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Fanfiction

Unsere Heldenleben - Ein Blick ins Feuer

von Viola Lily

Desi hat tausend Fragen und Jördis legt sich mit der falschen Hexe an



Der Flug in den Harz dauerte knapp 2 Stunden. Es war stockdunkel, als die kleine Gruppe eine Barriere durchflog, die das Spektakel der Hexen vor den Augen der Muggel schützen sollte. Vor ihnen lag der Blocksberg, gut erkennbar durch unzählige Fackeln, die rundherum aufgestellt waren. Frau Mondschatten ging in den Sinkflug und sie umkreisten einen kleinen, von kahlen Felsen umrahmten Platz. Überall standen Fackeln mit grünen, roten und gelben Feuern, hunderte Katzen und Kater wuselten umher. Hexen aller Altersstufen jubelten und winkten ihnen zu, als sie in den Landeflug gingen. Jördi's Füße setzten mitten auf dem erdigen Platz ab und mit vor Aufregung gerötetem Gesicht sah sie sich um.
„Sarastro, wach auf!“, sagte sie und stupste ihren Kater an, der immer noch in ihrer Kapuze lag. „Wir sind da.“
Der Kater maunzte protestierend, als Jördi ihn am Nacken packte und aus der Kapuze hob. Neben ihr landete Desi, die mit Harlekin ein weitaus ordentlicheres Bild bot. Ihre Augen leuchteten und sogen alles auf, was sie erblickte. Plötzlich hob sie den Arm und winkte einer Hexe in der Menge zu. Als Jördi ihrem Blick folgte, sah sie Desis Mutter, die nicht weit von ihnen stand und lächelnd zurück winkte.
Eine alte Hexe betrat den Platz. Mit ihrer Erscheinung wurde es mucksmäuschenstill. Sogar die Katzen verstummten und liefen eilig zu ihren Besitzerinnen.
Die Frau trug ebenfalls einen schwarzen Umhang aus gewöhnlicher Baumwolle und einen Spitzhut mit breiter Krempe und einem weißen Band, dessen Enden über ihren Rücken fielen. Ein weiteres war um ihren Hals gebunden - wie alle anderen Hexen auch. Auf ihrer Hakennase saß eine ovale, rahmenlose Brille und ihre verschieden farbigen Augen huschten über die Gesichter der jungen Hexen. Ihr silbernes Haar war lang und zerzaust und ihre Hände faltig und knochig.
„Willkommen“, rief sie und Jördi zuckte zusammen. So eine glasklare und mütterliche Stimme hatte sie jetzt nicht erwartet.
„Willkommen liebe Schwestern. Ein Jahr ist seit unserer letzten Zusammenkunft vergangen und ich freue mich, so viele bekannte und freundliche Gesichter wieder zu sehen. Leider lassen sich die Gesetze des Lebens nicht ändern und wir mussten im vergangenen wieder von Freundinnen Abschied nehmen. Bevor wir also zu den eigentlichen Feierlichkeiten kommen, wollen wir gemeinsam der Hexen gedenken, die seit der letzten Walpurgisnacht von uns gegangen sind.“
Die alte Hexe faltete ihre Hände und schaute andächtig hinauf zum Himmel. Weil die älteren Hexen es nachmachten, schaute Jördi ebenfalls hinauf in die Sternenklare Nacht. Sie wusste nicht, ob die verstorbenen Hexen wirklich da oben waren, aber dass alle hinauf guckten und an sie dachten, vermittelte ihr ein Gefühl von tiefster Verbundenheit. Sie spürte wie sich ein leichter Hauch von Trauer über sie legte. Die Stille war erdrückend, nur das Rauschen des Windes, der durch die Bäume fegte, drang an ihre Ohren. Es klang wie eine Antwort der Verstorbenen.
Die Stimme der alten Hexe riss sie aus ihrer Trance.
„Solange wir ihrer gedenken, werden sie niemals ganz verschwinden. Der Tod gehört zum Leben wie das Leben zum Tod. Doch wir wollen nicht nur der Toten gedenken und in Trauer versinken. Diese Nacht hat eine große Bedeutung für uns und wie unsere Vorfahren werden wir die Traditionen der Walpurgishexen fortführen.“
Mit diesen Worten ließ sie ihren Blick abermals über die Hexenschülerinnen schweifen. Jördi presste ihre Lippen aufeinander, als sie der alten Hexe in die Augen sah.
