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Fanfiction

Mud and Blood - Unter Druck

von Dr. S

Bis zum ersten Schultag im neuen Jahr sah Lily nichts oder zumindest nicht viel von Regulus. Sie erhaschte einen Blick auf ihn am Bahnhof und in der Großen Halle beim Abendessen und Frühstück am nächsten Tag, aber es ergab sich kein noch so kleiner Moment, indem sie mehr als einander ansehen würden, und auch die schienen zu kurz.

Der Unterricht versuchte danach ihr dazwischen zu kommen. Professor McGonagall wies sie noch einmal daraufhin, dass sie nach dieser kleinen, hoffentlich besinnlichen Weihnachtspause einen Endspurt zu ihren UTZen hinlegen mussten. Keiner sah besonders begeistert aus, als sie sofort mit Desillusionierungszaubern einstiegen, und am Ende der Doppelstunde gab es keine Spur von Remus, und Peter war mit den Nerven am Ende, weil er glaubte, ihn wirklich auf Nimmerwiedersehen verschwunden haben zu lassen. Tatsächlich fanden sie Remus schlafend auf seinem Pult wieder, worüber zumindest James und Sirius laut lachen konnten und Professor McGonagall den Kopf schüttelte, ihn aber nicht rügte. Der bevorstehende Vollmond laugte ihn jetzt schon aus.

Geschichte der Zauberei erschlug sie mit der Monotonie, die Professor Binns für seine Vorträge gebrauchte, und erst Zaubertränke weckte sie wieder auf. Eingehüllt in bunte Rauchschwaden und intensive Düfte frisch zerhackter Zutaten; so fühlte sie sich immer noch am wohlsten. Es hatte ihr gefehlt, wie die Atmosphäre des Klassenzimmers ihr dabei half sich auf nichts als den Trank in ihrem Kessel zu konzentrieren.

Nach der Stunde hielt Professor Slughorn sie zurück: „Auf ein Wort, Lily?“

Seinem Gesichtsausdruck nach wollte er sie alleine sprechen. Lily klopfte Dorcas auf die Schulter, die im Türrahmen auf sie gewartet hatte, und schickte sie James und Sirius hinterher. Professor Slughorn winkte sie zu sich an sein Pult.

„Wie kann ich helfen, Sir?“, fragte Lily.

Professor Slughorn ordnete die Phiolen mit blutbildendem Trank, den sie heute als einfachen Einstieg zusammengebraut hatten. Mit ihrem musste eigentlich alles in Ordnung sein, aber so wie Professor Slughorn ihre Phiole betrachtete, beschlich sie ein ungutes Gefühl.

„Ich habe es mit dem Honigwasser vielleicht ein wenig übertrieben“, sagte sie.

Professor Slughorn schüttelte amüsiert den Kopf und stellte ihre Phiole ab. „Nein, ganz und gar nicht. Ihre Arbeit ist Ihrem Standard entsprechend exzellent.“

„Das bedeutet wohl, dass ich keine guten Aussichten darauf habe ein ‚Erwartungen übertroffen‘ zu bekommen“, scherzte sie.

Professor Slughorn gluckste zufrieden. „Ich wollte mit Ihnen über Regulus Black sprechen.“

Lily hob überrascht die Augenbrauen.

„Ihre kleinen Nachhilfestündchen haben wunderbare Früchte getragen, wirklich. Regulus scheint seinen Elan für Zaubertränke wahrhaftig wiedergefunden zu haben, und ich hatte bei Merlins Bart wirklich Sorgen. Wie haben Sie das nur hingekriegt, Lily?“

„Er brauchte nur einen Ansporn sich richtig zu konzentrieren.“

„In der Tat, in der Tat.“ Professor Slughorn beugte sich mit verschwörerischer Miene zu ihr. „Er ist immer sehr erpicht darauf Sie zu beeindrucken.“

Lily blinzelte verwundert. „Was?“

„Oh, Sie kennen ihn ja. Er ist sehr darauf bedacht sich nichts anmerken zu lassen, aber er hat mich immer subtil danach gefragt, ob Sie ihn wohl immer noch für einen großen Idioten halten. Meine Worte.“ Professor Slughorn zwinkerte ihr zu.

Lily schmunzelte verlegen. „Er kann sehr subtil sein, ja. Aber ich glaube, dass ich es gemerkt hätte, wenn er meinetwegen so hart gearbeitet hätte.“

Professor Slughorn räumte die Phiolen in eine Schublade seines Pults. „So oder so, er hat hart gearbeitet, weshalb ich diese kleinen Nachhilfestündchen nicht mehr für notwendig halte. Was meinen Sie, Lily?“

Sie brauchte einen Moment, um diese Worte überhaupt zu verarbeiten. Ihre Nachhilfestündchen mit Regulus hatte sie immer mehr als genossen, vielleicht ein wenig zu sehr, wenn sie an den Ernst der Lage für Regulus dachte. Besonders, wo sie jetzt ein reelles Bild seiner Eltern hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr diese Gelegenheit ihn ungestört für sich zu haben jetzt genommen werden sollte.

„Das kann ich nicht beurteilen, Sir. Es ist Regulus‘ Entscheidung, ob er noch Hilfe möchte oder nicht.“

„Ich dachte nur, dass es kein geringer Zeitaufwand für Sie ist“, sagte Professor Slughorn. „Das ist ihr Abschlussjahr, Lily. Sie sollten sich auf Ihre Noten konzentrieren. Mit denen müssen Sie immerhin für den Rest Ihres Lebens auskommen. Junge, gutaussehende Gentlemen, die ein hübsches Mädchen wie Sie anhimmeln, wird es dagegen noch viele geben.“

„Oh, es macht mir nichts aus“, sagte Lily. „Im Gegenteil sogar. Ich kann die Gelegenheit nutzen, um den alten Stoff zu wiederholen.“

Professor Slughorn schaute sie eher ungläubig an. „Sie und lernen für Zaubertränke? Das haben Sie doch nicht nötig, Lily.“

„Sie machen mich ganz verlegen, Professor“, sagte Lily amüsiert. „Wie wäre es, wenn ich mit Regulus rede und ihn frage, ob er meine Hilfe noch will?“

„Nun, gut. Mein Klassenzimmer steht Ihnen so oder so zur Verfügung, ob Sie üben oder experimentieren wollen“, sagte Professor Slughorn und begleitete sie zur Tür, die noch einen Spalt offen stand. Er schob sie für Lily ganz auf. „Sie müssen mir nur versprechen, dass ich der Erste bin, der davon erfährt, wenn Sie es schaffen den Stein der Weisen herzustellen.“

Lily gluckste. „Guten Tag, Professor.“ Sie schlüpfte hinaus in den Korridor, zog die Tür hinter sich zu und drehte sich in Richtung Treppen. Ihr Atem stockte, als sie nicht die Einzige hier war.

Dorcas lehnte an der Wand. „Regulus Black, hm?“

Lily schulterte ihre Tasche vernünftig und ging auf Dorcas zu. „Ich dachte, ich hätte dich vorgehen lassen?“

„Weil du mich James hinterher geschubst hast?“ Dorcas schüttelte den Kopf. „Nur, weil du das gerne versuchst, wird es nicht funktionieren.“

Lily fasste sie am Arm und zog sie mit sich in Richtung der Treppen. „Also hast du die Gelegenheit genutzt um zu lauschen?“

„Sei froh, dass ich nicht Mary bin, sonst wüsste bereits die ganze Schule, dass du Regulus Black Nachhilfe in Zaubertränke gibst“, sagte Dorcas. „Das erklärt zumindest, wohin du die letzten Monate immer verschwunden bist. Wieso hast du uns das nicht gesagt?“

„Er hat mich darum gebeten es für mich zu behalten.“

„Das hört sich an, als wäre er genauso stolz, wie er immer aussieht“, sagte Dorcas belustigt.

Lily stupste ihr leicht zwischen die Rippen. „Würdest du das bitte für dich behalten?“

„Lily, es ist schier unmöglich in Hogwarts ein Geheimnis zu bewahren. Gut gehütet bedeutet hier, dass nur die halbe Schülerschaft es weiß. Und ich will dich nicht enttäuschen, aber es gibt mehr als ein Gerücht über dich und Sirius‘ Bruder. Oder Sirius. Oder James. Ich könnte noch ein paar Namen drauflegen, aber die finde ich doch sehr unwahrscheinlich.“

„Du findest Sirius wahrscheinlich?“, fragte Lily halb lachend.

