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Fanfiction

Mud and Blood - Die Ratte

von Dr. S

Eine kurze Nacht war manchmal schlimmer, als überhaupt keinen Schlaf zu finden. In aller Herrgottsfrühe war Lily bereits wach und unternahm einen aussichtslosen Kampf gegen die Ringe unter ihren Augen. Eine Eule auf der Fensterbank des Schlafsaals beobachtete sie dabei aus ähnlich verschlafenen Augen.

Zusammen mit Regulus hatte sie Professor Dumbledore einen Besuch abgestattet, und sie hielt es immer noch für das Richtige, auch wenn Regulus sich unter dem strengen Blick des Direktors sichtlich versteift hatte. Dumbledores Reaktion auf Mulcibers abendlichen Spaziergang war alles gewesen, aber nicht das, was Lily erwartet hatte. Er hatte sich alles ruhig angehört und am Ende sogar ein Schmunzeln auf den Lippen gehabt.

Früher oder später wäre es sowieso ans Licht gekommen, hatte er mit einem Augenzwinkern gesagt, und er habe nichts dagegen, dass Lord Voldemort sich selbst seinen Alptraum ausmalen durfte, bevor er ihm begegnete. Angst vor dem Unbekannten sei oft größer, als vor der tatsächlichen Sache.

Aber hier ging es nicht nur darum, was Professor Dumbledore gegen Lord Voldemort unternehmen wollte. Ihr machte fast mehr Sorgen, dass einer von James‘ Freunden ihn anscheinend hintergangen hatte. Er verdiente das zu erfahren. Aber so, wie sie ihn kannte, würde ihm das sein Herz brechen.

Lily band ihre Haare zusammen und legte ihre Bürste zurück auf den Nachttisch. Im Schein ihrer Lampe glitzerte die Phiole mit flüssigem Glück wie pures Gold. Lily lächelte ihr zweites Geschenk von Regulus an. Das erste lag unter ihrem Kopfkissen, ein silbergrüner Schal, sorgfältig vor Marys neugierigen Blicken versteckt.

Sie schulterte ihre Tasche und verschwand aus dem Schlafsaal, bevor jemand anderes ein Auge aufgemacht hatte. Der Gemeinschaftsraum lag im Dunkeln, bis auf ein wärmendes Feuer, das ganz neu entzündet worden war. Lily stieg aus dem Portraitloch hinaus auf den Korridor.

Sie wusste, dass Regulus dienstags früh morgens zu einer extra Einheit Quidditch raus in die Kälte getrieben wurde, und sie wollte versuchen ihn vorher abzufangen. Ein bisschen Sorge trieb sie mit an. Die konnte nicht einfach abstellen, dass sie nicht einschätzen konnte, was Mulciber sich noch alles einfallen ließ. Sie wusste nicht einmal, warum sie Mulciber für das Schlamm-Desaster verantwortlich machte. Es war auf Severus‘ Mist gewachsen. Lily kannte ihn lange und gut genug um ganz genau zu wissen, dass er sehr nachtragend war. Severus würde selbst aus dem Grab heraus noch einen Groll hegen.

Auf der Großen Treppe begegnete sie einem schlaftrunkenen Siebtklässler aus Ravenclaw, der zu einer Frühschicht in die Bibliothek unterwegs war. Er stoppte, als er sie bemerkte, und schien auf einmal um einiges wacher. Sein Grinsen war ihr einen Hauch zu dreckig.

„Morgen, Evans“, grüßte er.

„Guten Morgen, Fawley.“ Sie wollte einen Bogen um ihn machen und die Treppe heruntersteigen, aber er machte einen großen Schritt direkt in ihren Weg. Lily wich verdutzt vor der plötzlichen Sperre zurück. „Ja?“

„Wie ich gehört habe, stehst du auf neuerdings auf Schlammbäder. Nächstes Mal willst du vielleicht lieber eins mit mir nehmen?“

Lily wusste nicht, ob sie darüber lachen sollte. „Wie bitte?“

Fawley zuckte mit den Schultern und ließ seinen Blick kurz etwas zu tief rutschen. „Du weißt schon, was ich meine.“

„Aw…“ Lily presste eine Hand gegen ihr Herz, das von Wut schneller angetrieben wurde. „Wie wär’s, wenn ich dir eine Schlammpackung verpasse und du erstickst daran?“

Fawley hob die Hände, als müsste er sich vor irgendetwas schützen – und noch war es nicht soweit. „Wir sind heute aber feurig…“

„Und du bist uncharmanter als James Potter in seinem fünften Jahr.“ Lily stieß ihn mit der Schulter aus dem Weg und lief die Treppe herunter. Ihre Wangen glühten vor Ärger.

In den immer kalten Kerkern kühlte sie ein wenig ab. Sie schlängelte sich hinter dem Geist des Blutigen Barons in Richtung des Gemeinschaftsraums der Slytherins. Hier schlich sie sich in die Schatten hinter einer Ritterrüstung und wischte ein Spinnennetz aus dem Weg, um sich dort einigermaßen unsichtbar zu halten. Es dauerte nicht lange, bis die steinerne Wand sich in eine Tür verwandelte und Avery herauskam. Er marschierte gähnend an Lily vorbei und rieb sich über die trüben Augen, mit denen er sie wohl nicht einmal im Tageslicht gesehen hätte. Avery für irgendetwas motiviert zu sehen war merkwürdig genug, aber anscheinend war er nicht umsonst Kapitän geworden.

Eine halbe Minute später kam Regulus heraus. Nichts an ihm ließ auf die frühe Stunde schließen. Roben und Pullover saßen einwandfrei und sein Haar lag glatt und glänzend in seinem Scheitel. Lily lächelte, so gefangen von diesem Anblick, dass sie Regulus fast hätte entwischen lassen. Er kehrte ihr schon den Rücken zu, als sie sich räusperte.

„Lily?“ Regulus schaute sich hastig um und erst als er sicher gegangen war, dass Avery auf den Treppen verschwunden war, kam er auf sie zu. „Was machst du hier?“ Er fasste sie an der Hand, die sie nach ihm ausstreckte, und zog sie mit der anderen gegen sich. Ehe sie antworten konnte, küsste er sie, als hätte er die ganze Nacht auf nichts anderes gewartet.

Lily strahlte ihn an. „Ich konnte nicht schlafen, also wollte ich sichergehen, dass dich niemand im Schlaf erstickt hat.“

Regulus hatte diesen eisigen Blick, der undurchschaubarer als der morgendliche Nebel im Wald war. „Es geht mir gut. Du solltest im Bett sein und wenigstens ein paar Stunden mehr Schlaf kriegen.“

„Das hätte ich mir auch fast gewünscht, bei den morgendlichen Begegnungen…“

Regulus schaute sie verwirrt an, aber Lily ließ ihn nicht nachfragen.

„Da ist noch etwas anderes“, gab sie zu. „Ich hab nachgedacht und finde, wir sollten James sagen, was Mulciber ausgeplaudert hat. Es geht ihn etwas an, wenn er einem seiner Freunde nicht vertrauen sollte, findest du nicht?“

„Du brauchst nicht meine Erlaubnis um mit James Potter zu reden“, sagte Regulus.

Lily strich die faltenfreien Seiten von Regulus‘ Roben noch einmal glatt. „Ich habe dich nicht um Erlaubnis gebeten, sondern um deine Begleitung.“

Regulus umfasste erneut ihre Hand, diesmal aber zog er sie weg. Seine Augen bohrten sich in ihre. „Das wirklich Letzte, was ich auf dieser Welt tun will, ist freiwillig Zeit an James Potter zu verschwenden, Lily. Du kannst ihm alles sagen, was du willst, wenn du das für nötig hältst.“

„Ich halte es für nötig. Wenn deine Freunde deine Geheimnisse ausplaudern, würdest du das auch wissen wollen. Hasst du James so sehr, dass du das einfach ignorieren kannst?“

„Ich hätte es Sirius gesagt und nicht Potter“, erwiderte Regulus. „Er würde vor einen Zug springen, wenn Potter ihn dafür beachten würde.“

Lily verdrehte darüber amüsiert die Augen. „Ich dachte einfach, dass wir es ihm zusammen sagen könnten. So wie Professor Dumbledore.“

Regulus zog eine Augenbraue hoch. „Wieso sollten wir das tun?“

Lily runzelte die Stirn. „Ich dachte… Nach gestern dachte ich –“

Die Tür zum Gemeinschaftsraum öffnete sich erneut und Regulus schob sie mit einem Ruck tiefer in den Spalt hinter der Rüstung. Gleichzeitig sprang er weg und nahm deutlichen Abstand zu ihr.