„Herzlich Willkommen, liebe Jung-Hexen“, sagte sie und richtete sich direkt an die 16 Schülerinnen. „Mein Name ist Thusnelda Feuertanz und heute Nacht werde ich euch durch das Lebensfeuer-Ritual begleiten. Jedes Jahr nehmen wir die jungen Frauen, die bis zur nächsten Walpurgisnacht ihre Volljährigkeit erreichen, in unsere Gemeinschaft auf. Mit diesem Ritual ebnen wir euren Weg in die Zukunft. Es wird eine Zeit auf euch zukommen, in der ihr lernen müsst, eure Kindheit hinter euch zu lassen und Verantwortung als junge Erwachsene zu übernehmen.“
Mittlerweile kam Jördi dieses ganze feierliche Geschwafel ein bisschen albern vor. In der Hoffnung, dass vielleicht noch jemand so empfand wie sie, sah sie sich nach Gleichgesinnten um. Leider hörten Desi und Silva aufmerksam der alten Hexe zu. Kein Wunder, sie kamen aus Zaubererfamilien. Doch sogar Mürvet, deren undankbare Eltern ebenfalls Muggel waren, hing gebannt an Thusnelda Feuertanz`s Lippen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten. Die gute Frau konnte ja nicht ewig so weiter plaudern.
Die alte Hexe schien Jördis' Gedanken gelesen zu haben und beendete ihre Rede. Leider guckte sie ausgerechnet Jördi aufmerksam an und runzelte tadelnd die Stirn. Und dann machte sie etwas, was Jördi noch nie zuvor gesehen hatte. Sie zauberte ohne Zauberstab.
Zu ihrer linken und rechten entfachte Thusnelda zwei weitere Feuer und beschwor einen Kreis aus kleinen Flammen herauf, der sich im weiten Bogen um die Schülerinnen legte. Jördi war von dem Feuer so fasziniert, dass sie gar nicht bemerkte, wie zwei Hexen einen kleinen, runden Steintisch vor Thusnelda stellten. Erst als eine dritte Hexe eine runde, silberne Schale in die Mitte des Tisches stellte, guckte sie wieder nach vorn. Ihr fiel sofort die verblüffende Ähnlichkeit der Hexe mit Annette auf.
Sie lehnte sich rüber zu Desi, die ihre Augen auf den Tisch gerichtet hielt.
„Ist das Annettes Mutter?“, fragte sie leise.
„Ja“, zischte sie. „Und jetzt sei still.“
„Ist ja gut, ist ja gut“, murmelte Jördi.
Sie konnte es zwar nicht sehen, aber Annette platze garantiert vor Stolz, weil ihre Mutter eine wichtige Rolle bei diesem Ritual spielte. Toll, die trägt eine silberne Platte auf 'nen alten Tisch, dachte Jördi gelangweilt und verschränkte unbeeindruckt die Hände auf dem Rücken. Allein die Tatsache, dass Annettes halbe Familie hier mitspielte, machte diese Tradition für Jördi noch unattraktiver.
Aber die Flammen von Thusnelda waren toll. Vor allem, weil sie jetzt noch eine besonders intensiv flackernde Flamme in die Mitte der silbernen Schale zauberte. Wie sie das wohl machte? So völlig ohne Zauberstab? Das musste sie unbedingt recherchieren.
Die drei Hexen verschwanden wieder und Thusnelda ließ die Arme sinken. Es war still, nur das Flackern des Feuers rauschte in Jördis' Ohren. Die Wärme, die sie ausstrahlten, machten sie müd. Hoffentlich fing dieses Ritual bald an, sonst würde sie noch im Stehen einschlafen.
„Die Zeit ist gekommen, meine Lieben“, rief sie feierlich. „Ihr werdet jetzt alphabetisch aufgerufen. Ihr nehmt euch eine dieser Flammen, kommt zu mir und gebt sie in diese Schale. Was danach passiert, muss vorerst euer Geheimnis bleiben, denn ihr werdet Dinge sehen, die ihr vielleicht noch nicht versteht. Ihr werdet auch Dinge sehen, denen ihr euch bewusst seid. Doch was es auch sein wird: prägt es euch gut ein. Behaltet es in Erinnerung. Wenn ihr an einem Punkt in eurem Leben angelangt seid, an dem ihr eine wichtige Entscheidung für eure Zukunft wählen müsst, dann denkt immer an das, was ihr jetzt sehen werdet. Das ist das Geschenk unserer Urahnen an die nachkommenden Generationen, also geht sorgfältig damit um.“
Sie ließ die Worte eine kurze Zeit in der Luft stehen. Dann trat Annettes Mutter vor, entrollte eine Rolle Pergament und räusperte sich.
