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Fanfiction

Mud and Blood - Slughorns Weihnachtsparty

von Dr. S

„Willst du deine Haare nicht lieber offen tragen?“, fragte Mary, die Finger tief in den dunkelroten Strähnen von Lilys Haar vergraben.

Lily schaute sie über den Spiegel an, zwei goldene Haarspangen zwischen den Zähnen. Ihr blieb nichts übrig außer stumm die Augenbrauen zu heben. Es war der Abend von Professor Slughorns Weihnachtsfeier und Lily saß in ihrem Schlafsaal, um sich unter den Blicken ihrer Mitbewohnerinnen fertig zu machen. Mary hatte ihr geholfen die dunkelgrünen Festtagsroben zu schnüren, nur um sich jetzt an ihren Haaren zu vergreifen. Sie machte den übereifrigen Eindruck, als hätte sie nichts dagegen an Lilys Stelle zu sein.

„Was meinst du, Dorcas?“, fragte Mary über die Schulter, als würde Lilys Meinung nichts zur Sache tun.

Dorcas lag eingemummelt in ihre Decke bereits im Bett. Ihre Nase war noch ziemlich gerötet und sie klang verschnupft, obwohl Madam Pomfrey ihr einen Aufpäppeltrank gegen die Erkältung gegeben hatte. Ein Zeichen dafür war der Rauch, der aus ihren Ohren stieg, wenn sie unter der Decke hervorkam.

„Ich würde sie alle abschneiden“, sagte Dorcas mürrisch.

Mary schnappte erschrocken nach Luft.

Lily schmunzelte Dorcas an und nahm die Haarspangen aus ihrem Mund. „Du bist noch sauer auf mich, hm?“

„Wie konntest du nur, Lily?“ Dorcas‘ Stimme war von der Erkältung geschunden und klang so noch bemitleidenswerter, auch wenn sie absichtlich übertrieb um Lily ein noch schlechteres Gewissen zu machen. „Wie konntest du James auf die Nase binden, ich würde auf ihn stehen. Das macht das Quidditchtraining so unangenehm…“

„Ich hab ihm nichts dergleichen gesagt. Ich habe mich nur gewundert, ob er dich wohl mit zu Professor Slughorns Party nimmt. Er hat es falsch verstanden.“

„Du hast es impliziert, weil du ausgerechnet meinen Namen erwähnt hast“, sagte Dorcas. „Jetzt grinst er mich immer an und lässt die Augenbrauen hüpfen. So.“ Sie ahmte James‘ Aufreißerblick so erfolgreich nach, dass Lily lachen musste.

„Oh, bitte. Als hättest du nicht Ja gesagt, wenn er dich gefragt hätte“, sagte Mary. „Wenn Lily ihm den nötigen Stups gegeben hätte – und James Potter braucht sowas – wärst du ihr um den Hals gefallen.“

„Ich hätte gar nichts gesagt, weil ich so nicht einmal den Schlafsaal verlasse“, murmelte Dorcas aus ihrer Deckenhöhle. „Geschweige denn mich Sluggys verurteilendem Blick stelle, wenn ich seine Connections anniese.“

„Ich weiß ja nicht, was man an ihm finden kann… James Potter wirkt immer so unordentlich. Was ist das nur mit seinen Haaren?“ Mary bürstete Lilys Haar zum wiederholten Male durch. „Du musst sie offen tragen, Lily. Die Welt verzeiht dir was anderes nicht. Wenn ich deine Haare hätte, würde ich sie immer offen tragen…“

„Wenn ich sie offen trage, sieht man den Rücken meiner Roben nicht“, sagte Lily. „Wir haben eine gefühlte halbe Stunde daran rumgeschnürt, sollte man das dann nicht auch sehen?“

„Oh, ich weiß, was wir machen.“ Mary kämmte Lilys Haar zur Seite, legte es über eine Schulter und steckte es im Nacken hoch, damit es so liegenblieb. Die langen Strähnen fielen so nach vorne und ließen den Nacken und Rücken frei. Das tiefe Smaragdgrün ihrer Roben verstand sich zum Glück gut mit ihrer Haarfarbe. Und Mary sah auch endlich zufrieden aus. „James braucht sicher nicht so lange, um sich fertigzumachen. Kein Junge tut das.“

„Ich weiß nicht… Sirius wacht bestimmt nicht schon so hübsch auf“, meinte Dorcas.

„Da wär ich mir nicht so sicher. Ich hab ihn vorletzte Weihnachten sehr früh am Morgen gesehen und keinen großen Unterschied gesehen“, sagte Lily. „Wenn du davon absiehst, dass er über die Couch gefallen ist und dann dort auf James weiter geschlafen hat. Das war eher weniger elegant.“

Dorcas reckte besserwisserisch das Kinn und rieb sich darüber. „Das sind die Gene. Narcissa Black war genauso hübsch wie arrogant. Und sein Bruder sieht auch total verschwitzt nach einem Quidditch-Spiel noch gut aus.“

Lily versuchte ihre Gedanken nicht abwandern zu lassen, aber dafür musste Dorcas nicht einmal seinen Namen sagen. Sie hatte Regulus nach einem Spiel gesehen, nass vom Regen und mit den Nerven am Ende… und mit seinem Hemd sehr weit weg. Wirklich wahrnehmen konnte sie diesen Anblick erst jetzt und das leider nur in sehr verschwommenen Erinnerungen.

Mary seufzte. „Ich würde nicht Nein sagen, wenn Sirius Black mich einlädt. Auch wenn’s nur eine Pyjamaparty wäre.“

Lily fuhr glucksend aus ihren Gedanken.

„Das würde dir nicht gefallen“, sagte Dorcas. „Wenn du Sirius datest, kriegst du James‘ unordentlichen Haarschopf gratis dazu.“

„Aha, siehst du, worauf du dich einlässt, Lily?“, stichelte Mary.

Lily verdrehte die Augen, was Mary dank dem Spiegel nicht entging und sie nur grinsen ließ. Es machte keinen Sinn das Gegenteil zu behaupten. Je öfter sie sagte, dass James nicht interessiert an ihr war, desto weniger schien Mary es ihr zu glauben. Lily sprühte etwas mehr Parfüm als notwendig auf, sodass Mary hustend aus der nach Rosen duftenden Wolke verschwand. Sie stand auf und strich den seidigen Stoff ihrer Roben glatt.

„So.“ Lily drehte sich um und breitete die Arme aus, um alle Kommentare zu begrüßen.

„Hübsch“, sagte Dorcas. „Die Roben bringen das Grün deiner Augen schön heraus.“

Mary schüttelte den Kopf. „Zauberermode ist echt gewöhnungsbedürftig.“

„Danke“, sagte Lily, drehte sich der Tür zu und atmete gegen den Knoten in ihrer Luftröhre an. Sie war nicht so nervös gewesen, seit Professor Slughorn sie das erste Mal zu dieser kleinen Party eingeladen hatte. Ihr war ein bisschen, als würde ihr dreizehnjähriges Ich neben ihr stehen und für ihre Nervosität auslachen. Dabei hatte sie nicht einmal ein Date, vor dem sie aufgeregt sein konnte. Niemand wartete am Ende dieser Stufen oder denen der Großen Treppe auf sie.

Regulus würde sie erst unten in den Kerkern sehen, wenn er sich bequemte aufzutauchen, woran sie keinen Zweifel hatte. Der Gedanke stimmte sie genauso freudig, wie nervös und aufgeregt. Ihr Herz machte ein paar schnelle, unregelmäßige Hüpfer zu viel und ihre Hände wrangen einander, als wären ihre Finger Schwämme. Sie wünschte ihm Spaß, aber sie hoffte, dass er den alleine haben würde. Lily wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn er eine Begleitung haben würde.

„Viel Spaß“, sagte Mary und kuschelte sich mit unter Dorcas‘ Decke. „Versuch was Spannendes zu erleben, das du uns dann erzählen kannst.“

Lily winkte ihnen und ging, stieg die Treppen nach unten in den Gemeinschaftsraum. Neidische Blicke begrüßten sie dort, denen sie sich erhobenen Hauptes stellen musste. So wenig Slughorn bei den meisten Gryffindors beliebt war, einmal im Jahr, wenn er seine kleine Feier veranstaltete, wollten alle zu seinem sogenannten Club gehören. Wenigstens war sie nicht die Einzige, die neidische Blicke ertragen musste.

James wartete zusammen mit Remus und Peter beim Kamin auf sie und ließ sich von Sirius seine Krawatte neu binden. Er sah… anders aus. Sein Haar war unordentlich, so wie Mary sagte, aber er schien versucht zu haben es etwas zu bändigen und hatte die rabenschwarzen Strähnen zur Seite gewühlt. Es war sein Lächeln, dass Lilys Blick vielleicht einen Moment zu lange festhielt. Er strahlte Sirius an, grinste von einem Ohr bis zum anderen, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt, als von seinem besten Freund mit einer Krawatte stranguliert zu werden.

Neben Sirius Blicke auf sich zu ziehen war verdammt schwer; er sah einschüchternd gut aus in den komplett schwarzen, perfekt sitzenden Festtagsroben und mit der lässigen Eleganz, mit der sein Haar ihm ins Gesicht fiel. Das leicht hochmütige Lächeln tat den Rest dazu. Trotzdem wanderte Lilys Blick ein zweites Mal zu James, als der über irgendetwas lachte, was Sirius ihm zugeflüstert hatte.

„Wow…“

Lily drehte sich um und lächelte Peter an, der sie mit offenem Mund über die Sofalehne hinweg anstarrte. Er und Remus hatten sie wenigstens bemerkt, während James noch immer über Sirius‘ Scherze kicherte.

„Du siehst umwerfend aus, Lily“, sagte Remus, der selbst ein wenig den Eindruck machte, als würde seine Krawatte versuchen ihn auch ohne Sirius‘ Unterstützung zu erwürgen. Er schien sich immer ein wenig unwohl zu fühlen, wenn es um solche Veranstaltungen mit vielen Menschen ging. Seine Roben schienen zu groß für ihn und er hatte die Hände tief in den Hosentaschen. Aber er hatte ein Funkeln in den Augen, das die Ringe unter ihnen nicht mehr so tief scheinen ließ.

„Du aber auch“, sagte Lily und umarmte Remus zu Begrüßung, rieb gegen die Verspannung in seinem Rücken an.

„Oh, und du riechst noch besser“, murmelte er und entlockte ihr ein kleines Lachen.

Peter hatte sich um das Sofa herumgetraut und lugte hinter Remus hervor, die wässrigen Augen auf Lily fixiert. Sein Kopf war rot wie eine übergroße Tomate. Irgendwie war sein Blick ihr unangenehm, aber ihr Mitleid überwog, als er sich nicht näher traute.