Chambers kam aus dem Gang und fasste sie sofort ins Auge. Er verengte die Augen skeptisch zu Schlitzen. „Was will sie denn hier?“

„Vertrauensschülerkram“, sagte Regulus eisig und warf Lily einen genervten Seitenblick zu. Sie schluckte gegen einen Knoten in ihrer Kehle an, aber der zog sich nur fester. „Oder, Evans?“

„Soll ich noch irgendwen holen?“, fragte Chambers und deutete hinter sich auf den Zugang zum Gemeinschaftsraum.

„Schon gut“, gab Regulus zurück. „Ich komme, sobald ich hier fertig bin.“

„Okay“, sagte Chambers gedehnt. „Lass dir nicht zu viel Zeit.“

„Ich würde auch lieber draußen in der Kälte sein, glaub mir“, sagte Regulus.

Chambers musterte Lily von oben bis unten und ging erst, als er den Abstand zwischen ihr und Regulus genau mit den Augen bemessen hatte. Kaum war er um die Ecke verschwunden, vergrößerte Lily die Distanz mit einem Schritt, der sie gegen die Wand in ihrem Rücken prallen ließ.

„So viel zu ‚zusammen‘, hm?“, murmelte sie.

Regulus wollte nach ihrer Hand greifen, aber Lily verschränkte rechtzeitig die Arme.

„Du musst gehen, oder? Weil ich keinen Vertrauensschülerkram zu besprechen habe.“

Regulus nickte langsam. „Ja, du besprichst viel lieber James Potter.“

Lily stockte der Atem. Sie fühlte sich, als hätte er sie mit ein paar Worten auf den Boden gestoßen.

Regulus fuhr sich durch die Haare. „Das wollte ich nicht sagen…“

„Dann hab ich es nicht gehört“, sagte Lily gepresst. „Regulus, ich dachte, nach dem Desaster gestern wäre zumindest allen in deinem Gemeinschaftsraum klar, was zwischen uns ist. Wozu sollen wir uns noch verstecken?“

„Weil es nicht allen klar ist. Es gab schon Gerüchte, bevor Snape sich eingemischt hat, und wir haben noch keinen Grund Holz ins Feuer zu werfen“, sagte Regulus in seinem sachlichsten Tonfall, als hätte er es sich wieder und wieder überlegt, und gerade jetzt war die Abwesenheit jeglicher Emotion wie ein Messerstich zwischen ihre Rippen.

„Sicher“, sagte Lily. „Das heißt aber nicht, dass es nicht widerlich ist zu behaupten, du wärst lieber draußen in der Kälte, als mit mir ein paar Worte zu wechseln.“

Regulus schaute wie ein getretener Welpe zur Seite. „Ich hab nicht nachgedacht. Du weißt, dass ich das nicht so meine.“

„Ja…“ Lily zwang sich zu lächeln. „Ich weiß…“

Regulus sah sie an, als wüsste er ganz genau, wie schwer ihr das Lächeln fiel. „Ich muss zum Training, Lily. Können wir später darüber reden?“

„Worüber?“, fragte sie beiläufig.

Regulus beugte sich vor um sie zum Abschied zu küssen, aber Lily drehte ihm ihre Wange hin.

„Ich hab den gleichen Weg“, sagte sie trocken. „Du solltest zwei Schritte warten, damit man uns nicht zusammen sieht.“

Sie ging und ließ Regulus stehen, beschleunigte nach der ersten Ecke ihre Schritte und lief die Treppe nach oben. In der Eingangshalle machte sie nicht einmal kurz Halt und lief weiter in die Große Halle, wo sie sich zu einem einsamen, sehr frühen Frühstück hinsetzte.

War sie dumm gewesen? Dumm und naiv zu glauben, dass eine Ladung Schlamm irgendetwas ändern würde? Regulus hatte sich so große Sorgen gemacht, dass sie aufgeflogen waren, dass sie wirklich angenommen hatte, sie würde gar nicht mehr versuchen sich zu verstecken.

War er sich so unsicher, was sie beide anging? Sie hörte ihn diesen schneidenden Kommentar über James wiederholen und dachte mit beißendem Gewissen an den Moment auf der Großen Treppe zurück, an den sie nicht denken wollte.

Sie war Regulus nicht böse, weil er sich sicher sein wollte. Aber es war das erste Mal, dass er sie so behandelt hatte, wenn jemand sie miteinander sah. Er hatte niemals zuvor so getan, als wäre er lieber überall anders als bei ihr.

Die Große Halle füllte sich allmählich. Aber auch als die anderen zum Frühstück eintrafen und die Quidditch-Mannschaft von Slytherin sich an ihrem Tisch weit von ihrem grummelnden Kapitän wegsetzte, sah sie Regulus nicht. Vielleicht wollte er es lieber vermeiden sie wiederzusehen.

Dafür amüsierte sie sich über eine andere finstere Miene. Mulciber bekam vor allen Augen eine Strafarbeit in einem Ausmaße aufgebrummt, die fast an James und Sirius‘ Höchstleistungen herankam. Einen Monat lang musste er für Professor McGonagall Sätze voll intelligenter Wörter schreiben, die er nicht einmal kannte, und am Wochenende Professor Slughorns Zutatenschrank säubern und sortieren, ganz davon abgesehen, was Professor Dumbledore für ihn in petto hatte. Lily fand im Laufe des Schultags ihr Lächeln wieder.

Zumindest bis sie nach Kräuterkunde aus dem Gewächshaus kam und Regulus zu Pflege magischer Geschöpfe gehen sah. Sie versuchte seinen Blick zu kreuzen, aber er drehte sich im genau falschen Moment weg, sodass sie nicht einmal sein Gesicht sehen konnte, und hörte sehr aufmerksam zu, wie Chambers ausschweifend über irgendetwas philosophierte.

Nicht ganz so freudig stimmte sie, dass Sirius sich ebenfalls eine saftige Strafe eingefangen hatte. Dafür, dass er Severus‘ Nase anscheinend so hart zertrümmert hatte, dass er Skelewachs von Madam Pomfrey bekommen hatte, würde Sirius die nächsten zwei Wochen als Professor McGonagalls Assistent verbringen. Das hieß, dass er im Unterricht nicht mit James plaudern konnte oder sich einfach nur zurücklehnen konnte. Er musste erst jeden Zauber demonstrieren und hinterher noch herumwandern um jedem zu helfen, der es brauchte. In seinen Freistunden musste er das Gleiche für andere Jahrgänge tun. Sirius war nicht schlecht in Verwandlungen. Unter all dem Unsinn versteckte er sogar einen brillanten Kopf. Aber er benutzte ihn furchtbar ungerne, weshalb die Strafe ihn sehr hart traf.

„Es war’s wert“, hörte sie ihn während Verwandlungen zu James sagen, der so getan hatte, als würde er Hilfe dabei brauchen eine Maus verschwinden zu lassen. „Im Nachhinein wünschte ich nur, ich hätte mehr als seine hässliche Nase ruiniert. Er hat sie sich viel gerader wieder hinwachsen lassen, findest du nicht?“

James lachte darüber. Lily schmunzelte nicht einmal. Severus hatte keine Strafe bekommen. Anscheinend hatte er sich sehr gekonnt herausgeredet, als man ihm den Schlamm zuschreiben wollte.

„Sie zwei haben mir wieder viel zu viel Spaß“, rief Professor McGonagall ihnen zu. Nicht nur, weil James nun wirklich der Letzte war, der in Verwandlungen Hilfe brauchte, schickte sie Sirius weiter. Er schien zuerst an Lily vorbeigehen zu wollen, blieb nach einem kurzen Blick aber vor ihrem Tisch stehen und lehnte sich zu ihr herunter. Seine Augenbrauen taten einen anrüchigen Hüpfer und er setzte eine rauchige Stimme auf – auch wenn er ihr nicht in die Augen schaute.