„Antholz, Veronika.“
Unsicher und mit großen, glotzenden Augen trat Veronika nach vorne, gefolgt von ihrer dunkelgrauen Katze. Misstrauisch beäugte das Mädchen die schwebende Flamme, die ihr am nächsten war - und jetzt fiel Jördi auch auf, dass es exakt 16 Flammen waren, die im Kreis um sie herum schwebten. Für jedes Mädchen eine.
„Nur zu“, sagte Annettes Mutter ruhig.
Ermutigt hob Veronika die Hände und schob die Flamme hinüber zu Thusnelda. Aller Augen waren auf sie gerichtet, als die kleine Flamme mit dem großen Feuer über der Schale verschmolz und aufloderte. Jördi streckte den Hals, um vielleicht einen Blick auf das zu erhaschen, was Veronika jetzt wohl in den Flammen sehen mochte. Doch das Feuer blieb unverändert.
Keine Minute war vergangen, als Veronika einen Schritt zurück trat. Jördi konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch Thusnelda nickte lächelnd. Dann holte sie ihren Zauberstab hervor und tauchte das grüne Band, welches Veronika immer noch um den Hals trug, in helles Licht. Als sie sich mit einem seltsamen Lächeln umdrehte und Jördi das strahlend weiße Band sah, das Veronika jetzt trug, keimte in ihr doch so etwas wie Respekt auf.
„Herzlich Willkommen in unserem Kreis, Veronika Antholz.“
Die anderen Hexen fingen an zu klatschen und wie ein Feuerwerk stoben Funken aus mehreren Zauberstäben. Veronika ging auch nicht zurück zu ihren Mitschülerinnen, sondern zu den anderen älteren Hexen, die sie in Empfang nahmen. Dann verstummte der Jubel und alle warteten gespannt auf das nächste Mädchen.
„Autenrieb, Desirée Elisabeth.“

Desis Knie zitterten, als sie nach vorne trat. So aufgeregt war sie das letzte mal gewesen, als sie in Hogwarts den sprechenden Hut aufgesetzt hatte. Doch sie war auch neugierig. Wie oft hatte ihre Mutter schon von dieser Walpurgisnacht geschwärmt. Und jetzt war es endlich soweit. Da konnte sie es der Hexe mit der Namensliste nicht mal übel nehmen, dass sie sogar mit Zweitnamen aufgerufen worden war.
„Komm, Harlekin.“
Sie war froh darüber, dass Harlekin bei ihr war. Voller Erwartungen ging sie zur nächsten Flamme und hielt ihre Hände darunter. Das Feuer war angenehm warm und blieb ein paar Zentimeter über ihrer Haut in der Luft schweben. Während sie nach vorne ging, wurde ihr flau in der Magengegend. Was, wenn ihre Zukunft alles andere als rosig aussah? Was, wenn sie nur schreckliche Bilder sehen würde, die in ein frühes Grab führten? Was, wenn sie bedeuteten, dass sie durch alle Prüfungen rasselte? Was, wenn sie sich als obdachlose Hexe in den dunkelsten Gassen einer Großstadt sah?
Thusnelda schien ihre Furcht zu spüren und lächelte freundlich.
„Das Negative gehört zur Zukunft wie das Positive“, sagte sie. „Aber keine Angst. Soweit ich weiß, hat noch nie jemand nur schlechtes gesehen.“
Desi war nicht im Stande, etwas zusagen. Sie atmete tief ein. Egal, was sie jetzt sehen würde, sie würde sich jeder Herausforderung stellen, die das Leben ihr auftrug. So hatte sie es schon immer gemacht.