Dorcas zog die Augenbrauen hoch. „Nicht wirklich, aber es ist interessant zu hören, dass er der Einzige der drei Optionen ist, den du für unwahrscheinlich hältst.“

Lily seufzte. „Du klingst so vorwurfsvoll, Dorcas. Ich habe nichts gegen Sirius, du hast mit ihm Schluss gemacht.“

„Ich hab nicht mit ihm Schluss gemacht, weil ich ihn nicht mehr mögen würde“, erwiderte Dorcas, was Lily wie jedes Mal mit einem Stirnrunzeln beantwortete. „Liebe ist eine komplizierte Sache. Manchmal geht man ihr lieber aus dem Weg, als den Status Quo zu gefährden.“

Das ließ sie die Stirn nur tiefer runzeln. Lily bezweifelte jedes Mal wieder, dass Dorcas von sich und Sirius sprach. Dafür hatte das zwischen ihnen nicht lang genug gehalten. Nicht einmal lang genug für Verbitterung von einer Seite aus.

Eine Horde Erstklässler aus Slytherin kam ihnen am Treppenausgang entgegen, quetschte sich an ihnen vorbei und stieß sie halb in die Eingangshalle hinaus. Die Weihnachtsdekoration hatte man abgenommen, die Rüstungen sangen nicht mehr und alles schien wie eh und je. Die Tore zur Großen Halle standen weit offen und man hörte das Gelächter von einigen Schülern, die ihre Freistunden dort verbracht hatten, nach außen dringen.

„Also…“ Dorcas löste sich aus ihrem Griff und machte einen Schritt direkt in ihren Weg, zwang sie stehenzubleiben. Ihr forschender Blick bohrte sich in Lily. „Du und Regulus Black, ist das mehr als Nachhilfe?“

„Dorcas.“ Lily blickte nach rechts und links die Große Treppe nach oben. Schüler strömten aus allen Richtungen in ihre und sie wollte die Gerüchte lieber erstmal Gerüchte bleiben lassen. Sie senkte die Stimme. „Seit wann interessierst du dich für sowas wie Klatsch?“

„Die Welt ist düster genug im Moment, da kann man’s mal ausprobieren, oder?“ Dorcas lächelte sie an. „War es seine Schuld, dass du nach Sluggys Party so gestrahlt hast?“

Lily konnte sich nicht einmal beim Gedanken daran das Lächeln verkneifen. „Kannst du was für dich behalten?“, fragte sie leise.

„Ich bin deine Kammer des Schreckens“, murmelte Dorcas.

„Ich mag ihn. Ich mag ihn wirklich sehr“, sagte Lily im Flüsterton, als traute sie sich nicht ganz das wirklich auszusprechen. „Und die Kammer des Schreckens ist alles aber kein Geheimnis.“

Dorcas strich ihr schmunzelnd über den Arm. „Wie ernst ist es? Ich meine, habt ihr euch schon geküsst oder… du weißt schon…“

Lily räusperte sich. „Ernst genug, dass ich ihn meinen Freund nennen darf, glaube ich.“

Dorcas machte große Augen, blieb aber nur einen Moment geschockt, dann umarmte sie Lily fest. „Glückwunsch. Er sieht definitiv gut aus…“

Lily gluckste und zog den Gurt ihrer Tasche zurecht, der nach Dorcas Umarmung den Halt verloren hatte und drohte herunterzurutschen. „Er hat auch andere Qualitäten.“

„Wieso hast du uns dann nicht schon von ihm erzählt?“

„Es ist ziemlich frisch. Ich dachte, wir kommen irgendwann zusammen die Treppe runter und alle denken sich ihren Teil“, sagte Lily, worüber Dorcas nur die Stirn runzelte.

„Macht das bald. Hogwarts könnte einen kleinen oder größeren Skandal gebrauchen bei der düsteren Stimmung in letzter Zeit.“

Lily legte verwirrt den Kopf schief. „Skandal? Ist das nicht ein wenig übertrieben.“

„Ziemlich übertrieben. Du weißt doch, wie diese Reinblut-Familien sind. Und die Blacks sind eine sehr alte, sehr traditionelle. Als Regulus‘ Cousine mit einem muggelstämmigen Jungen durchgebrannt ist, stand das sogar im Tagespropheten. Der Abstieg des fürnehmen Hauses Black“, zitierte sie extra dramatisch und zog mit der Hand eine Linie in die Luft, als könnten sie die Schlagzeile vor sich sehen. Lily konnte darüber nur die Augen verdrehen, was Dorcas mit ernster Miene quittierte. „Bist du dir sicher?“

„Weswegen?“

„Du machst gerne gute Miene zum bösen Spiel, Lily, aber das letzte Mal, als du dich auf einen Slytherin eingelassen hast, ist das nicht gut ausgegangen.“

„Falls du auf Severus anspielst, ich habe mich auf ihn eingelassen, als er noch kein Slytherin war“, sagte Lily ohne einen Hauch Emotion in der Stimme. Nicht einmal der Gedanke an Severus verdiente im Moment ein Wimpernzucken. „Und nicht alle Slytherins sind gleich…“

„Also bist du dir hundertprozentig sicher, dass er dir nicht nur vormacht, er würde es ernst meinen? Dass er dich nicht ausnutzt?“

Lily blinzelte schockiert und konnte nicht schnell genug den Kopf schütteln. „Weshalb sollte er das tun?“

„Um seine Noten in Zaubertränke zu verbessern?“, schlug Dorcas vor. „Oder… du weißt, was Jungs in seinem Alter im Kopf haben.“

Lily fand ihre Fassung wieder, schnaubte nur über so eine Unterstellung. „So ist er nicht, Dorcas. Du kennst ihn nicht.“

„Wen kennst du nicht, Dorcas?“ Mary stellte sich neben sie, lächelte unschuldig von Dorcas zu Lily. Sie legte den Kopf schief, als niemand ihr sofort antwortete. „Ihr seht so verschwörerisch aus. Worüber redet ihr?“

„Nichts“, sagte Dorcas beiläufig.

Lily schickte ihr ein kleines, aber dankbares Lächeln. „Professor Slughorn und Zaubertränke, Mary, nichts, das dich interessiert.“

Mary schmollte leicht, wie sie es gerne tat, wenn sie glaubte ausgeschlossen zu werden. „Es ist der erste Schultag, da will niemand über den Unterricht reden. Was machen wir jetzt?“

„Ich hab Quidditchtraining“, sagte Dorcas und linste auf die offenstehenden Türen zu den Ländereien.

„Ich wollte in die Bibliothek“, sagte Lily. „Du kannst mich begleiten, wenn du willst.“

Mary seufzte. „Schlamm oder Staub, da geh ich lieber alleine in den Gemeinschaftsraum. Wir sehen uns beim Abendessen.“ Sie winkten Dorcas, die hinaus auf die verschneiten Ländereien bog, und stiegen gemeinsam die Treppen nach oben. Lily trennte sich im dritten Stock von Mary und ging in die Bibliothek.

Es war der erste Schultag und dementsprechend verlassen waren die Korridore zur Bibliothek, aber sie wusste, dass Regulus normalerweise seine Freistunde am Montag hier mit seinen Hausaufgaben verbrachte. Sie hoffte ihn dort zu treffen, damit sie darüber sprechen konnten, ob er ihre Hilfe für Zaubertränke noch wollte. Dafür hatte er sie definitiv nie ausgenutzt. Er hatte sie ja kaum an sich herangelassen.

In der Bibliothek herrschte der von Madam Pince präferierte Grad von Stille. Aus einem der Regalabteile drang ein leises Murmeln, das nur beim Näherkommen auffiel, und die Bibliothekarin nicht aufregte. Lily bewegte sich darauf zu, schaute auf ihrem Weg dorthin aber zwischen die anderen Regale, falls Regulus sich dort versteckte. Nervosität kribbelte in ihren Fingern. Es fühlte sich an, als hätte sie ihn eine halbe Ewigkeit nicht gesehen und sie konnte es kaum abwarten das zu ändern.