„Kann ich Ihnen eine helfende Hand leihen, Miss Evans? Oder zwei?“

Vom Tisch neben ihr kam ein Kichern. Mary schlug sich beide Hände vor den Mund, um es zu dämpfen, und errötete bis zu den Haarspitzen, als Sirius sie ansah. Sie wandte sich blitzschnell ab und flüsterte Dorcas etwas zu. Sirius hob die Augenbrauen darüber. Er schien unglaublich blind zu sein, immer wenn es darum ging, dass jemand ein wenig für ihn schwärmte.

„Ich komm zurecht, danke“, sagte Lily. Ihre Maus lief unsichtbar in ihrer Box umher und Sirius beobachtete amüsiert, wie sie einen kleinen Ball umherschob, den Lily ihr zum Spielen gegeben hatte, der jetzt aussah, als würde er von alleine umherkullern. „Sirius? Wegen gestern… Es war schön anzusehen, wie du dich für deinen Bruder eingesetzt hast.“

Sirius lächelte, aber vermied es wieder sie direkt anzusehen. Das tat er schon den ganzen Morgen. Beim Frühstück hatte das dazu geführt, dass er ihr nicht den Kürbissaft gereicht, sondern ihn über ihren Schoß geschüttet hatte. Allmählich konnte sie nicht anders, als sich zu fragen, ob sie etwas falsch gemacht hatte.

„Ich übe mich darin ein besserer Bruder zu sein“, sagte Sirius mit einem Augenzwinkern – auch das ging leicht schräg an Lily vorbei. „Und vielleicht ist mir eine kleine Sicherung durchgebrannt. Ich hab nicht vergessen, was Schniefelus sich in den Ferien geleistet hat.“

Lily dachte mit zusammengeknoteten Magen an den Dezemberabend zurück, als Severus es zu weit getrieben hatte. Sie sah noch immer das Blut auf dem Schnee, Spuren purer, ungezügelter Wut. Regulus hatte einen Sectumsempra genauso wenig verdient, wie eimerweise Schlamm.

„Dafür nimmst du ihn hoffentlich nicht mehr in Schutz“, sagte Sirius und blickte zu Severus. Er saß in der hintersten Reihe und zielte mit dem Zauberstab auf seine Maus, die nichts tat. Sie wurde nicht unsichtbar, rührte sich aber auch nicht. Es war unheimlich, wie sie in ihrer Box saß und zu Severus hochstarrte.

„Ich nehme niemanden in Schutz. Auch nicht deine durchgebrannte Sicherung“, sagte Lily.

Sirius gluckste. Vom Lehrerpult kam ein entrüstetes Schnauben.

„Mr. Black, haben Sie schon wieder zu viel Spaß?“, fragte Professor McGonagall.

„Natürlich, Professor“, rief Sirius breit grinsend. „Ich komme sogar richtig auf den Geschmack. Wenn Sie irgendwann in den Ruhestand gehen, bin ich da. Ich kann’s kaum abwarten kleinen Slytherins beizubringen sich unsichtbar zu machen.“

Drei Plätze weiter hinten konnte Lily sehen, wie Avery so tat, als würde er sich in Rosiers Schoß übergeben. Severus starrte nicht länger seine Maus, sondern Sirius an, als würde er ihn mit seinen Gedanken zum Explodieren bringen wollen.

Professor McGonagall zog unbeeindruckt eine Augenbraue hoch. „Wenn Sie bloß bei der Berufsberatung so euphorisch über irgendetwas gewesen wären, Black.“

Sirius zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich war sehr euphorisch, was ihre Kekse anging“, raunte er Lily zu und legte ihr überraschend eine Hand auf die Schulter. „Kopf hoch, okay? Du siehst aus, als würde es gleich über dir anfangen zu regnen.“

Er ging weiter, ehe sie antworten konnte, und schlug die Hände auf Dorcas und Marys Tisch. „Miss Meadowes, brauchen Sie mich?“

Dorcas seufzte. Ihre Maus rotierte schonungslos in der Luft, als würde sie auf einem unsichtbaren Karussell sitzen, aber alles von ihr war sichtbar. „Ich glaub nicht einmal daran, dass mir noch ein Wunder weiterhilft, Sirius.“

Mary kicherte in ihre Faust. Ihre Maus nagte sich unbeobachtet einen Fluchtweg in ihre Box und strahlte dabei in einem Neonpink. „Ich nehm deine Hilfe, Sirius, wenn Dorcas sich zu fein dafür ist.“

„Niemand muss sich zu fein sein.“ Sirius setzte sich auf die Tischkante und führte Dorcas‘ Zauberstab sanft nach unten, sodass die Maus wieder in ihrer Box landete. „Lass das arme Ding erstmal runter. Und jetzt versuch dich zu konzentrieren – auch wenn ich dabei sicher nicht helfe.“

Dorcas lachte gekünstelt.

Lily wandte sich schmunzelnd wieder ihrer Maus zu und fing dabei James‘ Blick auf, der hart und düster auf Sirius lag. Von seiner Belustigung eben war nichts mehr zu sehen. Lily schob sich in sein Blickfeld und hob fragend die Augenbrauen. James grinste sie an, als wäre nichts, dann zupfte Peter ihn am Ärmel. Er schien seine Maus verloren zu haben, so wie sie unter den Tisch tauchten und anfingen zu suchen.

Am Ende der Stunde fanden sie sie wieder; Schnurhaare und ein Paar verängstigter Augen saßen auf Professor McGonagalls Schulter. Sie fingerte die neunzig Prozent unsichtbare Maus herunter und setzte sie wenig begeistert zurück in Peters Box. Er schien nicht schnell genug aus dem Klassenzimmer verschwinden zu können. Sirius sammelte die Boxen mit den mehr oder weniger sichtbaren Mäusen ein und James half ihm dabei, erntete ein übertrieben vernarrtes Seufzen von Sirius dafür.

Lily ließ eine immer noch giggelnde Mary bei Dorcas zurück mit der Ausrede, dass sie ihre Mäuse zurückbrachte. Sie fing James und Sirius bei Professor McGonagalls Pult ab.

„Was stellt ihr mit eurem Nachmittag an?“, tastete sie sich vorsichtig heran. Sie hatte immer noch die leise Hoffnung, dass Regulus mit ihr zusammen das Richtige tun wollte. Aber in vielen Dingen war sie auch ein naives Dummchen.

Sirius warf einen Seitenblick auf Professor McGonagall, die sich ein Lob für James‘ Verwandlungskünste nicht verkneifen konnte. „Das willst du uns nicht jetzt und hier fragen“, presste Sirius mit einem steifen Grinsen hervor.

„Ich habe Ohren, Black“, sagte Professor McGonagall, „und ich bin dem Ruhestand noch nicht so nahe, dass sie nicht ausgezeichnet funktionieren würden.“

„Natürlich nicht, Professor.“ Sirius schnappte sich James und zog ihn mit sich zur Tür. Peter wartete dort bedrückt und scharrte mit dem Fuß. Lily klopfte ihm auf die Schulter und lächelte ihn aufmunternd an. Er schien etwas sagen zu wollen, aber Sirius kam ihm zuvor:

„Ich versuche Reggie abzufangen, bevor er in der Bibliothek verschwindet“, sagte er. „Vorhin hat er einen Haken geschlagen, als wäre ich ein Irrwicht.“

James runzelte finster die Stirn. „Soweit ich weiß, bist du sein Irrwicht.“

„Soweit ich weiß, bin ich dein Irrwicht“, sagte Sirius grinsend. „Mein totes Ich.“

James stupste ihn an. „Was willst du von ihm? Hat er seinen Teddybären verloren?“

Sirius verdrehte schmunzelnd die Augen.

„Ähm, James?“ Lily hielt ihn am Arm fest, worauf sein Stirnrunzeln sich etwas entspannte. „Vielleicht hast du einen Moment für mich?“ Sie schaute zu Sirius und Peter, die beide neugierig abwarteten. Bis eben hatte sie noch mit sich gerungen, ob sie allen von dem erzählen sollte, was sie gehört hatte, oder nur James. Ihre Entscheidung passierte ganz spontan. „Alleine?“

Peter pfiff lasziv, wofür Sirius ihm einen Schlag auf den Hinterkopf verpasste.

