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Fanfiction

Mud and Blood - Zwischen Büchern und Brüdern

von Dr. S

„Sehr gut“, sagte Lily und rührte den türkisfarbenen Trank noch einmal um. Er hatte die perfekte Konsistenz, Farbe und eine leichte Note Pfefferminz, die den Geschmack des Salamanderbluts sicherlich neutralisierte. Sie sollte begeistert über so ein Ergebnis sein, über die Kreativität, die darin steckte, aber sie suchte einen Fehler. Sie war enttäuscht keinen zu finden. „Wirklich sehr gut, Regulus.“

Regulus hatte sie genau im Auge behalten, während sie den Inhalt seines Kessels begutachtet hatte. Sein messerscharfer Blick gab ihr das Gefühl, dass jeder Wimpernschlag verräterisch war und ihre Enttäuschung offensichtlich machte. Sie lächelte ihn gegen dieses schwere Gefühl an.

Zwei Sitzungen hatten sie an dem Stärkungstrank gearbeitet, und das nicht, weil Regulus irgendetwas falsch gemacht hatte, sondern weil der Trank mehrere Tage reifen musste. Lily hatte gehofft mindestens doppelt so lange zu brauchen. Sie hatte gehofft, dass Regulus es nicht beim ersten Versuch schaffen würde. Aber er machte sich. Er machte sich unglaublich gut. Lily freute sich für ihn, irgendwie. Sie wusste aber auch, dass er sie bald nicht mehr brauchen würde, wenn das so weiterging.

„Das sagst du nur so“, antwortete Regulus, ohne sie aus den Augen zu lassen. Sein Blick ging tiefer, seit sie einander im Trophäenzimmer gegenüber gestanden hatten. Lily versuchte nicht daran zu denken, sonst flammte eine Hitze in ihr auf, die sie von innen zu verbrennen schien.

„Wieso sollte ich das nur so sagen? Der Trank ist dir gut gelungen“, sagte Lily.

„So siehst du aber nicht aus.“

Lily versuchte sich daran eine Augenbraue hochzuziehen, auch wenn sie sich nie so gut darin anstellte, wie Severus. „Du tust das ja auch nicht, um mich zum Lächeln zu bringen.“

Regulus zuckte scheinbar belanglos mit den Schultern und Lilys Lächeln kam von ganz alleine. Sie schlug ihm sanft gegen den Oberarm und schüttelte den Kopf.

„Hilf mir, das hier aufzuräumen. Du hast dich gut genug angestellt, dass wir früher Schluss machen können“, sagte sie und füllte eine Phiole des Trankes ab, um sie Professor Slughorn zu geben. Er würde sie loben und dann Regulus, bevor er erkennen würde, dass Nachhilfe keinen Sinn mehr hatte. Inzwischen befürchtete sie so eine Reaktion immer öfter.

„Wollen wir nicht mit etwas Neuem anfangen?“, fragte Regulus, während er den restlichen Trank mit einem Wink seines Zauberstabs verschwinden ließ.

Lily verkorkte die Phiole und steckte sie ein. „Das ist vielleicht keine gute Idee. Ich meine, am Ende gehen mir die Ideen aus, was ich dir noch beibringen kann.“

Regulus stand die hochgezogene Augenbraue besser als ihr oder irgendwem anders. Sie beobachtete, wie Regulus ihr widerspruchslos den Rücken zukehrte und die Zutaten wegräumte. Die Enttäuschung kehrte zurück. Ein Teil von ihr hatte sich darüber gefreut, dass er sie noch nicht loswerden wollte.

Lily kümmerte sich um den Kessel, stellte ihn zur Seite. „Du solltest das ausnutzen“, murmelte sie. „Ein bisschen Freizeit kannst du sicher gebrauchen. Du kannst dich amüsieren.“

„Soll ich mich jetzt nach Hogsmeade stehlen, ja?“, gab Regulus zurück. „Das war letztes Mal doch so eine gute Idee.“

Lily lachte gekünstelt. „Ich fand nicht, dass es so schlimm war. Bis auf den Schlussteil, vielleicht.“

Regulus verschwand tief im Zutatenschrank.

„Aber mir würde etwas anderes einfallen“, sagte Lily und wartete vergeblich auf eine Antwort.

Professor Slughorns Weihnachtsfeier stand bevor. Regulus‘ Einladung hing halb aus seiner Umhangtasche, ein Umschlag in einem beißendem Violettton, der nicht zu ihm passen wollte. Sie durften wie jedes Jahr jemanden mitbringen. Lily hatte gehofft, Regulus würde sie zumindest darauf ansprechen.

Er schien sie nicht gehört zu haben und kam ungerührt aus dem Zutatenschrank. „Wenn du mich hier rauswirfst, verbringe ich den Abend in der Bibliothek.“

Lily horchte auf. „Hatten wir das Thema nicht schon mal? Es würde dir gut tun mal abzuschalten, Regulus.“

„Sag das Professor Slughorn. Er lässt uns einen zehn Zoll langen Aufsatz über die Anwendungen von Mondstein in Zaubertränken schreiben. Irgendwann sollte ich das machen.“

Lily stand auf, als Regulus zurück zu ihr an den Tisch kam, und schnappte ihm seine Tasche vor der Nase weg. „Ich glaube, dass du mich doch noch nicht loswirst.“

„Und ich hatte mir schon Hoffnungen gemacht“, sagte Regulus und Lily glaubte einen Hauch Sarkasmus herauszuhören. „Was meinst du, Evans?“

„Ich kann dir mit deinem Aufsatz helfen.“

Regulus schnaubte. „Nein.“ Er nahm ihr seine Tasche ab, bevor sie überhaupt blinzeln konnte, und wandte sich zum Gehen. Lily machte einen Ausfallschritt in seinen Weg und presste ihre Hand gegen Regulus‘ Brust, als er ihr ausweichen wollte.

„Wieso nicht?“, fragte sie.

Regulus umfasste Lilys Hand, die auf seiner Brust lag. Seine Finger waren ihrem Puls zu nah, um den ungleichmäßigen Rhythmus zu übersehen. „Weil das nicht nötig ist. Du sollst mir nur bei Zaubertränke helfen und nicht meine Hausaufgaben machen.“

„Ich habe nicht vor deine Hausaufgaben zu machen“, sagte Lily amüsiert. „Aber so ein Aufsatz gehört zu Zaubertränke, und ich kenne ein super Buch über Mondsteine.“ Sie beugte sich an ihn heran, als würden sie ein Geheimnis teilen, und senkte die Stimme: „Ein absoluter Geheimtipp.“

Regulus seufzte leise.

