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Fanfiction

Mud and Blood - Freunde

von Dr. S

Der Wind heulte im Einklang mit dem Regen eine Woche lang über die Ländereien.

Lily kehrte gleich am nächsten Morgen nach Regulus‘ Sturz zum Krankenflügel zurück, betrat ihn aber nicht. Sie hielt sich an der Biegung in Richtung Treppen und schaute zu den Türen, die Wangen heiß von letzter Nacht.

Sie wusste nicht, wie lange sie so da stand und nur mit sich haderte, aber als die Türen sich öffneten und Professor Dumbledore herauskam, erhaschte sie einen Blick ins Innere des Krankenflügels. Regulus saß auf seinem Bett und ließ die Schultern für seine Verhältnisse extrem hängen. Lily wollte neben ihm sitzen, ihn stützen. Etwas zog sie zu ihm wie ein starker Magnet. Aber dann sah er auf und kreuzte ihren Blick, und Lily traf wie auf einen Schlag die Erkenntnis, dass sie ihn nicht mehr ansehen konnte.

Sie hatte James geküsst. Sie hatte James Potter geküsst und Regulus würde ihr das nie verzeihen.

Regulus stand auf, machte einen Schritt auf sie zu und wurde von Madam Pomfrey niedergerungen. Lily wich in eine Nische neben dem Fenster zurück, als würde sie sich verstecken wollen, und schaute trotzdem weiter den Gang herunter. Die Türen schlossen sich hinter Professor Dumbledore und versperrten ihr jeden letzten Blick.

Der Direktor kam an ihr vorbei und lächelte, als wäre es ganz normal eine Schülerin in einer Nische versteckt zu finden. Er tippte zum Gruß gegen die Spitze seines Huts.

„Haben Sie ihm irgendetwas angetan, das er nicht verdient hat, Sir?“, fragte Lily. Egal, was passiert war, aber sie würde nicht zulassen, dass Regulus ungerecht behandelt wurde.

Professor Dumbledore schien tatsächlich überrascht, ein mehr als befremdlicher Anblick in seinem Gesicht. „Lily, ich bin mir sicher, dass Regulus Ihnen viel besser erklären kann, was wir miteinander besprochen haben. Er ist ein anständiger junger Mann, seien Sie sich sicher, dass ich das weiß. Und er scheint sehr erpicht darauf das zu beweisen.“

Lily nickte. Sie wusste das alles, und das Professor Dumbledore ihr noch einmal sagte, was für ein toller Mensch Regulus war, ließ sie sich nicht unbedingt besser fühlen.

Professor Dumbledore verabschiedete sich mit der gleichen Geste von eben und ließ Lily in ihrer Nische zurück, wo sie weiter mit sich hadern konnte.

Als die Türen zum Krankenflügel erneut aufgestoßen wurde und Regulus herauskam, sprang sie erschrocken zurück. Regulus konnte kaum den Mund aufmachen, als Madam Pomfrey ihn wieder zurückzog. Lily haderte nicht mehr mit sich und ging so schnell sie konnte.

Eine Woche lang hielt sie sich fern von Regulus. Er saß im Krankenflügel fest und kurierte sich aus und ihre Anwesenheit hätte ihm dabei sicherlich nicht geholfen, wenn sie daran zurückdachte, wie oft er wegen ihr aufsprang.

Der Regen klang zum Wochenende hin ab. Unter der Woche war er so stark gewesen, dass das Wasser in den Kerkern bis zu den Knöcheln gestanden hatte. Sirius hatte sich davon verführen lassen einen Gefrierzauber zu sprechen, der das Wasser in eine dicke Eisschicht verwandelt hatte. Ihr war das erste Mal wieder ein Glucksen entwischt, als er sie gezwungen hatte eine Pirouette mit ihm zu drehen. Wahrscheinlich nur, um sich vor einer Standpauke zu retten, die sie danach nicht mehr zustande bekommen hatte. Auch als Peter ausgerutscht war und mit dem Hintern quer durch den Korridor, direkt in eine Ritterrüstung geschlittert war.

Zumindest schien er ihr nicht übelzunehmen, dass sie sein Geheimnis an James weitergegeben hatte.

James, mit dem sie seit jener Nacht kaum ein Wort gewechselt hatte, das nicht unangenehmer war als Severus‘ Unterhosen sehen zu müssen. Abgehackt und stotternd mit viel zu langen Pausen, wenn sie sich nicht entschieden einfach in entgegen gesetzte Richtungen zu schauen. Sie hatte ihn geküsst und das Gefühl seiner Lippen hatte sich in ihren Kopf gebrannt. Es half nicht, dass sie ihn letztendlich weggedrückt hatte, und sie wusste nicht, ob sie das getan hätte, wenn die Fette Dame sich nicht geräuspert hätte, um das Passwort zu verlangen.

Die schleichende Erkenntnis, dass er die ganze Zeit Recht gehabt hatte und sie wirklich zusammenpassen würden, erdrückte sie fast. Sie konnte sich jetzt vorstellen, ob sie wollte oder nicht, wie es wäre mit ihm zusammen zu sein. Leidenschaftlich. Verschlingend. Und im Kontrast zu Regulus so einfach. Nichts würde zwischen ihnen stehen und ihnen das Leben unnötig schwer machen. Keine Eltern, kein Blut, nichts.

Aber sie brachte sich nicht dazu über mehr nachzudenken. James war ihr Freund, so merkwürdig das für den Teil ihres Gehirns klang, der immer noch an den arroganten Bastard dachte, der Menschen grundlos verhexte, weil Sirius langweilig war. James war ihr Freund, und der Gedanke ihn zu verlieren machte sie noch trauriger. Sie hatte wahrscheinlich schon alles kaputt gemacht. Innerhalb eines Abends hatte sie James und Regulus verletzt. Als würde sie sich im Kreis drehen und blind Messer in alle Richtungen werfen.

Irgendwie musste sie das wieder in Ordnung bringen, und sich in der Bibliothek hinter Büchern und Pergamenten und der Ausrede von UTZ-Prüfungen zu verstecken, würde nichts ändern.

