. „James? Es – Es ist nicht so, wie es aussieht.“

James stand ohne den Umhang ziemlich verloren mitten im Gang. Er zitterte bis in die Knie und sein starrer Blick hing an Peter, als hätte er gerade einen Schockzauber abbekommen. „Ist es auch nicht so, wie es sich angehört hat?“

Der restliche Korridor war düster und verlassen. Regulus schien wie vom Erdboden verschluckt, als hätte Felix ihr nur eine Vision von ihm an die Seite gestellt hatte. Vielleicht war er noch unter dem Umhang. Vielleicht hatte er Reißaus genommen und ihre Glückssträhne war dabei zu reißen.

„Du bist eine Plage, Evans“, blaffte Mulciber über James und Peters Stimmen hinweg. „Bist du überall? Verfolgst du mich?“

„Du hörst mir zu, Mulciber“, zischte Lily, als er sich von Peter und James ablenken ließ. Ohne ihren Zauberstab zu ziehen, aber mit der Hand am Holz, stellte sie sich vor ihn. „Du wirst nie einen Schritt in die Nähe von meinem Haus setzen, sonst werf ich dich persönlich nach Askaban und lasse die Dementoren entscheiden, ob sie an dir sowas wie eine Seele zum Verspeisen finden.“

Mulciber saugte jedes dieser Worte auf wie ein Dementor Glück und presste ein Glucksen heraus. „Was hast du vor? Hast du Potter angeschleppt, damit er die Drecksarbeit für dich erledigt und mich aus diesem Fenster wirft?“

„Halt die Schnauze, Mulciber“, knurrte James ihm entgegen.

„Ich kann dich selbst aus dem Fenster werfen, wenn ich will“, sagte Lily. „Und die Magie in deinem ach so reinen Blut wird dich sicher wie einen Flummi wieder hier hochwerfen.“

„Ich hatte dich schon mal auf den Knien, Evans. Das krieg ich auch mit Publikum wieder hin“, sagte Mulciber genüsslich. „Hast du Potter von der Bibliothek erzählt?“

Lily hob die Hand, als James einen Satz an ihre Seite machen wollte. Eine Geste, die offensichtlich genug war, dass Mulciber sie bemerkte. In der Ferne hörte sie das Echo von Schritten.

„Dafür landest du in Askaban, Mulciber“, sagte sie laut und deutlich. „Du hast einen Unverzeihlichen Fluch benutzt.“

„Oh, du sagst das so gerne“, schnaubte Mulciber und zwang seine Stimme mehrere Oktaven in die Höhe: „Du wirst dafür büßen, Mulciber. Du kommst nach Askaban. Man darf seinen Zauberstab dafür nicht benutzen! Wäh, wäh, wäh.“ Er räusperte sich. „Na ja, aber ich konnte.“

Er packte Lilys rechte Hand und zog sie aus ihrer Umhangtasche. Sie ließ ihren Zauberstab darin zurück.

„Lass sie sofort los“, schnauzte James. Von Regulus, falls er noch unter dem Umhang war, kam kein Laut.

Mulciber drehte Lilys Hand herum, sodass sie die noch rote, frische Narben auf dem Rücken sehen konnte – aber sie sah nicht hin.

„Ich habe dir deine hübsche, weiche Hand mit Severus‘ Lieblingsfluch aufgeschlitzt. Bei jedem Händewaschen wirst du dich daran erinnern, dass ich besser war als du. Schneller.“ Er fuhr mit den Fingerknöcheln über ihren Wangenknochen, die Augen leer wie die schwarze Nacht. „Ich habe dich geschlagen, bis deine Wange nicht mehr weich war. Ich habe deinen perfekten Körper getreten, bis niemand ihn mehr anfassen will. Oder? Black hat sich schon verabschiedet. Vielleicht brauche ich jetzt gar keinen Imperius-Fluch mehr um dich auf die Knie zu bekommen, Evans. Nächstes Mal, probiere ich einen besseren aus, darauf kannst du dich verlassen.“

„Hoffentlich auch darauf, dass du dich sehr, sehr gerne selbst reden hörst“, sagte Lily und gab endlich dem Drang nach seine Hand wegzuschlagen. Sie machte schnell einen Schritt zurück, genau aus seiner Reichweite heraus, aber seine Fingerspitzen streiften ihre Kehle noch.

„Wag es nicht.“ Jemand warf sich dazwischen, packte Mulciber an den Roben und rammte ihn mit einer Wucht, die seine Knochen scheppern ließ, gegen die Wand. Regulus‘ Rücken baute sich vor ihr auf, sein Haar war von der aufgebrauchten Kraft ganz aus dem Scheitel gerissen worden. Jeder Funke Unsicherheit wurde wie von einer Welle warmen Wassers ausgelöscht.