„Super, dann komm.“ Lily nahm Regulus‘ Hand in ihre und drehte sich schwungvoll in Richtung Tür, kam aber nur einen Schritt weit. Regulus zog sie aus dem Lauf heraus zurück.

„Evans, warte. Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist“, sagte er.

Lilys Enthusiasmus verflüchtigte sich. Sie überlegte kurz, ob es daran lag, dass Regulus immer noch glaubte, sie würde das hier tun, weil sie ihm nichts schuldig sein wollte. Ein Thema, um das sie genauso herumtanzten, wie Lord Voldemort und unglücklich platzierte Mistelzweige. Aber so, wie Regulus ihrem Blick auswich, ahnte sie, dass es um etwas anderes ging.

„Du willst vermeiden, dass man uns zusammen sieht“, stellte sie fest.

„Beim letzten Mal ist das nicht so gut ausgegangen. Mulciber ist mir noch zwei Wochen lang auf die Nerven gegangen“, erwiderte Regulus, aber sie war sich nicht sicher, ob er wirklich nur ein Trauma von ihrem Hogsmeade-Wochenende zurückbehalten hatte. Auch wenn sie verstehen konnte, dass Mulciber sehr unangenehm werden konnte. „Das hier sollte doch unser kleines Geheimnis sein, oder?“

Ein warmer Schauer erwischte Lily und lief gnadenlos über ihren Rücken. „Es ist unser kleines Geheimnis. Wie wäre es damit?“ Sie hob einen Finger, als Regulus etwas sagen wollte, und brachte ihn zum Schweigen. „Ich nehme den langen Weg in die Bibliothek und wir treffen uns da. Niemand wird uns zusammen sehen.“

Regulus sah aus, als würde er widersprechen wollen, aber Lily schaute ihn erwartungsvoll an und kein Wort des Widerstandes kam über seine Lippen. Er nickte. „Gut, okay.“

Lily ließ seine Hand los, auch wenn sich ihre danach merkwürdig leer anfühlte. „Okay… gut.“ Sie schulterte ihre Tasche besser. Die Verlockung, ihn auf die Wange zu küssen, war ungemein hoch. Lily drehte sich auf den Absätzen um und huschte durch die Tür.

Die Kerker-Korridore ließ sie schnell hinter sich, von nichts außer dem Hallen ihrer eigenen Schritte verfolgt. Hier unten schien es immer dunkler und unheimlicher, ganz wie man es in den Kerkern erwarten würde, aber nicht deswegen konnte sie nicht schnell genug dort herauskommen.

In der Eingangshalle erwartete sie auf einen Schlag die festliche Weihnachtsdekoration, die bei den Slytherins unten nicht lange überlebt hatte. Tannenzweige hingen in verzweigten Gebilden zusammen mit goldenen und silbernen Lamettastreifen von den Türbögen und Mauern und wickelten sich um die Geländer der Treppen. Auch hier standen zwei riesige Tannenbäume, die von magischem Schnee bedeckt waren und aussahen, als wären sie frisch hereingetragen worden. Die Mistelzweige über der Tür zur Großen Halle verursachten wirklich einen Stau nach dem anderen, wie James es prophezeit hatte. Meistens bewegten die Schüler sich in vorsichtigen Schlangen nacheinander in die Halle hinein und hinaus. Lily passierte die Schüler, die zum Abendessen gingen, und stieg die Treppen nach oben.

Sie bog im ersten Stock bereits ab, um einen Geheimgang in den dritten Stock zu nehmen. Eigentlich nicht unbedingt länger und wenig geheim, aber der Weg durch den verwinkelten ersten Stock würde Regulus einen guten Vorsprung geben, wenn er den direkten Weg über die Treppen nahm.

Lily steuerte den Wasserspeier an, der den Geheimgang versteckte, als der wie auf Kommando zur Seite sprang.

„…nach dem ginge, würdest du keinen Fuß nach Hogwarts gesetzt haben, Moony“, sagte Sirius‘ Stimme und einen Moment später kam er aus dem Gang, dicht gefolgt von Remus und Peter, und mit James an seiner Seite.

James blieb abrupt stehen, als er sie sah, und Peter lief auf ihn auf. Sie stolperten beide, Sirius fasste James am Arm und bot sich als lebende Stütze an, während Peter gegen die Wand fiel.

„Hey, Lily“, grüßte Remus und winkte ihr. Sie gab das zurück.

„Wo kommt ihr denn her?“, fragte sie und übte sich in dem Tonfall, den Professor McGonagall benutzte, wenn sie die vier bei etwas Verbotenem erwischt hatte.

„Wir haben nicht geplant die Weltherrschaft an uns zu reißen“, reagierte Sirius gleich auf ihren Ton. „Viel zu anstrengend.“

James lachte, aber nicht so laut wie Peter, der noch halb im Geheimgang stand und deswegen in stereo mit seinem Echo lachte. Lily machte einen Schritt beiseite um sie vorbei zu lassen. Ein Witz war zwar keine Erklärung, aber sie hatte vor Jahren gelernt, dass man bei diesen vier Jungs nicht einfach nachfragen und eine Antwort erwarten konnte. Zumindest keine ehrliche Antwort. Vielleicht hatte sie sich davon etwas abgeschaut, wenn sie so daran dachte, dass Regulus ihr eine Lüge unterstellt hatte. Sie hatte ihn nicht angelogen, sondern die Wahrheit nur etwas anders präsentiert.

„Dann viel Spaß noch bei was immer ihr tut“, sagte Lily.

„Oh, hey.“ James fasste Sirius an den Schultern und schob sich in einer ungelenken Drehung an ihm vorbei auf Lily zu. Er zog einen lilafarbenen Umschlag aus seiner Hemdtasche. „Hast du den schon gekriegt? Sluggy verteilt wieder seine jährliche Weihnachtsfolter.“

„So schlimm ist es auch wieder nicht, James“, sagte Lily. Anders als mit Regulus, hatten James und sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, seit sie ihn vielleicht ein wenig barsch angefahren hatte, als er ins Trophäenzimmer geplatzt war.

„Das sagst du jetzt. Aber eine sichere Quelle hat mir anvertraut, dass Lucius Malfoy vorbeischauen wird.“ James tat so, als müsste er sich hinter den Wasserspeier übergeben.

„Lucius Malfoy?“ Lily hatte keine angenehmen Erinnerungen an diesen Namen. „Wieso er?“

„Anscheinend hat er seinem Vater den Platz weggenommen, wenn es darum geht die Schulräte in Angst und Schrecken zu versetzen“, sagte James.