An einem trüben Sonntagmorgen wurde Regulus entlassen. Die Sonne wagte sich wieder hervor und machte sich an die schleppende Aufgabe Pfützen und nasse Steinmauern zu trocknen. Der erste wärmere Frühlingstag lockte die meisten Schüler nach draußen. Lily verbrachte den Großteil des Tages mit Mary und Dorcas in der Bibliothek, wo ab und zu ein Fünftklässler unter dem Druck seiner ZAG-Prüfungen zusammenbrach und drohte aus dem Fenster zu springen.

Lily war mit ihren Hausaufgaben fertig und ließ Mary ihren Aufsatz für Geschichte der Zauberei abschreiben, während Dorcas statt Zaubertrankrezepte aufzuschreiben angefangen hatte verträumt ihr Pergament mit einem Schnatz nach dem anderen zu verzieren. Die Kritzeleien ließen sie an Regulus denken und an das, was Avery ihm angedroht hatte. Nicht mehr Quidditch zu spielen kam ihr wie die kleinste Sorge vor, nach allem, was seine Eltern ihm wegen ihr angedroht hatte.

Regulus hatte verdient, dass sie ihm sagte, was sie getan hatte, bevor er irgendwelche Entscheidungen traf, die sein Leben veränderten. Er hätte es auch verdient, wenn sie ihm sonst keinerlei Probleme bereitet hätte.

Vielleicht hatte er seine Entscheidung auch schon längst getroffen.

Dorcas hatte ihren Blick auf ihre Kritzeleien aufgefangen. „Er kommt heute raus, oder?“

Lily seufzte. Es brauchte nicht viel, um zu ahnen, dass Dorcas sich irgendetwas zusammengereimt hatte. Sie hatte Lily letzten Montag auf ihrem Bett gefunden, das Gesicht in Regulus‘ Schal vergraben und mit Tränen in den Augen. Nichts davon hatte sie erwähnt, nachdem sie sich neben Lily gesetzt und ihr über den Rücken gestrichen hatte, aber es schien Bände für sich zu sprechen. Lily behielt Regulus‘ Schal unter ihrem Kissen versteckt. Manchmal schaute eine verdächtige Ecke darunter hervor.

„Wer? Wo?“ Mary schaute auf, gierig auf der Suche nach Ablenkung von der drögen Geschichtsstunde.

„Schreib weiter“, sagte Dorcas. „Wir warten nur auf dich.“

Mary tauchte resigniert ihre Feder in die Tinte und schrieb etwas motivierter weiter.

Lily schlug den alten Wälzer zu, in dem sie gelesen hatte, und stand auf, um ihn zurück an seinen Platz zu bringen. Sie blätterte sich durch die merkwürdigsten Titel in der Hoffnung, sie würde eine Lösung finden, was sie mit Severus und Mulciber tun sollte. Lily hatte nicht vergessen, dass die beiden auch zu diesem Desaster beigetragen hatten – und noch schlimmer, sie hatten Regulus mit ihren Vorurteilen in den Krankenflügel getrieben. Sie würde die beiden damit nicht davonkommen lassen, alte Freundschaft hin oder her.

Wie genau wusste sie noch nicht. Sie hatte las über Zaubersprüche und –tränke gelesen, sogar über die Unverzeihlichen Flüche. Mulciber würde wohl nicht davor zurückschrecken sie solange mit dem Cruciatus-Fluch zu bearbeiten, bis sie all ihre Geheimnisse ausplauderte, aber Lily war nicht so. Es widerstrebte ihr sogar ihm einfach seine Erinnerungen zu stehlen und Professor Dumbledore zu präsentieren. Vielleicht wäre es einfacher eine Lösung zu finden, wenn sie seine Skrupellosigkeit besäße.

Lily trug das Buch zurück an seinen Platz, weit hinten in der Bibliothek. Genau hier hatte Mulciber sie vor einer Woche in die Ecke getrieben. Die Stelle kam ihr tiefdunkel vor. An dem aufbrechenden Himmel und der Sonne konnte es nicht liegen, vielleicht füllten die Erinnerung sie mit Schatten.

Vor einer Woche hatte sie hier mit Regulus gelernt und alles war in Ordnung gewesen…

„Lily?“ Mary fasste sie von hinten am Arm. Sie hatte einen neugierigen, aber leicht besorgten Blick, der sich in den letzten Tagen angesammelt hatte. „Wir wollen gehen. Kommst du, oder…“

Lily nickte. Hastig stellte sie das Buch weg und hakte sich bei Mary ein. Sie sammelten Dorcas weiter vorne ein, wo sie noch ein paar Bücher von Madam Pince abholte. Gemeinsam gingen sie hinaus in den Korridor.

„Es ist komisch, dich wieder so oft zu sehen, Lily“, sagte Mary. „Ich will mich ja nicht beschweren, aber ich wollte schon all den Gerüchten glauben.“

„Mary“, sagte Dorcas genervt. „Lass sie.“

Mary hatte sich noch nie den Mund verbieten lassen, und aus den Gerüchten war inzwischen mehr Wahrheit geworden, als Lily ignorieren konnte. Aber Mary bohrte und bohrte, bis es wehtat. Wochen- und monatelang hatte Lily jede Andeutung in der Richtung erfolgreich ignorieren können, aber gerade fiel es ihr unglaublich schwer nichts zu sagen. Dabei wüsste sie nicht, was sie sagen sollte. War Regulus noch ihr Freund? Es fühlte sich so an, aber sie konnte nicht für ihn sprechen. Und Beziehungen waren schon beendet worden, ohne dass ein finales Schlusswort gefallen war. Der Gedanke jagte ihr grauenhafte Angst ein.

„Ich bin nicht ganz dumm, okay?“, sagte Mary. „Ein Blinder sieht, dass Regulus Black ein Auge auf dich geworfen hat.“

„Ein Blinder hat es eher gemerkt als du“, gab Dorcas zurück und verdrehte in Lilys Richtung die Augen.

„Mary, dein Leben ist interessant genug. Du musst nicht anfangen meins zu diskutieren“, sagte Lily.

„Wenn er dich belästigt, Lily, solltest du zu Professor McGonagall gehen. Slytherins übertreiben es ganz schnell.“

„Na, na, Macdonald“, sagte eine Stimme aus ihrer unmittelbaren Nähe.

Mary blieb stehen und zwang Lily enger an ihre Seite, als würde sie Schutz suchen.