„Und Peter…“ Lily nahm sein Gesicht in beide Hände. „Richtig stattlich siehst du aus. Und was für eine hübsche Fliege.“

Peter hob stolz den Kopf, sodass sein Doppelkinn die gepunktete Fliege nicht mehr einquetschte. „Dankeschön, Lily.“

„Fast schade, dass du schon ein Date hast“, sagte Lily.

Peter war hastig dabei den Kopf zu schütteln. „Es ist kein richtiges Date. Soweit kommt’s noch… Ich meine, wenn ich eine Wahl hätte, wäre das hier meine Letzte.“

„Danke“, kam es langgezogen von Sirius, der plötzlich hinter Peter auftauchte. „Das hört man doch immer gerne. Übrigens sabberst du Lily vor die Füße, Wurmschwanz.“

Peter wischte sich ganz schnell über den Mund und wurde noch eine Nuance röter. Sirius grinste gehässig.

„Verdenken kann man’s ihm nicht“, sagte James und schob sich diesmal absichtlich in Lilys Blickfeld. Seine Brillengläser blitzten im Licht des Kaminfeuers. „Du siehst sehr hübsch, Lily.“

„Danke, James.“ Lily zupfte am Ende von James‘ einwandfrei gebundener Krawatte. „Ich hoffe, die drückt nicht.“

James zwinkerte ihr zu.

„Können wir jetzt los?“, fragte Sirius und schaute auf seine Uhr. „Je eher wir da sind, desto eher können wir wieder weg.“

Peter drängte ihn mit einem Ellbogenstoß zur Seite und streckte Lily seinen Arm entgegen. Zu seinen großen, bettelnden Augen konnte man nicht Nein sagen. Sie hakte sich bei ihm ein und ließ sich aus dem Portraitloch führen. Anscheinend amüsierte nicht nur sie dieses Verhalten. James ahmte Peters eher weniger galante Bewegung nach und zwang Remus sich bei ihm einzuhaken. Sirius schlug das Portrait der Fetten Dame hinter ihnen zu, so hart, dass sie ihn dafür ankeifte.

Auf dem Weg in die Kerker fingen sie zwei Pärchen aus Ravenclaw ab, die ebenfalls auf dem Weg zu Professor Slughorns Weihnachtsfeier waren. Peter fand seine Stimme wieder und erklärte Lily die Portraits an den Wänden, als würde sie nicht schon sieben Jahre an ihnen vorbeilaufen und den Monologen der Portraits selbst lauschen müssen. Lily nickte das lächelnd ab und erlaubte sich ab und zu ein interessiertes „aha.“ Sie konnte nicht anders, so stolz wie Peter darauf schien, was er über das Schloss wusste.

In den Kerkern mangelte es noch immer an weihnachtlicher Dekoration, dafür hörte man schon von der Treppe aus die dumpfe Musik aus Professor Slughorns Büro kommen. Es klang, als hätte er dieses Jahr sein eigenes Orchester organisiert. Er ließ sich jedes Jahr etwas anderes einfallen, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Lily dachte weniger gerne an die Trollband zurück, die den halben Kerker zerlegt hatten, als sie sich nicht genügend beachtet gefühlt hatten.

Vor Professor Slughorns Bürotür schwebten purpurne Laternen auf Kopfhöhe, die ein warmes Licht in die Kerker brachten. Im Inneren des Büros fand man noch viele Dutzend mehr davon. Fliederfarbene Seidentücher verdeckten die kahlen Steinwände der Kerker und hingen so über den Fenstern, dass das sonst grünliche Licht vom Schwarzen See eine wärmere Farbe bekam. Weihnachtsbäume standen in den Ecken, prächtig und extravagant geschmückt, als würden sie alle zwölf Bäume in der Großen Halle in den Schatten stellen wollen.

Ein Großteil der Gäste schien bereits da zu sein. Schüler und weit von ihrer Schulzeit entfernte Menschen tummelten sich um das Büffet. Lily entdeckte die Quelle der Musik auf der anderen Seite des Klassenzimmers. Es war ein kleines Orchester, aber die Instrumente spielten sich von ganz alleine. Ein faszinierender, auch nach sieben Jahren Zaubererwelt hypnotisierender Anblick. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass Geister keinesfalls unsichtbar waren, hätte sie ihnen die leichte, fast schwebende Musik zugeordnet.

„Lily!“ Professor Slughorn schälte sich aus der Menge und kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. „Meine Liebe, ich hatte Ihnen doch gesagt, dass Sie meine Dekoration nicht überstrahlen sollen.“

Lily lächelte verlegen. „Danke, Sir, aber es sieht wunderschön aus. Und die Musik erst…“

„Gefällt sie Ihnen?“ Professor Slughorn wandte sich den Instrumenten zu. „Albus hat sie persönlich verzaubert, nach dem Desaster vom letzten Jahr.“

„Ich mochte die Trolle“, sagte James. Er grinste noch breiter, nachdem er einen kurzen Blick mit Sirius getauscht hatte. Lily hatte nicht vergessen, wie sehr die Trolle die beiden amüsiert hatten.

Professor Slughorn wandte sich James zu. „Danke, mein Junge, genauso hatte ich es auch in Erinnerung. Sehr schön übrigens, dass Sie kommen konnten. Ich vermisse Sie doch sehr oft bei meinen Essen“, sagte er. „Quidditch, ich weiß, ich weiß. Eine sehr beliebte Entschuldigung. Ihr Bruder trainiert auch zu viel, Sirius.“

Sirius hob die Augenbrauen. „Das sollte er auch, wenn Slytherin den Pokal gewinnen will. Oder?“

„Ich hätte nichts gegen den Quidditch-Pokal in meinem Büro, aber das Wohlergehen meiner Schüler kommt an erster Stelle. Ein bisschen Unterhaltung ab und an gehört dazu.“

„Dann… ist er hier?“, fragte Lily bemüht beiläufig, aber kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, spürte sie Sirius‘ Blick auf sich. Er sah sie an, als wäre sie ein Kind, das zum wiederholten Male auf die heiße Herdplatte fassen wollte, trotz aller Warnungen. Sie ignorierte das brennende Gefühl, das ihren Nacken hochkroch, und lächelte Professor Slughorn an.

„Oh, ja. Ich habe ihn gerade bei Hamish MacFarlan gelassen.“ Professor Slughorn schaute sich um und deutete irgendwo über die Köpfe einer Gruppe hochgewachsener Fünftklässler. Lily konnte niemanden sehen, der Regulus auch nur ähnlich sah.

„Dem ehemaligen Kapitän der Magpies?“, fragte James.

Professor Slughorn nickte zufrieden – ob mit seiner Auswahl an Gästen oder James‘ Kenntnis war nicht deutlich. „Ein sehr guter Schüler von mir. Früher hat er mir Karten für die Magpies besorgt, jetzt für die Weltmeisterschaft nächsten Sommer.“ Sein Blick ging nach unten zu Peter und er grinste. „Ah, schön Sie zu sehen, Mr. Pebbledew. Ihre Begleitung, Lily?“

„Nein, meine“, sagte Sirius und grinste, als Peter wie geschlagen zusammenzuckte.

„Oho, sehr nett von Ihnen Ihre Freunde mitzunehmen“, sagte Professor Slughorn. „Mr. Lupin, amüsieren Sie sich auch einmal. Sie können es gebrauchen, so wie Sie schon wieder aussehen. Lily, darf ich Sie entführen?“ Er wechselte das Thema, ehe Remus auch nur den Mund öffnen konnte, um höflich zu antworten. „Wenn Sie keiner dieser stattlichen Burschen zurückhält, natürlich.“

Lily löste ihren Arm aus Peters Umklammerung und fand sich sofort in Professor Slughorns wieder. Sie hatte gerade noch Zeit den Jungs zu winken, bevor sie schon davon gezogen wurde. Professor Slughorn schien in die Menge der Schüler zu greifen und zerrte Dirk Cresswell heraus, der eine Kamera in den Händen hielt.

„Wären Sie so lieb, Dirk?“, fragte Professor Slughorn und nahm Lily an seine Seite, sodass sie auf ein Bild passen würden. „So einen Anblick muss man doch festhalten, finden Sie nicht?“

Lily blickte verlegen bis zum Haaransatz in die Kamera, die Dirk grinsend auf sie richtete. Er lichtete sie mit einem gleißend hellen Blitz ab, bevor sie sich sträuben konnte.

„Wunderbar“, sagte Professor Slughorn. „Das kommt zu meinen anderen Lieblingen. Das müssen Sie mir gestatten, Lily, wo Sie mich nächstes Jahr doch verlassen.“ Er seufzte, als hätte man ihm sein Lieblingsspielzeug weggenommen.

„Oh, ich bin mir sicher, dass Sie andere Lieblinge finden werden, Sir“, sagte Lily.

Professor Slughorns Augen leuchteten wie kleine Stachelbeeren. „Natürlich werden immer andere kommen, aber ein Talent wie Ihres wird mir in Erinnerung bleiben.“

Lily wusste nicht, was sie mit so vielen Komplimenten anfangen sollte. Heute Abend hatte sie in kürzeren Abständen mehr bekommen, als im letzten Monat zusammen. Merkwürdig, wie ein paar hübsche Roben das provozieren konnten.

„Besondere Talente haben das so an sich, nicht wahr?“, sagte eine blasierte Stimme hinter ihr.

Lily drehte sich um und blickte in die kalten grauen Augen von Lucius Malfoy. Er blickte auf sie herunter, ohne sein Kinn einen Millimeter zu senken, und fuhr sich in einer arroganten Geste durch die weißblonden Haare.

„Lucius, mein Lieber, Sie erinnern sich an Lily Evans?“, stellte Professor Slughorn sie vor.

Lily wurde zwar nicht gefragt, aber sie erinnerte sich sehr gut an Lucius Malfoy. Jeder muggelstämmige Zauberer erinnerte sich an den Mund, aus dem er das erste Mal ‚Schlammblut‘ zu hören bekam. Severus hatte ihr gesagt, es würde keinen Unterschied machen, und Malfoy hatte sie eines Besseren belehrt.

„Vage“, sagte Malfoy in einem gelangweilten Tonfall und musterte sie von Kopf bis Fuß.

„Malfoy“, grüßte Lily kalt.

„Erinnerungswürdige Talente entwickeln sich scheinbar mit der Zeit“, sagte Malfoy.

„Das würde ich an deiner Stelle auch hoffen“, erwiderte Lily.