„Von wem hast du das nochmal?“

James schaute über die Schulter zu Sirius, grinste ihn an und sagte damit alles. „Du kannst deine Meinung noch ändern, ob es gar nicht so schlimm wird“, sagte er und steckte seine Einladung wieder ein. Der Umschlag wölbte sich in seiner Hemdtasche, auch nachdem er draufklopfte. „Gehst du mit jemandem hin?“

Lily merkte aus dem Augenwinkel, wie Sirius Peter am Kragen hinter sich herzog und Remus sich ihnen anschloss. Sie schlichen sich unauffällig immer weiter weg. Lily fragte sich, ob das bedeutete, dass James ihr verziehen hatte – was auch immer es zu verzeihen gab – und seine gar nicht so subtile Anspielung auf die Einladung ließ sie an etwas ganz anderes denken. Kein Jahr seit ihrer ersten Weihnachtsfeier bei Professor Slughorn war vergangen, ohne dass er sie eingeladen hatte.

„Nein“, sagte sie ehrlich.

James hielt sich lässig, eine Hand in der Hosentasche, musterte sie aber einen Moment länger. „Sag bloß, dich hat noch niemand gefragt.“

Lily dachte an Regulus, der nicht einmal mehr zusammen mit ihr zur Bibliothek gehen wollte. Sie hob die Schultern und lächelte James an. „Vielleicht hab ich drauf gewartet, dass du mich fragst.“

James sah aus, als wäre ein Klatscher Millimeter an seinem Gesicht vorbeigerast. Dann lachte er.

„Ist schon fast Tradition“, sagte Lily.

„Jaah.“ James nickte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Genauso wie dein Nein, nicht wahr?“

„Ja.“ Lily strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Willst du dir deine Abfuhr jetzt holen?“

„Oh, hab ich nicht“, sagte James.

Lily musste dagegen ankämpfen ihre Mundwinkel nicht nach unten sacken zu lassen, sondern oben zu halten. „Oh, du gehst mit jemandem zu Professor Slughorns Weihnachtsfeier?“ Als James nickte, voller Stolz auch noch, bohrte sich ein scharfer Schmerz zwischen Lilys Rippen. Es war merkwürdig sich das überhaupt vorzustellen. „Schön. Ich freu mich für dich. Wer ist die Glückliche? Ist es Dorcas?“

James gluckste und blickte zu seinen Freunden rüber, die sich über irgendetwas sehr zu amüsieren schienen. „Remus“, sagte James und hinter ihm grinste Remus fröhlich in seine Faust.

Lily runzelte die Stirn.

James erbarmte sich. „Sluggy hat wie immer Sirius und mich eingeladen und übersehen, wie großartig Remus und Peter sind. Wir können jeder einen mitnehmen, also nehme ich Remus mit und Sirius Peter. Wir haben’s ausgelost.“

Lily gluckste und presste sich eine Hand vor den Mund, verbarg schnell die Hitze, die in ihre Wangen stieg. „Das ist wirklich süß von euch.“

„Das ist ein bisschen schwul“, sagte Peter, der nicht sehr glücklich auf seine Füße starrte.

„Wow. So kriegst du definitiv keinen Gutenachtkuss von mir, Wurmschwanz“, sagte Sirius und wandte sich schmollend ab. „James, kannst du mir nicht Remus geben?“

Remus verdrehte zwar die Augen, grinste aber zu breit um seinen tadelnden Blick effektiv einzusetzen. „Ich bin kein Objekt, Sirius.“

„Oder ich frag Lily, wenn sie wirklich noch niemanden hat“, sagte Sirius und durchbohrte Lily dabei förmlich mit seinem Blick. Sie schluckte leicht. Ihr war, als wüsste Sirius genau, von wem sie sich eine Einladung zumindest halb gewünscht hätte.

Peter tapste hinter ihm nervös von einem Fuß auf den anderen. Er tippte Sirius auf die Schulter. „Das war ein Scherz, oder? Du versetzt mich nicht?“

„Ja, das war ein Scherz, Peter.“

„Du kannst mit uns kommen, Lily“, sagte James. „Wenn du nicht alleine gehen willst, meine ich. Wir sind super Gesellschaft. Die Party folgt uns wie ein kleiner, schnuckeliger Welpe überallhin.“

„Da bin ich mir sicher“, sagte Lily.

James machte einen Schritt zurück. „Überleg’s dir. Ich muss noch zu einer extra Einheit Quidditchtraining. Wir sehen uns.“

Lily winkte ihm und den anderen Jungs, ohne dabei aber Sirius anzusehen. Bei ihm kam sie sich wie ein Insekt vor, das mit einer Nadel auf den Karton gesteckt wurde. Sie kehrte ihnen den Rücken zu, bevor sie aus dem Gang verschwunden waren und schlüpfte hinter den Wasserspeier, der hinter ihr wieder vor die Öffnung des Geheimgangs sprang.

Sie beeilte sich in den dritten Stock zu kommen, nahm zwei Stufen im düsteren Geheimgang auf einmal. Als sie in den Korridor zur Bibliothek trat, rauschte die Graue Dame mitten durch sie durch und kühlte ihren leicht erhitzten Kopf auf einen Schlag ab. Lily schüttelte sich und rief dem Geist eine Entschuldigung hinterher, die ignoriert wurde.

Niemand sonst drehte sich nach ihr um. Bis auf den Geist war sie alleine im Korridor. Eine alte Ritterrüstung sang stimmungsvoll ‚God Rest Ye, Merry Hippogriffs‘ und Lily fragte sich, ob das irgendwas damit zu tun hatte, dass James und Sirius aus diesem Gang gekommen waren. Sie ließ die Rüstung weitersingen und ging in die Bibliothek. Madam Pince ignorierte ihre Begrüßung und murmelte etwas über „niederträchtige Schüler, ohne Respekt vor Schuleigentum.“

Die abendliche Dunkelheit hatte sich in die Bibliothek geschlichen. Kerzen schwebten auf Kopfhöhe zwischen den vollgestopften, deckenhohen Bücherregalen. Ein leichter Geruch von altem Pergament und Staub stieg einem hier immer in die Nase. Als sie die Gänge zwischen den Reihen von Bücherregalen durchquerte, entdeckte Lily nur einen übermüdeten Fünftklässler, der den Kopf auf Neue Theorien der Numerologie wie auf ein Kissen gelegt hatte und einen leisen Schnarcher von sich gab.

