von Gipsy
Missmutig ließ Pansy sich in den Stuhl gegenüber von Hermine sinken. Sie war enttäuscht davon, wie die Arithmantik-Stunde verlaufen war. Nach der ersten Nachhilfestunde am Sonntag hatte sie gehofft, endlich nicht mehr so vollkommen überfordert im Unterricht zu sitzen, doch am Ende der Stunde waren ebenso viele Fragezeichen in ihrem Kopf zurückgeblieben wie sonst auch. Und das, obwohl sie sogar am Montagabend in einem Anfall von Eifer gleich zwei der geplanten Abschnitte gelesen hatte. Die Hausaufgaben, die Professor Vektor ihnen gegeben hatte, waren trotzdem nur Böhmische Dörfer für sie.
"Ich kann dir ansehen, dass du nichts verstanden hast heute", eröffnete Hermine das Gespräch ohne Umwege. Wieder musste Pansy ihre Fäuste fest in ihren Schoß pressen, um nicht vor lauter Wut über die Überheblichkeit gewalttätig zu werden. Mit zusammen gebissenen Zähnen nickte sie, woraufhin Hermine fortfuhr: "Das ist nicht schlimm. Du kannst nicht erwarten, innerhalb von wenigen Tagen den Stoff aus zwei Jahren nachzuarbeiten und zu verstehen. Du musst Geduld haben."
Sah sie aus wie ein kleines Kind? Wieso sprach dieses Mädchen in einem Tonfall mit ihr, als habe sie es mit einer Fünfjährigen zu tun? Erneut holte Pansy tief Luft und nickte nur knapp: „Was schlägst du also vor? Wie soll ich die Hausaufgaben machen, wenn ich nichts verstehe?"
„Ich erkläre dir, was wir gemacht haben, ganz einfach. Außerdem habe ich hier drei Bücher, die Antworten auf die Frage geben. Wenn du die entsprechenden Kapitel liest und in eigenen Worten wieder gibst, sollte das ausreichen."
Pansy stöhnte innerlich. Noch mehr lesen, dabei hatte all das, was sie zuvor gelesen hatte, gar nichts gebracht. Gab es denn wirklich keine andere Möglichkeit außer Bücher lesen, um zu lernen? Frustriert widmete sie ihre Aufmerksamkeit Hermines Ausführungen über den Unterricht. Sie würde es zumindest diese Woche probieren, nach den Methoden dieser Streberin zu lernen. Sollte sie wenigstens ein A für diesen Aufsatz bekommen, würde sie weiter machen.
Die Zeit schlich nur so dahin, und gerade, als Pansy endgültig keine Lust mehr hatte, sagte Hermine: „Die Stunde ist um. Schreib deinen Aufsatz alleine zu Ende und bring ihn Donnerstag mit, ich korrigiere ihn dann schnell für dich."
Wortlos nickte Pansy, während sie die drei Bücher, die Hermine für sie zusammen gesucht hatte, einpackte. Als sie sich gerade zum Gehen umdrehte, fügte diese noch hinzu: „Vergiss die anderen Lese-Aufgaben nicht!"
Genervt marschierte sie davon, ohne Hermine noch eines Blickes zu würdigen. Am Ausgang der Bibliothek traf sie auf Theodore, der offensichtlich gerade auf dem Weg zu seiner Stunde mit Hermine war.
„Du siehst mörderisch aus. Alles in Ordnung?", begrüßte er sie besorgt. Die ganze Wut, die sich in ihr angestaut hatte, brach bei diesen Worten plötzlich los: „Nein! Gar nichts ist in Ordnung! Wie konntest du nur auf die Idee kommen, Granger zu fragen? Sie ist noch schlimmer als ich dachte! Wie sie mit mir redet! Als wäre ich unterbelichtet! Wie mit einem kleinen Kind! Ich mach das nicht mehr lange mit!"
Ohne, dass Pansy sagen konnte, wo es plötzlich her kam, brach sie in Tränen aus: „Ich bin nicht so dumm! Sie hat kein Recht, so auf mich herab zu schauen! Sie nimmt mich gar nicht ernst!"
Tröstend nahm er seine Freundin in den Arm. Er war enttäuscht von Hermine, dass sie die Situation ausnutzen würde, um Pansy zu demütigen. Er würde ein ernstes Wort mit ihr reden, denn dass Pansy noch mehr Tränen auf der Jagd nach Draco vergoss, würde er nicht zulassen. Liebevoll tätschelte er ihren Kopf, schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich rede mit ihr!"
Kurz schaute er seiner besten Freundin noch nach, dann begab er sich mit einem finsteren Ausdruck auf dem Gesicht zu dem Tisch in der hintersten Ecke der Bibliothek, an dem bereits Hermine Granger auf ihn wartete. Er schätzte die brünette Gryffindor wirklich sehr für ihren scharfen Verstand und oft genug hatte er mitbekommen, wie ihre beiden Freunde von ihrer selbstlosen Art profitierten. Es wunderte ihn, warum sie gegenüber Pansy plötzlich so arrogant reagiert.
"Läuft ja nicht so gut mit Pansy, was?", begrüßte er sie direkt. Der überraschte Blick, den er dafür erntete, verwirrte ihn.
"Wieso? Ich habe den Eindruck, dass wir gut vorankommen."
"Interessant", gab Theodore zurück, "Pansy wirkt auf mich eher so, als wolle sie dich jeden Moment ermorden."
"Bitte?", gab Hermine indigniert zurück, "Wie kommst du auf die Idee? Sie arbeitet fleißig und gehorsam mit, ist angenehm ruhig und aufmerksam, wenn man mal von ihren Jammerausbrüchen absieht. Warum sollte sie schlecht drauf sein?"