Malfoys Augenbrauen zuckten zusammen. „Ah, ich erinnere mich jetzt. Severus‘ Freundin, nicht wahr? Ich habe gerade mit ihm gesprochen“, sagte er in Professor Slughorns Richtung. „Wir haben immer noch regen Kontakt. Oh.“ Er wandte sich Lily mit einer falschen Miene des Mitleids zu. „Im Gegensatz zu euch, nicht wahr?“

Lily hielt ihr Kinn oben, auch wenn sie sich fühlte, als hätte Malfoy ihr ein Messer in die Brust gejagt.

Professor Slughorn schien die kleinen Sticheleien geflissentlich zu übersehen. „Ich finde es wirklich schade, dass Abraxas es nicht geschafft hat.“ Zu Lily fügte er hinzu: „Lucius‘ Vater und ich sind gut befreundet, seit er seinen Abschluss bei mir gemacht hat. Ich darf ohne Bescheidenheit behaupten, dass Abraxas sich zu einem der einflussreichsten Männer unserer Gesellschaft gemausert hat.“ Professor Slughorn lächelte Malfoy an. „Es ist doch nichts Ernstes, oder? Ich hoffe, Abraxas erholt sich bald.“

Malfoys Lächeln war scheinheilig und eiskalt. „Das tun wir alle.“

Lily glaubte ihm kein Wort. Es klang, als würde Malfoy sich das genaue Gegenteil wünschen.

„Wenn er einen Trank braucht, ich sitze an der Quelle“, sagte Professor Slughorn und lachte gemeinsam mit Malfoy über sich selbst. „Lily, Lucius übernimmt den Posten seines Vaters im Schulrat, solange Abraxas sich nicht wohlfühlt. Sie werden sich also womöglich öfter begegnen. Lily ist unsere Schulsprecherin, Lucius. Albus hätte keine bessere Wahl treffen können. Minerva behauptet gerne, es wäre ihre Empfehlung gewesen, aber ich konnte mich auch nicht zurückhalten ein gutes Wort für Sie einzulegen, Lily.“

„Gut zu wissen, dass Sie immer noch einen gesunden Einfluss auf den Direktor haben“, sagte Lucius mit diesem falschen Lächeln. Jedes seiner Worte war ein zweischneidiges Schwert bereit zuzustechen. „Albus Dumbledore wird auch nicht jünger. Gute Berater werden da immer wichtiger.“

„Glücklicherweise kommt Weisheit, und scheinbar auch Talent, mit dem Alter“, sagte Lily. Anstatt seiner Worte erfasste Malfoys Blick sie, wie der Lauf einer Pistole bereit zum Schuss.

„In der Tat“, sagte er und drängte sich an Professor Slughorns Seite. „Sir, wenn Sie erlauben, hätte ich gerne eine Minute Ihrer Zeit.“

„Oh, gerne doch. Lily, Sie entschuldigen mich?“

Lily zwang sich zu lächeln und nickte zum Abschied. Malfoy führte Professor Slughorn in die Menge davon. Erst, als er verschwunden war, erlaubte Lily sich ein genervtes Schnauben. Sie drehte in die entgegengesetzte Richtung ab, weit von Lucius Malfoy entfernt, und steuerte die Bowle an, als sie aus dem Augenwinkel den Grund erfasste, dem sie die Schuld für ihre Nervosität gab.

Regulus stand mit dem Rücken zu ihr vor dem Orchester, das sich selbst spielte. Lily lächelte und ihr vor Wut pulsierendes Herz schlug einen anderen Rhythmus ein. Immer, wenn sie in letzter Zeit einen Blick auf ihn warf, kam ihr Sirius‘ Stimme ins Gedächtnis, die ihr einflüsterte, sie würde ihn ein bisschen zu offensichtlich mögen. Ein unangenehmes Gefühl, aber schnell verschüttet von einem warmen Kribbeln.

Sie schlich sich von hinten an ihn heran und lehnte sich in einem Anflug von Wahnsinn über seine Schulter. „Na?“, hauchte sie ihm ins Ohr. „Amüsierst du dich auch?“

Regulus drehte den Kopf gerade soweit wie nötig, um sie anzusehen. „Ich dachte, das sollte nicht dein Problem sein?“

Lily trat einen Schritt zur Seite, sodass sie genau neben ihm stand. Er sah gut in seinen Festtagsroben aus, so gut, dass Lily nicht verstehen konnte, wie Zauberermode irgendwem nicht gefallen konnte. Sie saßen perfekt wie bei seinem Bruder und betonten seine gerade Haltung noch, so eng schmiegte sich der Stoff an seine Schultern. Zuerst hielt sie den Stoff für Schwarz, aber wenn er sich bewegte kroch ein Schimmer von Mitternachtsblau in die Falten. Sein tiefschwarzes Haar lag glänzend in einem perfekten Seitenscheitel, leicht aus dem Gesicht gekämmt, was das dunkle Grau seiner Augen hervorhob und nicht wie sonst versteckte. Trotzdem, oder gerade deswegen, wirkte er noch unnahbarer als sonst.

Erst, als Lily ihren Blick löste, merkte sie, dass Regulus sich dem Orchester wieder zugewandt hatte. Das von Geisterhand gespielte Piano hielt seinen Blick besser fest als sie. Es spielte eine sanfte Melodie, wie Regentropfen, die auf den Grund der Streichermelodie fielen.

Momente wie dieser ließen sie Sirius‘ Sorge hinterfragen, dass sie Regulus in Schwierigkeiten bringen könnte. Ihre Gefühle waren eine Sache, aber alleine würden die nirgendwohin führen.

„Ich wollte nur Hallo sagen“, sagte Lily. „Sichergehen, dass du dich amüsierst.“

„Ich bin nicht dein Problem, Evans. Geh dich amüsieren.“

Sie lächelte. „Wenn du mich so loswerden würdest, hätten wir schon seit Monaten nicht mehr miteinander gesprochen, oder?“

Regulus schaute sie an, und Lily glaubte, dass sein Blick kurz an ihr auf- und abwanderte, bevor er wieder wegsah. „Vielleicht sollte ich dann fragen, ob du auf meinem Besen reiten willst“, sagte er trocken. „Bei James Potter hat das funktioniert.“

Lily schlug ihm gegen den Arm und gluckste. „Du willst, dass ich verschwinde, oder? Angst, man könnte dich mit mir sehen.“

„Nein, ich will, dass du dich amüsierst“, sagte Regulus.

„Vielleicht tu ich das ja.“

Regulus zog eine Augenbraue hoch. „Ich will dich ja nicht als Lügnerin bezeichnen, aber ich weiß aus Erfahrung, dass ich nicht sehr amüsant bin.“

„Wenn du versuchst es nicht zu sein…“

„Ich versuche nie es zu sein.“

Lily konnte gar nicht anders, als darüber zu lächeln, und das sollte ihnen beiden klar machen, dass Regulus entweder amüsant war oder Lily einen merkwürdigen Humor hatte. Vielleicht auch beides.

„Du bist nicht mein Problem, Regulus“, sagte Lily mit gesenkter Stimme, als könnte irgendjemand ihr diese Worte wegnehmen, bevor sie Regulus erreichten. „Problemen würde man liebend gerne aus dem Weg gehen, nicht wahr?“

Regulus schluckte leise, aber deutlich. Sein Blick hing fest an den Instrumenten. Er sah aus, als würde er widersprechen wollen.

Das Klavier und die Streicher stimmten eine andere, schnellere Musik an, die einen leicht irischen Einfluss zu haben schien. Regulus kehrte der Melodie den Rücken.

Lily grinste. „Gefällt dir nicht, hm? Nicht, dass ein wenig schnellere Musik reichen würde, um hier mal jemanden zum Tanzen zu bringen.“

Sie blickte in die Menge von Schülern, die sich entweder mit ihren Partnern in eine Ecke verzogen hatten, um zu tuscheln oder Händchen zu halten, oder den Abend nutzten, um sich von Professor Slughorn wichtigen Menschen vorstellen zu lassen. Ganz selten hatte sie mal jemanden auf dieser Weihnachtsfeier tanzen sehen. Meistens spielte Alkohol dabei eine Rolle. Und wenn Alkohol es in die Hände Minderjähriger in Hogwarts schaffte, hatten meistens James und Sirius ihre Finger in der Bowle gehabt.

„Die meisten dieser Veranstaltungen laufen so ab“, sagte Regulus. „Es ist kein Ball. Es wird zum Glück von niemandem verlangt zu tanzen.“

„Ein Ball“, wiederholte Lily und ließ sich jedes Wort auf der Zunge zergehen. Sie strich über den Stoff von Regulus‘ Roben, direkt über seine Brust, und richtete einen schweren Knopf mit einer detaillierten Verzierung. „Da würdest du sicher gut hinpassen.“

„Ich bin kein großer Tänzer“, murmelte Regulus.

„Irgendwie glaub ich dir das nicht“, sagte Lily und kassierte eine gehobene Augenbraue dafür. „Ich war noch nie auf einem Ball.“

„Es würde dir nicht gefallen“, sagte Regulus.

„Ach?“

„Ich war auf solchen Veranstaltungen seit ich ein Kind war“, erwiderte Regulus. „Sie sind langatmig und steif. Hübsche Roben, funkelnde Säle und teures Essen haben nur von außen etwas Romantisches. Geht man näher ran ist es auch nur eine Ansammlung von oberflächlichen Kriechern und Intrigenspinnern.“

„Mit dem richtigen Menschen stell ich mir das ganz lustig vor“, sagte sie. „Intrigen zu sabotieren macht sicher mehr Spaß, als sie zu spinnen. Stell dir vor, wir könnten Lucius Malfoy dazu bringen seinem Vater genau den richtigen Heiltrank zu besorgen. Das würde er sicher sehr zu schätzen wissen.“

Regulus‘ Mundwinkel zuckten in den Hauch einer Kurve; mehr Lächeln, als sie je von ihm gesehen hätte. „Dafür bist du doch nicht der Typ, Evans“, sagte er übertrieben missbilligend und wurde dann ernster. Ein Schatten schien sich auf sein Gesicht zu legen. „Ich hab dich mit Professor Slughorn gesehen. Du hast nicht ausgesehen, als würdest du dich wohlfühlen. Schon bevor Lucius Malfoy aufgetaucht ist. Diese Veranstaltungen sind nichts für dich.“

Lily verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht fehlt mir nur die richtige Begleitung.“

Das führerlose Orchester stimmte erneut eine andere Melodie an, moderater, irgendwo zwischen schnell und langsam. Als würde sie den Anlauf aufgreifen, den Lilys Herz gerade nahm, und sich bereit zum Absprung machen. Regulus‘ Blick fing ihren auf.

„Wer wäre denn der Glückliche?“, fragte er.

