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Fanfiction

Mud and Blood - Ein haariges Herz

von Dr. S

Das Spiel Gryffindor gegen Slytherin fand an einem stürmischen Herbsttag statt. Bereits am frühen Morgen heulte der Wind um den Gryffindorturm und holte Lily aus einer weiteren unruhigen Nacht. Sie schlief nicht gut, seit Regulus sie so stehen gelassen hatte. Wenn sie nachts schlaflos an ihren Baldachin starrte, dachte sie an ihn und was sie hätte sagen sollen, damit er nicht wütend abhaute, und wenn sie die Augen geschlossen hatte, wartete er dort erst recht. In ihren Träumen stand er wieder so nah vor ihr, dass sie nur seine Lippen vor Augen hatte, und wenn er sich vorlehnte, kam sie ihm diesmal entgegen, nur um aufzuwachen.

Sie hatte Regulus seit ihrer Auseinandersetzung nicht mehr gesehen. Er war nicht zu ihrem letzten Treffen gekommen. Professor Slughorn hatte ihn damit entschuldigt, dass er Mulciber bei einer Strafarbeit beaufsichtigen musste. Warum das niemand anders tun konnte wollte er ihr allerdings nicht sagen. Genauso wenig, ob Regulus darin involviert war. Und heute würden sie sich wegen dem Quidditch-Spiel nicht sehen.

Lily war sich nicht sicher, ob sie froh oder traurig darüber war. Manchmal wollte sie am liebsten durch die Große Halle schreien, dass er sich nicht so anstellen sollte. Dass er sich wie ein kleines Sensibelchen benahm, das alles viel zu persönlich nahm. Dann wieder wollte sie sich einfach bei ihm entschuldigen. So ein Zwiespalt führte dazu, dass sie keins von beidem tat. Jedenfalls noch nicht. Sie hatte noch Hoffnungen, dass sie Regulus bei ihrer nächsten Nachhilfestunde sehen würde und dann mit ihm reden könnte. Vielleicht würde ein Sieg von Slytherin ihn sogar besser stimmen. Nicht, dass sie Gryffindor eine Niederlage wünschte.

Auf dem Weg zum Stadion schlug ihnen der Wind hart und rücksichtslos entgegen. Graue Wolken türmten sich am Horizont und verschluckten die Berge in der Ferne. Der Regen hatte den Boden so aufgeweicht, dass man durch den Schlamm waten musste. Regenschirme flogen kreischenden Mädchen aus den Händen und über den See, und einmal hob eine besonders kräftige Böe einen Erstklässler von den Füßen, der im falschen Moment sein schwarzgelbes Regencape ausgebreitet hatte.

Lily hatte sich die langen Haare zusammengebunden, damit sie ihr nicht um die Ohren flogen, und einen Gryffindorschal ums Gesicht geschlungen. Ein Stückchen vor ihr ging Mary und unterhielt sich mit Dorcas Meadowes über das bevorstehende Spiel. Es klang, als würde sie sie fragen, wozu man den Schnatz noch einmal brauchte.

Lily behielt Regulus im Auge, der den Erstklässler mit dem Regencape in Hufflepuff-Farben aus der Schlammpfütze hievte, in die der Wind ihn gestoßen hatte, und überlegte, ob sie ihm wohl viel Glück für das Spiel wünschen sollte.

Gerade machte sie einen Schritt in seine Richtung, als Gryffindors Kapitän mit unter ihren Schirm schlüpfte. „Du siehst nervös aus“, sagte James grinsend. Sein rabenschwarzes Haar war vom Regen geplättet worden, aber nicht weniger wirr als sonst. Er hatte Sirius im Schlepptau, dessen Schirm merkwürdig leer ohne ihn aussah, und Remus und Peter gleich dahinter, die über irgendetwas heftig diskutierten – hoffentlich nicht darüber, wozu man den Schnatz nochmal brauchte.

„Tu ich das?“, gab Lily zurück.

James grinste breiter. „Angst, dass wir verlieren, ja?“

„Meine Welt würde untergehen“, sagte Lily melodramatisch. Dann schüttelte sie den Kopf. „Dorcas ist ziemlich optimistisch, dass der Schnatz ihr gehört.“

Dorcas drehte sich zu ihr um und zeigte ihr den gehobenen Daumen, während Mary den Nutzen des Schnatzes zum gefühlt tausendsten Male in Frage stellte.

„Mhm… Versteh mich nicht falsch, niemand liebt Dorcas‘ Ego mehr als ich“, sagte James und quittierte Dorcas‘ gehobene Augenbrauen mit einem Zwinkern, „aber Regulus Black ist ein guter Sucher. Das einzige Mal, dass er den Schnatz nicht gefangen hat, war, als ich vor zwei Jahren für Dorcas eingesprungen bin.“

„Oh, willst du lieber Sucher spielen, Potter?“, fragte Dorcas.

„Pass auf, wie du mit deinem Kapitän redest“, sagte James grinsend und Dorcas drehte sich kopfschüttelnd, aber schmunzelnd weg. James drehte sein Grinsen in Lilys Richtung. „Ich versprech dir ein spannendes Spiel. Es wird es wert sein im Regen zu sitzen.“

„Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen“, sagte Lily trocken und wie sie fand in einem Tonfall, der sich sehr nach Regulus anhörte. Sie sah ihn beim Rest seines Teams stehen, als sie den Stadioneingang erreichten.

„Ich mach ein Tor für dich“, sagte James. „Aber nicht das Erste.“

„Das gehört schon mir“, sagte Sirius.

Lily schüttelte belustigt den Kopf. „Lass dir einfach nicht den Schädel brechen.“

„Ich verspreche lieber nichts, das so unwahrscheinlich ist.“ James blieb am Stadioneingang stehen und hielt Lily am Griff ihres Regenschirms zurück. Er bückte sich unter den Schirm und hielt ihr seine Wange grinsend hin. „Wünschst du mir kein Glück?“

Lily verdrehte die Augen. Sie wusste, dass James genauso wenig erwartete, dass sie ihm diesen Gefallen tat, wie irgendjemand anderes. Oder so gut wie alle anderen. Aus dem Augenwinkel fing sie Regulus‘ Blick auf. Lily schaute wieder hoch zu James, der sie verschmitzt anlächelte. Sie wusste nicht genau, ob das oder Regulus‘ Blick in ihrem Nacken ihr einen Schubs gab, aber sie lehnte sich nach oben und gab James einen Kuss auf die Wange.