Lily lugte hinter das Bücherregal, das die Quelle des Murmelns verbarg. Regulus fand sie dort nicht, sondern Mulciber und Wilkes, die sich gemeinsam über den Tisch beugten. Sie wühlten in einer Tasche herum.

„Er trägt das sicher nicht mit sich rum“, murmelte Wilkes.

„Irgendwas wird er mit sich rumtragen. Ich weiß, dass er es getan hat“, zischte Mulciber zurück, die Hände tief in der Tasche vergraben. „Er muss etwas haben. Einen Hinweis, eine Notiz, irgendwas. Leute wie er schleppen immer irgendwelche Briefe mit sich rum.“

Lily erhaschte einen genaueren Blick auf die Tasche. Sie erkannte sie fast sofort. Es war Regulus‘.

„Und was willst du damit anfangen, wenn du was findest?“, fragte Wilkes.

„Das würde ich auch gerne wissen“, sagte Lily. Die beiden fuhren herum, Mulciber stieß die Tasche von sich weg und warf sie vom Tisch herunter. Sie landete mit einem Rumps von Büchern und Pergamenten auf dem Boden. Ein Tintenfass zerbrach.

„Was willst du hier?“, fuhr Mulciber sie an.

Lily verschränkte mit strengem Blick die Arme vor der Brust. „Entschuldige, aber ich bin nicht diejenige, die in der Tasche von jemand anderem herumwühlt.“

„Tue ich das?“, gab Mulciber hochmütig zurück.

„Ja, tust du.“ Regulus musste aus dem hinteren Teil der Bibliothek gekommen sein. Er blieb neben Mulciber und Wilkes stehen, analysierte ihre ertappten Gesichter genau, bevor er mit regungsloser Miene auf seine Tasche herunterblickte. Ein Tintenfleck zeichnete sich auf dem Leder ab.

Lily lächelte. In ihrem Magen flatterte die Wärme wie tausend Schmetterlinge auf einmal, und er hatte sie noch nicht einmal angesehen.

„Evans hat deine Tasche runtergeworfen, Black“, sagte Mulciber.

Lily verging schlagartig jeder Ansatz von Lächeln. „Wie bitte?“

„Hat sie das?“ Regulus blieb vollkommen ruhig, während Lily innerlich kochte. Er hob seine Tasche auf und schaute sich den größer werdenden Tintenfleck darauf an. „Hat sie meine Tasche zwischen euch durchgeworfen oder über eure Köpfe?“

Lily wusste diesen trockenen Humor zu schätzen. Vor allem, weil Mulcibers Gesicht davon vor Scham glühte.

„Mach mich nicht lächerlich, Black, wenn du derjenige bist, der sich von einem Schlammblut retten lässt.“

„Du machst dich selbst lächerlich, Mulciber.“

„Mehr als lächerlich“, fügte Lily hinzu. „Du sagst ‚Schlammblut‘ so oft, dass es seine Bedeutung verliert.“

„Red dir das ruhig ein, Evans. Du weißt, was du bist“, sagte Mulciber abfällig.

Lily schluckte leise und reckte vielleicht im falschen Moment das Kinn, um sich das nicht anmerken zu lassen, denn Mulciber fand sein Grinsen wieder. „Ich bin Schulsprecherin, falls du es schon wieder vergessen hast, und wenn du nicht noch Nachsitzen von vor den Ferien hättest, würde ich dir noch mehr geben.“

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie das kleine Zucken in Regulus‘ Mundwinkeln und vielleicht konnte sie Mulciber deswegen anlächeln, bis ihm der Spaß verging. Lily drehte ihm den Rücken zu, schenkte weder ihm noch Wilkes einen Knut an Aufmerksamkeit, als sie an Regulus‘ Seite trat. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Er schaute sie an und all die Erinnerungen an seinen Besuch in den Ferien, an seine Hände auf ihr, seine Lippen und Blicke, schienen zu greifbar für Erinnerungen.

„Regulus, ich wollte noch mit dir reden. Hast du einen Moment?“, fragte sie sanft.

Regulus drückte die Wirbelsäule durch, streckte sich in seine perfekte, gerade Haltung. „Was immer es ist, ich bin mir sicher, dass es warten kann, Evans. Oder finde einen anderen Vertrauensschüler dafür.“

Lily nahm ihre Hand langsam von seinem Arm. Jedes Wort der Verwirrung blieb in ihrer Kehle stecken, und Regulus ließ ihr keine Gelegenheit sich zu sammeln. Er schickte Wilkes und Mulciber einen scharfen Blick zu, schulterte seine Tasche und ging. Lily schaute ihm schockiert nach. Kaum war er verschwunden, lachten Mulciber und Wilkes los, ein fieses, leises Lachen, das Madam Pince nicht hörte und Lily nicht vergessen konnte.

„Das nenn ich abgeblitzt, Evans“, sagte Mulciber. Er hatte seine gute Laune wiedergefunden und grinste verabscheuungswürdig, als Lily ihn von oben herab anschaute. „Wenn er so den Held spielt, kann jemand wie du glatt vergessen, dass er weit unter Regulus Black steht, hm?“

Lily atmete tief durch um der Versuchung zu widerstehen Mulciber unter all den Bücherregalen hier zu begraben. „Was immer ihr da getrieben hat“, sagte sie warnend, „wenn ich euch noch einmal dabei erwische in den Sachen von jemand anderem herumzuspionieren, werdet ihr nicht mit Nachsitzen davonkommen.“

Alle beide verzerrten die Gesichter hasserfüllt, Mulciber sah sogar aus, als würde er ihr liebend gerne an die Gurgel gehen. Lily drehte ihnen den Rücken zu und ging, folgte Regulus aus der Bibliothek heraus. Im Korridor fand sie ihn allerdings nicht mehr und sie holte ihn auch nicht ein, als sie um die Ecke eilte.

Sie fühlte sich wie in eine Schlammpfütze gestoßen. Dass sie Dorcas gerade erst gesagt hatte, für wie ernst sie diese Sache hielt, kam ihr jetzt umso lächerlicher vor.

Lily ging den Gang entlang, den Blick auf den Boden gerichtet, und schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an. Er hatte sie wieder Evans genannt. Warum auch immer, aber das schlug ihr mehr auf den Magen, als so abgewiesen zu werden. Sie hatte ihn so oft ihren Nachnamen sagen hören, als er sie auf Abstand gehalten hatte, dass es sich jetzt wie eine Mauer anfühlte. Und sie wusste nicht, wann er angefangen hatte die zu bauen, ohne dass sie es mitgekriegt hatte. Sie rief sich ihre letzten Momente in Cokeworth in Erinnerung, versuchte den Augenblick festzulegen, indem irgendetwas schiefgegangen war. Sie hatte gedacht –

Jemand packte sie am Arm. Lily griff nach ihrem Zauberstab im selben Moment, indem sie zur Seite in ein leeres Klassenzimmer gezogen wurde, und rammte die Spitze gegen eine harte Brust. Regulus keuchte auf.

„Autsch“, sagte er ohne einen Hinweis von Schmerz in der Stimme. Er wich vor ihrem ausgestreckten Zauberstab zurück. „Ganz ruhig.“

Lily holte zittrig Luft und schlug ihren Zauberstab quer gegen Regulus‘ Brust. „Du hast mich erschreckt, Black.“

Regulus zog die Tür hinter ihr ins Schloss. „Black?“

Lily steckte ihren Stab weg und zuckte betont desinteressiert mit den Schultern. „Ich dachte, wir sind wieder bei Nachnamen.“

„Du denkst nicht wirklich, dass ich nach einer Woche deinen Namen vergessen habe?“

„Weniger als eine Woche“, sagte Lily kühl.

Regulus schnaubte, auch wenn es sich mehr nach einem Lachen anhörte. Er fuhr sich seufzend durch die Haare. Das grelle Sonnenlicht, doppelt so intensiv durch den weißen Schnee, fiel durch die hohen Fenster am Rücken des Klassenzimmers und verfing sich in seinen pechschwarzen Haaren, brachte ein seidiges Glänzen in sie. Er sah gut aus, manchmal erschrak sie wie gut. Vielleicht lag es am Licht, dass er noch immer sehr blass wirkte…

„Ich wollte dich nicht verärgern“, sagte er schließlich und schaute sie aus seinen messerscharfen grauen Augen an.