Mulciber trat hinter der Biegung vor, die zur Großen Treppe führte, wo er sich anscheinend in den Schatten versteckt hatte, bis jemand vorbeikam, dem er das Leben schwermachen konnte. Höchstwahrscheinlich war dem nicht so, aber Lily traute ihm mittlerweile alles zu. Er grinste.

„Du begehst Rufmord. Nicht jeder Slytherin ist so dämlich alles für ein Schlammblut hinzuwerfen.“

Dorcas zuckte vor; Lily streckte gerade noch rechtzeitig ihren Arm aus, um sie zurückzuhalten. „Man sollte dir den Mund mit Seife auswaschen“, zischte Dorcas.

„Nach allem, was du so angeblich in den Mund nimmst, gilt das auch für dich“, erwiderte Mulciber süßlich.

„Was willst du?“, fragte Mary und ließ zu, dass ihre Stimme jeden Funken Selbstbewusstsein verlor.

„Bild dir nichts ein, Macdonald. Nichts von dir“, sagte Mulciber und genoss sichtlich den Moment, als Mary ihn nicht einmal mehr ansehen konnte. „Ich wollte nur sichergehen, dass Evans keinen Unsinn darüber erzählt, was zwischen uns passiert ist. Ich würde ungerne zu einer Zutat in deiner Gerüchteküche werden.“

Mary schaute auf, die Augen weit aufgerissen und verwirrt.

Lily drückte hoffentlich beruhigend ihren Arm, ließ Mulciber aber nicht aus dem Blick. „Du klingst besorgt, Mulciber. An deiner Stelle wäre ich das auch, wenn mein Alibi löchrig wie ein Sieb ist.“

„Leg dich nicht mit mir an, Evans“, sagte Mulciber.

„Ditto“, sagte Lily. „Oh, warte. Du hast dich schon mit mir angelegt. Denk nicht, dass ich das so leicht vergesse, wie du.“ Sie orientierte sich an Regulus‘ eisigem Ton, an seiner Miene und stets von sich überzeugten Gestik, und nur deswegen funktionierten die Worte. Mary jedenfalls schaute sie an, als hätte sie noch einmal zum ersten Mal einen Geist gesehen.

Mulciber schluckte und schaute sich um, als würde er erst jetzt bemerken, dass er alleine war. Seinen üblichen Beistand von seinem Schatten Wilkes hatte er nicht und Severus war auch nicht in der Nähe, um ihm aus der Patsche zu helfen.

Lily umklammerte Marys Arm fester, der unter ihren Händen leicht zitterte, und zog sie mit sich an Mulciber vorbei. Dorcas ging auf der anderen Seite vorbei und für einen Moment schien Mulciber sich zwischen ihnen eingequetscht wie zwischen zwei Wänden zu fühlen, vielleicht gerade weil niemand ihn auch nur streifte.

Kaum waren sie ein paar Meter entfernt und in sicherer Entfernung, überwand Mulciber sich schon wieder: „Droh mir nicht, Evans“, rief er ihr hinterher. „Du vergisst, dass dein lieber Regulus sich ab heute nicht mehr im Krankenflügel verstecken kann. Unsere Schlafsäle trennt gerade mal ein Stockwerk. Avery gibt sich damit zufrieden ihn aus dem Quidditch-Team zu werfen, aber ich nicht. Er ist ein elender Blutsverräter.“

Lily musste sich beherrschen, ihm dafür nicht den Mund mit Seife auszuwaschen, und hielt sich jetzt eher an Mary fest, als sie zu führen. „Aus deinem Mund ist das ein Kompliment, Mulciber“, rief sie zurück.

Wenigstens hatte sie das letzte Wort, auch wenn sie diese Drohung gar nicht kalt ließ. Sie hatte gelernt Mulciber nicht für einen bellenden Hund zu halten, der nicht zubiss, und sie würde nicht riskieren, dass Regulus dem Krankenflügel noch einmal näher als nötig kam. Jetzt musste sie definitiv mit ihm sprechen. Auch wenn es ihr davor graute. Gerade wäre ihr Irrwicht Regulus, der ihr gegenüberstand und mit vereistem Blick sagte, dass er sie und James gesehen hatte.

„Was hat er damit gemeint, Lily? Was war zwischen euch?“, fragte Mary, als sie auf die Große Treppe zusteuerten. Ihr scharfer Tonfall ließ sie einen kurzen Moment fast eifersüchtig klingen. Dann übernahm die Panik. „Hat er dir wehgetan?“

„Keine Sorge. Mir ist nichts passiert.“

„Du findest, eine Nacht im Krankenflügel ist nichts?“, fragte Dorcas.

„Genau genommen war ich nicht die ganze Nacht im Krankenflügel. Ich saß vor der Fetten Dame fest.“

„Und der Schnitt auf deiner Hand?“ Dorcas griff nach Lilys Zauberstabhand und drehte sie herum, sodass der rötliche Streifen auf ihrer Haut sichtbar offen lag. Er war nicht tief und nur wenige Millimeter breit, zog sich aber fast quer über ihre ganze Hand. Auch Diptam hatte nicht mehr viel geholfen, vielleicht auch, weil die Bandage sich im Laufe der Nacht verabschiedet hatte und Lily erst am Morgen darauf aufmerksam geworden war.

Lily zog ihre Hand aus Dorcas‘ und schob den Ärmel ihres Pullovers über den Schnitt. „Woher weißt du das?“

„Sirius hat es mir gesagt. Angeblich hältst du nichts von Geheimnissen“, sagte Dorcas, was Lily mit einem Seufzen beantwortete. Wahrscheinlich hatte sie so eine Reaktion verdient. „Sei nicht böse auf ihn. Er war ein wenig sauer, glaube ich, und dann denkt er nicht über die dummen Dinge nach, die er immer von sich gibt.“

Lily winkte ab.

„Wieso hast du uns nichts gesagt, Lily?“, fragte Dorcas. „Wenn Mulciber oder irgendwer dir das Leben schwer macht, dann –“

Ein Schniefen schnitt ihr das Wort ab. Mary blieb stehen und ließ sich nicht mehr weiter ziehen. In ihren Augen perlten sich Tränen.