Die schob ihre Hände nach vorne. Wie in Zeitlupe verschmolz ihre kleine Flamme mit der großen. Und dann war es so, als würden sie Formen annehmen. Formen, die bis ins kleinste Detail Menschen ähnelten, die ihr Nahe standen. In der Flamme erkannte sie sich selbst, wie ihr Abschlusszertifikat in der Hand hielt. Dann stand sie vor einem Pult und hielt mit entschlossener Mine eine mitreißende Rede. Dann nahmen die Flammen die Gestalt von Pac an, und von Leuten, die sie in Hogwarts kennen gelernt hatte: Lauren Broderick, Mabel Trenor, Dustin Green, James Potter. Sie standen zusammen in einem Kreis, sahen erschöpft aus und machten ernste Gesichter. Und sie sah Jördis, die neben ihr auf einem Besen flog, einen seltsamen Quidditchumhang trug und den Quaffel warf. Und das letzte Bild, das die Flammen ihr offenbarten, war ein Mann, der ihr den Rücken zuwandte und die Hand eines kleinen Kindes hielt.
Danach sah sie nichts mehr. Das Feuer loderte vor ihren Augen seelenruhig weiter, während Desi tausend Fragen durch den Kopf schossen. Sie bekam nicht mal richtig mit, die Thusnelda ihr Band um den Hals strahlend weiß färbte. Erst ihre Worte holten sie endgültig zurück in die Realität.
„Herzlich Willkommen in unserem Kreis, Desirée Elisabeth Autenrieb.“
Desi lächelte verwirrt und drehte sich zu den klatschenden Hexen um. Sie entdeckte ihre Mutter, die am lautesten von allen klatschte und ihr etwas zurief. Desis Lächeln wurde sicherer und guter Dinge ging sie zu Veronika.
„Ist das nicht alles ganz aufregend?“, empfing sie Desi. „Ich kann es kaum erwarten, den anderen davon zu erzählen.“
Desi guckte Veronika gleichgültig an und schüttelte den Kopf. Auch wenn sie durch dieses Ritual dem Erwachsen-Sein etwas näher gekommen waren - bei Veronika, die jetzt schon nicht die hellste war, würde das wohl nichts ändern. Abermals atmete Desi tief ein und versuchte, das, was sie erfahren hatte - und Veronikas Dämlichkeit - zu vergessen. Sie hatte es überstanden. Jetzt musste sie nur noch abwarten und ihren Freundinnen die Daumen drücken.
„Bauer, Anna-Sophie.“
Desi lächelte verstohlen. Anna wusste jetzt schon, dass sie später in der Quidditchbranche arbeiten wollte - als Spielerin oder in der Magischen Gewerkschaft, und bei ihrem Talent sahen diese Aussichten gut aus. Während das große Mädchen mit den dunkelblonden Haaren nach der nächstbesten Flamme griff, musste Desi unwillkürlich an das Bild von vorhin denken, bei dem Jördi neben ihr her flog. Hatte das vielleicht etwas mit Quidditch zu tun? Denkbar, denn Jördi spielte für ihr Leben gern Quidditch und war, wie Anna, sehr begabt. Doch Desi wollte nie mehr als ein Hobby aus diesem Sport machen - beruflich war er ihr einfach zu gefährlich. Aber dieser Umhang, den Jördi getragen hatte - das war nicht der Umhang der Schule.
Um sie herum applaudierten die Hexen wieder und sie sah Anna mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zu ihr laufen. Na, ihre Zukunft musste viele gute Dinge für sie bereit halten.
„Feuertanz, Annette.“
Desi hätte schwören können, dass sie ein leises Schnauben aus Jördis' Richtung gehört hatte. Die Hexe, die die Namen vorlas, richtete sich plötzlich voller Stolz auf und lächelte Annette mütterlich zu. Wenn Annette auch so ein Lächeln hatte wie ihre Mutter, würde Desi sie vielleicht auch ein bisschen sympathischer finden - aber sie lächelte ja kaum. Meistens, wenn Desi die Klassensprecherin sah oder traf, zankte sie mit Jördis.
Apropos Jördis. Desi wusste, dass ihre beste Freundin zu Dummheiten neigte, wenn ihr langweilig war. Was trieb sie jetzt eigentlich?

Jördis langweilte sich zu Tode. Sie konnte noch nicht mal bei der alljährlichen Willkommensrede der Schuldirektorin still sitzen und jetzt stand sie, mitten in der Nacht, umringt von kleinen Feuerchen auf einem uralten Berg und musste wieder einmal warten, bis ihr Name aufgerufen wurde. Sie hasste so etwas, doch leider konnte sie sich diesmal nicht verstecken. Die Hexen würden jede Bewegung mitkriegen, die sie tat und auch wenn sie nicht viel von diesem Ritual hielt: sie wollte sich vor den vielen alten und klugen Hexen nicht unbeliebt machen.