„Sicher“, sagte James.

„Wir gehen schon mal vor“, sagte Sirius, packte Peter am Kragen, wie ein junges Kaninchen, und zog ihn mit sich den Gang herunter. Ihre Schritte verschwanden hinter der nächsten Ecke und im nächsten Moment war sie ganz alleine mit James. Das einzige Geräusch kam von einem schnarchenden Portrait an der Wand. James schaute sie erwartungsvoll an. Lily hatte sich nicht unbedingt auf diesen Moment gefreut und jetzt wusste sie nicht mehr, wie sie hatte anfangen wollen. Sie hätte tausendmal lieber Regulus bei sich, auch wenn James vielleicht gut und gerne darauf verzichten konnte.

James lächelte sie an, ahnungslos und unbekümmert. „Hast du mich schon mit langweiligem Schulsprecherkram eingeschläfert?“, fragte er. „Wenn ich kurz weggedöst war, tut’s mir leid und du musst es wiederholen.“

Lily schüttelte den Kopf. Das Leuchten in seinen haselnussbraunen Augen machte sein Lächeln so ansteckend, und sie wollte das nicht kaputt machen.

Sie hakte sich bei ihm ein und zwang ihn weiter zu gehen. „Glaubst du, Sirius geht’s gut?“, fragte sie. „Er wirkt manchmal sehr abwesend.“

James legte die Stirn wieder in tiefe Falten. „Meinst du?“ So, wie er sie das fragte, hatte sie einen wunden Punkt getroffen.

„Er war auch schon mal witziger. In letzter Zeit ist es ein bisschen aufgesetzt. Ich weiß nicht… Als würde ihm irgendetwas auf der Seele liegen. Vielleicht ist er einsam.“ Sie lächelte James an, aber er gab das nicht zurück. „Mary würde sich sicher freuen, wenn er sie um ein Rendezvous bitten würde.“

James prustete, aber ohne jeglichen Humor. Sein spöttisches Lachen, war wie ein Eimer kaltes Wasser, der einem über den Kopf geschüttet wurde. „Mary Macdonald?“

„Sie ist ein nettes Mädchen“, sagte Lily warnend. „Und sie verdient einen netten Menschen an ihrer Seite, nach allem, was sie durchgemacht hat.“

James sah aus, als würde er ihr gerne sagen wollen, was er nicht an Mary leiden konnte. „Ja, aber wenn Sirius mit jedem netten Mädchen ausgehen würde, das ihn hübsch findet, würde er nie wieder einen Nachmittag Zeit für… seine Freunde haben.“

Lily versuchte nicht auf dieser offensichtlichen Abneigung herumzureiten. „Dorcas und er scheinen sich gut zu verstehen…“

„Er hat nichts gegen sie“, sagte James schulterzuckend. „Wieso auch? Dorcas ist cool… Sie kann einen Schnatz in unter einer Minute fangen.“

„Gut, dass ich deine Prioritäten kenne“, erwiderte Lily amüsiert. „Ich weiß, dass sie ihn immer noch sehr gern hat.“

James‘ Miene verdunkelte sich. „Das ist lächerlich.“

Lily hob die Augenbrauen und fühlte sich für Dorcas angegriffen.

„So meine ich das nicht“, sagte James, auch wenn er nicht klang, als würde er sich wirklich entschuldigen wollen. „Sirius geht’s gut. Jedenfalls besser, als mit einer Freundin.“

„Gut, dann eben einen Freund?“

James stieß sie sanft von sich weg, aber sein Schmunzeln reichte nicht an seine Augen heran. „Wolltest du mit mir bloß über Sirius‘ Optionen reden? Ich weiß, dass er davon zu viele hat. Wenigstens versuchst du mich nicht mehr an Dorcas zu hängen…“

Lily seufzte auf und blieb stehen. Sie konnte bereits auf die Große Treppe blicken, wo ein Schwarm an Schülern gegen ihr ungestörtes Gespräch ansummte. Irgendwie behagte es ihr nicht sich ausgerechnet mit James an die Stufen zu wagen. Es erinnerte sie an den Moment, als sie ihn zu nah an sich herangelassen hatte. Ein Moment, den sie beide gut ignorierten. Und sie war ihm dankbar dafür. Fünftklässler-James hätte sie nie wieder in Ruhe gelassen.

„Entschuldige“, sagte sie. „Ich rede um den heißen Brei herum, ich weiß…“

James pustete sie an. Lily wich verwirrt zurück und gluckste, als er es noch einmal tat.

„Hilft es den Brei abzukühlen?“, fragte er grinsend.

Lily biss sich auf die Unterlippe, auch wenn es ihr Grinsen nicht aufhielt. Sie räusperte sich, versuchte ihre Fassung wiederzubekommen. James schien sie in den unpassendsten Zeiten zum Lachen zu bringen.

„Gestern hab ich Mulciber mit Malfoy reden gehört“, sagte sie und sah zu, wie der Ernst auch zurück in James‘ Gesicht kehrte. „Es ging um einen Orden des Phönix, was dir definitiv mehr sagt als mir, weil Mulciber es von einem deiner Freunde hat. Und ich finde, dass du das wissen solltest.“

Zu ihrer Verwunderung wirkte James nicht ansatzweise überrascht. Er lächelte sie sogar an, als würde es ihn freuen, dass sie ihm diese Geschichte anvertraute. Der weiche Zug seiner Lippen ließ sie gegen ihren harten Puls anschlucken.

„Danke“, sagte er. „Dass du mir das sagst.“

„Professor Dumbledore hab ich es auch gesagt. Ich dachte, dass es wichtig sein könnte. Allerdings hat er mir nicht viel mehr darüber verraten, wieso es wichtig sein könnte.“ Sie hob sofort abwehrend die Hände. „Ich erwarte auch nicht, dass du mir erzählst, worum es geht.“

„Der Orden des Phönix ist so eine Art Widerstandsbewegung gegen Lord Voldemort“, sagte James trotzdem. Er überraschte sie mit dieser Offenheit. „Das Ministerium unternimmt nicht genug, das wissen wir alle, und Dumbledore ist frustriert. Mein Vater ist frustriert. Er ist Auror, weißt du? Und tagtäglich verschwinden mehr Menschen, meistens muggelgeborene Zauberer, und er kann nichts dagegen tun. Die anderen im Ministerium sind entweder verängstigt oder ignorant oder finden, dass Voldemort unterstützt werden muss.“ Er schnaubte entrüstet und voller Abscheu. „In Hogwarts kriegen wir nicht einmal mit, wie ernst das alles ist. Wenn Dumbledore das jetzt in die Hände nimmt, wird es vielleicht besser.“

„Er ist der größte Zauberer, den ich kenne“, sagte Lily. „Nicht, dass das viel heißt.“

„Es heißt viel, wenn es nach mir geht“, antwortete James. „Ich wünschte bloß, dass er mich helfen lassen würde. Anscheinend bin ich aber zu jung.“

Aus einem Impuls heraus fasste Lily James‘ Hand und drückte sie. Seine Finger waren warm und kräftig, und sie musste instinktiv an Regulus‘ Hände denken, die immer kühl waren, als würden sie ihre Wärme brauchen. Sie mochte den Ausgleich, wie ihre Hand so perfekt in Regulus‘ zu passen schien; und wenn sie James‘ hielt, fühlte sie sich, als würde die kombinierte Hitze sie explodieren lassen.

„Du wirst nicht immer zu jung sein“, sagte sie und musterte ihn amüsiert. „Ich sehe schon die ersten Fältchen.“

Genau die gruben sich um seinen Mund, als er sein bestes Grinsen zeigte. Er umfasste ihre Hand fester, und Lily zog sie nicht ohne Schwierigkeiten weg.

„Hast du… Hast du einen Verdacht, wer Mulciber davon erzählt haben könnte?“, fragte sie.

„Du meinst, ob es Peter, Remus oder Sirius war? Ich glaube nicht, dass es irgendeiner von ihnen war. Bewusst, jedenfalls“, sagte James. „Ich würde ihnen allen mein Leben anvertrauen, nicht nur ein kleines Geheimnis.“

Lily lächelte ihn dafür an, vielleicht gerade wegen dem Hauch Naivität, den sie heraushören konnte.