„Schon okay.“ Lily verschränkte die Arme vor der Brust, was Regulus keinesfalls entging und eine Sorgenfalte auf seiner Stirn hinterließ. „Was wollten die beiden mit deiner Tasche?“, fragte sie.

Regulus folgte ihrem Blick auf seine Tasche. Den Tintenfleck auf dem Leder schien er ohne Probleme weggezaubert zu haben. Er zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht. Ich bezweifel, dass es um meinen Aufsatz für Zauberkunst ging, der käme ein Jahr zu spät für sie.“

Lily lächelte den Hauch von Ärger weg, der sie ihren Abstand beibehalten ließ. „Ich hab gehört, wie er irgendeinen Hinweis suchen wollte. Einen Brief oder so etwas.“

Regulus stöhnte leise, aber frustriert auf, und als er sich schon wieder das Haar aus der Stirn kämmen wollte, hielt Lily seine Hand fest. Er pustete sich die Ponysträhnen aus den Augen. „Hört sich an, als würden sie einen verräterischen Liebesbrief oder etwas in der Art erwarten. Ich wäre nicht der Erste, den sowas in Schwierigkeiten bringt. Gut möglich, dass sie uns unser Geheimnis wegnehmen wollen.“

„Dann sollten wir ihnen zuvorkommen“, sagte Lily herausfordernd.

„Ohne Beweis wird niemand Mulciber ein Wort glauben. Dafür redet er in letzter zu viel Schwachsinn.“

Lily versuchte sich davon nicht angegriffen zu fühlen. Regulus klang müde, was ihr erst jetzt richtig aufzufallen schien, und er rieb sich fortwährend über sein Gesicht, als könnte er die Schatten unter seinen Augen so loswerden. Vielleicht hatte er zu viel um die Ohren und vielleicht war das ihre Schuld, aber sie fragte sich am meisten, wieso er ihr nicht sagte, was ihm anscheinend den Schlaf raubte.

„Willst du nicht einfach allen von uns erzählen?“, fragte Lily.

Regulus schaute sie perplex an.

„Es ist sowieso kein Geheimnis mehr. Sirius weiß es, Severus weiß es –“

„Aber Snape hat es noch niemandem erzählt“, unterbrach Regulus sie. „Im Moment ist es nicht mehr als ein Gerücht, dass mehr zwischen uns sein könnte, und das stammt von Mulciber.“ Er runzelte die Stirn, als würde er ihr ansehen, dass sie gerade daran dachte, wie sie dieses Gerücht bestätigt hatte. „Lily?“

„Ich… hab’s Dorcas erzählt“, sagte sie und wusste gar nicht, wieso sie sich plötzlich schlecht deswegen fühlte. Sie hatte keinen Fehler gemacht.

Regulus sagte nichts, schaute sie zwar an, aber irgendwie durch sie hindurch. Sein Blick huschte von rechts nach links, hatte denselben verfolgten Ausdruck wie an jenem Abend, als er sie zu Hause besucht hatte. Er fuhr sich erneut durch die Haare, was so gar nicht zu ihm passen wollte, und atmete zittrig ein.

„Du hast es einfach so der nächstbesten Person erzählt?“

„Sie ist meine Freundin, und es war nicht ganz allein meine Entscheidung. Du weißt selbst, dass es das ein oder andere Gerücht gibt und –“

„Gerücht. Ein Gerücht verschwindet wieder, wenn man es nicht anheizt, Lily.“

„Oh, und du möchtest, dass dieses Gerücht wieder verschwindet?“

„Versuchst du mich unbedingt falsch zu verstehen?“

„Nein, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wieso du dich so anstellst.“

„Dann hast du mir nie zugehört“, fuhr Regulus sie so scharf an, dass Lily zusammenzuckte. Sie hatte ihn selten so laut werden hören. Seine Stimme schien noch Sekunden später in dem leeren Klassenzimmer zu vibrieren. Er atmete tief durch und schaute beschämt zu Boden.

Sie schluckte. „Entschuldige“, sagte sie steif. „Ich dachte, du hättest es ernst gemeint, als du gesagt hast, dass du mit mir zusammen sein willst.“

Regulus blickte sie entsetzt an. „Ich meine es ernst.“

Lily hielt ihr Kinn umso höher, als ein unangenehmes Brennen in ihren Augen sie zum Blinzeln zwang. „Aber nicht ernst genug, um dich mit mir in der Öffentlichkeit blicken zu lassen?“

„Ich dachte, du könntest das verstehen.“

„Ich verstehe das sehr gut. Du schämst dich für mich“, sagte Lily hitziger, als sie geplant hatte. Sie hatte ein Temperament, und gerade wollte es mit ihr durchgehen, wie ein aufgeschrecktes Pferd. „Ich bin ein Schlammblut und bringe dir nichts als einen riesengroßen Skandal, nicht wahr?“

Regulus sah aus, als würde ihm Sand durch die Finger gleiten und er konnte nichts dagegen tun. „Nenn dich nicht so, bitte.“

„Wieso? Mulciber hat Recht. Ich weiß, was ich bin.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht brauchst du ein Memo.“

„Du bist kein Schlamm, und wenn du anfängst sowas über dich selbst zu sagen, ist es nicht mehr weit, bist du es wirklich glaubst.“ Er stoppte sich selbst, bevor er anfing die Ansichten der Gesellschaft zu kritisieren, und strich sich nervös den Pony aus der Stirn. „Hör zu, ich hatte nur gehofft, dass wir das hier noch eine Weile für uns behalten können. Bis es nicht mehr so frisch ist.“

Warum auch immer, aber das trieb ihr die Tränen erst recht in die Augen. Lily versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

„Was, wenn wir in zwei Wochen nicht mehr zusammen sein wollen?“ Das war wahrscheinlich das, was sie am Wenigsten hören wollte. „Ich weiß, dass du das genauso wenig hören willst, wie ich darüber nachdenken will, aber es könnte sein. Und was hätte ich dann? Kein zu Hause, keine Familie, kein Gold, nichts. Nicht einmal dich.“

Lily rieb sich in einer hoffentlich unauffälligen Handbewegung über das rechte Auge, demütigend brennende Auge. „Also gehst du davon aus, dass wir es nicht einmal zwei Wochen schaffen?“, fragte sie.

„Ich bin realistisch, also ziehe ich die Möglichkeit in Betracht“, sagte Regulus. „So bin ich eben.“

Lily gluckste unfreiwillig. Diese kalte, emotionslose Art, mit der er solche Dinge locker raushauen konnte, sollte sie abschrecken, tat aber das genaue Gegenteil. Es ließ sie ruhiger werden. Kühlte ihr aufgeheiztes Temperament ab, wie ein Eimer Wasser das Kaminfeuer löschte.

„Du weißt, dass ich bloß allen von dir erzählen will, damit sie davon genervt sind, wie glücklich du mich machst, oder?“, sagte sie.

Regulus sah gleichzeitig gerührt und skeptisch aus. „Im Moment mache ich dich nicht sehr glücklich.“

Lily öffnete die Verschränkung ihrer Arme und strich sich die Haare hinter die Ohren, schüttelte sachte den Kopf dabei. „Immer noch mehr als genug.“

Regulus schenkte ihr dafür ein kleines Lächeln, trat an sie heran und nahm ihre Hand. Er schien damit zu hadern etwas sagen zu wollen, dann beugte er sich vor, als würde er sie küssen wollen, und Lily drehte ihren Kopf zur Seite, sodass er nur ihre Wange erwischte. Sie lächelte ihn an, und obwohl sie nicht mehr glühte vor Ärger, fühlte es sich maskenhaft auf ihrem Gesicht an.

„Ich bin nicht dein kleines, schmutziges Geheimnis“, sagte sie in einem Tonfall, der an Professor McGonagalls strengste Nuance herankam. „Ich werde nicht ewig warten.“

„Ich verlange gar nicht, dass du ewig wartest“, sagte Regulus, und er hätte wahrscheinlich nichts richtiger machen können. Lily strich ihm über die Wange, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Lippen. Seine Arme wickelten sich um sie und zogen sie enger an ihn, bis der kleinste Funken Streit zwischen ihnen erstarb. Mehr als das hier hatte sie nicht von ihrem Wiedersehen mit Regulus gewollt. Eine Umarmung, einen Kuss; alles Dinge, die sie sowieso mit niemandem teilen wollte.