Lily hatte die perfekte Antwort darauf, aber Angst sie auszusprechen. Sie machte dem Haus Gryffindor keine Ehre, als sie sich um eine Antwort herumwand. „Wahrscheinlich ist er auch ohne mich ganz glücklich.“

„Wieso hast du ihn nicht gefragt und es rausgefunden?“, wollte Regulus wissen. „Du bist ein großes Mädchen, du hättest jeden fragen können.“

„Ich bin ein großes Mädchen“, sagte Lily nickend. „Ich brauche keinen Aufpasser.“

„Du bist mit… mit meinem Bruder gekommen.“ Regulus hatte offenbar einen anderen Namen auf den Lippen gehabt. „Gerüchten zufolge hat er dich gefragt, ob du ihn begleitest.“

„Ach? Ich dachte, das wäre in keinem Universum möglich“, sagte Lily.

Regulus erinnerte sich seinem Blick nach auch daran, was er damals gesagt hatte. Dass er es für absolut unmöglich hielt, Sirius würde jemals Interesse an ihr zeigen. Sie hielt es auch für ziemlich unmöglich. Dazu brauchte sie nicht die Tatsache, dass Sirius der Einzige – außer seinem Bruder – war, der ihr kein Kompliment gemacht hatte.

„Hat er nicht, Regulus. Er hat sich einen kleinen Spaß mit mir erlaubt, mehr nicht. James und er haben Remus und Peter mitgenommen, süß oder? Ich hab mich ihnen nur angeschlossen“, sagte Lily. „Wer hat dir so ein absurdes Gerücht eingetrichtert?“

„Ein kleiner Vogel?“, schlug Regulus vor.

Lily wischte ihm mit der Handkante über die Brust. „Regulus.“

„Der kleine Vogel behauptet, er hätte dir seine unsterbliche Liebe in der Bibliothek zwischen Büchern und Staub gestanden“, sagte Regulus.

Lily schluckte hart. Der Inhalt machte ihr keine Sorgen, immerhin hatte Sirius einen offensichtlichen Scherz gemacht, aber was Regulus sagte hörte sich zu vertraut an. Als hätte der Vogel hinter dem Bücherregal gesessen, als Sirius ihr seinen Vortrag gehalten hatte. Und sie wollte nichts weniger, als dass Regulus das mitgehört hatte. Ihm würde nicht gefallen, dass Sirius nur über ihre Nachhilfestunden Bescheid wusste. Und er hätte nicht nur das gehört. Sie wollte nicht daran denken, dass Regulus wissen könnte, was ihre Gefühle anging. Was Sirius ihre Gefühle betreffend in den Raum gestellt hatte. In einen Raum, in den Lily sich nur selten mit vorsichtigen Gedanken vorwagte.

„Regulus, komm schon.“ Lily drückte ihre Faust gegen seine Brust, weit von einem lockeren Wischen entfernt. „Wer behauptet sowas?“

Regulus zeigte ihr mit einem Blick über ihren Kopf, wo sie hinsehen musste. Lily drehte sich um. Sie musste sich anstrengen, um die Gestalt in den Schatten zu erkennen, gut versteckt zwischen den Seidentüchern. Severus duckte sich in Richtung Büffet davon, ehe ihre Blicke sich treffen konnten. Lily rammte ihre Faust gegen Regulus‘ Brust.

„Severus hat mit dir über mich gesprochen?“, fragte sie Regulus.

„Mit mir gesprochen würde implizieren, dass ich mehr getan hätte als zuzuhören.“ Regulus musterte Lilys Faust auf seiner Brust skeptisch.

„Mit dir gesprochen kann auch implizieren, dass er gesprochen und du zugehört hast“, sagte Lily. „Was hat er dir gesagt?“

„Keine sehr… netten Dinge.“ Regulus machte nicht deutlich, ob die weniger netten Dinge ihn oder sie betroffen hatten. „Er ist gut mit Mulciber befreundet und Mulciber steigert sich da momentan in irgendwas rein. Wahrscheinlich färbt das ab, aber… Du kennst Snape. Du weißt, dass er gut darin ist wunde Punkte zu finden. Mich stört das nicht. Ich dachte nur, du solltest das wissen.“

Lily fühlte sich auf einen Schlag schlecht. Sie hatte Regulus nicht von Sirius erzählt. Sie hatte nicht gelogen, aber offen und ehrlich war auch etwas anderes. Etwas, das Regulus ihr gerade zeigte.

„Findest du das schlimm?“, fragte sie. „Dass er wissen könnte, dass wir ab und an Zeit miteinander verbringen?“

„Dann wäre es nicht mehr unser kleines Geheimnis. Das wäre schade, oder?“, sagte Regulus. „Ich will keinen zweiten Mulciber. Und so, wie er mich gerade angesehen hat, hab ich mir Schlimmeres eingebrockt.“

„Du hast dir gar nichts eingebrockt. Wir haben nichts getan, außer miteinander zu reden“, sagte Lily. „Das ist lächerlich.“

„Vielleicht haben wir etwas zu lange miteinander geredet“, meinte Regulus.

Lily nahm die Faust von Regulus‘ Brust, enttäuscht. „Vielleicht…“

„Evans.“ Bevor sie sich umdrehen konnte, hielt Regulus sie zurück, machte eine Handbewegung, als würde er sie festhalten wollen. „Ich war noch nicht beim Büffet. In einer halben Stunde könnte ich einen Abstecher dorthin machen und mich umschauen. Die Bowle sieht ganz annehmbar aus. Vielleicht gönne ich mir ein, zwei Gläser und… reserviere eins davon, falls du zufällig vorbeikommen solltest.“

Lily lächelte, und sie hatte das Gefühl ihr Strahlen reflektierte sich auf Regulus‘ grauen Augen. „Das könnte zufällig der Fall sein.“ Sie strich zum Abschied über Regulus‘ Arm, streifte seine Finger, bevor sie sich zum Gehen wandte. Für einen Moment hatte er beinahe glücklich ausgesehen, da war sie sich so gut wie sicher. Ein paar Schritte später konnte Lily nicht anders, als sich davon noch einmal zu überzeugen. Sie schaute über die Schulter dorthin, wo sie Regulus bei den Instrumenten zurückgelassen hatte, aber Glück oder etwas auch nur annähernd in der Art fand sie dort nicht. Regulus hatte sich mit zusammengekniffenen Augen abgewandt, als hätte er gerade etwas Dummes gesagt.

Lily blieb verwirrt zurück. Entweder hielt Regulus sie für die Dummheit oder er bereute seine Worte, was Lily ehrlich gesagt nur noch charmanter fand. Sie wollte nicht genauer darüber nachdenken. Lily steuerte das Büffet an und fasste den dunklen Schatten ins Auge, der ihre Wut wieder aufkeimen ließ.

„Lily, meine Liebe.“ Professor Slughorn hielt sie auf halbem Wege am Arm fest. Er hatte einen stämmig gebauten Mann mit Halbglatze an der Seite, der sie angrinste. „Haben Sie James gesehen? Ich würde ihm gerne Mr. McFarlan vorstellen.“

„Ich hab ihn nicht gesehen, seit wir gekommen sind“, sagte Lily und Severus nutzte die Chance sich aus ihrem Blickfeld zu stehlen. Als sie sich bei Professor Slughorn entschuldigte und endlich wegkam, hatte er es schon zur Tür geschafft. Lily fing ihn ab, als er die Tür gerade schließen wollte, stemmte sie mit der Hand wieder auf. Severus stolperte zurück ins Büro.

„Willst du schon gehen?“, fragte Lily.

„Lily.“ Er räusperte sich, nahm einen Schritt Abstand zu ihr. „Im Gegensatz zu manch anderen finde ich keinen Spaß daran mich oberflächlichen Gesprächen mit simplen Gemütern hinzugeben.“

Lily verdrehte die Augen. „Du meinst sowas wie Gerüchte?“

Severus‘ linkes Auge zuckte. „Ich weiß nicht, wovon –“

„Lüg mich nicht an, Severus. Du schuldest mir eine Erklärung.“

„Ich schulde dir gar nichts.“

„Wir müssen reden.“ Lily packte Severus an der Front seiner Robe – dieselbe, die er seit zwei Jahren zu dieser Veranstaltung anzog. An den Armen und Beinen war sie inzwischen etwas zu kurz, wo sie früher zu groß gewesen war. Lily zog ihn mit sich heraus auf den Korridor und ein Stück von der Tür weg. Die Musik drang zu ihnen heraus, dumpf und unterlegt von dem Raunen der regen Gespräche. Das Licht der purpurnen Laternen reichte kaum bis zu ihnen in die Ecke.

Severus riss sich in einem Wirbel seiner Roben von ihr los. Sein Haar hing ihm wie immer in einem leicht fettigen Vorhang vor die tiefschwarzen Augen, die ihrem Blick auswichen. „Hat Black sich bei dir ausgeheult, ja?“

„Welchen Black meinst du bitte?“

Severus verengte die Augen. „Du stehst beiden sehr nah, nicht wahr? Früher hattest du mal Geschmack.“

„Severus, ernsthaft“, warnte Lily. Sie hatte keine Lust auf irgendwelche Wortgefechte, so sehr Severus die auch mochte. „Was soll das werden? Wieso erzählst du sowas? Und wieso erzählst du es ausgerechnet Regulus Black?“

„Daran hättest du denken sollen, bevor du dich in der Bibliothek an Sirius Black schmiegst und dir von ihm ins Ohr säuseln lässt, wo jeder dich sehen kann. Hast du ihm geglaubt, dass er in dich verliebt ist?“

„Nein, weil er einen Witz gemacht hat“, sagte Lily genervt. „Und selbst wenn nicht, ginge es dich nichts an.“

Severus erlaubte sich ein süffisantes Grinsen. „Du kommst ganz schön rum, hm?“

Lily fühlte sich wie geohrfeigt. Sie ballte beide Fäuste und atmete gegen ihre Wut an. „Im Gegensatz zu dir kommt jeder viel rum.“

Severus atmete schnaubend durch die Nüstern ein. Zornesröte kroch seinen Hals langsam nach oben. „Du streitest es nicht einmal ab? Dass du deine Würde wie einen Knuddelmuff durch die Gegend trittst?“

„Ich streite nichts ab, das vollkommen absurd ist“, sagte Lily. „Ich muss mich vor dir auch nicht rechtfertigen.“

„Vielleicht willst du lieber prahlen. Welcher Black hat dir besser gefallen? Der Ältere oder der Dümmere?“

„Severus.“ Lily brannte die Wut in den Augen. „Pass auf, was du sagst.“

„Oder vielleicht Potter?“ Er spuckte den Namen voller Verachtung aus. „Von allen Menschen in Hogwarts musst du ausgerechnet mit ihm hierherkommen. Ich hab gesehen, wie du über seine Witze in der Großen Halle gelacht hast. Seine schlechten Witze auf Kosten anderer. Er ist nicht witzig, hast du gesagt. Du hasst ihn, hast du gesagt.“

„Ich hasse ihn nicht“, sagte Lily, aber der Zorn schnürte ihre Kehle so fest zusammen, dass sie kaum noch Luft bekam. Jedes dieser Worte tat tausendmal mehr aus Severus‘ Mund weh.