„Das ist meine Schuld, oder?“ Mary presste sich eine Hand gegen ihre Brust, die sich stark hob und senkte. „Er hat dir wehgetan. Mulciber hat dir nur etwas angetan, weil ich nie dafür gesorgt habe, dass er von der Schule fliegt. Du kannst mir nicht sagen, dass das alles ist.“ Sie deutete auf Lilys Hand. Die Tränen rollten in dicken Tropfen über ihre Wangen und zogen dunkle Spuren von Wimpertusche mit sich. „Es tut mir so leid, Lily. Ich hätte… ich…“ Mary verschluckte sich einem Schluchzer.

„Oh, Mary.“ Lily nahm sie fest in den Arm, wo sie anfing wie Espenlaub zu zittern. Mary dämpfte ihre hicksenden Schluchzer an Lilys Schulter.

Ein paar jüngere Schüler, die den Korridor betraten, schauten aus großen Augen zu ihnen, aber Dorcas vertrieb sie mit einem gefährlichen Blick. Lily zog Mary trotzdem enger an sich und trat mit ihr zusammen ein Stück in die Schatten. Neben einer Ritterrüstung waren sie zwar nicht versteckt, aber die neugierigen Blicke hatten es schwieriger sie zu finden.

Lily strich geduldig über Marys Rücken, bis sie nicht mehr ganz so heftig zitterte. „Ist schon gut, Mary. Nichts davon ist deine Schuld. Wir haben es alle nicht geschafft, dass Mulciber von der Schule fliegt.“

Mary schaute auf und löste sich von Lily, sah aber nicht überzeugt aus.

Dorcas nahm ihre Hand und drückte ihr ein Taschentuch auf. „Du solltest eher sauer auf uns sein, weil wir zugelassen haben, dass er davonkommt.“

Mary schüttelte den Kopf. Sie wischte sich die tränenverschmierte Wimperntusche von den Wangen. „Was… Was hat er mit ‚dein Regulus‘ gemeint, Lily? Er wollte dich nur aufziehen, oder?“

„Wäre es so schlimm, wenn nicht?“, gab Lily zurück.

So wie Mary sie ansah, hatte sie ihr gerade ins Gesicht geschlagen. „Du kannst nicht ernsthaft mit einem Slytherin ausgehen wollen. Oder überhaupt darüber nachdenken.“

„Ich sage dir immer wieder gerne, dass es mehr als eine Sorte Slytherins gibt. Wir sind ja auch nicht dieselbe Person, nur weil wir in Gryffindor sind“, sagte Lily.

„Aber doch nicht mit dem“, sagte Mary angewidert, als hätte Lily einen Troll angeschleppt.

Lily hob die Augenbrauen. „Wieso sagst du das so?“

„Er ist so… merkwürdig.“ Mary schüttelte fassungslos den Kopf und das alles mit einem Blick, als hätte Lily den Verstand verloren. Dass immer wieder neue Tränen in ihre Augen stiegen, machten es nicht einfacher ihr Kontra zu geben. „Spaß kannst du sicher nicht mit dem haben. Er läuft rum, als hätte er seinen Besen verschluckt, und hält sich für was Besseres. Als wäre er Lord von Schieß-mich-tot und wir seine Diener. Sein Blick erst…“ Sie versuchte Regulus‘ eisigen Blick zu imitieren, sah aber eher aus, als würde sie Lily umbringen wollen.

Lily konnte nicht anders, als darüber zu glucksen. Regulus würde das Gleiche tun. Auch wenn es im Moment einen merkwürdigen Beigeschmack hatte einen Lacher mit ihm zu teilen.

„Merlins Bart, Mary“, seufzte Dorcas und rieb sich übers Gesicht.

Mary schien zu realisieren, wie lächerlich sie sich machte, aber das Thema konnte sie nicht sein lassen. Vielleicht lenkte es sie von Mulciber ab, sich über Regulus‘ Art zu beschweren.

„Okay, er sieht ganz gut aus.“ Sie senkte die Stimme noch mehr und linste zu Dorcas herüber. „Nicht so gut, wie sein Bruder, aber gut… Was nichts daran ändert, dass er steif und kalt ist. Kannst du dir vorstellen, so jemanden zu küssen?“

Lily lächelte alleine beim Gedanken daran. In ihrem Magen flatterten hunderte Schmetterlinge, wenn sie sich nur in Erinnerung rief, wie Regulus sie küsste. Sie vermisste ihn so sehr.

„Ja“, sagte sie leise und errötete, als Mary sie anblinzelte. „Unter dem, was du für kalt hältst, ist er ein charmanter Mensch. Zuvorkommend, leidenschaftlich…“ Die Hitze in ihren Wangen stieg an.

„Mein Gott“, keuchte Mary in demselben Ton, in dem sie gerne angeblich pikanten Klatsch und Tratsch erzählte. „Deswegen der Schlamm? Und Mulciber?“ Sie schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund. „Die ganze Zeit, die du angeblich in der Bibliothek warst –“

„Ich war oft in der Bibliothek“, sagte Lily.

„Aber nicht allein“, sagte Dorcas murmelnd und schmunzelte in die entgegengesetzte Richtung, um Lilys Blick zu entgehen.

„Das kannst du nicht machen, Lily“, krächzte Mary. Der Schock schien ihr die Stimme geraubt zu haben. „Du brauchst jemanden, der warm ist, offen und selbstbewusst, der dich von den Füßen hebt und bis zum Astronomieturm trägt.“

Lily dachte daran zurück, wie Regulus sie einmal durch den Schnee zurück zum Schloss getragen hatte, und musste wieder schmunzeln. Mary wusste davon natürlich nichts.

„Mary, du kennst ihn einfach nicht –“

„Er ist ein Slytherin“, sagte Mary, als wäre das ihr Ass im Ärmel. „Du denkst, du könntest ihn ändern, aber das geht nicht. Das sind alles Schweine. Mulciber hat auch nett getan, bis…“ Sie brach ab und zuckte mit den Schultern. Die Tränen kullerten wieder über ihre Wangen.

„Weißt du, was der Unterschied ist? Ich würde Regulus nicht ändern wollen“, sagte Lily. „Ich mag ihn so, wie er ist, auch wenn du das nicht nachvollziehen kannst.“

Mary packte Dorcas am Arm und schüttelte sie wie ein Kissen gut durch. „Sag doch auch mal etwas.“

Dorcas machte sich von ihr los und ordnete ihr durcheinander gekommenes Haar. „Ich hab schon alles darüber gesagt.“

„Wieso wusstest du davon und ich nicht?“, fragte Mary empört.