„Ich wollte Remus besuchen gehen. Willst du mitkommen, James?“, fragte sie. „Er wird immer noch kränker, wenn er die Hausaufgaben nicht bekommt.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin todmüde. Es war eine lange Nacht.“ Bevor sie nachfragen konnte, winkte er ab. „Das willst du nicht wissen.“

„Nicht?“, fragte Lily herausfordernd.

James grinste sie an. Ein weiches Grinsen, das seine Augen wie Bernsteine leuchten ließ. „Eine erleuchtende Nacht, wenn man so sagen will. Irgendwann erzähl ich’s dir.“

Die Art, wie er sie ansah, machte Lily nur noch neugieriger. Sie zwang sich nicht weiter nachzufragen und klopfte James zum Abschied gegen die Schulter.

„Schlaf dich aus.“

Sie lief die Große Treppe alleine herunter, blickte aber kurz über die Schulter. James winkte ihr von einem Stockwerk höher zu.

„Schlampe.“

Lily fuhr herum. Zwei Sechstklässlerinnen aus Ravenclaw hasteten an ihr vorbei, heftig tuschelnd, und fingen an zu lachen, als sie ihr über die Schulter bösartige Blicke zuwarfen. Lily runzelte verwundert die Stirn und schob sich die Haare aus dem Gesicht. Sie hatte die beiden öfter gesehen, wenn sie dabei waren, Regulus verträumte Blicke hinterher zu werfen.

Lily ging weiter. Sie musste sich verhört hatte.

Im ersten Stock bog sie in den Korridor zum Krankenflügel. Die Leere und Stille hier hätte Madam Pince euphorisch werden lassen, und Madam Pomfrey war damit sicherlich auch mehr als zufrieden.

Hinter ihr ertönten Schritte. Lily drehte sich kurz um, sah aber niemanden, und als sie stehenblieb, überholte sie auch niemand. Die Stille füllte den ganzen Korridor, und nur wenn sie ganz genau hinhörte, konnte sie das Rauschen von Stimmen auf der Großen Treppe hören.

Lily ging weiter, begleitet von der Stille. Ein bellendes Lachen durchbrach sie. Lily zögerte an einer Biegung. Die geöffneten Türen des Krankenflügels standen offen und wollten sie willkommen heißen, trotzdem schaute sie neugierig um eine Ecke, wo sie die Quelle vermutete. Sie wusste, wem dieses Lachen gehörte, und gerade erst hatte sie James gesagt, dass sie es in letzter Zeit eher weniger hörte.

Lily rang einen Moment mit sich, dann bog sie ab. Ihre Schritte hörten sich unglaublich laut an, selbst gegen das laute Lachen, und Lily ertappte sich dabei zu schleichen. Sie erreichte einen Balkon, eingerahmt von zwei finster dreinblickenden Wasserspeiern, und am steinernen Geländer lehnte Sirius und drohte vor Lachen hinten über zu fallen. Regulus stand an seiner Seite und schlug ihm ohne jegliche Rücksichtnahme gegen den Arm.

„Du hast versprochen nicht zu lachen“, zischte er und als er sich verstohlen umsah, zog Lily sich hinter die schützende Mauer zurück. Sie hatte keinen Grund sich zu verstecken oder zu lauschen und wollte keines von beidem. Aber der Anblick, die Rarität beide Black Brüder so halbwegs ausgelassen nebeneinander zu sehen, zwang sie förmlich zu dieser Reaktion.

„Sorry, aber es ist deine eigene Schuld, dass du geglaubt hast, ich könnte nicht lachen“, sagte Sirius und richtete sich wieder auf, als Lily um die Ecke spickte. Er bemühte sich sichtlich nicht mehr zu lachen, aber sein breites Grinsen ließ die Röte in seinen Wangen förmlich glühen. „Du erwartest nicht, dass ich dir die Details erkläre, oder? Zuerst musst du alles aus-“

Regulus brachte Sirius mit einem warnenden Blick zum Schweigen. Lily konnte nur sein Profil sehen, aber auch seine rechte Wange war besprenkelt mit roten Flecken. „Ich erwarte ganz und gar nicht, dass du mir irgendetwas von deinen Eskapaden erzählst. Darum geht’s nicht. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.“

„Wie gesagt, du ziehst alles –“

„Sirius“, zischte Regulus. Lily konnte die Verlegenheit selbst aus drei gepressten Silben heraushören. Regulus‘ ganz eigene Art verlegen zu sein.

„Ich kann nicht verstehen, dass das dein Problem ist, Reggie. Das sollte das Einfachste auf der Welt sein.“

„Ich kann nicht verstehen, dass mein Ich aus der Vergangenheit eine Sekunde lang gedacht hat, ich sollte mit dir reden.“

Sirius gab den Schlag von eben zurück, wenn auch viel lockerer. „Ich lache nicht mehr. Versprochen.“

Regulus sah skeptisch aus. Ein Hauch von Rosa war über sein ganzes Gesicht gekrochen – die Hälfte, die Lily sehen konnte.

„Wenn ich lache, kannst du mich hier runterwerfen. Das erspart mir definitiv ein paar Probleme.“

Lily gefiel nicht, wie wenig Scherz in Sirius‘ Stimme geblieben war. Für einen Moment war sie davon so abgelenkt, dass Regulus‘ Worte sie vollkommen unvorbereitet wie ein Schneeball im Nacken erwischten.

„Es ist nicht so, dass ich nicht will“, sagte er. „Aber ich kann nicht, bevor sie nicht ganz offiziell meine Freundin ist, oder? Ich würde mir vorkommen, als hätte ich sie bloß ausgenutzt. Das tue ich jetzt schon. Ich komme mir wie ein riesiger Mistkerl vor.“

Lily war jetzt diejenige, die errötete, und so heiß, wie er Gesicht wurde, bezweifelte sie, dass es ein Hauch von Rosa war. Ihr Herz klopfte so hart und laut, dass sie Angst hatte, die beiden würden es auf dem Balkon hören können.

„Reggie, sie ist deine Freundin. Ob die halbe Schule oder die ganze es weiß, macht da keinen großen Unterschied.“ Sirius streckte die Hand aus und fasste Regulus‘ Kinn, drehte sein Gesicht weiter nach rechts, um die linke Hälfte anzusehen. „Bist du sicher, dass du damit nicht zu –“

„Hör auf es anzufassen, Sirius“, zischte Regulus und machte sich los. Er schlug Sirius‘ erneut näherkommende Hand wieder weg.

Sirius seufzte und schüttelte seine schmerzenden Finger aus. „Lily wird dir das nicht glauben, weißt du? Sie ist nicht dumm.“

Lily lehnte sich weiter vor. Sie konnte Regulus‘ Profil sehen, aber nicht das, was damit nicht zu stimmen schien.

„Ich hab mir überlegt, dass wir sie zum Essen einladen könnten“, sagte Regulus. „Mutter und Vater könnten sie kennenlernen. Wenn sie erstmal sehen, wie unglaublich clever, witzig und intelligent sie ist, werden sie nichts gegen sie haben können. Meinst du nicht auch?“

Lily biss sich auf die Unterlippe und lächelte trotzdem.

Sirius fuhr sich durch die Haare und machte dabei ein Gesicht, als hätte Regulus ihn gebeten ihm zu helfen den Hauselfen in der Küche neue Uniformen zu nähen. „Ja… Sicher.“

Regulus wandte sich ab und schaute von dem Balkon herunter. „Du hältst mich für dämlich.“

„Jaah, aber es ist meine Aufgabe als großer Bruder dich sowieso grundsätzlich für einen Idioten zu halten.“ Sirius zuckte zurück, als würde er einen Schlag erwarten, aber Regulus schaute ihn nicht einmal an. „Du musst das machen, was dich glücklich macht, Reggie. Nicht, was unsere Eltern glücklich macht.“

„Du tust es schon wieder, Sirius“, sagte Regulus fast gelangweilt. „Du predigst, was du selbst nicht hältst. Deinetwegen bist du sicher nicht nach Hause zurückgekrochen gekommen.“

„Ah, aber auch nicht wegen unserer Eltern“, gab Sirius zurück.