„Mr. Black, das ist genug“, sagte Professor McGonagalls Stimme. Lily drehte sich um, nicht so überrascht wie Mulciber, dem fast die Augen herausfielen. In den Schatten des Korridors stand Professor McGonagall, reckte das Kinn streng und wirkte mitsamt ihrem spitzen Hut noch größer.

„Professor“, presste Mulciber hervor, aber sein Versuch sich zu rechtfertigen wurde von Regulus wortwörtlich erstickt.

„Sie haben alles gehört, Professor“, sagte Regulus ruhig und seine scharfe Stimme klang durch die Kälte bedrohlicher als tausend Klingen. „Es war genau, wie ich gesagt habe. Sie haben gehört, was er getan hat.“

„Ja, das habe ich, Black. Mr. Mulcibers lockere Zunge hat ihm wohl einen Strick um den Nacken gebunden“, sagte Professor McGonagall und ging an James vorbei, der wie eine Salzsäule da stand. Sie schaute Regulus über ihre quadratischen Brillengläser an. „Das ist allerdings kein Grund ihn zu erwürgen. Er sollte diese Geschichte noch einmal Professor Dumbledore erzählen können.“

Mulciber machte eine ruckartige Bewegung; er versuchte sich zur Seite zu werfen und zu fliehen. Professor McGonagall zückte ihren Zauberstab und hielt ihn unter Mulcibers zitterndes Kinn.

„Oh, an Ihrer Stelle würde ich mir das überlegen“, sagte sie.

„Sie lügen“, platzte es verzweifelt aus Mulciber heraus. „Sie alle. Besonders sie.“ Er fixierte Lily mit seinem hasserfüllten Blick. „Sie hat mir eine Falle gestellt.“

„Eine sehr verbose Falle, Mr. Mulciber. Ich bin mir sicher, dass Professor Dumbledore sich aber gerne jede noch so absonderliche Geschichte anhören wird. Kommen Sie.“ Als Mulciber nicht folgen wollte, schnippte Professor McGonagall mit dem Zauberstab und eine unsichtbare Kraft riss Mulciber aus Regulus‘ Händen, stieß ihn vorwärts. „Bleiben Sie bitte alle kurz, wo Sie sind, bis ich den Direktor informiert habe. Und bei Merlins Bart, helfen Sie Pettigrew hoch.“

Professor McGonagall packte Mulciber am Arm und zerrte ihn ohne magische Hilfe weiter. Sie verschwanden hinter der Ecke und immer noch half niemand Peter auf. Er hockte zusammengesunken am Boden und sah aus, als würde er auf James zu kriechen wollen.

„Ich… James.“ Peter streckte die Hand nach ihm aus. James kam ihm nicht entgegen, drehte aber nur den Kopf weg. Sein Kiefer schien schmerzhaft fest angespannt. Er schien wirklich Schmerzen zu haben. Lily hatte den Drang ihn zu umarmen, aber er war schwach und schien weit weg.

Sie schaute zu Regulus, der seinen Blick schnell abwandte. Er ging an James und Peter vorbei, zwang Letzteren dabei seinen Weg zu James‘ Füßen zu unterbrechen, und hob einen silbrig glänzenden Stoff vom Boden auf. Den Tarnumhang reichte er James.

„Verlier ihn nicht aus den Augen, der ist sicherlich schwer wiederzufinden“, sagte Regulus.

James nickte dankend. „Eigentlich nicht. Obwohl meine Brille anscheinend auch nicht dagegen hilft ein blinder Esel zu sein.“

„James, er hat mich gezwungen“, sagte Peter und mit der Verzweiflung stieg auch seine Stimme in quietschende Höhen. „Er hat mich erpresst. Du weißt doch, wie die Slytherins sind. Sie finden heraus, woran dir etwas liegt, und drohen damit es dir wegzunehmen.“

James schaute ihn an, auch wenn er den Blick nicht lange auf ihn richten konnte.