„Vielleicht musst du dir James‘ Brille leihen?“

„Apropos“, sagte Mary. „Was ist mit dir und James?“

Lily büßte jedes warme Gefühl in ihrem Magen ein, als das schlechte Gewissen zurückkehrte. Sie warf einen abschätzenden Blick zu Dorcas und fragte sich, ob Sirius ihr wohl auch erzählt hatte, was passiert war, nachdem sie James von seinem Geheimnis erzählt hatte. Ob James ihm wohl davon erzählt hatte. Ob Sirius es Regulus gesagt hatte.

„Dorcas und ich haben gewettet. Ich hab zwei Galleonen gesetzt, dass James und du dieses Jahr noch zusammenkommt“, sagte Mary.

„Ach?“ Lily drehte sich um und ging weiter in Richtung Große Treppe.

Mary schnaubte. „Eigentlich war das unfair. Du hattest Insiderinformationen, Dorcas.“

„Sonst hätte ich auch nicht gewettet.“

Sie verließen den Korridor und stiegen die Große Treppe nach unten. Zumindest schien es Mary aufzumuntern sich über ihr Liebesleben auszulassen, auch wenn Lily darauf verzichten könnte. Besonders im Moment. Sie hatte über Regulus und sich gesprochen, als wäre alles in Ordnung, und das war es leider nicht.

Sie stiegen gerade in den ersten Stock, als eine Gruppe Jungen lachend aus dem Korridor kam. Sirius‘ bellendes Lachen eilte allen voraus. James‘ wirrer Haarschopf folgte. Lily blieb auf der letzten Treppenstufe stehen. James riss die Augen auf, als er sie entdeckte, und hielt abrupt an. Remus rannte ihm in den Rücken und stieß James vorwärts, direkt vor ihre Füße. Lily streckte instinktiv den Arm aus und hielt ihn fest, bevor er gegen das Treppengeländer fiel. Oder darüber.

Es war das erste Mal in dieser Woche, dass sie einander berührten. Lily ließ sofort wieder los.

James fing sich auch alleine wieder, drehte sich um und lehnte sich lässig gegen das Geländer, als hätte er das die ganze Zeit vorgehabt. Sirius lachte ihn wohl zu gerne aus.

„Ihr scheint ja Spaß zu haben“, sagte Dorcas. „Normalerweise heißt das, wir normalen Menschen müssen uns Sorgen machen.“

Immer noch grinsend verdrehte Sirius die Augen.

„Was habt ihr da angestellt?“, fragte Dorcas und nickte Richtung Korridor, aus dem sich platschende Schritte näherten. Mit einer überfluteten Toilette zu rechnen wurde den vieren schon lange nicht mehr gerecht. Lily lugte in den Gang und entdeckte Severus.

Er sah aus, als wäre er gerade dem Schwarzen See entstiegen. Die tropfenden Haare hingen in einem Vorhang vor seinem Gesicht, seine Roben schleppte er wie Algen hinter sich her. Er blieb stehen, als er sich Lily gegenüber sah. Sie hatten nicht einmal ein Wort miteinander gesprochen. Er verzichtete sogar auf seine schneidenden Kommentare. Irgendetwas war ihm extrem unangenehm, und Lily hoffte, dass es mit Regulus‘ Aufenthalt im Krankenflügel zu tun hatte.

„Wir haben damit nichts zu tun“, sagte Sirius. „Anscheinend denkt Schniefelus, die Toilette wäre zum Haarewaschen da.“

Lily wusste nicht, wie viel sie davon glauben konnte. Sie schaute eisig in Severus‘ Richtung. „Man riecht definitiv keinen Unterschied.“

Severus schaute sie aus großen Augen an und machte auf den Absätzen kehrt, lief zurück in den Korridor. Sirius lachte auf.

„Das heißt nicht, dass es lustig ist, Sirius“, sagte Lily. „Wenn ich herausfinde, dass du ihm beim Haarewaschen geholfen hast, kannst du die Toiletten mit einer Zahnbürste schrubben.“

Sirius hob abwehrend die Hände. „Neuerdings bekommt man hier also eine Strafe? Entschuldige, aber das wusste ich nicht.“

„Tatze, Sarkasmus steht dir nicht“, murmelte Remus.

„Alles sieht gut an mir aus“, sagte Sirius und warf sich in einer übertrieben dramatischen Bewegung das Haar aus der Stirn. Es fiel sofort wieder lässig zurück.

„Was habt ihr mit ihm gemacht?“, fragte Dorcas neugierig.

Sirius schaute sich um, als bestünde die Möglichkeit sie wären alleine, und beugte sich vor um ihr ins Ohr zu flüstern. Was immer er sagte, es brachte Dorcas zum Lachen.

„Du bist so ein Mistkerl, Sirius“, murmelte sie in einem Ton, der Sirius alles außer einem Mistkerl nannte.

James hing gar nicht mehr lässig am Geländer. Er sah aus, als hätte er heftige Magenschmerzen, und sein Ausdruck entspannte sich nicht, als er Lily anschaute. Sie glaubte ihn ganz ähnlich anzusehen, so wie ihr Magen sich gerade verkrampfte.

„Wir haben nichts gemacht, wirklich“, sagte er leise. „Die Toilette ist einfach in sein Gesicht explodiert.“

Lily zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. „Was für ein Zufall.“

„Du kannst Hogwarts‘ Toiletten genauso wenig trauen, wie seinen Türen.“

Lily tat das mit einem Seufzen ab, während James‘ Blick Sirius folgte, der die Treppen herunterstieg. Als Sirius ihn aber hinter sich herwinkte, schüttelte James knapp den Kopf und bedeutete ihm vorzugehen. Remus, der Mary ein Stück Schokolade angeboten hatte, als ihre verschmierten Augen ihm aufgefallen war, folgte dem Hinweis aber. Auch Mary und Dorcas gingen und im Handumdrehen war Lily so alleine mit ihm, wie man es in einem Treppenhaus sein konnte.

Lily drehte sich gerade zu ihm, als er sich in ihren Weg stellte.

„Hast du einen Moment?“, fragten sie gleichzeitig.

Sie musste lächeln und er schien sich davon anstecken zu lassen.

„Du bist schwer zu fassen, in letzter Zeit“, sagte er.