Der Kuss ließ sie atemlos zurück, als wäre sie gerade die Große Treppe nach oben gespurtet. Sie blieb eng bei Regulus stehen, halb in seiner Umarmung, und strich sein Haar für ihn aus seinem Gesicht. Diesmal blieb es liegen, wo es hingehörte.

„Meine Schwester weiß allerdings schon von dir“, sagte Lily. „Und sie hat mir angedroht, dass wir mit ihr und Vernon essen gehen sollen, vorausgesetzt er verlässt sie nicht, weil ich ein Freak bin.“

Regulus sah genauso wenig begeistert aus, wie sie selbst von diesem Gedanken war. Lily konnte sich nichts vorstellen, das weniger erfreulich war als sich über Besteck und Etikette beim Essen belehren zu lassen, und leider gehörte das zu Petunias Lieblingsbeschäftigung.

„Sie ist nicht besonders gut darin sich zu entschuldigen. Wenn es das denn gewesen sein sollte“, stellte er trocken fest. „Ich wollte dir keine Schwierigkeiten machen, als ich so unangekündigt vorbeigekommen bin.“

„Hast du nicht“, sagte Lily und lächelte Regulus unsicher an. Er machte noch immer einen leicht verfolgten Eindruck. „Apropos… Wie geht’s deinem Arm?“ Sie griff Regulus‘ linke Hand und zog sie zu sich, schob seinen Ärmel nach oben. Regulus riss sich los, als hätte er sich an ihren Fingerspitzen verbrannt. Lily stand mit leeren Händen da und sah perplex zu, wie er von ihr wegtrat.

„Alles gut“, sagte er und krempelte seinen Ärmel wieder ordentlich herunter. „Ich… würde nur lieber nicht mehr daran erinnert werden, dass du mich wie einen Schwächling in dein Zimmer tragen musstest.“

Lily lehnte sich vor, fasste ihn diesmal an seinen Roben, um ihn wieder zu sich zu ziehen. „Ich denke gern an dich in meinem Zimmer zurück.“

Regulus lächelte, aber wirklich beruhigend war das nicht. Sie fragte sich, ob das Diptam zu spät gekommen war. Ob er Narben zurückbehalten hatte, die sichtbarer waren als von hinten mit einem schwarzmagischen Fluch attackiert worden zu sein. Das war unmöglich, immerhin hatte sie zugesehen, wie alles geheilt war, aber der Gedanke beschlich sie trotzdem. Irgendwann würde sie ganz in Ruhe nachsehen können.

„Vielleicht könntest du in den Osterferien noch einmal vorbeikommen?“ Sie fuhr langsam, fast genießerisch über Regulus‘ Brust, trat noch einen Schritt an ihn heran und schob die Hände unter seine Roben. Vielleicht verschwendete sie einen Moment zu viel daran sich genau das vorzustellen und zu bereuen, dass sie ihm nicht das eine gegeben hatte, das sie geben konnte, wenn sie nichts anderes hatte.

„Damit deine Schwester mich vergraulen kann?“, fragte Regulus.

Lily merkte, wie ihre Wangen glühend heiß wurden. „Ich hoffe nicht…“

„Wolltest du darüber mit mir reden?“

Lily versuchte ihre Verlegenheit wegzulächeln. „Nein. Professor Slughorn hat mich wegen unserer Nachhilfe angesprochen. Er findet, dass du es nicht mehr nötig hast, aber ich wollte dich lieber selbst noch einmal fragen.“

„Denkst du, dass ich es noch nötig habe?“

„Oh, bitte…“ Lily klammerte sich unter Regulus‘ Roben an seinen Rücken, nichts als den Stoff seines Pullovers unter ihren Fingern. „Du hörst dich wie Professor Slughorn an. Er denkt, du würdest dich meinetwegen so anstrengen. Um mich zu beeindrucken.“

„Und du denkst, dass kein Knut Wahrheit da drin steckt?“

Lily zuckte mit den Schultern. „Tut es denn?“

„Zumindest bin ich froh, dass du mich nicht mehr für einen inkompetenten Dummkopf hältst.“

Halb glucksend, halb schnaubend gab Lily ihm einen Klaps gegen die Rippen. „Du bist weder inkompetent, noch dumm. Du hattest nur eine schwierige Zeit.“ Die hatte er vielleicht immer noch, aber Lily wollte daran glauben, dass es ein wenig einfacher geworden war – auch wenn sie vielleicht eher für das Gegenteil gesorgt hatte.

„Dann bist du der Meinung, dass ich deine Hilfe in Zaubertränke nicht mehr brauche?“, fragte er, und im Gegensatz zu all seinen anderen Fragen davor hörte diese hier sich kein Stückchen stichelnd an.

„Wie ich Professor Slughorn auch schon gesagt habe, ist das deine Entscheidung, Regulus. Wenn du mich fragst, würde ich gerne weiterhin meine Nachmittage mit dir über einem Kessel verbringen.“

Er hob die Augenbrauen, als würde ihn diese Aussage überraschen. „Wir könnten die Zeit auch anders als über einem Kessel verbringen.“

„Der Unterschied wäre nicht so groß, immerhin würden wir ungestört in einem Klassenzimmer sitzen“, sagte Lily. „Und du willst dich so oder so nicht mit mir sehen lassen.“

Regulus verlor den letzten Rest von amüsierter Provokation in den Mundwinkeln. „Das ist nicht wahr. Du weißt, dass das nicht wahr ist. Wäre es das, gäbe es keine Gerüchte.“

Lily wusste, dass er jedes Wort so meinte, und sie kam sich ein wenig schnippisch vor. Sie hatte Dorcas‘ Worte im Kopf, die Tatsache, dass er sie vielleicht nur ausnutzen wollte, und auch wenn sie wusste, dass das nicht stimmen konnte, hinterließ es einen bitteren Nachgeschmack. Sie wollte kein naives Dummchen sein, das ausgerechnet auf einen Slytherin hereinfiel, obwohl sie es aus Erfahrung besser wissen sollte.

„Lass es uns weiterhin machen“, sagte Regulus und stupste ihr Kinn nach oben, das ohne dass sie es gemerkt hatte nach unten gesunken war. Er lächelte sie halb an, einen einzigen Mundwinkel leicht angehoben, aber es brachte Lily ebenfalls zum Lächeln. Vielleicht auch unterstützt von der Tatsache, dass sie die Momente, auf die sie sich in den letzten Monaten am meisten in Hogwarts gefreut hatte, nicht verlieren würde. Sie liebte Zaubertränke und Regulus… unterstützte das nur noch. Vielleicht ahnte er das und wollte ihr einen Gefallen tun.

„Wir können es lockerer angehen“, sagte sie hastig, falls er schon anfing es zu bereuen. Er sah nicht danach aus. Sein Blick und der Hauch seines Lächelns hatten etwas ungemein eingenommenes.

„So oder so, ich freu mich“, sagte er. „Aber jetzt muss ich erstmal gehen. Avery wollte über die Taktik gegen Ravenclaw reden.“ Er beugte sich zu ihr und als sie sich ihm entgegendrehte, drückte er die Lippen auf ihre Wange. Seinem Blick nach war das die Rache für ihr Ausweichmanöver. Dafür schickte sie ihn mit einem härteren Schubs in Richtung Tür, lächelte aber.

„Ich warte einen Moment, falls jemand uns sonst zusammen sieht“, sagte sie.

Regulus zögerte, die Hand schob auf der Türklinke, und sah aus, als würde er sofort widersprechen wollen, überlegte es sich aber anders. „Ich weiß, dass du verärgert bist, aber ich wünschte, du wärst es nicht.“

„Ich auch“, sagte Lily.

Regulus kam zurück, umfasste ihr Gesicht und zog sie in einen Kuss. Ärger und jedes andere negative Gefühl war ganz weit weg, je näher seine Lippen waren. Sie lächelte ihm nach, als er sich löste und ihr dabei über die Wange strich. Diesmal ging er aber wirklich, schloss die Tür leise hinter sich und ließ sie alleine mit ihrem Seufzen zurück.

Lily setzte sich auf ein Pult in der Nähe und leckte den Geschmack von Regulus‘ Mund von ihren Lippen.