„Für dich hast du es definitiv nicht getan.“ Regulus schaute ihn forschend an. „Wie läuft es mit Potter?“

Sirius ließ den Kopf leicht hängen. „Er nimmt es sehr persönlich. Als hätte ich ihn verlassen.“

„Nun…“ Regulus zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, das wirkt sich auf sein nächstes Quidditch-Spiel aus.“

Sirius schnaubte.

Lily klopfte gegen die Fensterscheibe und beide Black Brüder fuhren herum. Ihr Lächeln erstarb auf Anhieb. Regulus‘ linkes Auge war blau unterlaufen und stark zugeschwollen. Eine breite Schramme zog sich über seine Schläfe.

„Oh, mein Gott.“ Lily trat hinaus auf den Balkon und griff nach Regulus‘ Gesicht. Er ließ sie, erlaubte ihren Händen es sanft zu umschließen und näherzuziehen. Vorsichtig fuhr sie mit dem Daumen unter der Schramme lang. „Was ist passiert?“

„Ein wilder Klatscher beim Training heute Morgen, mehr nicht“, murmelte Regulus und umfasste ihr Handgelenk. „Nicht der Rede wert.“

Lily schaute zu Sirius, der beide Schultern anhob. „Wieso bist du nicht zu Madam Pomfrey?“, fragte sie Regulus.

„Weil es nicht der Rede wert ist“, sagte Regulus.

„Ich hab versucht ihn zu ihr zu schleppen“, sagte Sirius, „aber er wollte lieber den Helden spielen. Oder er weiß nicht, wie widerlich er aussieht. Warte.“ Er holte einen Taschenspiegel hervor und hielt ihn Regulus vor die Nase, brachte ihn so nur dazu die Augen zu verdrehen. Sirius steckte den Spiegel wieder weg. „Kümmer dich da besser drum. Dein Aussehen ist dein einziger Trumpf, Brüderchen.“

„Sei nicht fies, Sirius“, warnte Lily und zückte ihren Zauberstab.

Regulus zuckte zurück, als würde sie drohen ihn zu verfluchen. Er schob seine Hand vorsichtig vor die Spitze des Zauberstabs. „Avery hat das schon versucht. Es hat alles nur schneller anschwellen lassen.“

Sirius prustete los und versteckte sein Grinsen hinter der Faust, als Lily ihn zusammen mit Regulus verwirrt ansah. „Hast du nicht gehört, was du gesagt hast? Es hat sich falsch angehört, so viel dazu“, murmelte er glucksend in seine Handfläche.

„Ich sollte da vierundzwanzig Stunden nichts rankommen lassen“, fuhr Regulus unbeeindruckt fort. „Es wird von selbst weggehen. Muggel kriegen das schließlich auch hin.“

Lily strich federleicht über seine Wange und Regulus verzog trotzdem die Mundwinkel, als sie das Veilchen nur streifte. Sie zog die Augenbrauen zusammen. „War das Absicht?“

„Avery hat den Klatscher nicht geschlagen. Er war beschäftigt damit Chambers verbal zu demütigen.“

„Und es schlimmer zu machen?“, fragte Lily. „War das Absicht?“

Regulus wusste, worauf sie hinauswollte, das konnte sie an seinem Blick erkennen. „Sowas passiert beim Quidditch, Lily. Es ist nicht einmal was gebrochen, was auch nichts Besonderes gewesen wäre.“

„Für mich wäre es etwas Besonderes“, sagte Lily entschieden.

Regulus‘ Mundwinkel zuckten. „Wenigstens führst du dich nicht auf wie Sirius, wenn Potter sich einen Fingernagel abbricht.“

„Hey“, empörte Sirius sich, als Lily gluckste. Regulus hatte Blick für ihn übrig, der deutlich machte, wie sehr er diese Retourkutsche genoss.

„Regulus, hast du einen Moment?“

Als er sofort nickte, hakte Lily sich bei ihm unter und zog ihn auf den Korridor hinaus. Ihre Stimmen schienen in der grotesken Stille hier umso lauter.

„Ich hab mit James gesprochen. Er schien nicht besonders überrascht.“

„Vielleicht weiß er selbst, dass er eine Ratte zum Freund hat“, sagte Regulus. „Oder derjenige hat gebeichtet.“

„Nein, er vertraut ihnen allen.“

„Was dumm ist. Gegen Stupidität kann man nichts tun.“

Lily hob die Augenbrauen. „Ich würde wissen wollen, wer meine Geheimnisse ausplaudert. Es war dumm zu glauben, dass Severus sich zurückhalten würde, weil wir einmal Freunde waren. Und deswegen war es umso schlimmer, als er ausgerechnet einem widerlichen Bastard wie Mulciber von uns erzählt hat. Von der Sache mit dem Schlamm will ich gar nicht anfangen.“

Regulus senkte den Blick. Sein geschwollenes Auge sah halb geschlossen noch schmerzhafter auf. „Es tut mir leid.“

Lily runzelte die Stirn. „Was?“

Er schloss die Augen ganz und bereute das, als der Schmerz sein Gesicht verzog. Regulus schaute sie verlegen an. „Heute Morgen. Ich war ein widerlicher Bastard, und das verdienst –“

Lily presste ihm einen Finger auf die Lippen und lächelte. „Mir tut es leid. Ich wollte zu viel.“ Sie strich ihm über die Wange, wo sie die Schwellung seines Auges heiß pulsieren fühlte. Es war ein zu großer Zufall, dass ihm das keine vierundzwanzig Stunden nach dem Schlamm passierte, egal was Regulus sich einredete. Oder was er versuchte ihr einzureden. Vielleicht beide. Er war ihr heute Mittag auf den Ländereien nicht umsonst ausgewichen.

„Ich werde nicht wieder so mit dir reden“, sagte Regulus. „Egal, ob sie mich einen Blutsverräter oder sonst was nennen.“

Lily lächelte gerührt und beugte sich vor, aber Regulus wich ihren Lippen aus.

„Ich hatte den Mund voller Blut, das willst du nicht mitbekommen“, murmelte er.

Lily schob eine Hand in seinen Nacken und zog ihn gegen ihre Lippen, küsste ihn sanft, um ihm auf keinen Fall wehzutun. Sie schmeckte den bleiernen Nachgeschmack von Blut auf seinen Lippen. Ein Geschmack, der auf ihren Lippen hängenblieb, als sie sich löste.

Regulus schaute sich nicht um, als würde in ihm irgendeine Panik brodeln, dass sie jemand zusammengesehen haben könnte. „Sehen wir uns morgen?“, fragte er. „Da ist dieser eine Trank, den ich nicht hinbekomme.“

„Ich wollte dir auch noch den Patronuszauber zeigen.“ Lily lächelte ihn an und ließ Regulus nur sehr ungerne gehen. Er winkte Sirius, der noch draußen auf dem Balkon stand, und ging den Korridor herunter, schaute sich kurz vor der Ecke noch einmal nach ihr um. Lily hob die Hand und Regulus verschwand.

Sie schaute zurück auf den Balkon, wo Sirius sich auf dem Geländer abgestützt hatte und sich das Haar vom Wind durcheinanderbringen ließ. Lily trat hinaus und an seine Seite.

„Ich wollte Remus besuchen gehen. Willst du mitkommen?“

Sirius schüttelte sachte den Kopf. „Er hat Besuch verdient, der ihn aufheitern kann.“

Lily musterte ihn von der Seite. Er schaute nachdenklich in Richtung Quidditch-Stadion, dessen Türme sich hinter den verschneiten Baumwipfeln in den Himmel streckten, und drehte dabei abwesend den klobigen Siegelring an seinem Finger. Das Silber saß so eng, dass es rote Striemen hinterlassen hatte.

„Alles in Ordnung bei dir, Sirius?“, fragte Lily.

Sirius gluckste mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung, als hätte sie ihn gerade gefragt, ob er mit ihr eine Runde durch den eiskalten See schwimmen wollte. „Mir geht’s immer gut, Lily.“

Sie hatte keine Schwierigkeiten ihm das nicht zu glauben, und sein Grinsen bestärkte sie merkwürdigerweise nur darin. Er schaute sie auch immer noch nicht direkt an.

„Hab ich was falsch gemacht?“, fragte sie.