„So, so…“ Severus stieß ein herablassendes, falsches Lachen aus. „Und Black? Hasst du ihn auch nicht mehr? Ich hab gehört, er hat überzeugende Talente. Kriegt man Regulus gratis dazu, wenn man Sirius nimmt, ja? Wie findet Potter das? Ich wette, er teilt Black gerne, solange er seinen üblichen Happen kriegt.“

Lily stieß ihn mit beiden Händen von sich weg. Ihr rollte eine Träne über die Wange, heiß und beschämend. Sie wischte sie barsch weg. „Wie kannst du sowas sagen, Severus?“

„Wie kannst du sowas tun?“, gab er zurück. „Du wolltest nicht mehr mit mir befreundet sein, weil ich mich mit den falschen Leuten abgebe, aber Regulus Black ist in Ordnung, ja?“

„Mulciber hat dir irgendeinen Unfug erzählt und du glaubst ihm wie immer jedes Wort“, sagte Lily.

„Mulciber hat mir gar nichts gesagt. Ich habe Mulciber gesagt, was da läuft“, sagte Severus scharf. „Er hat mir gesagt, wie Regulus dich aus dem Schlamm gerettet hat, wie ein kleiner Möchtegern-Held, aber ich habe Mulciber alles andere gesagt. Ich habe dich mit Regulus in Hogsmeade gesehen, in der Großen Halle und gerade erst… Du starrst ihn an wie ein verträumtes, naives Ding.“

„Das ist nicht wahr“, sagte und hoffte Lily gleichzeitig.

„Regulus Black ist ein oberflächlicher Hohlkopf, aber er hat wenigstens ein hübsches Gesicht, was? Da kann er nicht so schlimm sein.“

„Du schiebst es immer aufs Aussehen, Severus. Menschen sind nicht bescheuert, wenn sie ganz gut aussehen, und sie sind auch nicht intelligent, wenn sie nicht besonders hübsch sind. Regulus ist nicht dumm.“

„Er ist ein Reinblut. Er hasst solche wie dich!“

„Solche wie mich? Was soll das heißen?“

Severus kämpfte mit verkrampften Kiefern gegen die Zornesröte, die inzwischen sein ganzes Gesicht emporgekrochen war. „Du weißt, was das heißt. Du bist ein Schlammblut. Er ein Reinblut. Das mischt sich nicht gut.“

Lily stemmte sich mit allem an Fassung, das sie hatte, gegen das Brennen in ihren Augen. Sie reckte das Kinn. „Und du bist ein verbitterter Bastard.“ Sie drehte sich auf den Absätzen um, machte aber keinen ganzen Schritt, als Severus sie am Handgelenk packte. Lily riss sich sofort los. „Fass mich nicht an“, zischte sie.

„Das ist nicht fair“, fuhr Severus sie an und stellte sich in ihren Weg, als sie gehen wollte. Er kam ihr so nah, dass sie die wütenden Tränen in ihren Augenwinkeln nicht verstecken konnte. Severus ließ sich davon nicht irritieren, bemerkte es vielleicht auch gar nicht, so wie er sich weiter anfuhr und dabei fast anspuckte: „Ich hab mich tausendmal entschuldigt! Wieder und wieder.“

Lily wich seinem Blick aus.

„Du bist nicht fair“, sagte Severus. „Wo ist der Unterschied, Lily? Er ist ein Slytherin, wie ich, er liebt die dunklen Künste genauso, wie ich, aber er ist in Ordnung, ja?“

Lily atmete tief durch. Die Ruhe in ihrer Stimme überraschte sie selbst. „Wir sind nicht deswegen keine Freunde mehr, weil du mich ein Schlammblut genannt hast, Severus. Du wolltest die dunklen Künste, du wolltest Mulciber trotz allem, was er getan hat, und dass du es so gezeigt hast, war nur der letzte Tropfen.“

„Red dir das ruhig weiter ein, bevor du noch ein schlechtes Gewissen kriegst, weil du mich wie eine heiße Kartoffel fallengelassen hast“, gab Severus trotzig zurück. „Du weißt bald selbst, wie sich das anfühlt.“

„Ich freunde mich mit niemandem an, der so denkt, da kannst du dir sicher sein“, sagte Lily. „Und wenn, dann bist du der letzte Mensch, den es etwas angeht.“

Eine Vene pochte heftig in Severus‘ Schläfe. Für einen Moment sah er aus, als würde er ihr den Todesfluch auf den Leib hetzen wollen. Er machte eine plötzliche Handbewegung.

Ein Klatschen hallte durch den Korridor. Severus hatte seine Hand nicht einmal halb gehoben, zu was auch immer, als der Schlag Lilys Rückseite durchfuhr. Sie spürte den Abdruck von Fingern unter ihrer Robe brennen. Wie in Trance drehte sie den Kopf über die Schulter.

Mulciber grinste sie an. „Hübsche Roben, Evans. Siehst fast wie eine richtige Hexe aus“, sagte er und rieb sich vor ihren Augen die Hand, die eben noch auf ihrem Hintern gelegen hatte. Hinter Mulciber kicherte Wilkes in seine Faust.

Lily drehte sich zu ihm herum, bis in den letzten Wirbel angespannt. „Das hast du gerade nicht getan“, sagte sie bedrohlich leise.

Mulciber ignorierte sie und schaute Severus an. „Ehekrach, Severus? Ich dachte, die Sache mit dem Schlammblut sei endlich durch. Ich nehme an, bei der Aussicht überlegt man es sich nochmal anders.“

„Solltet ihr nicht im Gemeinschaftsraum sein?“, fragte Severus, ohne einen Funken Zorn in der Stimme. Dafür flammte ein ganzes Feuer in Lily auf.

„Wir wollten mal sehen, was bei der Party so läuft“, sagte Mulciber und sein Blick wanderte wieder zu Lily, dunkel und penetrierend. Er schien glatt unter ihre Roben zu gehen. Lily versuchte sich an der Hitze der Wut festzuhalten, aber eine Kälte stieg in ihr auf, die eine unangenehme Gänsehaut mit sich brachte. Mulciber beugte sich an sie heran. „Vielleicht haben wir hier draußen aber mehr Spaß, als bei dieser lahmen Veranstaltung… Was meinst du, Evans?“

Lily riss ihren Zauberstab heraus und hielt ihn Mulciber unter das Kinn. „Fass mich noch einmal an und du wirst es bereuen.“

Er schien wenig beeindruckt, hob nur belustigt die Augenbrauen. „Willst du mich verzaubern, Evans? Das müsstest du dafür nämlich.“

„Das kleine Schlammblut hat’s nötig, hm?“, sagte Wilkes.

Lily senkte den Zauberstab und beobachtete, wie Mulcibers Grinsen breiter wurde. Sie holte mit der anderen Hand aus und schlug Mulciber quer übers Gesicht. Sein Grinsen verschwand unter einem hohen Schmerzenslaut. Er hielt sich die Wange und starrte sie aus riesigen Augen geschockt an. Wilkes fasste ihn von hinten um die Schultern, um ihn zu stützen, als er aus der Balance taumelte, aber Mulciber stieß ihn mit dem Ellenbogen weg. Er wich vor Lily zurück, stolperte bis an die Wand.

„Das wirst du bereuen“, raunte er und machte dann kehrt, hastete zurück in Richtung Gemeinschaftsraum. Wilkes folgte ihm und, zu Lilys Enttäuschung, Severus auch, ohne sie noch einmal anzusehen.

Ihre Hand zitterte. Ihr ganzer Arm zitterte, und es schien sich durch ihren ganzen Körper auszubreiten. Lily senkte ihre Hand wie in Trance, steckte den Zauberstab aber nicht weg. Sie schluckte gegen einen dicken Knoten in ihrer Kehle an, aber er schien sich nur enger zu schnüren. Es fiel ihr schwer an Luft zu kommen.

Sie versuchte das Zittern, die Gänsehaut und alles auszublenden, als sie Schritte aus dem Gang hörte. Lily hob ihren Zauberstab blitzschnell und richtete ihn auf den Schatten, der um die Ecke kam. Es war nicht Mulciber, sondern ein Schatten, der sich als zwei entpuppte.

„Woah, ganz ruhig.“ James grinste sie an, beide Hände wie zur Abwehr gehoben. Sirius hing halb über seiner Schulter. Schnee lag in ihren Haaren. James‘ sahen aus, als hätte er sie wieder mit den Händen durcheinandergewühlt, wild und chaotisch. Sirius‘ Krawatte war verschwunden und sein Kragen stand offen.

„Wo kommt ihr her?“, fragte Lily heiser.

„Frische Luft schnappen“, sagte Sirius, während James mit offenem Mund noch nach einer Erklärung zu suchen schien. „James hat’s nicht so mit großen Menschenmassen – wenn sie sich nicht um ihn drehen.“

James stieß ihm mit dem Ellenbogen zwischen die Rippen. Sie grinsten einander an.

Lily hätte zu jeder anderen Zeit über die vertraute Geheimniskrämerei geschmunzelt, gerade war ihr aber nicht einmal danach ihnen die Hölle heiß zu machen. Sie steckte ihren Zauberstab weg.

„Wozu war der?“, wollte James wissen.

„Ich hab mich nur erschreckt“, sagte Lily hastig. Sirius‘ Blick hatte wieder diese Schärfe, die sie gerade noch weniger als sonst ertrug. Lily trat auf sie zu, fühlte sich irgendwie sicherer in ihrer Nähe und bemühte sich um ein Lächeln. „Wir sollten wieder reingehen.“

„Alles okay?“, fragte Sirius.

Lily nickte.

„Was hast du hier draußen gemacht?“, hakte James nach.

„Ich… Ich hab jemandem erklären müssen, dass ich nicht mit dir hier bin“, sagte sie zu Sirius. „Anscheinend denkt die halbe Schule, du wärst verknallt in mich.“

Sirius und James tauschten einen Blick, dann glucksten sie beide. Von Eifersucht war in James‘ Gesicht keine Spur, und irgendwie tat das gut.