Lily seufzte. „Wirklich? In sieben Jahren, die wir uns kennen, hattest du nie ein Problem mich abzufangen.“

James grinste schief. In einer Schrecksekunde realisierte Lily, dass sie vielleicht nicht die Einzige gewesen war, die dieser Begegnung aus dem Weg gegangen war.

Sie schluckte und schaute die Treppen herunter auf Sirius‘ Rücken. „Zwischen euch ist alles wieder in Ordnung?“, fragte sie.

James‘ Lächeln wurde lockerer. „Man kann mir nicht lange böse sein. Es hat geholfen, dass du mir gesagt hast, was… na ja.“

Lily lächelte, schaute dabei aber weiter in die Eingangshalle, wo mehr und mehr Schüler sich versammelten. „Wo ist eigentlich Peter?“

„Oh, er wollte sich hinlegen. Fühlt sich nicht gut.“

„Er macht sich gerne mal rar, in letzter Zeit“, sagte Lily und diesmal schaute sie James direkt an. „Hast du darüber nachgedacht, was ich gesagt habe? Über Peter und die Slytherins?“ Sie hatte für sich behalten, dass Peter genau dann in der Bibliothek war, als der geschockte Mulciber sich mysteriös davongemacht hatte. „Wenn er dein Geheimnis ausgeplaudert hat, könnte ihm das Magenschmerzen bereiten. Hoffentlich.“

„Ich hoffe nicht“, sagte James. „Wenn ihm irgendetwas rausgerutscht ist, dann sicher nicht absichtlich. Und ich bin nicht sonderlich gut darin… Dinge anzusprechen, die…“ Er fuhr sich in einer nervösen Geste durch die Haare am Hinterkopf. „Wegen neulich…“ James‘ Stimme wurde immer leiser, bis Lily sich vorlehnen musste, um ihn zu verstehen. „Es tut mir leid.“

Sie errötete auf einen Schlag bis zum Haaransatz. Lily schüttelte den Kopf und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie hatte James noch nie so verlegen oder nervös gesehen. Es ließ sie ganz unsicher werden, wenn er unsicher war.

„Du musst dich für nichts entschuldigen, James. Wir haben niemanden umgebracht.“

James konnte ihr kaum in die Augen sehen. „Ich hab ausgenutzt, dass du einen schlimmen Tag hattest. Das war widerlich.“

„Oh, James.“ Lily legte ihm eine Hand auf den Arm. Er linste über seine Brillengläser zu ihr und konnte wahrscheinlich nicht viel erkennen. „Du hast schon widerlichere Dinge getan und gesagt, als mich zu trösten.“

Als hätte sie ihn geohrfeigt schaute James zur Seite. „Ich hab nicht verdient, dass du dass schön redest. Ich hätte nicht… Ich weiß nicht, was ich mir gedacht habe. Ich glaube, ich habe gar nicht gedacht.“

„So kenn ich dich“, sagte Lily sanft.

Ein mildes Lächeln legte sich auf James‘ Lippen. „Du schaffst es immer, dass ich mich besser bei Dingen fühle, die ich bescheuert fand, und schlechter bei denen, die ich für eine tolle Idee gehalten hab.“

Lily zuckte mit den Achseln. „Entscheid du selbst, ob das eine gute oder schlechte Sache ist.“

James hatte das wahrscheinlich schon, so wie er sie anlächelte.

„Ich will nicht, dass du dir die Schuld gibst und dich schlecht fühlst“, sagte Lily und strich hoffentlich tröstend über James‘ angespannten Arm. „Ich fühl mich schlecht genug für uns beide.“

„Wieso?“, fragte James geschockt.

„Weil ich dich verletzt habe und…“ Ihre Kehle schnürte sich zu. „…und Regulus. Ich hätte nicht zulassen sollen, dass wir überhaupt… egal ob eine Sekunde oder zwei oder irgendwie länger.“ Lily rieb sich über die brennenden Augen und zwang sich zu lächeln. Sie hasste es ausgerechnet vor James schon wieder Tränen zu zeigen. „Entschuldige.“

James schüttelte den Kopf. „Du hast mich nicht verletzt, Lily. Ich… Ich wollte nur einmal… Ich hab dich geküsst, weil ich nicht irgendwann bereuen wollte, dass ich es nicht getan habe.“

Lily schaute ihn verwirrt an. Sie wusste nicht, was man an diesem Abend nicht bereuen konnte. „Das ist eindeutig ausgefallen, nicht wahr?“

James‘ Blick war samtigweich. „Denkst du?“

„James, wir sind gut als Freunde –“

„Und wir könnten mehr sein.“

Lily errötete. „Aber wir werden nicht mehr sein“, sagte sie zögerlich, aber entschlossen. „Es tut mir leid, James, ich hätte dir das längst sagen sollen. Es war nicht fair, es aufzuschieben. Ich habe mich wie ein Feigling gedrückt, weil…“ Sie seufzte. „Ich wollte dich nicht auch noch verlieren, denke ich.“

Zu ihrer Überraschung lächelte James. „Davor musst du keine Angst haben, Lily. Mich wirst du nicht los.“

Lily gab das Lächeln zurück und schluckte den Knoten in ihrer Kehle, der das Sprechen so schwer gemacht hatte, erfolgreich herunter. „Du bedeutest mir viel, James. Wirklich.“

„Ich hätte gerne, dass dein Erstklässler-Ich das hört.“

„Mein Ich von letztem Jahr wäre schon überrascht genug davon“, sagte Lily.

James gluckste, fuhr sich aber erneut durch die Haare. Er schaute in die Eingangshalle hinunter, wo Sirius mit Remus, Mary und besonders Dorcas über irgendetwas lauthals lachte.

„Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich alles kaputt gemacht, ohne es zu merken.“

Lily konnte so gut nachvollziehen, wie er sich fühlte, dass sie erneut über seinen Arm strich. Sie konnte nicht anders, wenn er sie so ansah, mit haselnussbraunen Augen, die sie an einen Hirsch aus dem Verbotenen Wald erinnerten. Voller Sehnsucht. Als wäre alles, was er haben wollte, weit aus seiner Reichweite.