Sie dachte nach, machte ihre Hausaufgaben, alles ohne größeren Erfolg und verließ nicht viel später das Klassenzimmer, nachdem sie rund zwanzig Minuten planlos auf ihr Pergament gestarrt hatte. Ein paar herumstreunende Schüler kamen ihr aus der Bibliothek entgegen, bemerkten sie aber nicht. Lily achtete selbst nicht auf den Weg, schlurfte den Korridor entlang, als hätten die ZAG-Prüfungen sie ausgelaugt.

„Lily?“

Sie schaute auf. Sirius saß auf der Fensterbank und hüpfte herunter, direkt in ihren Weg. Sie zwang sich zu lächeln, aber obwohl sie es so meinte fühlte es sich maskenhaft an. Das Fenster hinter Sirius stand offen, gewährte den atemberaubenden Blick auf die Gewächshäuser, deren Glasdächer unter dem Schnee wie pure Eisgebilde der Schneekönigin aussahen. Die kalte Luft, die hereinkam, machte Sirius‘ Atem sichtbar.

Er sah anders aus. Irgendwie. Nicht so drastisch, dass irgendjemand sich wunderte, aber viele Kleinigkeiten. Er trug sein Haar kürzer, das in den letzten Monaten oft dazu tendiert hatte aus den Fugen zu geraten. Seine Schuluniform war knitterfrei und saß wieder verboten perfekt. Hemd, Krawatte; alles war ordentlich an Ort und Stelle, worum er sich sonst kaum im Unterricht bemühte. An seinem Ringfinger steckte ein Siegelring, der aussah, als würde er wehtun, wenn er während eines Wutausbruchs mit einem Gesicht aneinandergeriet.

Sirius grinste wie eh und je. Seine Augenbrauen machten einen lasziven Hüpfer. „Kommst du von meinem Brüderchen?“

Lily fühlte die Hitze in ihre Wangen schießen, die sich mit der kalten Luft von draußen biss. „Woher willst du das wissen?“

„Ich hab ihn vor zwanzig Minuten aus diesem Klassenzimmer kommen sehen“, sagte Sirius und deutete auf die Tür, die Lily gerade hinter sich gelassen hatte. „Danach kamst du. Ich hab dich aber nicht reingehen sehen und soweit ich weiß, führt kein Geheimgang in das Klassenzimmer, also musst du schon drin gewesen sein.“

„Das muss ein langweiliger Fall gewesen sein, Sherlock“, sagte Lily, bekam aber nur ein ahnungsloses Kopfschütteln serviert. Sie winkte ab. „Wie lange stehst du hier schon?“

„Eine dreiviertel Stunde“, sagte Sirius und kein Grinsen dieser Welt konnte vertuschen, dass er davon genervt war – es schien das sogar zu betonen. „Ich warte auf Peter. Eigentlich wollten wir uns hier treffen, um Verwandlungen abzuarbeiten, während James beim Quidditch ist und Remus sich auskuriert, aber er scheint was Besseres vorzuhaben.“

Lily schaute den Gang herunter, wo zwei Mädchen aus Ravenclaw tuschelnd in Sirius‘ Richtung schauten, was er nicht zu bemerken schien. Aber von Peter keine Spur.

„Das tut mir leid“, sagte sie und lehnte sich neben Sirius gegen die Fensterbank. „Wie waren deine Ferien?“

Sirius schaute sie an, als hätte sie versucht sich mit Stöckelschuhen an ihm vorbeizuschleichen. „Sie hatten durchaus ihre Vorzüge. Ich hab endlich wieder den Tagespropheten gebügelt bekommen. So liest er sich viel einfacher.“

„Schön“, sagte Lily, worüber Sirius nur gluckste. „Das muss nicht einfach für dich gewesen sein. Wieder nach Hause zu gehen, nachdem du so lange nicht da warst.“

Sirius zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, das ist es wert. Hier.“ Er zeigte ihr die Hand mit dem besetzten Ringfinger. „Ich bin jetzt verheiratet.“

Lily öffnete den Mund, aber kein Wort kam über ihre Lippen. Nicht einmal ein verwirrter Laut.

„Mit meinem Namen und Haus, bis das der Tod uns scheidet“, fuhr Sirius fort. „Mein Vater hat ihn mir gegeben. Das ist unser Familienwappen, siehst du?“ Er zeigte ihr das Siegel, gehalten von zwei Wildhunden. In den silbernen Ring waren die Worte Toujours Pur eingraviert. Lily kannte genug Französisch um das zu verstehen. „Scheidung ist keine Option, wenn ich den Finger behalten will“, sagte Sirius. „Er hat’s mich schwören lassen.“

„Schwören?“ Lily hielt es für unwahrscheinlich, dass das Sirius im Notfall aufhalten würde, aber das Grinsen auf seinem Gesicht bekam einen merklichen Knick. „Vielleicht kommt ihr jetzt besser miteinander aus.“

„Ich würde dagegen wetten. Ich bin immer noch ich, sie sind immer noch sie – und sie mögen nicht besonders viel.“

„Sie scheinen nicht besonders glücklich miteinander, da hast du Recht.“

„Oh, Lily. Unser eins ist niemals unglücklich verheiratet“, sagte Sirius mit einem Augenzwinkern.

Lily seufzte. Sie fühlte sich nicht wohl dabei. Am liebsten hätte sie sowohl Regulus als auch Sirius von ihren Eltern weggeholt, aber Familie war Familie. Blut war dicker als Wasser. Es bedeutete etwas, manchmal sogar sehr viel. Aber sie kam nicht darum herum sich klar zu machen, weshalb Sirius diesen Schritt zurück in sein verhasstes zu Hause getan hatte.

„Sirius…“ Sie musste nur die richtigen Worte finden es anzusprechen. „Das kam sehr überraschend, auch für James.“

Sirius schluckte kaum merklich. „Er war ziemlich sauer auf mich. Ziemlich.“

„Du hast es dir doch gut überlegt, oder?“

Sirius schaute sie an, als wäre er mit den Gedanken woanders gewesen. Wie auf Knopfdruck setzte er sein Grinsen auf. „Natürlich. Mach dir keinen Kopf, Lily.“

Lily kannte Sirius schon eine Weile und sie wusste, dass er sich eher selten irgendetwas gut überlegte. Und wenn er das hier getan hätte, wüsste James davon.

„Was ist mit dir?“, fragte Sirius. „Du siehst ein bisschen durch den Wind aus. Hat Reggie was ausgefressen?“

Sie war noch nicht darüber weg, was Regulus alles zu ihr gesagt hatte, und Sirius holte das gerade alles wieder hoch. Lily wollte den Kopf schütteln, weil Sirius genug eigene Probleme hatte und sie schon zu viel Raum dort eingenommen hatte, aber sie machte nur eine merkwürdige, zittrige Bewegung.

„Du solltest das nicht so laut sagen“, murmelte sie und schoss den kichernden Ravenclaw-Mädchen einen scharfen Blick zu, der sie verstummen ließ. „Jemand könnte dich hören.“

Sirius bemerkte noch immer nicht, was hinter ihm vorging. „Alles okay, Lily?“

„Ich…“ Sie atmete schwer aus, und vielleicht war es die kleine Sorgenfalte zwischen Sirius‘ Brauen, die sie einknicken ließ. „Ich weiß nicht. Ich fühl mich dumm und verwirrt und bin glücklich, weil ich ihn wiedersehen konnte, aber ich bin so sauer, weil er mich wohl am liebsten nicht gesehen hätte.“

„Was? Nah.“ Sirius schüttelte den Kopf. „Wie kommst du darauf?“

„Hat er dir erzählt, dass er in den Ferien bei mir war?“, fragte sie.

Sirius wog den Kopf unentschlossen hin und her. „Ich hab ihn nachts um zwei in sein Zimmer schleichen sehen und ihn genervt, bis er’s mir gesagt hat. Zählt das?“

Lily nickte. In ihren Augenwinkeln brannte dieses Wirrwarr an Gefühlen.

„Keine Sorge, er hat die Details für sich behalten“, scherzte Sirius und je länger er sie ansah, desto unwohler schien er sich zu fühlen.