Sie fand Regulus in der hintersten Reihe, fast schon mit einem Fuß in der Verbotenen Abteilung. Er hatte sich über eine lange Rolle Pergament gebeugt und schrieb eifrig darauf in geschwungenen Buchstaben.

„Hey.“ Lily glitt auf den Platz neben ihn, als Regulus aufsah, und ließ ihre Tasche neben seine fallen. Sie zog sein Pergament an sich heran, um einen Blick auf seine gut geführte Handschrift zu werfen.

„Du hast wirklich den langen Weg genommen“, sagte Regulus leise. Seine Stimme klang dadurch heiserer, rauer, und viel näher, als würde sie in ihrem eigenen Kribbeln über Lilys Nacken rauschen.

„Ich hab mich verquatscht“, sagte Lily, während sie die Zeilen überflog. Sie spürte Regulus‘ Blick auf sich und widerstand dem Drang zu ihm zu sehen. „Wusstest du, dass Professor Slughorn Lucius Malfoy auf seine Weihnachtsfeier eingeladen hat?“

„Woher weißt du das?“, gab Regulus zurück und drückte sich dabei wie immer gerne um eine Antwort.

„Dein Bruder hat es James Potter erzählt, und James hat es mir gerade gesagt“, antwortete Lily.

„Du hast dich mit James Potter verquatscht?“, fragte Regulus.

„Ist das so unwahrscheinlich?“

Regulus schüttelte den Kopf. „Er wollte sich die Gelegenheit sicher nicht nehmen lassen, dich zu Professor Slughorns Weihnachtsfeier einzuladen. Ich hätte gerne gesehen, wie du ihm einem Korb gegeben hast.“

„Da hättest du nicht viel zu sehen gehabt“, sagte Lily und schob das Pergament zurück zu Regulus. Er schien nicht sehr interessiert daran.

„Du hast Ja zu ihm gesagt“, stellte Regulus ruhig, aber gleichzeitig verdutzt fest, als hätte seine ganze Welt sich gerade auf den Kopf gestellt.

Lily gluckste. „Er hat mich nicht gefragt, also gab es auch nichts zu sehen.“

Regulus blinzelte schnell hintereinander, ohne einen Rest seiner Miene zu verziehen. „Oh.“ Er erinnerte sie sehr an ihren Tonfall, als James ein ähnliches Spielchen mit ihr getrieben hatte. „Aber das heißt nicht, du hättest ihm eine Abfuhr erteilt.“

„Er hat es nicht riskiert“, sagte Lily und blieb an Regulus‘ starrer Miene hängen, die doch etwas Verkrampftes in der Kieferpartie an sich hatte. Als würde er seine übliche Distanziertheit gerade nur schwer aufrechthalten können.

„Das klingt gar nicht nach ihm.“

Lily zuckte mit den Schultern. Sie fragte sich, was es wohl brauchen würde, damit Regulus etwas riskierte. Der Gedanke, dass er sie fragen würde, war so weit hergeholt, dass sie ihn glatt küssen würde, wenn er es tun würde.

„Er ist ein Idiot, wenn er dich nicht gefragt hat.“ Regulus überlegte kurz. „Allerdings ist er ein ziemlicher Idiot, also klingt es doch sehr nach ihm.“

Lily hatte sich eben noch geschmeichelt gefühlt und musste jetzt doch mit einer weiteren Beleidigung für James Vorlieb nehmen. „Was ist mit dir?“, fragte sie. „Hast du jemanden, der dich begleitet?“

Regulus nahm seine Feder wieder auf und tunkte sie in sein Tintenfass, während Lilys Herz aufgeregt Haken schlug. „Ich hab dir schon einmal gesagt, dass ich für sowas keine Zeit habe, Evans.“

Lily musste ihre Enttäuschung hart herunterschlucken. „Du gehst aber, oder? Du solltest dich ab und zu auch amüsieren.“

Regulus hob erneut eine Augenbraue, als würde er Lily damit herausfordern wollen. „Wieso? Kommst du mich sonst aus meinem Schlafsaal holen, wenn ich nicht auftauche?“

„Ich kenne alle Passwörter.“ Lilys Drohung amüsierte Regulus leicht, aber doch genug, dass seine Augen aufleuchteten. Etwas ernster sagte sie: „Ich werde nach dir Ausschau halten.“

„Vielleicht solltest du das lieber nicht tun. Am Ende stolpere ich wieder unter einen Mistelzweig“, sagte Regulus.

„Bild dir nicht ein, dass das als Schutzbarriere funktioniert. Es ist nur ein Mistelzweig.“ Lily biss sich auf die Unterlippe, als Regulus sie ein weniger neugieriger als sonst ansah.

„Na ja, wenn Potter sich nicht einmal drücken kann, kriege ich das wohl erst recht nicht hin…“

„Was ist das eigentlich zwischen euch?“, wollte Lily wissen. „Niemand hat mir je erklärt, weswegen ihr euch beim Schmücken der Großen Halle fast an den Kragen gegangen wärt.“

„Ich wäre niemanden an den Hals gesprungen“, sagte Regulus und als Lily seufzte, fügte er hinzu: „Was glaubst du, ist die eine Sache, die Potter und ich gemeinsam haben?“

Lily musste nicht lange überlegen. „Sirius?“

Regulus schaute sie einen Moment länger als notwendig an. Dann setzte er seine Feder an, schien aber nicht zu wissen, was er schreiben sollte. „Wahrscheinlich. Auch wahrscheinlich, dass wir uns einfach nicht leiden können.“

„Vielleicht kennt ihr euch einfach nicht gut genug.“

„Ich kenne Potter besser, als ich möchte“, sagte Regulus trocken, aber es brauchte einen Stups von Lilys Ellenbogen, um mehr aus ihm rauszuholen. „Er ist der beste Freund meines Bruders, Evans. Ich musste ein, zwei Tage in den Sommerferien mit ihm aushalten. Sogar eine Quidditch-Weltmeisterschaft. Mein Vater hatte Karten für das Finale 74, Syrien gegen Madagaskar, 340 zu 180, sehr spannendes Spiel, aber diese Dissimulatoren waren grauenvoll.“

„Was ist ein Dissimulator?“

„Ein Folterinstrument für die Ohren“, sagte Regulus so sachlich, dass Lily es ihm abkaufte, bis er über ihre verdutzte Miene die Augen verdrehte. „Ein… unmusikalisches Musikinstrument.“

Lily gluckste. „Ein kann mir nicht vorstellen, dass dein Vater Sirius erlaubt hat James mitzunehmen…“