„Du warst eifersüchtig, Peter“, sagte Lily. „Du hast dich seit Monaten ungerecht behandelt gefühlt. Ja, Mulciber und Co haben dich abgefangen und wer weiß was gesagt, aber du hast ihnen James‘ Geheimnis gesagt. Du hast ihnen von Dumbledores Orden des Phönix erzählt, obwohl sie Kontakte zu Voldemort haben.“

„Und du hast Mulciber von seinem Schockzauber befreit, damit er aus der Bibliothek abhauen kann, bevor Professor McGonagall kommt“, presste James hervor. Seine Stimme fing an zu zittern. „Du bist mein Freund. Ich hab dir vertraut und du entschuldigst dich nicht einmal dafür.“

Peter saß auf dem Boden, als würde er am liebsten in ein Loch kriechen und bei den Mäusen wohnen. In seinen wässrigen Augen glitzerte die Scham und ließ ihn ausholen: „Ich war doch eh nie euer Freund. Fußabtreter trifft’s besser. Immer geht’s nur um Sirius und dich. Und Remus, wenn man noch jemanden braucht.“

James zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Wenn du das so siehst, dann hast du heute keinen Freund verloren. Aber ich schon.“

Peter rappelte sich auf die Beine. Er war rot angelaufen wie eine Tomate und konnte James nicht länger ansehen. Auf den Absätzen machte er kehrt und rannte Lily um. Sie hatte das nicht kommen sehen und stolperte ungebremst zur Seite weg. Niemand kam rechtzeitig, um sie aufzufangen, bevor sie gegen eine Ritterrüstung stolperte, der sie glatt den Helm und einen Arm abriss. Dann fiel sie komplett in alle Einzelteile zusammen. Das Scheppern musste sogar Hagrid in seiner Hütte wecken.

Regulus kam zwei Sekunden zu spät an ihre Seite und konnte nicht einmal mehr den Helm auffangen.

„Entschuldigt“, murmelte Lily.

Regulus schüttelte den Kopf und setzte die Ritterrüstung mit dem Zauberstab wieder zusammen, während sich noch immer etwas neben der Spur durch die Haare fuhr. Eine unangenehme Stille fühlte den Korridor, nachdem das metallische Scheppern verklungen war.

Felix hatte sie wohl verlassen. Und er hatte etwas von ihrem Geschick mitgenommen.

„Ich sollte gehen“, sagte Regulus.

„Was?“ Lily schaute ihn an und fühlte die Scham in ihren Wangen prickeln, als er nicht wegsah.

„Ich weiß, wann ich überflüssig bin“, erwiderte Regulus. „Oder mich lächerlich mache.“

„Aber…“ Lily schüttelte den Kopf, was nur dafür sorgte, dass sie noch weniger wusste, was sie sagen sollte. „Professor McGonagall hat gesagt, wir sollen hier warten.“

Regulus zog eine Augenbraue hoch.

„Black, da ist nichts zwischen uns“, sagte James. Er fuhr sich durch die Haare, wie er es gerne tat, aber diesmal strich er sie so lange zur Seite, bis sie fast ordentlich aussahen. „Du machst dich nur ein bisschen lächerlich.“

Regulus ließ sich zu einem hoffnungsvollen Zucken seiner Mundwinkel hinreißen. „Wirklich?“

Lily machte einen Schritt zurück, als er auf sie zutrat. „Das heißt nicht, dass da nichts gewesen ist.“ Jede einzelne Silbe tat ihr auf der Zunge weh und sie wollte ihr Gesicht am liebsten hinter ihren Händen verstecken, als Regulus sie so unwissend anschaute. „Ich wollte es dir sagen und irgendwie auch nicht, weshalb ich mich vielleicht gedrückt habe, und heute Nachmittag hab ich gedacht, du wüsstest es schon…“

„Lily –“

„Ich hab ihn geküsst“, sagte Lily schnell, in der Hoffnung, es würde weniger wehtun, wie bei einem Pflaster, das man schnell abriss. Seit sie einen Zauberstab besaß, hatte sie allerdings kein Pflaster mehr benutzt. Lily hielt Regulus‘ starrem Blick stand. „Und es tut mir leid.“

„Wieso?“, gab Regulus zurück. „Du hast nichts getan.“

Lily seufzte. „Regulus, ich hab das nicht gesagt, um dich loszuwerden. Ich hab ihn geküsst.“

„Nein, er hat dich geküsst“, sagte Regulus und schoss einen scharfen Blick zu James, der schnell so tat, als würde er in eine andere Richtung sehen. „Ich hab es gesehen. Ich war da, Lily. Ich bin dir nach, weil ich mit dir reden und mich entschuldigen wollte. Madam Pomfrey loszuwerden war nicht gerade einfach und vielleicht hat es zu lange gedauert…“

Die Vorstellung, wie Regulus das alles aus nächster Nähe gesehen haben musste, ließ Lily zittern, als würde sie von zehn Dementoren umzingelt werden. „Aber… ich habe ihn auch geküsst. Und jetzt kann ich dir nicht einmal mehr in die Augen sehen.“