„Es ist so dumm.“ Lilys Stimme fing an zu zittern. Vor Wut oder irgendetwas anderem, das noch demütigender war. „Ich dachte, wir… wären irgendetwas. Es war so eindeutig für mich, aber auf einmal will er es für sich behalten. Als wäre ich eine dreckige Socke, die er unter seinem Bett verstecken muss. Ich will ihm glauben, dass es nicht so ist, aber… Ich weiß nicht. Ich weiß gerade nicht, was ich fühlen soll. Er sagt solche Dinge, dass wir in zwei Wochen nicht mehr miteinander zusammen sein wollen könnten, und das ist rational gesehen natürlich möglich, aber es stört mich trotzdem, dass er denkt, es wäre möglich. Ich will sauer sein, ich will ihn verstehen, und eigentlich wollte ich ihn einfach nur wiedersehen. Es ist ein bisschen viel…“

Sirius tätschelte ihren Arm etwas unbeholfen. „Ein bisschen, ja…“

Sie rieb sich über eins ihrer Augen und erwischte eine Träne, bevor sie ihren demütigenden Weg über ihre Wange finden konnte. „Entschuldige. Du willst das nicht hören.“

Sirius sah aus, als würde er zustimmen wollen, aber stattdessen zog er sie in eine Umarmung. Über seine Schulter sah Lily die beiden Mädchen aus Ravenclaw jeden Ansatz von Kichern verlieren und beleidigt abziehen. Sirius strich ihr davon unbeeindruckt übers Haar.

„Nur damit du’s weißt“, raunte er. „Ich hab ihn noch nie so strahlen gesehen – für seine Verhältnisse. Regulus kam nach Hause und konnte nicht aufhören von dir zu schwärmen – für seine Verhältnisse. Mit mir. Das war der Moment, in dem ich ganz genau gewusst hab, dass ich das Richtige getan hab.“

Lily trocknete das andere Auge an seiner Schulter. Er ließ sie wieder los, nicht ohne ihr tröstend auf die Schulter zu klopfen, und lächelte.

„Wieso will er dann niemandem von mir erzählen?“, fragte sie heiser.

„Es ist nicht, dass er niemandem von dir erzählen will. Er will dich für sich behalten“, sagte Sirius, aber für Lily ergab das wenig Sinn. „Hast du darüber nachgedacht, was du für ihn bedeutest?“

„Natürlich“, sagte Lily.

„Nein, ich meine, du als muggelstämmige Hexe“, erwiderte Sirius. „Und ich will dich nicht verstimmen, aber es macht einen Unterschied. Du bist nicht, was unsere Eltern für ihn wollen, und sie werden sich damit nicht abfinden. Es gibt keine noch so geringe Chance, dass ihr irgendwann grummelig an ein- und demselben Tisch platznehmt und widerwillig versucht miteinander auszukommen. Du musst wissen, dass das nicht passieren wird.“

„Das ist lächerlich“, sagte Lily kopfschüttelnd.

„Lily, es gibt nur entweder-oder für Regulus“, sagte Sirius leise, aber bestimmend. „Du oder unsere Familie, niemals beides. Unsere Eltern brennen ihn aus dem Stammbaum, sobald er das mit dir öffentlich macht. Das ist nicht seine Entscheidung, aber es ist eine, über die er sehr genau nachdenken sollte. Wenn ihr euch trennt, hat er alles, was ihm sonst lieb ist, für nichts aufgegeben.“

„Du bist wegen James weggelaufen, da warst du sechzehn“, entfuhr es Lily – warum genau wusste sie auch nicht.

Sirius blieb vollkommen ruhig. „Ich bin weggelaufen, weil ich es bei meinen Eltern nicht mehr ausgehalten habe. Das war eine Entscheidung, die alleine mit mir zu tun hatte – und auch ein wenig spontan, wenn wir ehrlich sind.“

Lily atmete tief durch. „Tut mir leid.“

„Alles gut“, sagte Sirius. „Ich versteh, dass das schwer für dich zu verstehen ist, aber es ist auch für ihn nicht leicht. Gib ihm einfach ein bisschen Zeit, damit er sich sicher sein kann. Du bist dir doch sicher, dann musst du dir keine Gedanken machen.“

„Dein Selbstbewusstsein hätte ich gerne“, murmelte Lily mit einem leichten Schmunzeln. „Ich will das doch nicht für ihn. So ungemütlich ich eure Eltern finde, sie sind seine Familie. Bestimmt kriegen sie sich irgendwann ein. Dich haben sie auch zurück nach Hause gelassen.“

„Du bist süß“, sagte Sirius amüsiert. „Ich bin auch nicht mit einem Muggel durchgebrannt.“

Lily verdrehte die Augen. „Das… Das ist eine Menge Druck, egal für wen.“

„Ich bin ja da“, antwortete Sirius schulterzuckend. „Wenn’s dazu kommt, kann ich ihn zurückholen, sobald die alte Sabberhexe den Löffel abgegeben hat. Und dann mache ich das ganze Haus zu einem Zentrum für hilfsbedürftige muggelstämmige Hexen und Zauberer. Mutter wird im Grab Pirouetten drehen.“

Lily gluckste unfreiwillig, nur um schnell wieder ernst und… ängstlich zu werden. „Es ist immer noch eine Menge Druck. Wenn er mir nun einfach nicht genug vertraut um es zu riskieren…“

„Weißt du, was da helfen könnte?“ Sirius beugte sich zu ihr vor und senkte die Stimme: „Hör auf mit James zu flirten.“

Lily wich vor ihm zurück, riss die Augen weit auf. „Was?“

„Wir sind erwachsen, Lily. Wir können über solche Dinge reden ohne rot zu werden“, raunte Sirius und unter seinem provozierend amüsierten Tonfall lauerte ein fremder Ernst. „Ihr flirtet miteinander – die ganze Zeit. Vielleicht meint ihr es nicht ernst, aber es tut weh, das mitanzusehen. Jedes Wort ist wie ein extra Kilo auf zu dünnem Eis und man hört es schon brechen.“ Er sog die kalte Luft scharf zwischen den Zähnen ein. „Ihr habt eine Geschichte, und die bleibt spürbar, so sicher man sich auch sein kann.“ Er zuckte mit den Schultern, aber Lily konnte ihm keine Sekunde abkaufen, dass er das nur so dahin gesagt hatte.

Sie schaute aus dem Fenster, die Wangen warm von der geballten Verlegenheit aller ihrer Worte. Sie wusste nicht einmal, ob sie das den Gedanken an Regulus oder James zuschreiben sollte.

„Kann ich dich noch was fragen, Sirius?“, wollte sie wissen und vielleicht wollte sie auch nur alles auf einer anderen Note enden lassen. „Als Regulus bei mir war, hat Severus uns gesehen.“

„Und ihm den Arm aufgeschlitzt“, sagte Sirius nickend.

Lily hatte nicht erwartet, dass er darüber Bescheid wusste. „Du nutzt das hoffentlich nicht aus, um einen Grund zu haben, damit du ihm wiedermal eins auswischen kannst.“

„Du hörst dich genau wie Regulus an.“

„Das heißt, du hast dir schon was überlegt?“

„Merlins Bart, es ist, als wärt ihr dieselbe Person.“

Lily sagte nicht mehr und nicht weniger dazu. „Ich habe gesehen, wie Mulciber und Wilkes in Regulus‘ Tasche rumgewühlt haben. Vielleicht hat Severus ihnen irgendetwas gesagt und sie versuchen Regulus das Leben schwerzumachen. Ich will das nicht. Nicht wegen mir.“

„Könnte sein“, sagte Sirius, gab ihr aber keine andere Auswahlmöglichkeit. „Ich sperr mal die Lauscher auf.“

Lily lächelte ihn an. Es fühlte sich gut an jemanden auf ihrer Seite zu haben. Auf Regulus‘ und ihrer Seite. Genauso, wie es sich gut angefühlt hatte endlich ein klein wenig Zuspruch zu finden. „Weißt du, Dorcas hat mir gesagt, sie würde dich immer noch mögen.“

Sirius verzog das Gesicht mitleidig. „Wie traurig…“

Lily gab ihm einen beherzten Klaps. „Wiedersehen, Sirius. Und wehe, du verrätst, was ich dir verraten hab.“

„Es war kein großes Geheimnis, auch wenn du sie gerne an James kletten willst. Oh, und wenn du Peter siehst, sag ihm ich bin schon in der Bibliothek!“

Lily bedeutete ihm, dass sie ihn verstanden hatte, da war sie schon auf halbem Wege in Richtung der Treppen. Sie wünschte sich, Sirius würde sich ein wenig Beziehungsdrama erlauben, damit sie ihm ebenfalls eine Schulter anbieten konnte. Ansonsten würde sie dieser Moment gerade ewig verfolgen. Sie mochte Sirius, aber sie hätte sich nie vorgestellt sich einmal ausgerechnet ihm anzuvertrauen. Es war fast so merkwürdig wie James mit dem Schulsprecherabzeichen zu sehen.