„Wirklich?“, fragte Sirius. „Ich hab heute das Gefühl, alle wollen sichergehen, dass sie nicht für mein Date gehalten werden.“ Er schmollte, noch ein wenig mehr sogar, als sie nicht darüber lachen konnte. „Sorry, ich hätte das wohl auch nicht aus Spaß sagen sollen. Es war nicht einmal witzig…“

„Mulcibers Humor hat es auf jeden Fall nicht getroffen.“ Lily wusste nicht, was sie sowas sagen ließ. Sie hatte diesen Blick in Erinnerung, der sich wie die fremde Hand unter ihre Haut gegraben hatte. Aufgewühlt fuhr sie sich übers Gesicht.

„Was soll das heißen?“, fragte James und Lily spürte eine Hand auf ihrem Oberarm. „Sicher, dass alles okay ist, Lily?“

Lily schob die Hand vor ihre Augen. Sie wollte gerade niemanden ansehen. „Wie kann man mit so jemandem befreundet sein wollen? Er ist ein widerlicher Mistkerl. Wenn ich daran denke, was Mary wegen dem durchstehen musste…“ Sie vergrub das Gesicht in beiden Händen, lehnte den Kopf leicht nach vorne und traf auf etwas Warmes, Hartes. Eine angenehme Wärme, die abzufärben schien. Das Zittern in ihren Armen klang allmählich ab, auch wenn ihr Herzschlag sich nicht beruhigen wollte.

Erst auf den dritten oder vierten Blick realisierte Lily, dass sie sich an James gelehnt hatte. Sie schaute auf und trat zügig zurück. James nahm die Hand von ihrem Arm. Er schaute weg, als wüsste er, dass sie seinen Blick lieber vermeiden wollte.

Sirius beugte ein Stück zu ihm vor, sodass seine Stirn gegen James‘ lehnte, und flüsterte ihm zu: „Ich bin gleich wieder.“ James verabschiedete sich mit einem Griff in Sirius‘ Nacken und ließ ihn gehen. Er verschwand in die Richtung, aus der sie gekommen waren, was Lily erleichtert aufatmen ließ. Das Letzte, was sie wollte, war ein Drama wegen ihr.

„Willst du was trinken?“, fragte James.

Lily lauschte Sirius‘ Schritten, die sich entfernten. Sie fragte sich, was er plötzlich zu tun hatte, ob er sie am Ende nur alleine lassen wollte. James lächelte sie mit einer entwaffnenden Ungezwungenheit an, die sie nicht unerwidert lassen konnte.

Sie zuckte mit den Schultern. „Eigentlich…“ Sie dachte an die Bowle, die in Professor Slughorns Büro wartete, und damit an Regulus, der angedeutet hatte ihr dort ein Glas zu reservieren. Ihr war danach ihn zu sehen. Sie wollte ihn so gerne sehen, dass es sie erschreckte. In seiner Gegenwart verflüchtigte sich jeder hitzige Gedanke, der sie eben fast ein paar Flüche hätte verteilen lassen.

„Ja“, sagte sie und nickte James zu. „Eigentlich schon.“

James wies ihr mit einer verspielten Verbeugung den Weg und folgte ihr dann, blieb dicht an ihrer Seite. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sah sie so bedauernswert aus, dass James sie keinen Schritt mehr alleine tun lassen wollte? Sie konnte auf sich aufpassen. Oder?

In Professor Slughorns Büro hatte sich die Stimmung allmählich gelöst. Sie entdeckte Peter in einer Ecke mit Rosier, was sie merkwürdig gefunden hätte, hätte es nicht danach ausgesehen, dass er sein Glas über Rosiers Festtagsumhang geschüttet hatte und dafür gerade eine Schimpftriade kassierte. Nicht weit entfernt von ihm unterhielt sich Remus eifrig mit einem hochgewachsenen Zauberer, der aussah, als hätte er einen ganzen Drachen für seine Kleidung und Schuhe geschlachtet. Lilys Blick wanderte an ihnen vorbei zum Büffet. Sie entdeckte Regulus dort, wie er mit gerunzelter Stirn auf seine Uhr schaute. Lily lächelte, als wären die kleinen Sorgenfalten das größte Kompliment des Abends.

„Also…“ Sie zeigte James dieses Lächeln. „Verrätst du mir, was ihr wirklich da draußen gemacht habt?“

James schien ein bisschen verwirrt über ihren Stimmungswechsel, ließ sich das aber nicht lange anmerken. „Bist du dir sicher, dass du das wissen willst?“

„Muss besser als eine Party gewesen sein. Schneeballschlacht?“

„Sirius steht nicht so auf diese… Art Veranstaltungen“, sagte James. „Er findet es ist eine Ansammlung von oberflächlichen Kriechern und Intrigenspinnern.“

Lily kam das bekannt vor.

„Wenn er seinen Kopf abkühlen geht, muss man ihn danach wieder einfangen. Er könnte ja sonst Old Sluggys Versuche verpassen uns mit wichtigen Ministeriumsangestellten zu verkuppeln. Das würde er immer bereuen.“

„Du bist so ein guter Freund“, sagte Lily mit nur einem Hauch Sarkasmus.

„Da sprichst du hoffentlich aus Erfahrung“, sagte James.

Lily lächelte irgendwo in den Raum. „Ja. Hoffentlich.“

„Wir sind Freunde“, sagte James. „Oder?“

„Ich dachte, das gerade hätte das impliziert“, erwiderte Lily.

James grinste sie an. „Ich bin nicht der Typ für subtile Anspielungen, behauptet man jedenfalls. Also… Ich hab gehört, Freunde reden miteinander, wenn’s ihnen nicht gut geht.“

„Wer hat dir das bloß gesagt?“, gab Lily zurück, aber James schenkte ihr einen merkwürdig ernsten Blick. „Mir geht es gut, James, also haben wir keinen Grund zu reden.“

James seufzte. „Oje, Schweigen ist auch nicht so mein Ding.“

Lily gluckste hinter vorgehaltener Hand und James grinste sie lieber an, als auf den Weg zu achten. Er machte einen plötzlichen Stolperer, als Professor Slughorns Bauch vor ihm auftauchte, und sprang nach hinten weg, bevor er ihn umriss. Lily musste sich wirklich bemühen darüber nicht zu lachen.

„‘tschuldigung, Professor“, sagte er. „Ich hab Sie nicht gesehen.

Professor Slughorn in seinen purpurnen Roben zu übersehen war schwer genug und schier unmöglich, weshalb James darauf wohl auch keine Antwort bekam. „James, mein Junge, ich habe Sie schon gesucht“, begann Professor Slughorn und zog wie aus dem Nichts den stämmigen Mann von vorhin an seine Seite. „Kennen Sie Hamish McFarlan schon?“

„Äh…“ James schaute sich hilfesuchend nach Lily um. „Natürlich kenn ich Sie. Großer Fan, Mr. McFarlan.“ Er schüttelte McFarlans Hand, ohne ihn anzusehen. „Lily und ich wollten gerade etwas trinken.“

„Oh, ich finde die Bowle schon alleine.“ Lily klopfte James zum Abschied auf den Rücken, lächelte McFarlan und Professor Slughorn an und ging zum Büffet.

Auf dem Weg zur Bowle hielt sie Augen offen, aber Regulus schien wie vom Erdboden verschluckt. Sie fand zwei Gläser, die einsam dort standen, wo sie ihn vorhin noch gesehen hatte. Lily konnte nicht glauben, dass sie sich verpasst hatten. So weit war der Weg hierher auch wieder nicht gewesen.

Sie schaute sich um, lugte über ein paar Haarschöpfe, die über den Häppchen zusammenstießen, und entdeckte Regulus schließlich nicht weit entfernt in einer Ecke. Der kurze Moment der Freude wurde schnell von seiner Begleitung überschattet. Er unterhielt sich mit Lucius Malfoy. Ausgerechnet Lucius Malfoy. Lily gefiel diese Konstellation gar nicht, und noch weniger gefiel ihr Regulus‘ Gesichtsausdruck, sonst kühl und distanziert schien er gerade ungewöhnlich offen. Neugierig. Begierig. Als würde er jedes von Malfoys zweischneidigen Worten wie ein Schwamm Wasser aufsaugen. Lily wünschte, sie hätte bessere Ohren um hören zu können, was Malfoy so Interessantes zu sagen hatte.

Es war ziemlich eindeutig, dass Menschen wie Malfoy der Grund waren, warum Regulus so eine verkappte Meinung von Lord Voldemort hatte, da war sie sich ohne Zweifel sicher. Sie hoffte immer noch, dass Regulus von alleine darauf kommen würde, dass Voldemort kein Opfer von Propaganda war, aber danach sah es gerade eher weniger aus, wenn er sich selbst eine einstudierte Propagandarede anhörte, und was anderes konnte Malfoy ihm erzählen?

Lily machte einen ersten, zögerlichen Seitschritt in Regulus‘ Richtung. Sie fühlte sich wie eine Krabbe, als sie versuchte sich so möglichst unauffällig in seine Nähe zu bewegen. Am Ende des Tisches kam sie endlich in Hörweite.

„Vater geht es in letzter Zeit gar nicht gut“, sagte Malfoy, klang dabei aber eher gelangweilt als besorgt. Er lehnte an der Wand und zerknitterte eine der fliederfarbenen Seidenbahnen, die Professor Slughorn so gern hatte.

Lily beschäftigte sich mit einer genauso fliederfarbenen Serviette, faltete sie und entfaltete sie gleich darauf. Sie linste zu Regulus. Wenn er jetzt den Kopf drehte, würde er sie direkt ansehen – und das Gleiche galt für Malfoy. Er kam ihr wie eine Spinne vor, die ihre intriganten Fäden um Regulus spann. Als wäre der Abend nicht schon schlimm genug schien es gerade bergab zu gehen. Regulus sprach lieber mit Malfoy, als auf sie zu warten. Er versetzte sie für Malfoy. Eindeutige Prioritäten.

„Deswegen bleiben die Geschäfte an mir hängen, wenn du verstehst. Neulich erst war ich im Ministerium um mit dem Minister persönlich zu sprechen. Ein absoluter Hohlkopf, wenn du mich fragst.“

„Ich dachte, das sei eine allgemein bekannte Tatsache“, erwiderte Regulus.

Malfoy toastete ihm zu. „Du wirst mir nicht glauben, wen sie in das Büro gegen den Missbrauch von Muggelartefakten gelassen haben: Arthur Weasley. Ich erinnere mich an ihn aus meiner Schulzeit. Hat sich ständig irgendwo auf den Ländereien rumgetrieben und wurde vom Hausmeister wieder eingesammelt. Wenn man den Gerüchten glauben will, experimentiert er gerne mit Muggel-Zeug. Das Ministerium braucht niemanden wie ihn“, sagte er, ohne Regulus dabei aus den Klauen seines kühlen Blickes zu lassen. „Hast du über mein Angebot nachgedacht?“

Regulus stellte sich dem Blick, ohne eingeschüchtert zu wirken. „Ich denke über viele Dinge nach.“

„Es ist eine einmalige Chance, Regulus“, sagte Malfoy, als würde er Regulus gerade die Welt zu Füßen legen. „Jemand in deinem Alter in so einer Position… Dir stünde alles offen. Wie alt bist du nochmal? Siebzehn –“

„Sechzehn“, sagte Regulus. Manchmal vergaß Lily, dass sie etwas über ein Jahr trennte.