"Sie fühlt sich von dir schlecht behandelt", erwiderte Theo, "sie sagt zwar nichts, weil sie höflich genug ist zu wissen, dass sie deine Hilfe braucht und es ihr deswegen nicht zusteht, sofort loszumeckern, aber innerlich kocht sie. Kann es sein, dass du auf sie herab schaust?"
Gekränkt richtete Hermine sich in ihrem Stuhl auf und entgegnete kalt: "Natürlich tue ich das nicht. Ich gebe mir größte Mühe, ihren Wissensstand so schnell wie möglich auf ein ausreichendes Niveau zu bringen. Dazu muss sie eben viel lernen und sich anstrengen, wenn ihr das jetzt schon zu viel wird, weiß ich auch nicht."
"Du verstehst nicht", seufzte Theodore, "es geht nicht um das Was, sondern um das Wie. Du gibst ihr das Gefühl, dass du dich für was Besseres hältst und sie für dumm. Das mag Pansy nicht."
"Oh", machte Hermine überrascht. Ähnliches hatte sie schon oft genug von anderen, insbesondere von Ron gehört. Sie verstand nicht, wieso andere Menschen immer dachten, sie sei arrogant, obwohl sie sich nur bemühte, ihr Wissen mit ihnen zu teilen und ihnen klar zu machen, dass Lesen wirklich nicht schadete. Sie wusste ebenso, dass viele sie hinter ihrem Rücken eine Besserwisserin nannten, aber auch dagegen konnte sie wenig tun - schließlich wusste sie es ja wirklich meistens besser als der Rest. Sollte sie schweigen, damit ihre Mitschüler dumm starben?
"Ich kann mir ungefähr denken, was dir gerade durch den Kopf geht", meinte Theodore amüsiert. Offensichtlich war sich Hermine Granger nicht bewusst, wie ihr belehrender Tonfall auf Mitschüler, die deutlich mehr Probleme mit der Schule hatten als sie, wirkte. Dass gerade er es war, der sie darauf stoßen musste, war beinahe komisch - wofür hatte sie schließlich ihre Freunde?
"Fass das jetzt bitte nicht negativ auf, okay?", begann er schließlich, "Ich meine es nur gut. Du bist ziemlich belesen und steckst viel Arbeit in die Schule. Und du hast eine sehr gute Auffassungsgabe, weswegen dir Vieles leichter fällt. Beides kannst du von anderen nicht erwarten. Du hast manchmal einen Tonfall, der den Eindruck erweckt, es sei unnormal, nicht all das, was du weißt, auch zu wissen. Gerade Mitschüler, die nicht so gut sind wie du und nicht so viel wissen, kriegen da schnell den Eindruck, dass du angeben willst und sie für total dumm hältst. Das kommt nicht gut an. Genauso bei Pansy. Sie weiß, dass sie dir in der Schule unterlegen ist, aber es gefällt ihr nicht, dass du den Eindruck vermittelst, ihr das unter die Nase reiben zu wollen."
"Aber ich will doch nur helfen", flüsterte Hermine betrübt.
"Ich weiß ja. Aber die meisten anderen eben nicht. Die denken, du bist arrogant und hältst dich für was Besseres. Wenn du das nächste Mal mit Pansy redest", schlug Theodore schließlich vor, "versuch einfach, daran zu denken, dass sie wirklich lernen will. Dass sie inzwischen bedauert, vorher nicht gelernt zu haben, und es nun ernst meint. Hör auf ihr zu zeigen, wie schlimm du es findest, dass sie bisher kein einziges Schulbuch gelesen hat, und konzentriere dich lieber darauf, dass sie sich nun geändert hat."
Lange blickte Hermine auf ihre im Schoß verkreuzten Hände, ehe sie schließlich mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen aufschaute und erwiderte: "Tut mir leid. Ich wollte sie nicht kränken ... manchmal überkommt es mich einfach ... ich kann einfach nicht verstehen, wie man nicht lernen wollen kann. Aber du hast Recht, sie bereut es vermutlich wirklich und ich sollte alles vorher ignorieren und mich auf ihren Eifer jetzt konzentrieren."
"Entschuldige dich nicht bei mir, sondern bei ihr, wenn du sie das nächste Mal siehst, okay?"
"Okay."
Wieder breitete sich Schweigen aus, bis Hermine irgendwann anfing, heimtückisch zu grinsen: "Kann es sein, dass du Pansy ziemlich gern hast?"
Überrascht riss Theodore die Augen auf - der plötzliche Themenwechsel erwischte ihn unerwartet, doch er weigerte sich, rot anzulaufen, und erwiderte nur schlicht: "Natürlich, sie ist meine beste Freundin."
"Soso", kam es von Hermine, doch sie drang nicht weiter in ihn, sondern schob ein Buch in die Mitte des Tisches und sagte: "Wollen wir dann anfangen? Die gute Babbling hat mir letzten Donnerstag nach der Stunde verraten, was wir nächstes Mal machen wollen. Ich habe in "Runenübersetzung für Fortgeschrittene" ein paar weitergehende Ausführungen gefunden zu dem, was in "Alte Runen leicht gemacht" zu dem Thema steht... wollen wir das vorbereiten, oder willst du über die Hausaufgaben sprechen?"
"Ah, wir gehen direkt in medias res, was?", meinte Theodore lachend, doch er hatte nichts gegen ihren Vorschlag einzuwenden, "Ich bin mit den Hausaufgaben schon fertig, also zeig mir ruhig, was unsere liebe Frau Professor sich diese Woche für uns ausgedacht hat."
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