„Meine Eltern hatten nichts gegen Potter. Die Potters sind Reinblüter, vermögend und annehmbar einflussreich. Als Sirius ihn das erste Mal erwähnt hat, dachte mein Vater, aus ihm könnte doch noch was werden. Meine Mutter war weniger begeistert. Sie hält die Potters für Blutsverräter und dachte, Potter hätte einen schlechten Einfluss auf Sirius. Die beiden sind ständig in Schwierigkeiten geraten. Irgendwann hat sie ihm sogar verboten je wieder mit Potter zu reden.“

„Wirklich? Hat nicht viel gebracht, oder?“

Regulus zuckte mit den Schultern. „Verbiete Sirius etwas und er will es ganz besonders. Als er acht war, hat sie ihm verboten die Muggel-Fahrzeuge auf der Straße vor unserem Haus anzusehen. Er hat immer am Fenster gesessen und auf ein Motorrad gewartet. Meine Mutter hat die Fenster abgedunkelt, damit er nichts mehr sehen kann, und wir haben einen ganzen Monat im Dunkeln gesessen. Eines Tages ist er dann einfach aus meinem Fenster geklettert und hat mich bis zur Oxford Street geschleift. Wir wurden beinahe von einem Doppeldeckerbus überrollt. Dann haben wir den ganzen Tag damit verschwendet Motorräder zu beobachten.“

Da war eine Wärme in seiner Stimme, die er nur schlecht mit seinem genervten Gesichtsausdruck überspielen konnte, als er von diesem kleinen Abenteuer erzählte. Lily fand die Vorstellung irgendwie niedlich, dass Regulus sich mit einer unfreiwilligen Zuneigung an seinen Bruder erinnerte.

„Weißt du…“ Lily lächelte ihn an. „James ist gar kein so übler Kerl.“

Regulus‘ Kiefer verkrampften sich und ein Zittern ging durch seinen ganzen Körper. Er zerbrach seine Feder. Eine Reaktion, die sich nicht mit der eisigsten Miene überspielen ließ, und das schien Regulus zu wissen. Er tippte seine Feder mit dem Zauberstab an und reparierte sie, als wäre das ganz normal. Lily beobachtete ihn aus großen Augen.

„Natürlich nicht“, sagte er gepresst. „Ein arroganter, narzisstischer Bastard ist niemals üble Gesellschaft, vor allem, wenn man der geborene Fußschemel ist. Jeder wäre lieber mit Potter zusammen, nicht wahr?“

„Regulus.“ Lily griff seine Hand, die erneut die Feder angesetzt hatte. Seine Faust zitterte unter ihren Fingern, auch als sie sanft darüber streichelte. „So hab ich das nicht gemeint. Ich hab euch nicht verglichen.“

Regulus atmete durch und nickte langsam. „Ich weiß.“ Seine Stimme entspannte sich genauso wenig wie seine Kiefer, die fest aufeinander mahlten. Er schaute sie an, aber nur flüchtig, dann sah er aus dem Fenster. Dicke Schneeflocken fielen vom schwarzen Nachthimmel und verhüllten die Ländereien unter einer hellen weißen Decke, gegen die die Dunkelheit nichts auszurichten schien. Der Schnee türmte sich in den Ecken der Fenster und auf dem Sims.

„Ich weiß, dass er kein übler Kerl ist“, sagte Regulus zutiefst widerwillig. „Muss er ja sein. Oder Sirius hätte ihn nicht lieber als Bruder gehabt.“

Lily öffnete den Mund, wusste aber nicht, was sie überhaupt sagen wollte. Sie rutschte mit ihrem Stuhl an Regulus heran und legte von hinten einen Arm um ihn, stützte das Kinn auf seiner Schulter ab. Sein Herz schlug hart unter ihrer Hand, wo sie sich an seinem Hemd festklammerte.

„Ich bin mir sicher, dass es nichts mit dir zu tun hat, dass er von zu Hause weg wollte.“

„Ja, aber du kennst mich nicht, Evans. Und was immer du über mich zu wissen glaubst, ist wahrscheinlich ziemlich falsch. Ich tendiere dazu eine mehr oder weniger große Enttäuschung in so ziemlich allem zu sein.“

Lily schaute ihn über die Spiegelung im Fenster an und schüttelte sachte den Kopf. Ihre Wange streifte dabei leicht über seinen Nacken und sie nahm einen Hauch von Zitrone wahr. Vielleicht vergrub sie ihre Nase einen Moment zu lange dort. Regulus strich über ihre Hand und drehte den Kopf zu ihr um, eine fragende Falte zwischen den Augenbrauen. Seine Augen waren so nah, und trotzdem schien sie noch unendlich weit hineinblicken zu können.

Regulus drehte sich mit dem ganzen Körper ein Stück in ihre Richtung. Seine Nasenspitze streifte ihre, als er sich vorbeugte. „Hat das neulich nicht gereicht, um dich zu enttäuschen?“, fragte er leise.

Irgendwo in der Bibliothek rumpelte etwas. Lily zuckte unwillkürlich zusammen und schaute den Gang herunter. Sie konnte niemanden sehen, bis Madam Pince den Kopf aus ihrem Büro steckte und sich nach jemandem umsah, der ihre Bücher in Gefahr brachte.

„Was war das?“, fragte Regulus.

Lily schüttelte den Kopf. „Niemand.“

Regulus schien ihr nicht zu glauben und lehnte sich an ihr vorbei, um selbst nachzusehen. Lily schob ihn mit beiden Händen zurück auf seinen Platz.

„Niemand, okay? Und du hast nichts gesagt, dass dir irgendjemand vorhalten könnte.“

Regulus setzte sich wieder zurück. „Du behältst das doch für dich, oder?“

„Was glaubst du?“, gab Lily zurück, fast schon provozierend. Regulus sollte ihr allmählich vertrauen. Sie hatte weder seinen kleinen Zusammenbruch nach dem Quidditch-Spiel mit irgendjemanden besprochen, noch was er im Trophäenzimmer gesagt hatte, vermutlich weil sie selbst nicht den Gedanken zu Ende führen wollte, was so ein fehlgeleiteter Idealismus für Konsequenzen haben konnte. Und von ihrer Nachhilfe wusste auch niemand außer Professor Slughorn. Regulus sollte ihr vertrauen, aber er schien unglaublich große Probleme damit zu haben.

Lily glaubte zu verstehen wieso. Allmählich. Menschen bauten eine harte Schale auf, wenn man sie zu oft fallenließ. Mary hatte ihr zu gerne gesagt, dass sie zu weich geblieben war, zu naiv, nachdem was Severus getan hatte. Aber Enttäuschungen waren nicht die Regel und es gab mindestens genauso viele positive Überraschungen. Immerhin steckte trotz aller Beweise auch ein guter Mensch in James Potter.