Nach Annette würden ja nur noch Silva und Merle dran sein, dann käme sie auch schon an die Reihe. Was Annette da vorne trieb, war ihr herzlich egal und sie war froh, als sich die Klassenzicke zu Desi und Veronika gesellte. Als Silva Funke dran war, drückte sie beide Daumen. Und dann kam auch schon Merle.
„Habicht, Merle.“
Merle, ein pummeliges, aber liebes und kreatives Mädchen, ging nach vorn. Jördis schloss kurz die Augen und konzentrierte sich. Egal was sie gleich sehen würde - sie würde sich von einem Feuer nicht ins Boxhorn jagen lassen.
„Hardemarsch, Jördis Lorena.“
Sie fluchte innerlich. Dieser bescheuerte zweite Name. Sie gab Sarastro einen liebevollen Schubs mit dem Fuß und ging auf die nächstbeste Flamme zu. Ob sie wohl auch so etwas konnte wie diese alte Hexe? Einfach so Flammen aus dem Nichts erscheinen lassen? Neugierig hob sie die Hände und schob ihre Hände unter das Feuerchen. Augenblicklich loderte es hell auf und sengte fast ihre Augenbrauen an. Ok, vielleicht sollte sie es heute noch nicht versuchen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie zu Thusnelda ging. Die alte Hexe schenkte ihr einen aufmerksamen Blick - als wüsste sie genau, mit was für einem temperamentvollen und unberechenbaren Charakter Jördis ausgestattet war.
„Deine Neugierde steht dir ins Gesicht geschrieben, Jördis Hardemarsch.“
„Was werde ich sehen?“, fragte Jördi flüsternd.
Thusnelda lächelte geheimnisvoll: „Alles, was noch geschehen kann.“
„Kann? Wie viel wird davon stimmen?“
„Auch das kannst nur du herausfinden. Das wichtigste ist das Gefühl, mit dem du zu deinen Freundinnen zurückkehren wirst. Ein Gefühl, dass dich durch dein restliches Leben begleiten wird. Wie ein Faden, der dich zu deiner Bestimmung führt.“
Jördi runzelte die Stirn. Offenbar konnte diese Frau nur in Rätseln sprechen. Damit die anderen Mädchen nicht noch länger warten mussten, schob sie unmittelbar die kleine Flamme in das große Feuer und wartete ab.
Zuerst sah sie nur ihr Spiegelbild. Doch bald verschwand es, das Feuer wirbelte auf und Schatten formten sich in den Flammen. Sie sah die Silhouette einer jungen Frau, die elegant mit den Armen wedelte. Gleichzeitig erklang Musik in ihren Ohren und verträumt beobachtete Jördi, wie sich die Schatten verformten und das Abbild eines Mädchens zeigten, das ihr sehr ähnlich sah. Nicht wörtlich, doch sie fühlte sich mit diesem Abbild sehr verbunden. Noch ehe sie sich fragen konnte, wer dieses Mädchen war, wechselten die Flammen wieder ihre Form. Diesmal sah sie einen Menschen, einen großen Mann, der etwas Schwarzes in seinen Händen hielt und teuflisch lachte. Dann sah sie weitere Menschen, die in heller Aufregung durcheinander liefen. Offenbar tobte ein Kampf. Und dann wechselte ihr Blickwinkel. Plötzlich sah sie hinauf in ein vertrautes Gesicht. Es war Lorenz, der sich über sie beugte und ihre Hand hielt. Irgendwo hörte sie jemanden schreien, etwas explodierte, Lorenz ließ los und dann verlor sie plötzlich den Boden unter den Füßen und fiel in die Tiefe.
Nein, sie fiel nicht in die Tiefe. Sie fiel eine Treppenstufe zurück und landete vor versammelter Mannschaft auf dem Hosenboden.
Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen der Hexen. Sie rappelte sich so schnell wie möglich auf.
„Nichts passiert“, rief sie und versuchte, zu lachen.
Das tat sie immer, wenn ihr eigentlich etwas peinlich war. Doch diesmal dachte sie gar nicht daran, dass sie von allen angestarrt wurde - viel zu tief lag der Schrecken in ihrem Körper. Was waren das für Bilder gewesen? Warum war sie gefallen? Wer war dieses Mädchen? War das alles ihre Zukunft?
Thusnelda musterte sie besorgt.