„Viel Glück, James“, sagte sie und lächelte, als James sie anstarrte, als wäre ein Geist gerade durch ihn gefahren. Er schien etwas sagen zu wollen, als Sirius an seiner Seite auftauchte.

„Ja, viel Glück, Krone“, murmelte er grinsend, packte James in Nacken und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Wange. James fing sofort an zu lachen. Er schubste Sirius verspielt von sich weg und bekam den Schubser gleich zurück.

„Erwarte jetzt aber keinen Kuss von mir“, sagte Remus, bevor er James umarmte und ihm viel Glück wünschte. Lily kehrte den vier Jungs den Rücken zu, als Peter unentschlossen um James herumtapste, und schaute zum Eingang rüber. Regulus war verschwunden, genau wie der Rest des Quidditchteams von Slytherin. Eine merkwürdige Leere breitete sich in ihr aus. Lily versuchte das merkwürdige Gefühl abzuschütteln und drückte ihrerseits Dorcas, wünschte ihr viel Glück. Dann stieg sie zusammen mit Mary in die Ränge des Stadions.

Ganz oben fanden sie einen Platz, wo die angrenzenden Ränge sie einigermaßen vor dem Regen und Wind schützten. Mary setzte sich ganz an den Rand und drehte ihren Schirm fröhlich, sodass ein Sprühregen aus Tropfen von seinen Enden flog. Sie grinste Lily an. Misstrauisch klappte Lily ihren Schirm ein und zog sich ihre Kapuze weit über die Haare.

„Was?“, fragte sie, als sie sich mit unter Marys Schirm setzte.

Mary stupste sie mit dem Ellenbogen an, die Augen gierig funkelnd, als hätte jemand gerade das Halloween-Festmahl neu für sie aufgetischt. „Was war das denn? Du hast ihn geküsst“, sagte sie, als Lily sie fragend anschaute.

„Auf die Wange“, sagte Lily.

„Magst du ihn?“, fragte Mary leise, als könnte irgendjemand ein wichtiges Geheimnis mithören.

„Nein.“ Lily hörte sich selbst viel zu indigniert an. Sie schüttelte den Kopf. „Ich meine, nicht so. Wir sind…“ Sie wusste nicht, ob Freunde das richtige Wort war, um ihre Beziehung mit James Potter zu beschreiben. Er hatte sich verändert, ja, aber wenn sie an ihn dachte, tauchte immer noch der arrogante Widerling vor ihr auf, den sie nicht hatte mögen wollen. Es schien verstörend leicht das zu vergessen, wenn er sie zum Lachen brachte oder zur Abwechslung mal verblüffend gute Arbeit als Schulsprecher leistete. Und nach allem, was letztes Jahr passiert war… Lily seufzte. „Wir sind Freunde.“

„Oh, bitte. James Potter wollte nie nur mit dir befreundet sein“, sagte Mary. „Er mag dich.“

„Was immer er von mir wollte, er ist drüber weg“, sagte Lily.

„Das hättest du wohl gerne. Oder nicht?“

Lily wollte diesmal wirklich indigniert antworten, als Sirius mit Remus und Peter auf die Tribüne kam. Sie setzten sich gleich neben sie in die erste Reihe. Lily war ganz dankbar dafür, wenn es Mary dazu brachte die Klappe zu halten und sich stattdessen wieder über Quidditch-Regeln auszulassen.

Das Stadion lag in einer zwielichtigen Düsternis. Der heftige Regen erschwerte schon ihre Sicht. Lily fragte sich, wie James es bei diesem Wetter und seiner Brille jedes mal wieder schaffte so zu tun, als würde es ihm nichts ausmachen.

Unten auf dem Spielfeld kamen endlich die Spieler in Sicht. James schüttelte Averys Hand, oder machte irgendetwas anderes, so wie Avery zusammenzuckte und Sirius neben ihr gluckste, gleichzeitig einen strafenden Blick von Remus kassierte. Lily sah die Nummer sieben der Slytherins auf seinen Besen steigen. Regulus stieß sich mit den anderen zusammen vom Boden ab, als würde der Wind ihm keinerlei Probleme bereiten. Madam Hoochs Pfiff schallte durch das Stadion und pfiff das Spiel an.

Die Spieler sausten wie verschwommene Schatten an ihnen vorbei. Binnen weniger Minuten waren alle Spieler komplett durchnässt und die Slytherins in ihren dunkelgrünen Roben viel schwieriger zu erkennen. Lily realisierte in einem Anflug von Verlegenheit, dass sie trotzdem mit beiden Augen an Regulus hing. Er schwebte einen Steinwurf von ihr entfernt weit über dem Stadion. Der Wind schlug seine klitschnassen Roben auf.

Ein lautes Jubeln ging durch das Stadion und Lily schreckte zusammen. Das Spiel lief keine neunzig Sekunden und James hatte das erste Tor geschossen. Zehn zu Null für Gryffindor. Alle Ränge bis auf die voller grünsilberner Roben jubelten. Sirius sprang sogar von seinem Sitz auf. Er lehnte sich weit über das Geländer und streckte den Arm aus, und wie aus dem Nichts schoss James an ihren Plätzen vorbei und klatschte Sirius ab.

Remus packte Sirius an der Rückseite seiner Robe und zog ihn wieder auf seinen Platz. „Du fällst noch, Tatze. Niemand will dein Gehirn vom Boden wischen.“

Sirius zuckte mit den Schultern, als wäre sein vollkommen funktionstüchtiges Gehirn nichts im Vergleich zu James‘ Abklatschen gewesen. „Das war mein Tor“, sagte er zu Lily. „Wir haben gewettet, ob er es unter zwei Minuten hinkriegt. Normalerweise lässt er sich gerne Zeit.“ Er grinste und ließ die Augenbrauen hüpfen. „Keine Sorge, du kriegst dein Tor noch, Lily.“

Und tatsächlich, keine zwei Minuten später hatte James Chambers den Quaffel aus der Hand gekickt, ihn aus der Luft geschnappt, als würde der Regen ihn nicht glitschiger als eine nasse Seife machen, und flog unter einem Klatscher, den Avery fluchend nach ihm geschlagen hatte, aufs Tor zu. Das Stadion brach in tosenden Applaus aus, als er traf. Lily klatschte natürlich auch, bereute das aber, als James auf sie zeigte.