„Also, Mondsteine?“, fragte Lily.

Regulus nickte und schien erleichtert über den Themenwechsel. „Mondsteine.“

„Kannst du mir seine Eigenschaften nennen?“

Regulus rutschte auf seinem Stuhl zu Recht und führte seine Feder wieder auf das Papier. „Sie sind milchig und leuchten, auch ganz ohne äußere Lichteinflüsse. Man benutzt sie entweder ganz oder in gemahlener Form. Zum Beispiel für den Trunk des Friedens.“

„Und?“ Lily gab Regulus einen Moment zum Überlegen. „Auch beliebt in Liebestränken.“

Regulus zog eine Augenbraue hoch. „Liebestränke?“

„Mondsteine haben eine beruhigende Wirkung. Das gleicht das Gefühl aus, dass ein Fremdkörper sich in deinen Körper geschlichen hat. Liebe ist eine starke, bedingungslose Emotion. Man kann sie nicht mit Zaubertränken reproduzieren.“

„Hast du es schon ausprobiert?“, fragte Regulus herausfordernd, als würde er erwarten, dass Lily ihm Tod und Leben in kleine Fläschchen füllen konnte.

„Glaub es, oder nicht“, sagte Lily belustigt und fühlte sich gleichzeitig geschmeichelt genug, dass ihre Wangen unangenehm warm wurden, „ich kann auch nicht alles brauen.“

„Nicht? Jetzt weiß ich auch, wie sich eine Enttäuschung anfühlt“, sagte Regulus, hörte sich aber alles andere als enttäuscht an.

Lily schlug ihm gegen den Arm, wie sie es gerne tat, wenn sie nicht über seine Späßchen lachen wollte.

„Was kannst du denn nicht brauen?“, hakte er nach.

Lily tat so, als würde sie überlegen. „Felix Felicis bereitet mir Probleme“, sagte sie. „Vor allem, weil ich kein Rezept dafür finde.“

Regulus‘ Mundwinkel zuckten, auch wenn kein Lächeln daraus wurde. „Ich habe gehört, Potter hätte Felix Felicis genommen, bevor er das Quidditch-Spiel gewonnen hat.“

„Hast du das von Avery?“

„Ich hab es gehört und nicht geglaubt. Gryffindor besitzen angeblich so etwas wie Ehre.“

Lily kicherte und erschrak selbst über diesen Laut. Sie erstickte ihn unter ihrer Handfläche und stand kopfschüttelnd auf. „Ich hab noch einen Geheimtipp für dich. Schreib schon mal auf, was du hast. Ich bin gleich wieder da.“

Regulus machte eine Handbewegung, als würde er sie zurückhalten wollen, und Lily zögerte einen Moment, als würde sie ihn lassen wollen. Dann verabschiedete sie sich mit einer kleinen Laola-Welle ihrer Finger und ging die Regalreihen herunter.

Die Kerzen brannten tief und tauchten Bücher und Regale in ein goldgelbes Licht in dem der Staub tanzte. Lily bog drei Regalreihen hinter Regulus nach rechts. Mit dem Finger fuhr sie über die ledernen Einbände auf der Suche nach dem richtigen Titel. Goldene Buchstaben auf grünem Leder, wenn sie sich richtig erinnerte. Sie suchte die unteren Reihen nach denen auf Augenhöhe ab und fand den Titel schließlich eine Armlänge über ihrem Kopf, fast ganz oben. Ein wahrer, unerreichbarer Geheimtipp.

Lily stellte sich auf die Zehenspitzen, um an das Buch zu kommen, streckte die Fingerspitzen aus und streifte den Einband doch nur. Eine andere, größere Hand schob sich neben ihre und klappte das Buch aus dem Regal, fing es geschickt auf.

Lily drehte sich um und wich erschrocken zurück, als Sirius ihr das Buch hinhielt.

„Du bist eine Hexe, Lily“, sagte er gelassen. „Du hättest das Buch einfach herunterzaubern können.“

„Was machst du hier?“, fragte sie atemlos, als hätte seine Anwesenheit ihr die Luft aus den Lungen geschlagen. Ihr Herz sprang so hart und schnell, dass sie befürchtete ihr Brustkorb würde platzen.

Sirius zog eine Augenbraue hoch, und er konnte es mindestens so gut wie sein Bruder, auch wenn sein halbes Grinsen ihm dabei ganz anders aussehen ließ. „Du klingst, als hätte ich die Bibliothek nie von innen gesehen.“

„Nein… Du hast mich nur erschreckt“, sagte Lily. „Ist… Wo hast du James gelassen?“

„Beim Quidditchtraining. Er hat mich mir selbst überlassen.“

Lily lächelte verkrampft. „Ich hätte nicht mit dir hier gerechnet.“

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ihr euch hier rumtreibt. Normalerweise präferiert ihr das Klassenzimmer für Zaubertränke um diese Uhrzeit, nicht wahr?“ Sirius lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Bücherregal und schien Lilys Reaktion genauestens abzuwarten.

Sie blieb wie angewurzelt stehen. „Was meinst du?“

Sirius deutete mit dem Daumen schräg hinter sich in die Richtung, wo Regulus jetzt sitzen musste. Er hob erwartungsvoll die Augenbrauen. „Mein Bruder und du –“

„Wir sind nicht –“

„Besonders unauffällig?“ Sirius stemmte sich von dem Regal weg und trat an Lily heran, blickte mit den Händen in den Hosentaschen auf sie herunter. „Was genau läuft da zwischen euch?“

„Ich weiß nicht, was du andeuten willst, Sirius, aber ich bin Schulsprecherin und ab und zu muss ich mit den Vertrauensschülern reden.“

Sirius strafte diese Begründung mit einem Augenrollen. „Mit den anderen Vertrauensschülern triffst du dich aber nicht alle zwei Tage.“

„Spionierst du mir nach?“

„Nein. Ich wandere nur nicht mit geschlossenen Augen durchs Schloss.“

„Klar übersetzt: Du spionierst mir nach.“ Lily schnaubte ihn entrüstet an und wollte an ihm vorbeigehen, aber Sirius streckte seinen Arm wie eine Schranke aus und ließ sie nicht vorbei. Als sie sich unter seinem Arm ducken wollte, drängte er sie gegen das Regal, kesselte sie regelrecht ein. Lily hielt seinem messerscharfen Blick stand, egal wie schmerzhaft tief er ging.

„Sirius, das ist nicht witzig“, zischte sie.