Sie verließ den dritten Stock und bog auf die Große Treppe, die relativ verlassen war. Die meisten Schüler mussten inzwischen entweder in den Gemeinschaftsräumen, der Bibliothek oder je nach Verlauf ihres Schultags im Krankenflügel sein. Sie entschied sich dafür nach oben in den Gemeinschaftsraum zu gehen. Gerade wollte sie die Stufen nach oben steigen, als sie über das Geländer eine Gruppe tiefschwarzer Roben entdeckte. Ein paar Schüler scharrten sich um etwas, auf den zweiten Blick um einen kleineren, dicklichen Schüler. Sie erkannte Mulciber, Wilkes, Rosier und Avery, die sich um Peter drängten.

Lily kehrte um, eilte die Treppen nach unten.

„Wenn du das für uns machst“, hörte sie Rosier sagen, „hast du was gut bei uns. Das wäre doch eine nette Abwechslung, oder Pettigrew, einmal nützlich zu sein?“

„Hey“, rief sie und sprang die letzten beiden Stufen auf einmal herunter. Die Slytherins stoben wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm auseinander und ließen Peter am Geländer kauernd zurück. „Was soll das hier werden?“, fragte Lily scharf.

„Kümmer dich um dein eigenes Zeug, Evans“, sagte Avery. „Kämm dein Haar, oder was immer Mädchen so tun.“

„Vielleicht solltest du das auch mal probieren“, sagte Lily und musterte ihn von oben herab. „Dein Haar sieht aus wie das Nest eines Vogels.“

Avery lachte gekünstelt, packte Rosier am Arm und zog ihn mit sich die Treppen herunter. Mulciber und Wilkes folgten merkwürdig stumm, aber nicht ohne Peter einen synchronen Todesblick zuzuschicken. Peter zitterte, als wäre ihm plötzlich eiskalt.

Lily stellte sich an seine Seite und behielt genau im Auge, wie die Slytherins die Treppen nach unten stiegen, bevor sie sich ihm zuwandte. Peter schaute sie nicht an, schien sogar alles außer ihr anzusehen, als hätte sie ihn nackt in der Dusche überrascht.

„Was war das denn?“, fragte sie ihn vorsichtig.

Er zuckte zu schnell mit den Schultern. „Ich hab hier nur gestanden. Slytherins, hm? Sobald man alleine ist, stürzen sie sich auf dich.“

Lily legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte. „Peter, der Schulsprecher ist einer deiner besten Freunde, wenn du ihnen eins auswischen willst, kannst du das jetzt legal.“

Peter lief rot wie eine Tomate an.

„Übrigens, Sirius wartet in der Bibliothek auf dich“, sagte Lily, als sie keine Antwort bekam.

Peter schnaubte abfällig. „Sirius interessiert sich nie dafür, was ich gerade mache.“

„Er hat über eine Stunde auf dich gewartet – das dürfte als mildes Interesse durchgehen“, versuchte Lily ihn aufzumuntern, aber Peter hatte nur ein weiteres Schnauben für sie übrig. „Peter, wenn du reden willst –“

Peter machte einen plötzlichen Schritt weg von ihr und im nächsten Moment hörte sie eine vertraute Stimme: „Was macht ihr beiden denn hier?“ James stieg die Treppen zu ihnen nach oben. „Auf Slytherins spucken, die sich in den Kerker zurückschlängeln?“ Er grinste von einem Ohr bis zum anderen. Schlammspritzer klebten auf seiner linken Wange, rot von positiver Atemlosigkeit nach dem Quidditch. Er trug noch seine Quidditchroben. Bei Lilys Anblick bemühte er sich um eine ernste Miene: „Das könnte ich natürlich nicht gutheißen.“

Lily versteckte ihr Lachen hinter der geballten Faust. „Tu nicht so, als wär dir nicht genau das durch den Kopf gegangen, als du Rosier und Co. begegnet bist.“

„Lily, ich will dir ja nichts unterstellen, aber Legilimentik bei ungeübten, unschuldigen Schülern auszuüben gehört sich nun wirklich nicht.“

„Ich bin in der Bibliothek“, fuhr Peter ihr über den Mund, bevor sie ein weiteres Wort herausbekommen konnte. „Sirius wartet auf mich.“ Er klang sehr sarkastisch und drehte sich ohne einen Blick zu James um, lief die Treppen nach oben.

„Ich zieh mich nur um und komme nach“, rief James, aber Peter gab ihm kein Zeichen, dass er ihn gehört hatte. James störte sich daran nicht, schaute Lily erwartungsvoll an und sank in eine leicht übertriebene Verbeugung, wies ihr den Weg nach oben. „Nach Ihnen, my Lady.“

Lily rollte mit den Augen, drehte sich auf den Hacken um und stieg die Treppen nach oben. James folgte ihr.

„Wie war dein erster Schultag?“, fragte er.

„Er hatte seine Aufs und Abs. Wie war Quidditch?“

„Ebenfalls voller Aufs und Abs“, sagte James, legte dabei eine Hand auf ihren Rücken. „Was nicht unbedingt schlecht ist. Nicht nur im Quidditch.“

Lily lachte erneut. Kein Lächeln, kein Glucksen, ein richtiges Lachen, und das, obwohl sie noch das Brennen in ihren Augen spüren konnte. Sie wusste nicht einmal, ob es das war, was James gesagt hatte oder wie er es gesagt hatte. Was auch immer es war, es ließ sie daran denken, was Sirius gerade erst gesagt hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass er es gerade erst gesagt hatte und es noch frisch in ihrem Kopf war.

Lily blieb auf dem Treppenabsatz des vierten Stocks stehen. James stoppte ebenfalls, drehte sich fragend zu ihr um. Sein Lächeln brannte in den haselnussbraunen Augen hinter den Gläsern.

„Flirten wir gerade?“, fragte Lily.

James blinzelte. „Ich dachte, wir steigen Treppen?“

Lily klammerte sich am Gurt ihrer Tasche fest. „James.“

Sein Blick veränderte sich, wurde härter, unnachgiebig, so sehr sie ihn auch versuchte zu durchschauen. Er kam näher, so nah, dass Lily gegen ihn atmete. Seine Brust streifte ihre und sie hielt die Luft an.

„Wäre das so schlimm?“, fragte er leise.

Lily konnte ihn nicht in den Boden starren, und je länger sie es versuchte, desto aussichtsloser schien es. Sie konnte die Schlammspritzer auf seiner Wange zählen, genau über der hauchfeinen Narbe von Severus‘ Sectumsempra aus dem fünften Jahr, die man nur erkennen konnte, wenn er zu nah war. James war schmutzig und zerzaust vom Quidditch, alles was sie von ihm gewohnt war. Als wäre ein Blick ihre Antwort, lehnte James sich vor, mitten auf der Großen Treppe, und Lily merkte zu spät, dass sie sich ihm entgegenlehnte.

Sie zuckte zurück, spürte seinen Atem noch auf ihren Lippen kribbeln. Lily drückte ihn mit beiden Händen so weit sie konnte von sich weg. „Ja“, sagte sie atemlos, als wäre sie die Treppen nach oben gerannt, wie sie es hätte tun sollen. „Du weißt, wieso es schlimm wäre.“

Sie holte das nach, stieg die Treppen eilig nach oben, ging so schnell sie konnte, ohne zu laufen. Ihr Herzschlag überholte sie.


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Manchmal ist es auch sehr schade, dass eine Figur verschwindet und im nächsten Band nicht mehr vorkommt. Dazu zählt beispielsweise Gilderoy Lockhart, den ich sehr mochte, weil er so furchtbar eitel war und ich mir einen Spaß daraus machte Leute aus dem Showbusiness mit seiner Charakterisierung zu veralbern.
Rufus Beck