„Du bist ein Gryffindor, James. Du weißt, dass ich nicht viel auf solche Einteilungen gebe, aber du bist mutig und stark. Und du hast keine Angst davor dir zu nehmen, was du willst“, sagte sie. „Fang jetzt nicht damit an zu viel nachzudenken, weil du Angst haben könntest etwas zu bereuen.“

James stieß ein leises Seufzen aus. „Wenn du das sagst, halte ich es wieder für eine gute Idee.“

Lily drückte James‘ Arm ein letztes Mal, bevor sie die Hand wegnahm. „Ich bin für dich da, das weißt du. Weil wir, hoffentlich, Freunde sind.“

James fuhr sich durch die Haare und hinterließ ein besseres Chaos als der Wind persönlich und grinste sie an, locker als wäre gerade ein Knoten aufgesprungen. „Dann ganz als Freunde…“ Er beugte sich zu ihr und für einen Moment dachte Lily, dass er ihre Lippen ansteuerte, dann drehte er ab und küsste sie auf die Wange, nahm sie gleichzeitig in den Arm. Lily ließ sich einen Moment von seiner verschlingenden Wärme einschließen. Es fühlte sich gut an und gleichzeitig machte es ihr so viel klarer, dass sie so lange schon Regulus‘ Nähe vermissen musste.

Lily drückte James mit einem Lächeln von sich weg.

„Reggie!“ Sirius‘ Stimme drang aus der Eingangshalle bis zu ihnen in den ersten Stock, fast schon, als würde er im ganzen Schloss gehört werden wollen.

Lily drehte sich um und schaute nach unten. Sirius lief durch die Halle auf den Eingang zu den Kerkern und breitete die Arme aus. Regulus schlug seine Hand weg. Sein eisiger Blick schoss scharf wie ein Pfeil in den ersten Stock und erwischte James im Rücken.

„Du siehst gut aus, Brüderchen. Dafür, dass du nur noch Matsch warst, jedenfalls“, sagte Sirius immer noch sehr laut und er versuchte wenig subtil sich in Regulus‘ Sichtfeld zu schieben.

Regulus schob ihn erneut zur Seite und griff gleichzeitig in seine Umhangtasche. Er zog seinen Zauberstab hervor, und für einen Augenblick befürchtete Lily, er würde James einen Fluch in den Rücken werfen. Sirius packte vorher sein Handgelenk, worauf Regulus ihn wieder wegstieß. Er eilte an seinem Bruder vorbei, bevor der ihn auch nur an den Roben festhalten konnte, und stieg die Treppen nach oben.

„Potter“, zischte er kühl. Er hatte die Hand immer noch in der Tasche, wo sein Zauberstab wieder versteckt war. Sein Blick traf Lily, und trotz seiner Eiseskälte schoss die Hitze in ihre Wangen. Das erste Mal seit einer Woche schaute sie ihn direkt an und nicht aus der Ferne, sicher in einer Nische verborgen, und es war so unangenehm, dass sie dabei ausgerechnet neben James stand.

Erst jetzt schien James ihn zu bemerken, drehte sich zumindest erst jetzt nach Regulus um. „Black“, grüßte er. „Was treibt die Hitze denn in dein Gesicht?“

„Wage es nicht noch einmal meiner Freundin unangebracht nahe zu kommen“, zischte Regulus aus dem Mundwinkel, ohne James eines Blickes zu würdigen.

Lily schaute blinzelnd auf. Noch nie hatte Regulus sie in aller Öffentlichkeit seine Freundin genannt. Obwohl niemand es gehört haben konnte, schlug ihr Herz hart gegen ihren Brustkorb.

James gluckste. „Was bedeutet in deinem Wörterbuch ‚unangebracht‘? Zwei Besenlängen Abstand? Ein Quidditch-Feld?“

„Du bewegst dich auf dünnem Eis, Potter.“

„Gut, dass ich schwimmen kann, hm?“ James zeigte sein arrogantestes Grinsen und Lily verpasste ihm einen hoffentlich warnenden Klaps gegen die Brust. Regulus verfolgte diese Geste streng und mit einem verkrampften Gesichtsausdruck, als hätte Lily ihn gerade die Treppe heruntergestoßen.

Sein eisiger Blick streifte sie nur kurz und in ihr fror alles ein. Das beklemmende Gefühl, dass er von allem wusste, was zwischen ihr und James gewesen war, wuchs stetig. Es lag an der durchdringenden Art seines Blickes; das Grau seiner Augen blitzte wie ein scharfes Messer, das durch jede Fassade schnitt und das kleinste Geheimnis freizulegen schien. Oder ihr schlechtes Gewissen fraß sie gerade auf, nur weil sie James berührt hatte.

„Wir hatten noch keine Gelegenheit miteinander zu sprechen, Lily“, sagte Regulus etwas wärmer, auch wenn sie glaubte sich das einzubilden.

Sie lächelte ihn unweigerlich an, als würden ihre Lippen sich verselbständigen. „Ich war –“

„Du bist wieder mal sehr förmlich, Black“, bemerkte James amüsiert. „Dafür, dass du mit deiner Freundin sprichst.“ Er senkte die Stimme und linste hinunter in die Halle, wo mehr als ein paar Blicke auf ihnen lagen. „Vielleicht solltest du das nicht so laut sagen.“

„Ich wollte gerade etwas sagen“, warf Lily ein.

„Wie wär’s, wenn du dich da raushältst, Potter“, sagte Regulus. „Oder hast du bloß Angst jeder hier könnte dich noblen Gryffindor dabei beobachten, wie er seine Finger in fremde Beziehungen steckt?“

James schoss vor und Lily war froh ihren Arm in der Nähe seiner Brust zu haben, hielt ihn sofort zurück. Ein rosa Schimmer kroch auf seine Wangen. Er stieß ein leises Knurren aus. „Wenigstens schäme ich mich nicht für sie wie ein feiger Slytherin.“

Regulus schnellte nach vorne und diesmal war Lily nicht schnell genug, um ihn zurückzustoßen. Sie schob sich mit ihrem Körper zwischen James und Regulus um sie voneinander fernzuhalten. Über ihren Kopf hinweg funkelten die beiden sich wütend an.

„Jungs, bitte“, sagte Lily leise, aber scharf. „Auch wenn mir ein verbaler Schlagabtausch lieber ist als ein richtiger, ihr habt Publikum.“

„Das ist mir egal“, sagte Regulus. „Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen, Potter, und erst recht nicht vor dieser Bande da unten, die anscheinend kein eigenes Leben hat.“ Er hob die Stimme, als würde er seinen Punkt noch untermalen wollen. „Weil ich mich jetzt nicht und noch nie für meine Freundin geschämt habe.“

Stille breitete sich in der Halle aus. Viele Augen waren Regulus von vorneherein gefolgt, ein Großteil kam jetzt nach.