„Lass es mich erklären, okay? Obwohl ich nicht der Bösewicht hier bin, der dem Helden seinen Masterplan erklärt. Und du mich ein bisschen so ansiehst.“ Sirius sparte sich sein Grinsen nicht und Lily verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. Sie spürte ihr Herz gegen ihren Ellenbogen schlagen. „Ich will nur wissen, was du mit meinem Bruder vorhast. So, wie du dich im Stadion aufgeführt hast, als er von diesem Klatscher getroffen wurde. Das war ein bisschen mehr als normale Sorge. Dann Hogsmeade. Wie du ihn angesehen hast, als er reingekommen ist. Du bist sauer auf James geworden, als er über ihn hergezogen hat. Ganz zu schweigen davon, wie ihr danach aneinander geklebt habt. Und James hat mir vom Trophäenzimmer erzählt.“

Lily errötete wie auf einen Schlag und Sirius war zu nahe, als dass ihm das entgehen könnte. Der Gedanke, dass James all das hier mit Sirius ausführlich besprochen hatte, ließ sie sich schwindelig fühlen. Und so, wie er sie hier einschloss, hatte sie Schwierigkeiten Luft zu holen.

„Willst du mir nochmal sagen, dass das nicht auffällig ist?“, fragte er.

„Willst du mir nochmal sagen, dass du zufällig zur selben Zeit wie ich in die Kerker wanderst?“

„Ich hab meine Methoden, ohne irgendwo hinzuwandern.“

„Was für Methoden?“

Sirius hob locker die Schultern. „Ich vergesse nicht regelmäßig, dass ich ein Zauberer bin.“

„Sirius, ernsthaft.“ Lily legte eine Hand auf seine Brust, um ihn auf Abstand zu halten. Sie fühlte sich klaustrophobisch und gefangen, ein Bücherregal im Rücken und Sirius direkt vor sich.

„Du kannst mir nicht verübeln, dass ich neugierig war, warum ihr euren Stammplatz aufgebt“, sagte Sirius. „Die Bibliothek ist ein sehr öffentlicher Platz. Jeder könnte euch hier sehen und unangenehme Fragen stellen.“

„Ich wusste nicht, dass es verboten ist mit Schülern aus anderen Häusern zu reden.“

Sirius‘ Grinsen verschwand allmählich, sein Blick wurde hart wie Stahl. „Sag mir einfach, was du von meinem Bruder willst.“

„Sirius, ich kann dir das nicht sagen. Ich hab’s versprochen“, sagte Lily in der festesten Flüsterstimme, die sie sich in der Bibliothek erlauben konnte, ohne Madam Pince‘ Zorn auf sich zu ziehen.

„Gut, ich muss nicht wissen, was ihr tut“, sagte Sirius. „Ich weiß, wieso du es tust. Du magst ihn.“

Lilys Herz setzte einen viel zu langen Schlag aus. Sie schnappte nach Luft, als ihr endgültig der Atem fehlte. „Hast du James das auch erzählt?“

„Wir haben keine Geheimnisse voreinander.“ Sirius‘ Blick erinnerte sie mehr denn je an Regulus‘, mit seiner undurchdringbaren Tiefe, wie ein morgendlicher Nebel in dem man sich verirrte. Lily wich ihm aus. Sie wusste nicht wieso, aber sie fühlte sich, als hätte Professor McGonagall ihr gerade erklärt, dass sie das Haus Gryffindor durch den Dreck gezogen hatte. Die Hitze in ihrem Gesicht stieg nur noch an, je länger Sirius sie ansah.

Dabei hatte sie sich für nichts zu schämen. James war nicht mehr an ihr interessiert, das hatte er heute wieder einmal mehr als deutlich gemacht, und selbst wenn wäre es nicht ihr Problem, wenn er sich verletzt fühlen würde. Und Regulus… Vielleicht mochte sie ihn, vielleicht auch nicht, so oder so ging es Sirius nichts an.

„Na, und?“, fragte sie und bemühte sich um einen festen Ton, klang eher sauer. „Du stellst mich da, als wäre ich ein schlechter Umgang. Kannst du mich so wenig leiden?“

„Nein, Lily, ich bin eifersüchtig, weil ich in dich verknallt bin.“

Lily brauchte einen Moment, den sie ihn aus großen Augen anstarrte, um zu realisieren, dass das Sarkasmus gewesen war. Sie schnaubte ihn abfällig an und schlug gegen Sirius‘ Brust.

Er grinste kurz. „Hey, ich hab dich immerhin zu Sluggys Party mitnehmen wollen und folge dir anscheinend überall hin.“

Lily hob die Augenbrauen. „Witzig“, sagte sie trocken.

„Wenigstens siehst du nicht mehr aus, als würdest du gleich umfallen“, sagte er und strich ihr kurz mit den Fingerknöcheln über die glühende Wange. „Zurück zum Thema, tu ihm das bitte nicht an.“

Zum ersten Mal war Lily neugierig. „Was meinst du?“

„Mulciber nennt ihn schon einen Blutsverräter. Das geht verdammt schnell, Lily“, sagte Sirius auffällig leise. „Meine Eltern sind strenge, verdammt fanatische Leute. Wenn sie nur das Gerücht hören, dass er sich mit einem muggelstämmigen Mädchen abgibt, bricht die Apokalypse bei uns zu Hause aus. Wenn sie denken, er wäre nur mit dir befreundet, würden sie ihn schneller aus dem Stammbaum brennen, als du Avada Kedavra sagen kannst. Und das ist alles, was Regulus hat. Alles, wofür er lebt, ist unser Name und dass unsere Eltern stolz auf ihn sind. Wenn du ihm das wegnimmst, bricht er auseinander, wie ein trockener Ast.“

Lily versuchte Sirius ernst zu nehmen, gerade weil sie ihn selten so reden hören, als wäre es ihm wirklich wichtig, aber jedes Wort hörte sich absurd wie aus einem Groschenroman an. „Das ist doch lächerlich, Sirius. Dann soll er es dir nachmachen und solche Eltern verlassen.“

Sirius blinzelte kurz, aber hektisch. Seine Hand neben Lilys Kopf zuckte merkwürdig. „Er hat dir… ähm… Ja, es ist lächerlich, Lily. So sind Reinblüter: lächerlich. Sie stecken mit ihren Köpfen im Mittelalter fest. Und Reggie ist ein sehr nachgiebiger Mensch. Du bist die Ältere hier, also sei bitte auch die Verantwortungsbewusstere.“