„Anscheinend widmet Potter dieses Tor seiner Schulsprecher-Kollegin“, rief die Stimme des Kommentators über den tosenden Wind und Applaus hinweg. „Da macht mehr als ein Gerücht die Runde, dass mehr zwischen ihnen läuft. Wenn das mal keine Bestätigung – oh! Sieht aus, als hätte Black den Schnatz gesehen!“

Lily sparte sich die warnende Geste in Richtung Kommentator und blickte nach oben. Regulus hatte einen plötzlichen Haken geschlagen und Dorcas nach sich gezogen, wie Licht eine Motte, nur um dann plötzlich zu stoppen. Dorcas krachte beinahe in ihn und rutschte bei ihrem Ausweichmanöver halb vom Besen, zog sich gegen eine starke Böe wieder hoch. Der Kommentator nannte das einen „hinterhältigen Trick, um Gryffindors Sucherin aus dem Gleichgewicht zu bringen.“ Lily wusste nicht, wie sehr das zusammen hing, aber Slytherin landete im nächsten Moment seinen ersten Treffer und im Stadion breitete sich ein Geräusch aus, das sehr nach der menschlichen Form von Donner klang.

Die Unruhe im Stadion schien James nichts auszumachen. Er war in einer unglaublichen Form. Keine fünf Minuten später schoss er sein drittes Tor und legte das vierte vor. Es schien kein Ende in Sicht zu sein. Peter quietschte wie eine Ratte, auf die man aus Versehen getreten war, und klatschte jedes Mal euphorisch.

Als sich ein echter Donner über dem Stadion ausbreitete, stand es bereits neunzig zu dreißig, sechs Treffer davon alleine für James Potter. Lily wusste nach einigen Jahren Quidditch-Erfahrung, dass James gut war, aber sie hatte ihn selten so spielen gesehen, vielleicht sogar noch nie. Als würde er auf irgendetwas abzielen. Einen neuen Schulrekord vielleicht.

Slytherin konnte immer noch gewinnen, auch wenn ihre Jäger allmählich die Motivation zu verlassen schien. Chambers ließ den Quaffel fallen, der ihm direkt in den Schoß plumpste, und James sauste unter ihm durch, als hätte er genau das erwartet. Er fing den Quaffel auf und schoss schnell wie ein Blitz gegen den heftigen Gegenwind in Richtung der Torringe. Er flog in einem Zickzack, der aussah, als hätte der Wind ihn erfasst, aber dadurch duckte er sich unter einem Klatscher, den Avery ihn wieder einmal nachhetzte. Der gegnerische Hüter schien so verwirrt davon, dass er am mittleren Torring verharrte und einen frustrierten Schrei ausstieß, als James immer näherschlenkerte – als würde ihn das aufhalten. James warf und der Hüter riss beide Arme hoch, während der Quaffel durch den rechten Torring flog.

„Einhundert!“, rief Sirius und sprang auf, riss in der gleichen Bewegung seinen Zauberstab heraus. Remus und Peter folgten, und für einen Moment dachte Lily, dass sie die Slytherins von ihren Besen hexen wollten, als alle zusammen ihre Zauberstäbe gen Himmel richteten. Dann schossen sie einen Strom aus roten und goldenen Funken aus ihren Zauberstäben, der sich quer über das Stadion erstreckte. Peters Funken schienen eher gelb. Die Gryffindor-Ränge brachen in ohrenbetäubenden Jubel und Applaus aus.

„Mr. Black“, dröhnte Professor McGonagalls Stimme von der Kommentatortribüne zu ihnen. „Wenn Sie mit diesen Mätzchen die gegnerische Mannschaft treffen, lasse ich Sie den Rest des Jahres nachsitzen.“

Sirius verbeugte sich in McGonagalls Richtung und setzte sich wieder.

„Habt ihr das auch mit silbernen und grünen Funken vorbereitet?“, fragte Lily Sirius. „Falls dein Bruder den Schnatz fängt?“

Sirius gluckste. „Das Letzte, was Regulus will, ist meine Unterstützung.“

„Er ist dein Bruder. Bestimmt freut er sich, wenn du ihn anfeuerst“, sagte Lily.

„Ich will dir ja nicht unterstellen, dass du meinen Bruder nicht so gut kennst wie ich, Lily“, sagte Sirius, ohne dabei die Augen von James zu nehmen, der wie ein roter Blitz an ihnen vorbeiraste, „aber Regulus würde das eher beleidigend finden.“

„Er lässt es sich vielleicht nicht so anmerken, aber unter der harten Schale würde es ihn bestimmt freuen.“

Sirius schnaubte. „Mein Bruder hat keine harte Schale“, sagte er. „Er hat ein haariges Herz.“

„Ein was?“, fragte Lily verwirrt.

„Das ist eine Umschreibung dafür, dass er gefühllos ist“, sprang Remus ein. „Keine sehr nette, Sirius. Kommt von einem alten Zauberermärchen, in dem ein Zauberer sein eigenes Herz herausgeschnitten und weggesperrt hat, damit er nie ein Opfer der Liebe werden würde. Der Zauberer lebt kalt und gefühllos, bis jemand ihn auf die Idee bringt, dass ihm das perfekte Accessoire fehlt: Eine hübsche Frau an der Seite. Wie der Zufall es so will, findet er eine schier perfekte Frau, die ihn so herzlos aber nicht haben will. Sie hilft ihm sein Herz zurück in seine Brust zu setzen, sie verlieben sich und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage.“

Sirius lachte spöttisch auf. „So geht die Geschichte nicht aus, Remus. Wer hat dir den Unsinn erzählt? Der Zauberer steckt sein Herz zurück, aber es ist alleine in seiner Box schrumpelig und haarig geworden, weshalb er nichts fühlen kann. Daraufhin schneidet er der Frau ihr Herz aus der Brust um es gegen seines auszutauschen, aber das haarige Herz krallt sich an ihm fest und will nicht weg. Bei dem Versuch es endgültig loszuwerden bringt er sich selbst um, und am Ende liegen sie beide tot da.“

Remus verzog das Gesicht. Seine Version gefiel ihm offenbar besser.