„Sechzehn, mhm.“ Etwas sagte ihr, dass Malfoy genau gewusst hatte, wie alt Regulus war. „Dein Bruder hatte mit sechzehn auch schon eigene Pläne, nicht wahr?“

„Lucius“, warnte Regulus. „Ich bin nicht mein Bruder.“

„Ja, sowas wie Sirius gibt es nur einmal“, sagte Malfoy und schüttelte sachte den Kopf. Definitiv kein Kompliment, sondern als würde er die Einzigartigkeit eines Quintapeds bewundern. „Du hast darüber nachgedacht, nehme ich an. Darüber, wie stolz deine Eltern wären.“

Regulus schob die Finger ineinander, um sich davon abzuhalten sie zu wringen. „Ja“, sagte er. „Ich hab seit letztem Sommer nichts anderes getan, als darüber nachzudenken. Das ist genau, was ich immer wollte.“

„Dann wäre wohl alles geregelt.“ Malfoy entging Regulus‘ zögerlicher Blick nicht. „Oder etwa nicht? Sag mir nicht, dass du Zweifel hast, Regulus.“

Regulus sagte das nicht, aber auch nichts anderes.

„Du hast Zweifel“, interpretierte Malfoy drauf los. Er wirkte gleichzeitig belustigt und indigniert. „Du bist vielleicht doch mehr wie dein Bruder, als du glauben magst, wenn du dich so in die Irre führen lässt.“

„Ich habe mich nicht…“ Regulus brach mitten im Satz ab, als müsste er wieder Ruhe in seine Worte atmen. „Es ist eine große, wichtige Entscheidung, Lucius. Solche Dinge überstürzt man nicht.“

„So, so… Drei Monate sind auch nicht genug Zeit, um sich genügend Gedanken zu machen. Sicher, dass du keinen anderen Grund hast?“ Malfoy grinste süffisant, als Regulus ihn fragend ansah. „Ich hatte ein interessantes Gespräch mit Severus.“

Lily brauchte nicht mehr zu hören, um zu wissen, wo das hinführte. Heute schien sie Severus‘ Namen nicht außerhalb von irgendwelchen Gerüchten zu hören. Und das, wo er sich sonst gar nicht für so etwas interessierte. Er musste sich sehr verletzt von ihr gefühlt haben, um das zu tun. Aber dafür hatte er das gerade tausendfach zurückgegeben.

„Er hat mir erzählt, dass du ein ungesundes Interesse an einem muggelstämmigen Mädchen zeigst. Eine Miss Evans.“

Regulus versteifte sich und Lily horchte mit klopfendem Herzen auf. Sie schien immer weniger Regulus‘ kleines Geheimnis zu sein.

„Ich konnte vorhin ein Auge auf sie werfen. Recht unscheinbar“, sagte Malfoy, „aber mehr kann man von jemandem mit so wenig magischem Blut auch nicht erwarten.“

„Wenn sie eine schlechte Hexe wäre, würde Professor Slughorn sie nicht einladen“, sagte Regulus in einem sachlichen Ton, aber selbst für seine Verhältnisse hielt er sich ungewöhnlich steif. Und unter Malfoys Blick schien jedes Wimpernzucken zur falschen Zeit verräterisch.

„Professor Slughorn tendiert zu einer gewissen Extravaganz im Alter, Regulus. Dir würde ich dazu allerdings nicht raten. Du hast weder den Einfluss, noch das Prestige, um dir solche Ausrutscher zu erlauben.“

„Ich weiß nicht, was Snape dir erzählt hat“, sagte Regulus, „aber ich weiß sehr genau, was ich mir leisten kann.“

Malfoy lächelte süffisant. „Natürlich. Deine liebe Cousine Andromeda hat das auch, bis sie dieses Schlammblut getroffen hat. Was hat deine Mutter nochmal mit ihr gemacht?“

„Sie hat sie aus dem Familienstammbaum gebrannt.“ Regulus fühlte sich sichtlich unwohl. „Wie Sirius.“

„Deine Mutter hat einen interessanten Humor“, sagte Malfoy. „Wie würde sie wohl darauf reagieren, wenn ihr verbliebener Sohn sich ebenfalls als Enttäuschung entpuppt? Und dein Vater erst?“

„Ich weiß nicht, was du mir unterstellen willst“, sagte Regulus eisig.

Malfoy hob die Schultern, als wüsste er das selbst nicht so genau. Als wäre das hier bloßer Smalltalk, obwohl er Regulus mit jeder Silbe zu foltern schien. „Du würdest einen hübschen Brandfleck abgeben.“

Regulus straffte die Schultern, hob herausfordernd die Augenbrauen. Ein Teil von Lily hoffte, dass er Malfoy eine verpassen würde.

„Eine Schande für die Blacks, leider“, fuhr Malfoy fort. „Ich meine, ohne deinen Bruder und dich wäre die männliche Linie zu Ende, nicht wahr? Nach dem Tod deiner Eltern würde das ganze Gold und der Grimmauld Place einen neuen Besitzer finden müssen. Und seien wir ehrlich, Bellatrix und Rodolphus sind weiter von eigenen Kindern entfernt als Albus Dumbledore. Andromeda hat sich selbst aus dem Rennen befördert. Das heißt das Erbe der Blacks ginge an Narcissas und meinen Sohn.“

„Schön zu wissen, dass du für den Notfall geplant hast, Lucius“, sagte Regulus. „Aber dazu müssten Narcissa und du erst einmal einen Sohn haben. Ihr letzter Brief hat sich nicht angehört, als wäre das demnächst der Fall.“

Dass das besser als ein Schlag ins Gesicht gewesen war, dazu musste man sich nur Malfoys steinharte Miene ansehen. „Oh, mach dir darum keine Sorgen“, sagte er steif. „Wir haben unseren Sohn, bevor du deinen Abschluss an dieser Schule machst. Merlin soll noch ein paar Jahre auf dem Thron haben, bevor er Konkurrenz bekommt, nicht wahr?“

„Merlin als Konkurrenz. Kein großer Druck für deinen ungeborenen Sohn“, sagte Regulus voller Sarkasmus.

Malfoy hob sein Glas an die Lippen, und selbst auf die Entfernung und ohne Kontakt schien sein Blick alles einzufrieren. „Wenn du dir einen Brandfleck-würdigen Fehler erlaubst, ist es vorbei mit dem Namen ‚Black‘“, raunte er schwer verständlich für Lily. Er trank aus seinem Glas, während er die Worte sacken ließ. Nicht nur für Regulus. Auch Lily dachte darüber nach, was das bedeuten konnte, während sie die Serviette vollends zerpflückte, mit der sie seit Gesprächsbeginn spielte. War sie ein Brandfleck-würdiger Fehler? Ihr Herz raste, während sie auf Regulus‘ Antwort wartete, ihn nicht mehr nur verstohlen, sondern voll im Auge behielt. Jede noch so kleine Bewegung seiner Muskeln unter dem zu gut sitzenden Festumhang schien ihr aufzufallen.

Er rollte leicht mit den Schultern, schob die Verspannung aus Rücken und Schulterblättern, wie sie es noch nie bei ihm gesehen hatte. Seine Haltung bekam etwas Gleichgültiges, Lässiges, wie man es eher von seinem Bruder kannte, und er stieß ein Schnauben aus, das nah an ein Lachen kam. Aber es war kalt und freudlos, und Lily wollte nicht glauben, dass sein Lachen so klang.

„Dann ist es ja gut, dass du dir keine Sorgen machen musst“, sagte Regulus. „Das Letzte, was ich tun würde, ist irgendetwas für ein unscheinbares Mädchen ohne einen Tropfen magischen Blutes zu riskieren. Ich habe meine Würde noch.“

Lily ließ von dem letzten, zerrupfte Stück der Serviette ab. Sie hatte Schwierigkeiten Luft zu bekommen. Als würden sich seine Worte wie Hände um ihre Kehle legen und zudrücken. Sie wusste nichts mehr, außer dass sie hier raus musste. Ganz schnell. Sie drehte sich auf den Absätzen um und hörte Malfoys Stimme nur noch leise:

„Dann denk weiter über mein Angebot nach. Ich will deine Antwort spätestens zwei Tage nach Weihnachten oder ich suche mir jemand anderen, der nicht so sprunghaft ist.“

Sie schaute zurück und bereute das, als sie Regulus‘ Blick auffing. Lily drehte sich schnell wieder um und ging, drängte sich zwischen Remus und dem Drachenleder-Typen durch in Richtung Ausgang. Ein Brennen kroch in ihre Augenwinkel, gegen das sie schnell anblinzelte. Sie schob jemand anderen aus dem Weg, kein bekanntes Gesicht, sondern nur ein verschwommener Körper. Alle um sie herum wurden zu schemenhaften Umrissen, die an ihr vorbeiflogen.

Lily hastete durch die Tür in den schwach beleuchteten Korridor, ließ die Musik hinter sich verklingen und eilte die Treppen nach oben. In der Eingangshalle bog sie durch die offenen Türen nach draußen auf die Ländereien.

Die Nacht lag tief und schwarz über dem steinernen Innenhof. Schnee lag in einer dicken, weißen Schicht auf dem Boden, Dächern und Mauern. Er knirschte unter ihren Schritten, als sie sich in die Kälte hinauswagte und auf der hüfthohen Mauer abstützte. Eine vergessene Krawatte lag dort in einem Knäuel.

Lily atmete die eisige Nachtluft ein, als hätte sie den ganzen Weg über die Luft angehalten. Und auch jetzt kam sie nicht richtig zu Atem. Ihre Seiten stachen und ihre Lungen schmerzten von dem Tempo, mit dem sie die Treppen heraufgestürmt war. Ihr Puls stürmte noch immer irgendwelche Treppen herauf und schlug ihr bis in die zugeschnürte Kehle.

Erst, als der Wind ihr eiskalt entgegenwehte, bemerkte sie die Nässe auf ihrem Gesicht. Tränen liefen heiß über ihre Wangen. Sie hatte sie kommen gespürt, war aber nicht schnell genug vor ihnen davon gelaufen. Lily rieb jeden noch so kleinen Tropfen weg, um wenigstens keine weitere Träne zuzulassen. Sie wollte wütend sein, wollte den dämlichen Serviettenfetzen nach Regulus werfen, den sie noch in der Faust hatte, aber alles in ihr schrie danach etwas anderes zu sein.