Sirius‘ Blick huschte zu ihr und schnell wieder nach vorne. „Was meinst du?“

„Du siehst mir nicht in die Augen. Ein bisschen wie in der fünften Klasse, als du ins Vertrauensschülerbad geplatzt bist – wo du definitiv nicht reingehört hast.“

Sirius drehte sich zu ihr, lehnte sich seitlich gegen das Geländer und starrte ihr ohne zu blinzeln in die Augen. Das Grau seiner Iris wurde glasig. „Besser?“

„Unheimlich“, sagte Lily.

Sirius blinzelte gegen das offensichtliche Brennen in seinen Augen an. „Du zerquetschst gerne Hunde, nicht wahr?“

„Ich mag Hunde“, sagte Lily verwirrt. „Ich hab auch nichts gegen Katzen.“

Sirius winkte ab. „Alles in Ordnung, Lily. Ernsthaft.“

Lily seufzte einlenkend, zögerte aber zu gehen. „Hat James dir von Mulciber erzählt?“

„Ich hab es ihm gesagt“, antwortete Sirius und schien sich über ihre großen Augen prima zu amüsieren. „Ich war da und hab alles gehört.“

„Wo?“

„In meinem Geheimversteck, von dem aus ich versuche die Weltherrschaft an mich zu reißen.“

Lily zog eine Augenbraue hoch.

„Du hast mir gesagt, dass Mulciber und Wilkes sich an Regulus‘ Tasche vergriffen haben, erinnerst du dich? Ich wollte herausfinden, ob und wenn was sie vorhaben, also hab ich ihnen ein bisschen hinterhergeschnüffelt in letzter Zeit.“ Er senkte die Stimme. „Du wirst mich doch nicht verpetzen, oder? Eine Strafarbeit reicht mir – und es gibt nichts Schlimmeres als zu unterrichten.“ Er schüttelte sich wie ein nasser Hund. „Das einzig Gute daran wäre das Ego kleiner, versnobter Slytherins zu stutzen.“

„Sirius.“ Lily umfasste sein Handgelenk, worauf er sie endlich ein wenig ernster anschaute. „Glaubst du, das mit dem Klatscher war Absicht? Tun sie ihm meinetwegen weh?“

„Es war ein Unfall. Das passiert beim Quidditch. Aber in Hogwarts ist seit letztem Jahrhundert keiner mehr draufgegangen, also… Hey.“ Sirius tippte Lilys Kinn nach oben, als sie den Kopf hängenließ. „Sie tun ihm nichts wegen dir an, sondern weil sie Idioten sind.“

Lily dachte an den gedemütigten Anblick von Regulus in der Dusche, zusammengesunken in ein Häufchen Elend unter einer dicken Schicht Schlamm. Sie sah das Veilchen tiefer und dunkler, als es gewesen war, vor sich. All das würde ihm nicht passieren, wenn sie ihn in Ruhe lassen würde.

„Vielleicht ist es besser, wenn ich sein Geheimnis bleibe“, hörte sie sich selbst sagen, leise und in einer Stimme, die sich ganz fremd anhörte. „Oder ganz verschwinde…“

„Hey.“ Sirius hielt ihr warnend den Zeigefinger unter die Nase. „Das darfst du nicht einmal denken. Es ist nicht ehrenhaft jemandem wehzutun, nur weil man vielleicht nicht gut für ihn ist. Und ich muss dir nicht sagen, dass Regulus verletzt wäre, wenn du ihn nicht mehr sehen wollen würdest.“

Lily nahm sich selbst in den Arm, als der Wind ihr eisig unter die Roben kroch. „Die ganze Zeit denke ich, dass Lord Voldemort ein Fehler für ihn wäre. Aber was, wenn ich der Fehler bin?“

Sirius zögerte und legte ihr dann einen Arm um die Schulter, rieb etwas Wärme unter ihre Haut. „Er ist im perfekten Alter um Fehler zu machen, Lily. Ich hatte nie ein besseres Jahr.“

Sie lächelte ihn an. „Es gefällt mir nicht, so unsicher zu sein. Aber ich will ihn nicht verlieren, wirklich.“

Sirius atmete tief durch und stieß dabei eine Atemwolke in die Kälte. „Ich hasse Geheimnisse. Sie machen alles nur grässlich kompliziert“, murmelte er. „Weißt du, Blumen können auch nicht im Keller blühen.“

Lily lachte heiser auf. „Die Dichter sollten sich von dir inspirieren lassen, Sirius“, scherzte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Bis später.“

Sirius winkte ihr mit einer kleinen Laolawelle seiner Finger, bevor er sich wieder über das Geländer lehnte und in den gräulichen Nachmittagshimmel schaute.

Lily holte endlich ihren Besuch bei Remus nach. Madam Pomfrey saß in ihrem Büro und nickte ihr nur kurz zu, als sie hereinkam. Alle Betten bis auf eines waren frei. Sie fand Remus in einem Bett ganz hinten gegenüber der Fensterwand, aus der er schauen konnte. Sein Stammplatz, und so oft, wie er sich hier wiederfand, konnte man es ihm nicht verübeln.

Er lag zusammengerollt unter der Decke, fast so weiß wie die Laken selbst. Lily setzte sich auf den Stuhl an der Bettkante. Zwei wache Augen schauten zwischen Kissen und Decken zu ihr hoch.

„Wie geht’s dir?“, fragte Lily sanft.

Remus kroch unter der Decke hervor und wollte sich aufsetzen, aber Lily schüttelte den Kopf. Er blieb liegen und lächelte sie matt an. „Eine doofe Erkältung“, krächzte er. Eine Ausrede, die er bei den Überresten seiner Stimme gut verwenden konnte. „Morgen bin ich wieder auf dem Damm.“

„Das hört man gerne“, sagte Lily und schaute sich um. Sie wusste, wo Sirius und James sich aufhielten, aber Peter konnte sie nirgendwo entdecken. „War Peter schon hier?“

Remus schüttelte den Kopf, was sie doch sehr verwirrt zurückließ. „Ist schon gut. Sie waren alle heute Morgen hier, als ich aufgewacht bin. Ganz davon abgesehen… na ja. Ich kann sie nicht die ganze Zeit beanspruchen. Sie tun schon so viel für mich.“

„Dafür sind Freunde da. Auch dazu, dir die Hausaufgaben vorbeizubringen.“ Lily kramte eben diese aus ihrer Tasche und platzierte Pergamentrolle um Pergamentrolle auf Remus‘ Nachttischchen.

„Ich bin sehr froh, dass ich sie habe“, brachte Remus heiser hervor. „Früher hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals solche Freunde finden könnte.“

Lily lächelte und griff Remus‘ Hand, die zitternd auf der Matratze lag. Sein Gesicht bekam ein wenig verlegene Farbe.

„Ich klinge wie ein alter, sentimentaler Mann auf dem Sterbebett.“

Lily schüttelte den Kopf. Sie dachte an das, was Mulciber gesagt hatte, dass er Dumbledores Geheimnis von einem von Potters Freunden hatte, und sie hatte keine Probleme Remus davon ohne zu zögern auszuschließen. Sie konnte verstehen, dass James solchen Freunden blind vertraute.

„Sirius ist draußen auf dem Korridor“, sagte sie. „Er findet, du brauchst bessere Gesellschaft als ihn.“

Remus verdrehte die dunkel umrandeten Augen. „Hoffen wir, dass er nicht zu deprimiert ist. Er macht die dämlichsten Dinge, wenn er Probleme hat.“

Lily legte den Kopf schief, aber Remus schüttelte abwehrend den Kopf.

„Muss ich das wirklich erläutern? Er und James haben eine eigene Schublade bei Mr. Filch“, sagte er.

Lily wusste, dass Sirius und James meistens für einen sehr schlechten Humor bestraft worden waren, aber sie konnte sich nicht einmal dazu bringen darüber nachzudenken, dass Sirius James‘ Geheimnisse ausplaudern würde. Es war nicht großartig übertrieben zu sagen, dass er für James vor den Hogwarts-Express springen würde, selbst wenn es ihm bloß ein Lachen einbringen sollte. Aber wenn sie so an ihn dachte, merkwürdig alleine in der Kälte mit diesem Blick in die Ferne… etwas stimmte nicht mit ihm. Auch wenn es nichts mit Mulciber zu tun hatte.

„Alles gut bei dir, Lily?“, fragte Remus heiser.