„Eine grausame Geschichte“, sagte Lily und schaute hoch zu Regulus. Er drehte seine Runden über dem Stadion auf der Suche nach dem kleinen goldenen Ball, der das Spiel beenden würde. Wenn er den Schnatz jetzt fing, würde Slytherin trotz ihres enormen Rückstandes gewinnen. Hinter ihm zuckte ein Blitz über den fast schwarzen Himmel. Regulus drehte sich danach um und schien in diesem Moment etwas anderes zu sehen. Er stürzte steil nach unten und streckte die Hand aus. Lily konnte etwas Goldenes zwei Besenlängen unter ihm erkennen.

Ein zweiter Blitz zuckte über den Himmel und erleuchtete den schwarzen Klatscher zu spät. Wie aus dem Nichts schoss er aus den Schatten und traf Regulus mit voller Wucht.

Lily schnappte nach Luft und packte instinktiv Sirius‘ Arm. Regulus fiel vom Besen. Einen Moment lang sah es aus, als würde er stürzen, aber er klammerte sich mit dem rechten Bein an seinem Besenstiel fest. Lily krallte sich mit beiden Händen an Sirius‘ Arm fest. Panik rumorte in ihrem Magen, wie das Gewitter über ihnen. Gryffindors Treiber schlug den Klatscher erneut nach Regulus, als der sich wieder auf seinen Besen schwang, und verfehlte ihn nur knapp. Regulus schwankte leicht und hielt sich den Kopf, wo der Klatscher ihn getroffen haben musste.

„Foul!“, brüllte Avery und raste an Regulus‘ Seite. Er schlug sein Schlagholz gleichzeitig mit dem Donnergrollen gegen den Klatscher und feuerte ihn in Richtung von Gryffindors Treiber, der sich gerade noch duckte. „Das war ein beschissenes Foul! Ich will einen Strafstoß! Sind Sie blind, Sie verfickte –“

Madam Hooch pfiff über das letzte Wort hinweg. Sie zeigte einen Strafstoß an – aber für Gryffindor. Averys Beleidigung schien ihr gar nicht gefallen zu haben.

Gryffindor verwandelte und Averys Fluchen wurde immer lauter. Man hörte ihn über das Donnergrollen am Himmel hinweg seine eigenen Mannschaft und James Potter beleidigen, so weit von jugendfrei entfernt, dass Professor McGonagall ihn zurechtstauchte. Lily war sich nicht sicher, ob er so sauer war, weil Regulus getroffen worden war oder weil er die Chance auf den Schnatz und Sieg verpasst hatte. Sie behielt Slytherins Sucher im Auge. Er flog ähnliche Schlangenlinien, wie James es gerne tat, aber scheinbar unabsichtlich. Sie wünschte sich ein Fernglas oder wenigstens, dass Regulus kurz an ihr vorbeiflog, damit sie sichergehen konnte, dass alles in Ordnung war. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie einen Schädelbruch erlebt hatten.

„Lily, du tust mir weh“, sagte Sirius.

Lily schaute ihn verwirrt an und merkte erst dann, dass sie immer noch die Fingernägel in seinen Arm vergraben hatte. Sie lockerte ihren Griff schnell, ließ aber nicht los. „Entschuldige. Das sah gefährlich aus.“

Sirius musterte sie kurz, aber scharf. „Es geht ihm gut. Der Klatscher hat ihn nur gestreift.“

Lily nickte, aber das mulmige Gefühl in ihrem Magen blieb. Der immer schlimmer werdende Regen machte das nicht besser. Die Spieler waren komplett durchnässt und inzwischen kroch die Feuchtigkeit auch unter ihre Roben. Sie zitterte, aber nur teilweise wegen der Kälte. Sirius überließ ihr seinen Schal und es half nichts.

Slytherins Mannschaft war komplett aus der Bahn geworfen. In der nächsten Stunde vergrößerte Gryffindor dank James den Abstand maßgeblich. Bei hundertfünfzig Punkten für Gryffindor schoss Sirius einen rotgoldenen Löwen in die Gewitterwolken und leuchtete damit das Stadion für einen Moment heller auf, als es die Blitze taten. McGonagall verwarnte ihn noch einmal, aber nicht ohne fallenzulassen, dass er so viel Enthusiasmus doch einmal im Unterricht zeigen sollte.

„Sie soll auf zweihundert Punkte warten“, raunte Sirius Remus zu, der hinter seiner Hand deutlich grinste. Zweihundert Punkte waren nicht zu weit hergeholt. In der nächsten Viertelstunde fielen drei weitere Treffer, von denen zwei auf James‘ Konto gingen. Lily wäre normalerweise neugierig gewesen, ob Sirius plante richtige Löwen ins Stadion laufen zu lassen, aber im Moment war ihr einfach nur schlecht. Ihr Blick ging immer wieder zu Regulus.

Er schien sich wieder gefasst zu haben und saß gerade auf seinem Besen, aber ab und zu hatten die Windböen zu leichtes Spiel mit ihm. Dorcas hatte aufgegeben ihm hinterherzufliegen, was auch etwas heißen musste. Sie war auf der anderen Seite des Spielfelds, als Regulus etwas entdeckte. Ungesehen vom Kommentator schoss er schnurstracks nach unten zu den Torstangen der Gryffindors. Zwischen der rechten und mittleren blitzte der Goldene Schnatz auf.

„Black hat den Schnatz gesehen“, rief der Kommentator. „Oder er führt uns wieder an der Nase herum.“

Dorcas ließ diesen Kommentar nicht auf sich sitzen und stürzte Regulus hinterher, überquerte innerhalb weniger Augenblicke das Feld. Aber sie war noch zu weit weg, als Regulus schon die Hand ausstreckte. Der Schnatz türmte vor seinen Fingerspitzen, wie ein Rehkitz vor dem hungrigen Wolf, aber Regulus beschleunigte ein letztes Mal, ohne Angst vor dem näherkommenden Boden zu zeigen. Lily krallte sich erneut an Sirius‘ Arm fest.