Regulus nahm ihr Gesicht in beide Hände, und seine Sucher-Reflexe ließen ihr nicht einmal den Versuch zu entkommen. „Dann siehst du mich so lange an, bis es wieder geht.“

Lily schaute ihm in die Augen, dann wieder herunter und blieb an seinen Lippen hängen. Sie sah wieder hoch in das kühle Grau, das ihr so gefehlt hatte. „Denkst du nicht, dass du es mir vorwerfen wirst, wenn wir uns irgendwann mal streiten? Dass du mich dafür hasst?“

„Du glaubst nicht wirklich, dass ich das tun würde?“, fragte Regulus.

„Warst du nicht wütend?“

„Ja, ich war wütend. Ich war kurz davor Potter sein Gesicht abzuziehen“, sagte Regulus.

James wirkte inzwischen, als würde er liebend gerne unter seinem Umhang verschwinden.

„Ich war auch wütend auf dich, weil du mir wieder und wieder gesagt hast, dass ich mir keine Sorgen machen muss, nur um mir das Gegenteil zu zeigen. Aber ich weiß, dass das eine Ausnahmesituation war. Du warst verletzt und wütend auf mich, weil ich dir wehgetan habe. Wir sind quitt.“

Lily legte ihre Hand auf Regulus‘, die viel zu sanft über ihre Wange strich.

„Bist du mir nur wegen einem dämlichen Kuss aus dem Weg gegangen?“, fragte Regulus. „Weil du dich einen Moment lang gegen ihn geschmiegt hast? Ich hab auch gesehen, dass du ihn weggedrückt hast. Ich hab keine Angst, dass ihr danach im Gemeinschaftsraum weitergemacht habt, wenn du das meinst.“

„Aber das macht es nicht ungeschehen“, sagte Lily.

Regulus schnaubte auf und ließ Lilys Gesicht los, trat von ihr zurück. Sie konnte kaum nach ihm greifen, da hatte er sich weggedreht und ging auf James zu. Lily wusste nicht, was er vorhatte, aber sie ahnte Schlimmes, als er die Hände nach James ausstreckte, der mit großen Augen wie aus einem Tagtraum schreckte.

„Reg, warte“, rief Lily und lief auf ihn zu.

Regulus packte James und presste ihre Lippen gegeneinander. Lily blieb wie erstarrt stehen. Sie hätte mehr als eine Sekunde gebraucht, um dieses Bild zu verstehen, hatte aber nicht so viel Zeit.

„So“, sagte Regulus, als er James losließ. „Jetzt sind wir quitt. Wir haben beide James Potter geküsst.“

Lily schmunzelte.

„Du hättest mich zumindest vorher auf ein Butterbier einladen können“, murmelte James und wischte sich über den Mund.

Regulus verdrehte die Augen, dann streckte er die Hand nach Lily aus. Sie war versucht sie zu nehmen und nie wieder ein Wort darüber zu verlieren. Je länger Regulus sie anschaute, desto dämlicher schien es seine Hand nicht zu nehmen. Wie in jenem Moment, als Felix ihr Selbstbewusstsein durch die Decke hatte schießen lassen. Er hatte sie James regelrecht vor die Füße geworfen, aber das hatte sich gelohnt, denn jetzt wusste er endlich, dass sie sich Peters merkwürdiges Verhalten nicht ausdachte. Aber der kleine Schluck Glück hatte sie Regulus auch wieder näher gebracht, als sie ihm eine Woche gewesen war. Vielleicht bedeutete das etwas. Aber wenn sie so dachte, dann hatte Felix sie auch in den Weg des Ravenclaw-Mädchens geworfen, in Peters und Mulcibers.

Sie machte ihr eigenes Glück, und sie wusste eigentlich sehr genau, was sie tun musste, um es endlich in die Hand zu nehmen.

Lily streckte die Finger nach Regulus aus, als wieder Schritte in den Korridor drangen. Professor McGonagall war zurückgekommen.

„Professor Dumbledore will mit Ihnen allen sprechen. Wenn Sie mir folgen würden.“ Sie ließ weder Lily, noch Regulus oder James einen Moment länger zögern und winkte sie ungeduldig hinter sich her. „Potter, ist Ihnen nicht gut? Sie sind ganz rot.“


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Ich wünsche Joanne Rowling, dass sie es schafft, nach den sieben Potter-Bänden eine andere Art von Literatur zu schreiben und dass die jugendlichen Leser mit der Lektüre mitwachsen werden.
Rufus Beck