Lily runzelte die Stirn. „Du sorgst dich um ihn, oder? Dann sag ihm das selbst.“

Sirius nahm die Hand vom Bücherregal und löste seine Armschranke auf. „Er erzählt dir doch scheinbar alles. Du solltest wissen, wieso das keine gute Idee wäre.“ Er reichte ihr das Buch, wegen dem sie überhaupt erst hier war. „Willst du das noch?“

Lily nahm ihm das Buch ab und hielt es sich beinahe wie ein Schild vor die Brust. „Dein Bruder ist nicht so wie deine Eltern, das glaube ich nicht.“

„Ich weiß nur, dass mein Bruder in Voldemort verknallt ist, seit er zehn Jahre alt war“, sagte Sirius. „Was immer das hier sein soll, Lily, es wird sicher nicht gut für euch beide enden. Lass ihn einfach in Ruhe.“

„Dir scheint das sehr leicht gefallen zu sein“, antwortete Lily und reckte das Kinn, als Sirius sich bis in die Kieferpartie verspannte. Sie drehte sich herum, warf ihre Haare über die Schulter und ließ Sirius stehen. Mit dem Buch in ihren Armen und dem Kopf voller Gedanken kehrte sie zu Regulus zurück.

Er saß an derselben Stelle und schrieb beschäftigt auf seinem Pergament. Als er ihre Schritte hörte, blickte er auf.

„Hast du dich wieder verquatscht?“, fragte er.

Lily erstarrte mitten in der Bewegung sich hinzusetzen. „Was?“

„Mit den Büchern?“ Regulus musterte sie kurz. „Du hast dir Zeit gelassen.“

„Oh, das Buch war gut versteckt“, sagte Lily, setzte sich hin und schob das Buch zu Regulus, ohne ihn anzusehen. Er schlug es auf, blätterte mit den langen, blassen Fingern durch die schweren Pergamentseiten. An einer blieb er hängen und fuhr eine Zeile mit dem Zeigefinger entlang.

Lily hing mit den Gedanken bei Sirius fest, bei dem, was er gesagt hatte. Irgendwie fühlte sie sich komplett überfordert. Sie grübelte darüber, was Regulus‘ Eltern für Menschen waren, über Lord Voldemort, und merkwürdigerweise auch darüber, dass sie Regulus nicht sagte, dass sie seinen Bruder getroffen hatte. Regulus hatte ihr oft genug gesagt, dass er die Wahrheit mochte, und er schien sich daran zu halten. Anstatt sie anzulügen sagte er ihr lieber gar nichts. Aber das… Sie befürchtete, dass er wieder aufstehen und abhauen würde, wenn sie ihm von Sirius erzählte. Sie wollte gar nicht daran denken, in welchen Hals er es gekriegt hätte, wenn er sie gerade zusammen mit Sirius gesehen hätte.

„Evans? Evans.“ Regulus fasste sie am Arm und Lily schaute ihn wieder an. Er hatte die Stirn gerunzelt und eine konzentrierte Falte zwischen den Augenbrauen. „Hörst du mir überhaupt zu?“

Lily atmete tief durch. Bei Regulus schien ihr das leichter als bei seinem Bruder zu fallen. „Tut mir leid.“

Regulus strich nur hauchzart über ihren Arm, bevor er losließ, aber die Gänsehaut kroch weiter. Sirius mochte Recht haben. Vielleicht hatte sie ein paar unangebrachte Gefühle, die sie beide in Schwierigkeiten bringen würden. Aber in wirklich große Schwierigkeiten?

„Es war nur ein langer Tag“, sagte sie.

„Vielleicht solltest du dich ausruhen. Du musst auch ein paar andere Dinge tun, als dir Sorgen um mich machen“, erwiderte Regulus, und wessen Herz würde nicht aufspringen, wenn sein Mundwinkel in den Hauch eines Lächelns zuckte? Lily lächelte ganz automatisch, auch wenn ein Teil von ihr sich gar nicht danach fühlte. Immer, wenn Regulus sie zitierte, war ihr danach ihn zu umarmen. Das hatte sie nur einmal wirklich getan, als er mit den Nerven am Ende gewesen war, und die Erinnerung wurde verschwommener, je stärker man daran festhalten wollte.

„Das wird dir vielleicht nicht gefallen, Regulus, aber meine Welt dreht sich leider nicht um dich“, sagte Lily. Vielleicht war das hier der Moment, um Voldemort anzusprechen. Irgendwann musste sie das tun. „Das… Abschlussjahr ist manchmal recht anstrengend.“

Sie mochte sich täuschen, aber die Falte auf Regulus‘ Stirn ließ ihn fast besorgt aussehen. „Ab und zu solltest du dich auch amüsieren, Evans. Hat mir jemand mal gesagt.“

Lily holte aus, aber als sie ihm gegen den Oberarm schlagen wollte, fing Regulus ihre Hand ab.

„Du kannst ruhig gehen“, sagte er. „Ich kann diesen Aufsatz alleine schreiben, vor allem mit deinem Geheimtipp.“

„Schon gut. Ich –“

„Wenn du unbedingt willst, gebe ich dir den Aufsatz morgen und du kannst drüber lesen“, unterbrach Regulus sie ruhig. „Geh jetzt. Du lenkst mich nur wieder ab.“

„In letzter Zeit stellst du dich zu gut für diese Ausrede an“, sagte Lily, lenkte aber ein. Sie griff ihre Tasche, schulterte sie und stand auf. Regulus hielt ihre Hand weiter fest und ließ sie nicht gehen.

„Du kommst doch zu Professor Slughorns Weihnachtsfeier…“

Lily wartete ein paar heftige Pulsschläge lang auf was immer Regulus noch sagen wollte. Als nichts kam, nickte sie. „Ich hab nach jemandem Ausschau zu halten, der denkt, er könnte sich hinter einem Mistelzweig verstecken.“

„Mach das nicht“, sagte Regulus. „Amüsier dich einfach und kümmer dich nicht um mich. Ich bin nicht dein Problem, okay?“ Er ließ ihre Hand los. „Wir sehen uns, Evans.“

Lily zog ihre Hand weg, obwohl Regulus sie längst losgelassen hatte, und ballte sie zur Faust. Sie verabschiedete sich mit einem Nicken und ging. Regulus‘ Stimme hatte ihre keinen Hinweis darauf gegeben, was er meinte. Ob er sich um sie sorgte oder sie loswerden wollte. Sie wusste, was ihr lieber wäre und was auch unwahrscheinlicher schien. All ihre Sorgen und ihr Kopf, der sich wie ein Karussell drehte, wären sinnlos, wenn Regulus sie nicht haben wollte.


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