„Potter hat den Quaffel!“, brüllte der Kommentator. „Er fliegt einfach durch Chambers durch, wie durch den Fast-Kopflosen Nick! Ein Meister auf dem Besen, ein wahrer Meister! Er schießt! Schießt und…“

Regulus schloss die Hand um den Schnatz.

„…trifft! Und Black hat den Schnatz! Das Spiel ist vorbei. Einhundertneunzig zu einhundertachtzig. Mein Beileid für Slytherin. Das war knapp.“

Um sie herum brach jeder in Applaus aus und das Stadion bebte unter dem Jubel, aber Lily fand nur ein müdes Klatschen in sich. Sie sah Regulus unten bei den Torstangen in der Luft schweben, nass bis auf die letzte Haarspitze, und die Hand mit dem Schnatz an seiner Seite baumelnd.

„Mann“, murmelte Sirius mit einem Tropfen Mitleid in der Stimme.

Lily ließ seinen Arm endlich los. Unten auf dem Platz war Avery neben Madam Hooch gelandet und redete, sicherlich fluchend, auf sie ein. Er gestikulierte wild und hitzig, deutete immer wieder auf Regulus. James flog an seine Seite und mischte sich ein, den Quaffel unter seinen Arm geklemmt.

„Scheint, dass es Streitigkeiten zwischen den Kapitänen gibt. Avery behauptet, Black hätte den Schnatz vor Potters Tor gefangen“, sagte der Kommentator. „Aber Madam Hoochs Entscheidung steht. Sieg für Gryffindor.“

Avery warf sein Schlagholz auf den nassen Boden, dann schubste er James von sich weg und sagte irgendetwas. James gab den Stoß zurück, worauf Avery seinen Zauberstab zückte. Madam Hooch ging dazwischen und schickte beide getrennt in ihre Umkleidekabinen. Regulus schwebte noch immer irgendwie verloren zwischen den Torpfosten. Er schaute den Schnatz an, der zwischen seinen Fingern flatterte.

„Komm schon“, drängte Mary sie da und zog sie mit sich hoch. „Schlimm genug, dass wir solange im Regen sitzen mussten. Wieso lassen sie so ein Spiel nicht einfach neunzig Minuten dauern?“

Lily warf einen letzten Blick über die Schulter zu Regulus und folgte Mary dann aus dem Stadion. Unten warteten sie vor den Eingängen zu den Umkleiden auf Dorcas, eingequetscht unter Marys Schirm. Relativ sinnlos, da der stürmische Regen bis auf ihre Haare schon so ziemlich alles durchnässt hatte. Lily gab Sirius seinen Schal zurück, als er, Remus und Peter sich ihnen anschlossen, um auf James zu warten.

Dorcas kam als eine der ersten aus der Umkleide, ein recht mildes Lächeln auf den Lippen. Sie ließ die Glückwünsche über sich ergehen.

„Ich hab ja leider nicht dabei geholfen, dass wir gewinnen“, sagte sie. „James hat uns den Hintern gerettet. Kommt ihr? Ich brauch ein warmes Bad.“

Mary hakte sich bei ihr ein und sie gingen ein paar Schritte, bevor sie merkten, dass Lily zurückgeblieben war. Sie lächelte die fragenden Blicke weg.

„Ich komm gleich nach“, murmelte sie.

Marys Augen leuchteten auf. „Ah, ich weiß wieso. Viel Spaß“, flötete sie.

„Es ist nicht…“ Lily kam gar nicht dazu sich zu rechtfertigen, da zog Mary Dorcas schon weg und flüsterte ihr eifrig irgendetwas zu. Es brauchte keine deduktiven Fähigkeiten à la Sherlock Holmes um zu erahnen, um was es ging. Oder wen.

Es dauerte auch nicht lange, bis James nach dem Rest seiner fröhlichen Mannschaft aus der Umkleide kam. Er strahlte von einem Ohr bis zum anderen, was seine haselnussbraunen Augen fast wie Bernsteine leuchten ließ. Der Regen perlte von seinen runden Brillengläsern ab. Er bremste vor ihr ab.

„Lily? Willst du mir gratulieren?“, fragte er, während der Rest der Mannschaft ihm beim Vorbeigehen auf die Schulter klopfte.

„Du hast super gespielt, das müssen sogar die Slytherins zugeben“, sagte Lily.

„Ich hatte wohl sowas wie mein persönliches flüssiges Glück.“ James zeigte ihr dieses verschmitzte Lächeln, das sie nicht unerwidert lassen konnte, aber trotzdem mit einem Augenrollen strafte.

„James!“, rief Sirius‘ Stimme.

James‘ Blick ging über Lily Schulter und er grinste. „Sirius!“ Er klopfte ihr kurz auf die Schulter, so ungerührt, dass jedes Gerücht im Keim erstickt werden sollte, und war im nächsten Moment schon weg. Lily drehte sich um und sah zu, wie James Sirius in die Arme sprang. Er riss ihn fast mit sich um in den Matsch, aber es schien sie in ihrer Freude über den Sieg nicht zu stören. „Hast du mitgezählt? Hast du gesehen, wie phantastisch ich war? Ich verdien’s ins Schloss getragen zu werden.“

Sirius konnte darüber lachen, dass James sich mit allen Gliedmaßen an ihn klammerte; Lily schüttelte den Kopf darüber. Sie nahm etwas Abstand zu den vier Jungs, bevor sie auffällig genug alleine herumstand, um mit nach oben getragen zu werden. Ganz genau wusste sie nicht, warum sie zurückblieb. Ein Aufeinandertreffen mit wütenden Slytherins wollte sie eigentlich vermeiden, aber sie wollte wissen, wie es Regulus ging. Sie musste das wissen, ehe es ihr weiter auf den Magen schlug.

Ein Großteil der Mannschaft von Slytherin war bereits vor James in Richtung Schloss abgezogen, genauso wie der Rest des Publikums. Unter großen Regenschirmen schoben sich die anderen Schüler in Klumpen zurück zum Schloss, lachend oder zumindest laut redend. Einige sangen sogar. Das würde eine lange Nacht im Gryffindor-Gemeinschaftsraum werden.