Lily musste gegen den Schwarm Schmetterlinge ankämpfen, der in ihrem Magen tanzte. „Regulus, lass dich nicht provozieren. Bitte…“

Regulus schien verwirrt über diese Reaktion. „Ich weiß, dass du verärgert bist, aber –“

„Nein, ich… Ich meine…“ Lily drückte Regulus mit beiden Händen wieder von sich weg, bis sie wieder an Luft kam, ohne seinen Geruch einzuatmen. Wenn er so eifersüchtig auf eine Umarmung reagierte, würde er bei der Wahrheit nie wieder ein Wort mit ihr sprechen. „Du solltest lieber… bevor du irgendetwas aufs Spiel setzt…“

Er griff ihre Hand, als Lily sie gerade von ihm wegnehmen wollte, und hielt sie fest. Sein Blick sagte noch einmal viel deutlicher, was er eben schon gesagt hatte.

James schnaubte. „Wow, du hältst ihre Hand. Das beweist alles.“

Lily spürte, wie Regulus‘ Hand in ihrer zitterte. „James“, sagte sie noch einmal warnend.

„Potter, ich warne dich.“

„Ich habe keine Angst vor deinem Zauberstab in meinem Rücken, Black“, antwortete James. „Du hast sie verletzt. Sehr. Und du denkst, ihre Hand vor ein paar Schülern zu halten würde alles wiedergutmachen?“

„Du hast doch nur darauf gewartet, dass ich dir den Rücken zudrehe, damit du dich unangebracht nähern kannst. Nobel, wie Godric Gryffindor es predigt, nicht wahr?“, gab Regulus verachtungsvoll zurück. „Keine Ahnung, was mein bescheuerter Bruder an dir findet.“

James stieß ihm hart gegen die Schulter, ließ sich dabei auch nicht von Lily in seinem Weg aufhalten, und schubste Regulus von ihr weg. Er stolperte nur einen Schritt, dann riss er seinen Zauberstab hervor. James zückte seinen zur selben Zeit.

Erschrockenes Keuchen drang aus der Eingangshalle, ein paar Schüler pfiffen und ließen sich zu Anfeuerungsrufen hinreißen. Lily war näher an James und das war der einzige Grund, aus dem sie nach seinem Arm griff. Sie versuchte seinen Zauberstab herunterzuziehen.

„Wir hatten das schon. Bitte hört auf“, sagte sie.

„Du denkst, du stehst über allem“, blaffte James über ihre Schulter. „Dass du der Einzige bist, der irgendwelche Probleme hat, ja?“

„Und du denkst ernsthaft, dass du dich an Lily ranmachen kannst, ohne dass ich wütend werde?!“

„Ranmachen?!“ James‘ Kopf wurde puterrot. „Du verklemmte Jungfer weißt doch nicht mal, was das bedeutet!“

„Ich weiß was Grenzen bedeuten, Potter, im Gegensatz zu dir. Lily ist meine Freundin –“

„Sie ist auch meine Freundin, und du hast ihr wieder und wieder wehgetan. Niemand tut meinen Freunden weh, ohne es mit mir zutun zu bekommen!“

„Aber deinen ach so besten Freund kannst du wie einen Klatscher durch die Gegend schlagen?“

„Wie kannst du es wagen?! Du weißt nicht mal, was er für dich miesen Bastard tun würde!“

„Ich bin nicht so blind wie du. Ich weiß es. Ich weiß, was…“ Regulus senkte den Zauberstab, verzog gequält das Gesicht und riss ihn wieder auf James‘ Augenhöhe. „…du…“

Lilys Ohren klingelten von dem Geschrei, das direkt über ihren Kopf ausgetauscht wurde.

„Regulus, nimm den Zauberstab bitte runter“, sagte sie und schob sich vor James, als sie schon seinen Zauberstab nicht herunterzwingen konnte. Sie presste sich gegen James‘ Brust, versuchte ihn nach hinten zu drücken, von Regulus weg. Als James‘ Zauberstab nach vorne zuckte, griff sie erneut danach. Ein roter Strom Funken brach aus der Spitze. Lily spürte sie heiß ihre Wange streifen und zuckte zurück.

Regulus‘ Hand stahl sich erneut in ihre. Er zog sie hinter sich und warf einen gleißendroten Fluch auf James.

James duckte sich. Die Wut loderte in seinen Augen auf und er holte mit dem Zauberstab aus. „Stupor!“

„Protego“, rief Regulus.

Der rote Blitz prallte an einem hellblauen Schild ab. Beide holten erneut mit ihren Zauberstäben aus.

„Expelliarmus!“ Lily hatte ihren Zauberstab gezogen und riss James und Regulus‘ Zauberstab aus ihren Händen. Die Stäbe flogen in hohem Bogen durch die Luft. Lily fing sie auf. Sie atmete schwer, ihre Brust hob und senkte sich wie nach einem Spurt die Treppen rauf. Eine ganze Halle voller Schüler schaute ihr zu, als sie die beiden Zauberstäbe auf den Boden warf.

Kaum klang der Laut von Holz auf Stein, als Sirius an ihr vorbeirauschte. Er packte James, riss ihn zur Seite und redete heftig auf ihn ein. In der Halle brach Getuschel aus. Schnelle Schritte von Schülern, die die Neuigkeiten verbreiten wollten, hallten von den Wänden wider.

Regulus beugte sich zu ihren Füßen und hob seinen Zauberstab auf. Dann suchte er ihren Blick. „Ich weiß, Lily. Ich hab gesehen…“

Die Scham brannte sich in Lilys Wangen. Sie glaubte daran zu verbrennen und Regulus‘ Blick war nicht eisig genug, um sie zu kühlen. Lily drehte sich auf den Absätzen um und lief die Treppen so schnell sie konnte nach oben.


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Ich wünsche Joanne Rowling, dass sie es schafft, nach den sieben Potter-Bänden eine andere Art von Literatur zu schreiben und dass die jugendlichen Leser mit der Lektüre mitwachsen werden.
Rufus Beck