Lily verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie hatte heute schon eine Träne zu viel vergossen, und gerade stieg all das wieder in ihr auf. Severus‘ Worte taten noch dreimal mehr weh, als sie in ihrem Hinterkopf auf sie einrieselten. Sie kam sich vor, als könnte sie Mulcibers Hände überall auf sich und sogar unter ihrer Robe spüren. Es war grauenhaft, widerlich und brachte sie dazu sich am liebsten aus ihrer eigenen Haut schälen zu wollen. Aber nichts davon war so schlimm, wie diese eine Bemerkung von Regulus.

Sie konnte nicht glauben, dass er das gesagt hatte. Sie hätte es nicht geglaubt, wenn jemand es ihr erzählt hätte. Dass er so wenig von ihr hielt… tat weh. Es schnürte ihre Kehle zu, klemmte ihr Herz in der Brust ein und trieb neue, beschämende Tränen in ihre Augen, die sie nicht vergießen wollte. Sie hasste sich selbst dafür, dass sie es so wehtun ließ.

Er hatte versucht sie küssen. Sie erinnerte sich an den Moment im Trophäenzimmer, als er kurz davor gewesen war, aber anstatt warmes Kribbeln auszulösen, schmeckte der Gedanke bitter. Sie verstand es nicht. Was hatte das bedeutet? War er so versessen auf Traditionen, dass er sich deswegen dazu überwunden hätte, ihr so nahe zu kommen?

In den letzten Jahren verging kaum ein Tag, an dem sie sich nicht dafür beschimpfen lassen musste, wofür sie nichts konnte. Für ihr Blut. Sie ertrug das Wort „Schlammblut“ so gut sie konnte, wenn es sie von irgendwoher erwischte, und sogar vor Hogwarts hatte sie sich beleidigen lassen müssen. Ihre eigene Schwester hatte sie einen Freak geschimpft. Aber all das zusammen ertrug sie tausendmal lieber, als von Regulus zu hören, dass er sie unter seiner Würde fand.

Ihr entfuhr ein ersticktes Schluchzen.

„Evans?“

Lily fuhr zusammen. Regulus‘ Stimme erwischte sie kalt, wie ein Schneeball im Nacken. Selbst im Schnee hatte sie seine Schritte nicht näherkommen gehört. Sie hob das Gesicht aus ihren Händen und wischte gegen die Tränenspuren auf ihren Wangen an, drehte sich aber nicht um.

„Ich hab gesehen, wie du gegangen bist“, sagte Regulus. „Und dann bist du nicht wiedergekommen, da wollte ich mal nach dir sehen.“ Sie hörte, wie er näherkam. „Ich hatte ein Glas für dich reserviert.“

„Wirklich?“ Lily hasste wie heiser ihre Stimme klang. „Ich dachte, du hättest das Glas an Lucius Malfoy weitergegeben.“

Regulus stoppte hinter ihr, höchstens eine Schrittlänge entfernt. „Er hat mich abgefangen, als ich einen Moment nicht aufgepasst habe. Nicht gerade, wie ich meinen Abend verbringen will. Er kann ziemlich anstrengend sein, besonders in letzter Zeit. Aber eigentlich ist er ganz in Ordnung. Sein Vater setzt ihn wohl ein wenig unter Druck.“

„Ja, der arme Lucius ist der Einzige, der einen schlechten Tag hat.“

In der kurzen Stille glaubte sie den Schnee fallen zu hören. Es hatte angefangen in dicken Flocken zu schneien. Sterne und Mond verschwanden hinter düsteren Wolken.

„Alles in Ordnung, Evans?“, fragte Regulus.

Nichts war in Ordnung. Sie musste wieder eine Träne wegwischen und das Letzte, was sie wollte, war, dass Regulus sie dabei sah. „Lass mich einfach in Ruhe“, zischte sie nach hinten.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. „Hab ich was falsch gemacht?“ Er zog, aber anstatt sich herumziehen zu lassen zuckte Lily weg und drehte sich selbst um.

„Ernsthaft, Black, verschwinde“, fuhr sie ihn an und wich dabei dicht an die Mauer zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, rieb gegen die Gänsehaut auf ihren Oberarmen an.

Regulus schluckte. Sein Blick wich ihrem schneller aus, als sie überhaupt blinzeln konnte. „Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“

Lily lachte auf, aber mit ihrer heiseren Stimme blieb davon nicht viel übrig. „Ja, weil sich meine ganze Welt nur um dich dreht, Regulus Black. Du hast selbst gesagt, dass du nicht mein Problem bist. Ich hab auch eigene Probleme, okay?“

Regulus schielte wieder hoch zu ihr. „Ich wollte nicht andeuten…“

„Nicht nur dein lieber Lucius hatte einen schlechten Tag, okay?“ Die Tränen blieben schon wieder in ihren Wimpern hängen, wenn sie nur blinzelte. „Der Mensch, den ich mal meinen besten Freund genannt habe, hat mich gerade als Schul-Schlampe abgestempelt. Und sein neuer bester Freund denkt deswegen, dass er sich alles erlauben kann. Oder vielleicht denkt er immer so. Und du…“ Sie unterbrach sich selbst und drehte Regulus den Rücken zu. Das Schneetreiben vor ihren Augen verschwamm zu einem grauweißen Schleier.

„Evans…“ Regulus fasste sie erneut an der Schulter, aber Lily zuckte von ihm weg.

„Lass mich bitte einfach in Ruhe.“

„Ich dachte, wenn das eine Option wäre, hätten wir seit Monaten nicht mehr miteinander gesprochen“, sagte Regulus und diesmal ließ seine Hand sich nicht so leicht abschütteln. „Du kannst auch mit mir reden, Evans.“

„Ich will nicht mit dir reden“, presste Lily hervor. Jedes Wort schien es schwieriger zu machen die Tränen zurückzuhalten, die Regulus nicht sehen sollte. „Bitte.“

„Lily…“ Es war das erste Mal, dass er sie mit Vornamen ansprach, und es drückte den Schluchzer aus ihrer Kehle. „Komm her.“ Regulus schob seine Hand zwischen ihre Schulterblätter und zog sie in einer Drehung gegen sich. Sie ließ ihn. Sein Griff war fest und bestimmend, ließ ihr gar keine andere Wahl. Lily vergrub das Gesicht in seiner Brust. Er war warm, vor allem im Vergleich zu der eisigen Schneelandschaft, und sein Herz schien ein Wettrennen gegen ihres gewinnen zu wollen. Die Umklammerung seiner Arme ließ den eisigen Wind nicht durch und so geschützt, vor Kälte und Blicken und was auch immer, fielen Lilys Tränen leicht wie Regen. Als würde er jede einzelne Träne, die sie heute Abend heruntergeschluckt hatte, aus ihr herausholen.

Sie klammerte sich an seiner Robe fest und dämpfte ein Schluchzen in ihnen. Regulus strich ihr über die Haare.

„Es tut mir leid“, murmelte Regulus. „Ich hätte dir das mit Snape nicht sagen sollen. Er ist verbittert und extrem reizbar in letzter Zeit. Ich weiß, dass ihr euch mal nahe gestanden habt, deswegen dachte ich, dass es das Richtige wäre. Und mit Mulciber hab ich nicht gerechnet. Ich… weiß, dass er sehr unangenehm sein kann. Aber du weißt auch, dass alles, was er sagt, dich nur verletzen soll. Oder?“

Lily hieb die Fäuste gegen Regulus‘ Brust und löste seine Umarmung so. „Was interessiert es dich, wie es mir geht?“

Regulus sah nicht nur verwirrt, sondern irgendwie verletzt an. „Ich…“

„Was?“ Lily blinzelte die letzten Tränen weg. Vielleicht hatten Regulus‘ Worte geholfen, aber sie hatten ihr vor allem Raum für die ganze Wut gegeben, die sich unter dem Schmerz angestaut hatte. Und sie war bereit sie ihm entgegenzuschlagen. „Was interessiert es dich, wie es einem unscheinbaren Mädchen mit keinem Tropfen magischen Bluts geht?“

Regulus‘ Augen weiteten sich leicht.

„Ich hab gehört, was du mit deinem lieben Lucius Malfoy gesprochen hast“, sagte Lily. „Ich dachte, du würdest mich nicht ganz abstoßend finden. Ich dachte, du würdest mich mögen. Aber du bist genau wie all die anderen Slytherins, und ich bin eine Idiotin, weil ich das hätte wissen müssen. Gerade wegen Severus. Du musst nicht so tun, als würdest du dich einen Knut um mich scheren, damit ich dir weiter in Zaubertränke helfe. Du bist gut genug. Du brauchst mich nicht mehr.“

„Ich bin nicht wegen Zaubertränke hier“, sagte Regulus.

Lily schnaubte auf. „Wieso sonst solltest du dich um mich scheren?“

Regulus atmete frustriert aus, umfasste Lilys Gesicht mit seinen eiskalten Händen und küsste sie. Seine Lippen pressten sich weich wie frischgefallener Schnee gegen ihre und hinterließen dort deutliche Spuren. Lily seufzte ihnen hinterher, als Regulus sich löste und ihr dabei mit einer Hand über die Wange strich. Sein Atem traf gegen ihren. Sie konnte die Unsicherheit in seinen Augen kristallklar erkennen. Lily stellte sich leicht auf die Zehenspitzen und hob sich ihm entgegen. Ihre Lippen fanden sich ein weiteres Mal, trafen ohne einen Hauch des Zögerns aufeinander.

Regulus schob eine Hand in ihren Nacken, die andere auf ihren Rücken und zog sie so dicht an sich heran, dass sie keine Hand brauchte, um sein Herz schlagen zu fühlen. Lily klammerte sich an ihn, schlang die Arme eng um seine Schultern und kam jeder Lippenberührung hungrig entgegen. Sie legte all ihre Wut, all die Tränen in den Kuss hinein, bis davon nichts außer einer unbezähmbaren Wärme übrig war. Da war kein eisiger Wind, kein Schnee, nur Regulus‘ Lippen, die ihre leichter öffneten, als ein Alohomora, sein Körper, der sich hart und warm gegen ihren presste und seine Hände, die sie nicht losließen. Er hob sie beinahe von den Füßen, als er sie noch näherziehen wollte, und Lily ließ ihn nicht nur, sie wollte jede dieser Berührungen. Und zumindest im Moment wollte Regulus sie auch nicht loslassen.

Der Schnee fiel geräuschlos auf sie herab und knirschte irgendwo hinter ihnen wie unter Schritten, die sich entfernten. Und niemand scherte sich darum.


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