Lily zog sich unter den Rand des Stadions zurück, wo die Schräge der Tribünentürme sie vor dem Regen schützte. Sie fröstelte ein wenig, als der Wind unter ihre nassen Roben kroch.

Nicht weit von sich entfernt sah sie Rosier stehen. Er schien sie nicht zu sehen, sonst hätte er sich die Gelegenheit sicher nicht entgehen lassen zumindest einen dummen Spruch abzulassen. Oder er war dafür einfach nicht in der Stimmung. Sein Gesichtsausdruck war trüber als der verregnete Himmel.

Avery trottete aus der Umkleide auf Rosier zu. „Was?“, knurrte er. „Soll ich dir auch in die Arme springen?“

„Nicht mal, wenn du gewonnen hättest“, sagte Rosier. „Was war das denn für eine Blamage?“

Avery zuckte mit den Schultern, als wäre das Spiel an ihm vorbeigezogen, wie ein schlechter Film. „Potter. Das ist alles Potters Schuld. Irgendetwas war da faul. Als hätte er Felix Felicis geschluckt.“

Lily runzelte die Stirn, als sie einen Moment zu lange darüber nachdachte. James würde so etwas nicht tun, aber er hatte eine beinahe absurde Glückssträhne gehabt. Allerdings ähnelten Glück und Talent sich oft auch. Sie musste diesen Gedanken schnell abschütteln, ehe ihr Unterbewusstsein wieder nach Dingen suchte, die sie an James Potter verabscheuen konnte.

„Vielleicht tun wir ein Fläschchen in seine Sachen, damit alle genau das denken“, schlug Rosier vor.

„Dafür wär mir das zu schade“, sagte Avery, grinste aber.

Rosier schaute sich noch einmal um und Lily zog sich weiter in die Schatten zurück. „Wo hast du Regulus gelassen?“

„Ich glaub, er versucht sich zu ertränken.“ Wieder zuckte Avery mit den Schultern und schubste Rosier vorwärts, als der in die Umkleide wollte. „Lass ihn. Sensible Hunde beißen.“

Sie zogen gemeinsam ab und setzte sich ans Ende der letzten Schüler, die sich durch den Regen zum Schloss kämpften. Lily haderte mit sich. Vielleicht war das der Startschuss für sie gewesen sich ebenfalls zurückzuziehen, aber der Gedanke Regulus jetzt alleine zu lassen war ihr einfach zu wider.

Sie trotze ihrer Vernunft und machte den Weg, den Rosier sich nicht getraut hatte zu gehen, in die Umkleide der Slytherins hinein. Einmal war sie vorher hier gewesen, vor ungefähr vier Jahren vielleicht, als Severus es für nötig gehalten hatte, es mit Quidditch zu versuchen. Sie dachte ungerne daran zurück.

Der Boden war nass und schlammig. Sie machte einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen um nicht auszurutschen. Spinde erstreckten sich über die Wand, darunter eine alte Holzbank. Ganz am Ende saß Regulus auf dem Boden, das Gesicht hinter nassen Haarsträhnen versteckt. Seine Quidditch-Roben lagen neben ihm auf der Bank und Lily realisierte in einem Schreckmoment, der sie an den Boden fesselte, dass er noch kein Hemd trug. Dann fiel ihr die Delle auf, die in einem der Metallschränke direkt auf Höhe seiner Faust zu sehen war, und sie dachte nicht länger nach. Lily klopfte gegen die Metalltüren, um sich anzukündigen.

Regulus schaute auf, starrte sie einen Moment lang einfach nur an und griff dann blitzschnell in den Klamottenhaufen neben sich. Er warf sich sein Hemd über, knöpfte es aber nicht zu. „Was willst du hier?“, zischte er.

Lily ignorierte die offensichtliche Feindseligkeit und wagte sich näher. „Du bist nicht rausgekommen, da wollte ich nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“

„Hast du nicht James Potter zu feiern?“, fragte Regulus scharf.

Lily seufzte. Sie zog sich die Kapuze herunter und kam an seine Seite. „Ich hab nur –“ Sie stoppte, als sie den Kratzer auf Regulus‘ Schläfe entdeckte. Er zog sich quer über seine Augenbraue. Lily hockte sich vor ihn hin und fasste sein Kinn. „Du hast dich verletzt. Der blöde Klatscher hat dich doch erwischt.“

Regulus drehte seinen Kopf aus ihrem Griff. „Es geht mir gut. Eine Schramme bringt mich nicht um. Es würde mir besser gehen, wenn du verschwindest.“

Lily wühlte in den feuchten Tiefen ihrer Taschen nach ihrem Zauberstab. Ohne auf Regulus‘ Ablehnung einzugehen umfasste sie wieder sein Kinn und drehte seinen Kopf leicht zur Seite, damit sie die sogenannte Schramme genauer ansehen konnte. Sie war zu tief dafür, eher eine kleine Platzwunde, die vom Aufprall des Klatschers zurückgeblieben war. Sein Auge fing bereits an zuzuschwellen.

„Evans, ernsthaft –“

„Halt die Klappe. Und halt still.“ Lily tippte die Wunde mit der Spitze ihres Zauberstabs an. „Episkey.“

Innerhalb eines Blinzelns war sie zugeheilt und nur eine leichte Rötung blieb zurück. Regulus‘ Blick erwärmte sich nicht.

„Eure Party hat sicher schon angefangen“, sagte er eisig.

„Unsere Sucherin will nicht feiern“, antwortete Lily in einem belanglosen Tonfall. „Weil du den Schnatz gefangen hast. Und anscheinend hast du gute Arbeit geleistet.“

„Wenn ich gute Arbeit geleistet hätte, wären wir jetzt im Gemeinschaftsraum und würden feiern“, sagte Regulus. „Ich brauche dein Mitleid nicht, Evans.“

„Ich bemitleide dich nicht, Regulus. Ich wollte dir nur helfen. Es ist nicht gleich Mitleid, wenn ich dir helfen will, und es ist auch nicht schlimm, wenn du dir helfen lässt. Oder mal lassen würdest. Dafür bist du ja leider zu stolz.“

Regulus schaute sie von oben herab an. Blut klebte an seiner Schläfe, vom Regen in Striemen bis zu seiner Wange heruntergezogen. Lily holte ein Taschentuch heraus und wischte es vorsichtig weg. Regulus‘ Augenlid zuckte, aber anscheinend vor Schreck und nicht vor Schmerz. Er ließ trotzdem nicht den Blick von ihr.