„Ich liege nicht im Krankenflügel“, sagte sie.

Remus lachte und gähnte gleichzeitig, entschuldigte sich gleich darauf.

„Vielleicht sollte ich dich lieber schlafen lassen“, sagte Lily und tätschelte seine Hand zum Abschied. „Ruh dich gut aus, ja?“

„Danke, dass du gekommen bist“, sagte Remus und verschwand zurück unter seine Decke, als müsste er sich vor der Welt verstecken. Lily zog sie von seinem Gesicht herunter, weil er das nicht musste, und wandte sich zum Gehen.

Sie schrak zusammen, als eine Gestalt starr im Türbogen stand. Peter hielt einen Stapel Bücher umklammert.

„Da bist du ja“, sagte Lily und blieb kurz bei ihm stehen. „Ich hab mich schon gewundert, wo du steckst.“

„Ich bin kein Heiler“, murrte Peter grimmig. „Es ist nicht mein Job auf ihn aufzupassen.“

„So hab ich das auch nicht gemeint“, gab Lily verwundert zurück.

Peter schaute auf seine Füße. „Sorry, ich hab nur… diese Bücher aus unserem Schlafsaal geholt. Ich hab sie fallenlassen und James geweckt. Er ist zum Abendessen, wenn du ihm Gesellschaft leisten willst.“

Lily betrachtete den großen Stapel Bücher, den er sechs Stockwerke balanciert hatte. „Soll ich dir helfen?“

Peter schüttelte den Kopf. „Ich krieg das schon hin.“

„Okay.“

„Ich weiß, es sieht aus, als wäre ich ein absoluter Idiot, aber ganz dämlich bin ich nicht.“

Lily seufzte. „Peter, wir haben alle mal einen nicht so guten Tag, aber auch die gehen vorbei. Die Welt geht nicht unter, weil deine Maus aus ihrer Box entkommen ist.“

Peter schaute sie aus seinen großen, wässrigen Augen an. „Ich bin gut in Verwandlungen“, sagte er. „Niemandem fällt sowas auf, weil niemand je so gut in etwas ist, wie James oder Sirius, aber ich kann es.“

„Ich weiß“, sagte Lily. „Du wärst auch nicht in ihrem Kurs, wenn Professor McGonagall dich für schlecht halten würde.“ Sie lächelte, und als Peter zurücklächelte, hatte sie vor Augen, wie Mulcibers Gruppe von Slytherins sich auf der Großen Treppe um ihn scharrte.

Peter, der sich offensichtlich nicht wohl in James‘ Schatten fühlte. Es schien so offensichtlich.

Lily hastete aus dem Krankenflügel und versuchte nicht sich auf die erstbesten Schlussfolgerungen zu stürzen. Sie sollte James fragen, auch wenn er nichts davon glauben wollte.

Lily lief mit rasenden Gedanken durch den Korridor, als eine Tür aufsprang. Das Holz schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht. Blut füllte ihren Mund. Der bleierne Geschmack tausendmal so stark, wie auf Regulus‘ Lippen. Sie stolperte nach hinten und hielt sich gerade noch an einer Statue fest.

Lily presste eine Hand gegen ihren Mund und stöhnte. Der Schmerz pochte hart in ihren Zähnen und Lippen. Als er verklang und sie aufschaute, war die Tür geschlossen.

Hogwarts hatte die merkwürdigsten Türen. Manche öffneten sich nur an bestimmten Tagen, eine sehr fiese im Nordturm gab ihre Abkürzung nur am Montag frei, manche taten nur so, als wären sie Türen, während andere sich nur öffneten, wenn man höflich darum bat oder sie an der richtigen Stelle kitzelte. Aber in sieben Jahren an dieser Schule hatte noch keine ihr ins Gesicht geschlagen.

Lily hörte Schritte hinter sich, aber wieder drehte sie sich um und sah niemanden. Zum Glück. Sie wollte dieses Missgeschick lieber für sich behalten.

Lily wischte das Blut mit einem Taschentuch von ihrer Lippe und ging weiter. Kurz vor der Großen Treppe schaute sie über die Schulter und sah einen Schatten durch den Korridor huschen. Er verschwand hinter der Ecke, ehe sie mehr erkennen konnte.

Sie schüttelte den Kopf und setzte ihren Weg fort. Geister, Poltergeister, ausgebüchste magische Tierwesen; Hogwarts‘ Korridore steckten am Ende eines langen Tages voller Überraschungen.

Aus dem ersten Stock führte eine kurze Treppe hinunter in die Eingangshalle, wo sich schon mindestens zwei Dutzend Schüler tummelten und auf das Abendessen warteten. Sie sah Regulus auf der anderen Seite bei den Toren zu den Ländereien stehen. Chambers versuchte anscheinend sein Veilchen anzufassen.

Lily schaute ihn vielleicht einen Moment zu lange an, denn ihr erster Schritt landete im Nichts. Sie fing sich am Treppengeländer und vermied einen großen Stolperer. Es fühlte sich wie ein Stolperfluch an. Lily blickte über das Geländer, suchte gezielt nach gezückten Zauberstäben in einer Gruppe von Drittklässlern, als etwas ihren Fuß nach hinten wegriss.

Lily knallte ungebremst auf die Stufen. Ihre Stirn schlug hart gegen die Steinkante, rote und schwarze Flecken fluteten ihre Sicht. Sie bekam nichts zu fassen. Die nächste Stufe versuchte sie aufzufangen, nur um sie auf die nächste zu schmeißen, und weiter runter. Sie hörte dumpfe, entsetzte Schreie in ihrem Kopf. Mit einem brutalen Schlag landete sie auf dem Hallenboden und blieb liegen.

Als sie die Augen öffnete, blieb es dunkel. Schritte kamen näher. Schnelle, hastige Schritte. Sie hatte genug von paranoiden Geräuschen in ihrem Kopf. Lily riss die Augen auf und endlich sah sie verschwommene Umrisse. Ein schwarzer Haarschopf schob sich zwischen dem Chaos aus Flecken in ihr Blickfeld.

Mit der Sicht kam auch der Schmerz. Er bohrte sich in ihre Knie, Hände und am schlimmsten in den Kopf. Lily schmeckte das Blut nicht nur, sie sah es rot an ihrem rechten Auge.

„Lily? Lily, kannst du mich hören?“ Die scharfe Stimme grub sich mit dem Schmerz in ihren Schädel. Lily suchte nach der Quelle und fand eisgraue Augen, entsetzt aufgerissen. Eine zitternde Hand legte sich auf ihre Wange. Sie versuchte Regulus anzulächeln.

„Gib ihr etwas Luft, Black.“ Da war ein anderer Haarschopf, den sie erst jetzt bemerkte. Wirr und durcheinander, wie das Chaos der Umgebung. Jemand half ihr sich aufzusetzen. James schaute sie an, aber er sah aus, als würde sie ihn durch das falsche Ende eines Fernglases ansehen. „Lily, was ist passiert?“

„Ich… bin gefallen“, sagte Lily. Das war offensichtlich. „Dummes Missgeschick. Ich bin gestolpert.“ Sie versuchte die Füße aufzusetzen, als der Schmerz wie ein Tier mit Reißzähnen in ihren Knöchel biss. Lily sackte stöhnend zurück auf den Boden.

„Ist schon gut“, sagte Regulus. „Ich bring dich in den Krankenflügel.“

„Ich mach schon“, raunte James ihm zu. „Kannst du Professor McGonagall Bescheid sagen?“

„Aber –“

Lily ließ Regulus‘ Hand los und schob sie weg, als die Finger erneut nach ihr greifen wollten. „Ist schon gut. Mir geht’s gut.“

„Du kannst später nach ihr sehen, wenn du musst“, flüsterte James Regulus zu, und im nächsten Moment verschwand der Boden unter Lily erneut, als James sie mit einem sanften Ruck hochhob. „Ich hab dich, Lily. Würdet ihr euch bitte alle um euren eigenen Scheiß kümmern? Black, kümmer dich um die da, ich hab sie lachen sehen.“

Lily ließ ihren schweren Kopf gegen James‘ Schulter sacken. Wie aus weiter Ferne konnte sie Regulus‘ Stimme hören, die durch die Stille der Halle schnitt.


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