„Du solltest mich bemitleiden“, murmelte er. „Ich kann nicht einmal den Schnatz fangen, bevor Potter noch ein verfluchtes Tor macht.“

Lily wich seinem Blick aus und konzentrierte sich auf das Blut, spürte aber, dass Regulus sie nicht aus den Augen ließ.

„Von den Zaubertränken ganz abgesehen“, fuhr Regulus fort. „Du weißt aus erster Hand, dass ich das nicht hinkriege. In letzter Zeit krieg ich nicht einmal die Dinge hin, die ich kann. Als wäre jedes Talent, das ich habe, vor mir davongelaufen. Alles läuft vor mir weg…“

Lily runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“

Regulus wischte sich die klitschnassen Haare aus der Stirn. „Ich meine, dass ich gut spielen sollte. Wenigstens hierbei sollte ich gut sein. Quidditch war das eine Ding, das ich gut konnte. In dem ich besser als er war. Jetzt krieg ich nicht einmal mehr das hin. Was werden sie von mir denken?“

„Wer?“, fragte Lily verwirrt nach.

„Meine Eltern“, sagte Regulus.

„Deine Eltern werden dich nicht umbringen, weil du ein Quidditch-Spiel nicht gewonnen hast.“

„Nein, aber weil ich ein absoluter Versager in Zaubertränke bin. Oder Pflege magischer Geschöpfe. Oder überall. Ich kriege nicht einmal mehr die Sachen hin, wo ich gut drin sein sollte.“ Regulus redete sich in Rage. Seine Wangen wurden rot und sein Blick glitt unfokussiert an ihr vorbei. So hatte sie ihn noch nie gesehen. „Ich bin nicht so wie er. Sirius muss nur mit den Fingern schnippen und kriegt alles hin. Er muss nicht einmal lernen, um elf Ohnegleichen nach Hause zu bringen. Quidditch war das Einzige, in dem ich besser war. Wenn ich nicht einmal mehr das hinkriege… Ich kann ihn nicht ersetzen. Früher oder später merken meine Eltern das, und dann brennen sie mich vom Stammbaum.“

Lily verstand nur die Hälfte von dem, was er sagte, aber sie sah die Panik in seinen geweiteten Augen und verstand die. „Hey…“ Sie strich über Regulus‘ Hand, die er in seinem Haar verkrallt hatte – so fest, als würde er jede Strähne einzeln herausziehen wollen. Vorsichtig löste sie seine Finger und zog sie weg. „Niemand brennt dich irgendwo raus. Wer würde sowas tun?“

„Sie haben es mit ihm getan“, sagte Regulus heiser und wie in Trance. „Er ist nicht mehr da. Sie können nicht mehr sauer auf ihn wegen irgendwelchen dämlichen Streichen sein. Ohne ihn kann ich mich nirgendwo verstecken, und sie werden merken, dass ich nicht gut genug bin. Was soll ich dann machen?“

Lily suchte verzweifelt nach irgendetwas, das sie sagen konnte, aber ihr fiel nichts ein. Regulus zitterte bis in die Fingerspitzen, die sie fest umklammert hielt, vor Kälte, vor Panik, weil er kurz davor schien wie ein trockener Ast unter einem rücksichtslosen Fuß zu brechen, der über ihn trampelte. Lily zog ihn in eine feste Umarmung.

Regulus hörte nicht abrupt auf zu zittern, wie sie es sich gewünscht hätte. Er regte sich leicht, als würde er sich aus ihrem Griff winden wollen, worauf sie die Arme fester um seinen Oberkörper schlang. Sie fuhr mit einer Hand über seinen Nacken, der kalt und nass von den Wassertropfen war, die immer noch von seinen Haarspitzen fielen und wie sein eigener kleiner Regen unter seinen Kragen liefen. Sein Hemd stand noch offen und jede kleine Bewegung schien den Stoff weiter wegzuschieben, entblößte mehr und mehr, viel zu viel nasse Haut, die Lily auf ihrer zu spüren glaubte, egal wie viele Kleidungsschichten sie noch trennten. Der Regen hatte sie beide eiskalt zurückgelassen, trotzdem wurde ihr gerade warm. Eine Wärme, die von innen kam, und die Regulus nicht auslösen sollte. Er war doch ihr Eiswürfel, da um sie abzukühlen.

„Was soll das werden?“ Die übliche Kälte seiner Stimme zerbrach unter dem leichten Zittern, das jetzt nicht nur äußerlich von ihm Besitz ergriff.

„Ich dachte, du könntest eine Umarmung vertragen“, sagte Lily leise. Sie strich über die kurzen Haarsträhnen in Regulus‘ Nacken. Mehr Regenwasser tropfte von ihnen herunter, blieb an ihren Fingern und auf seiner Haut hängen. „Ich sag’s auch niemandem. Niemand erfährt irgendetwas hiervon.“

Regulus zögerte. „Kannst du dein eigenes Gedächtnis löschen?“

Lily schmunzelte. „Das würde ich nicht wollen.“

Und dann, ganz langsam, erwiderte Regulus die Umarmung. Seine Hände legten sich vorsichtig auf Lilys Rücken, verharrten dort zuerst etwas unschlüssig und hielten sich dann fest. Er wickelte die Arme eng um sie, bis sie glaubte nicht mehr atmen zu können, und als sie es doch tat, atmete sie nur seinen Duft ein. Er roch nach Regen, aber besser.

Als er die Wange an ihre Schulter lehnte, konnte sie den blauroten Fleck auf seinem Hals sehen, den der Bowtruckle hinterlassen hatte, den sie für etwas anderes gehalten hatte. Er war damit immer noch nicht zu Madam Pomfrey gegangen, so stolz war er. Oder vielleicht hatte er zu große Panik davor Schwäche zu zeigen. Wenn das der Fall war, würde er ihr hier nach nie wieder in die Augen sehen wollen.

Sie hatte genau davor Angst, als Regulus sich von ihr löste und zu viel Abstand zwischen sie brachte. Er vermied ihren Blick erst, blickte in seinen Schoß, dann auf ihre Schulter.

„Du bist ganz nass, meinetwegen“, murmelte er und streckte eine Hand nach Lilys Zopf aus, nahm die feuchten Haarspitzen zwischen Daumen und Zeigefinger.

„Ich war schon vorher nass“, sagte Lily.

Regulus ließ ihr Haar nicht los, streichelte vorsichtig, aber nicht schüchtern über die Spitzen. „Tut mir leid… dass ich dich neulich so angefahren habe. Ich hab überreagiert.“

„Ich hab’s dir nicht übelgenommen.“ Nicht sehr, jedenfalls.

Regulus schaute sie wieder an. Das nasse Haar und die roten Flecken auf seinen Wangen taten seinem guten Aussehen nichts ab. Im Gegenteil. Es verlieh ihm etwas Ungezähmtes, wie ein wildes Tier kurz vor dem Angriff. Er schien näherzukommen, lehnte den Kopf in ihre Richtung – nur um in letzter Sekunde abzudrehen.

Lily fuhr sich enttäuscht über die Lippen. „Vermutlich willst du das nicht hören… aber du hast sehr gut gespielt. Von meinem Platz sah’s zumindest so aus.“

Regulus nahm auch seine Hand weg. „Konntest du dich also ein paar Sekunden lang von James Potters Torregen lösen?“

„James hatte einen guten Tag, du einen nicht so guten.“ Lily zuckte mit den Schultern.

„Mein Bruder hat ihm ein verfluchtes Feuerwerk geschenkt…“

Lily seufzte. Sie wusste aus erster Hand, wie angespannt ein Verhältnis zwischen Geschwistern werden konnte. „Dein Bruder hat nicht wirklich elf Ohnegleichen bekommen, oder?“

Regulus blickte sie finster an und gab ihr leider keine Antwort.

„Du hast gesagt, dass Sirius nicht mehr da wäre. Deine Eltern haben ihn aus dem Stammbaum gebrannt. Willst du darüber reden?“

„Er ist ein Verräter“, raunte Regulus.

„Ein Blutsverräter?“

Regulus schnaubte leise. „Er ist abgehauen. Vor ungefähr einem Jahr. Er ist bei James Potter untergekrochen und hat seitdem keinen Fuß mehr in unser Haus gesetzt.“

„Das hab ich nicht gewusst“, sagte Lily leicht geschockt und dachte daran, wie viel näher James und Sirius sich zu stehen schienen. „Aber ihr redet noch miteinander, oder?“

„Ich rede nicht mit Verrätern“, sagte Regulus bitter. „Meine Eltern würden mich umbringen.“

Lily fühlte sich wie geohrfeigt. Sie versuchte dieses merkwürdige Gefühl abzuschütteln. „Das ist es, oder? Du machst dir zu viel Druck, weil du denkst, du reichst deinen Eltern nicht aus, und deswegen gehen deine Tränke daneben. Das wird nicht gut enden, Regulus.“

„Was kümmert es dich?“

„Tut es einfach“, sagte Lily, bevor Regulus wieder davon stürmen konnte, weil sie keine Antwort wusste. Das hier war eine unbefriedigende, dazu brauchte sie sein Augenrollen nicht zu sehen. „Ich will nicht zusehen, wie du dich kaputt machst, Regulus.“

„Und was planst du dagegen zu unternehmen?“, fragte Regulus herausfordernd.

Lily war zu sehr Gryffindor, um das einfach abprallen zu lassen. Sie griff nach Regulus‘ Umhang. „Erst einmal ziehst du das über und wir gehen zurück zum Schloss, bevor du dir eine Erkältung holst.“ Sie stand auf und drehte sich um, ehe sie in Versuchung geriet. Das Rascheln hinter ihr folterte ihre Neugierde schon genug. Schließlich schlug Regulus die Metalltür seines Spinds zu und Lily drehte sich wieder um. Sie verließen das Stadion gemeinsam. Lily öffnete ihren Schirm und ließ Regulus mit darunter kommen. Dicht nebeneinander gingen sie durch den prasselnden Regen, zuckende Blitze und Donnergrollen über sich. Der Sturm schien unter dem Schirm nicht so schlimm zu sein, vielleicht war das auch Regulus‘ Schuld.

„Du musst auch andere Dinge tun, als dir Sorgen machen, weißt du?“, sagte Lily. „Irgendetwas, das dir Spaß macht. Das gar nichts damit zu tun hat, was deine Eltern von dir erwarten.“

„Deiner Meinung nach zählt Quidditch wahrscheinlich nicht“, sagte Regulus.

„Empiristischen Studien zufolge zählt Quidditch nicht“, erwiderte Lily lächelnd. „Was ist mit dem Hogsmeade-Wochenende? Gehst du mit deinen Freunden?“

„Du glaubst mit wahrscheinlich nicht, wenn ich jetzt Ja sage.“

Lily machte einen großen Schritt über eine tiefe Pfütze hinweg, um die Regulus einen kleinen Bogen machte. Bei der Hütte des Wildhüters trafen sie sich wieder unter dem Regenschirm.

„Ich bin im Tropfenden Kessel“, sagte sie. „Wenn ich dich dort nicht sehe, komme ich persönlich hoch zum Schloss und zwinge dich mal abzuschalten.“

Regulus verdrehte die Augen. „Fragst du mich gerade nach einem Date, ja?“

Lily streckte den Arm wie eine Schranke aus und griff die Front von Regulus‘ Roben. Sie zog ihn daran zu sich herum. „Wir haben schon ein Date. In zwei Tagen im Klassenzimmer für Zaubertränke.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, beugte sich vor und für einen Moment hoffte sie, Regulus würde ihr entgegen kommen. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Lily küsste ihn sanft auf die Wange.

Einen Moment lang schauten sie einander stumm an. Lily lächelte gegen den eisigen Blick von Regulus an, dann drehte sie sich um, um die Stufen ins Schloss hochzusteigen. Ihr Herz klopfte so hart, dass sie es am liebsten rausschneiden und wegsperren wollte.


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