„Ist alles in Ordnung, Liebes?“
„Ja, ich... .“
Jördi wusste keine Erklärung für ihren Sturz. Es war doch kein anderes Mädchen vor ihr hingefallen. Warum ausgerechnet sie? Verwirrt beobachtete sie, wie Thusnelda das Band um iher Hüfte in ein strahlendes weiß verwandelte.
„Du hast dich nur etwas erschreckt“, ergänzte Thusnelda ihren Satz und nahm Jördis' Hand in ihre. „Du bist damit nicht die einzige. So manche Hexe hat in dieser Nacht verstörende Dinge gesehen, die sie erschreckt haben. Denk daran, dass nicht alles, was du gesehen hast, auch so eintreffen muss. Es sind lediglich Bilder - Hinweise - zu denen du die Geschichte erst noch kennen lernen wirst.“
Jördi nickte langsam. Sie hoffte, dass Thusnelda Recht hatte. Sie hatte nämlich keine Lust darauf, in den Tod zu stürzen, nur weil ihr bester Freund einen schwachen Griff hatte. Unter dem Beifall der anderen Hexen ging sie zu ihren Freundinnen.
„Wow, das muss ja eine umwerfende Zukunft sein, die du da hast, Hardemarsch“, stichelte Annette, als Jördi an ihr vorbei auf Desi und Silva zu steuerte.
Jördi war von den Eindrücken immer noch völlig in Gedanken versunken, doch sie besaß einen Sinn für Annettes Gemeinheiten und sie hob drohend die Faust.
„Hast du in deinem Feuer nicht gesehen, dass ich dir gleich eine verpasse oder warum grinst du so dämlich?“
„Pssst“, zischte jemand und Jördi schloss schnell zu ihren Freundinnen auf, damit ihr nicht noch ein Kommentar über die Lippen rutschte.
„Küçükandonyadis, Mürvet.“
Die Türkin mit dem unaussprechlichen Nachnamen richtete ihren Hut und ging, begleitet von ihrem Kater Aztek, mit einer Flamme nach vorn. Jördi nahm eine bequeme Haltung ein. Jetzt kam nur noch der Rest der Liste. Danach war immer noch genug Zeit, Annette eins auszuwischen. Das war etwas, wofür sie keine Zukunftsfeuer brauchte: sie wusste, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem sie Annette eins auswischen würde.
Josefa Ungewitter war das letzte Mädchen, das auf der Liste von Frau Feuertanz stand. Jetzt, wo das Ritual vorbei war, wurden die meisten Mädchen von ihren Müttern oder älteren Geschwistern begrüßt und überall hörte man Glückwünsche und fröhliches Geplauder. In diesem Getümmel erfuhr Jördis von Silva, dass Thusnelda ebenfalls zum Verwandtenkreis der Klassensprecherin gehörte.
„Was?“, entfuhr es ihr schockiert. „Diese Thusnelda ist Annettes Oma?“
Silva nickte: „Die Feuertanzs' sind eine sehr alte Magierfamilie. Meine und Annettes Mutter waren damals zusammen in einer Klasse. Seit vielen Generationen wird das Amt der obersten Weiß-Hexe an die Jüngeren aus dieser Familie weiter gegeben.“
„Aha“, entgegnete Jördis spitz, „Und warum ausgerechnet Annettes Familie?“
„Weil sie eine besondere Fähigkeit besitzen, mit der sie dieses Ritual auf die Weise abhalten können, wie du es soeben erlebt hast. Du erinnerst dich an die Flammen, die Thusnelda herauf beschworen hat?“
Jördi nickte: „Und was ist das für eine besondere Fähigkeit?“
„Das...“, begann sie und senkte die Stimme. „...das nennt man Elementimagie. In der Linie der Feuertanzes hat es immer jemanden gegeben, der unter dem Zeichen des Feuers geboren wurde und somit eine natürliche Begabung für dieses Element besitzt. Aber weil das sehr selten ist, spricht man nicht offen darüber, ich mache dir also keinen Vorwurf, dass du es noch nicht wusstest. Diese Sorte von Magie lernen wir auch erst nächstes Jahr kennen.“
„Heißt das etwa, dass Annette auch so etwas kann?“, platze es empört aus Jördi heraus. „Oh bitte nicht! Was glaubst du, wie sehr die sich daran aufgeilen und sich für etwas Besseres halten würde?“
Die beiden Freundinnen standen nahe bei Silvas Mutter. Frau Funke war gerade in ein Gespräch mit einer anderen Hexe verwickelt, deren dunkelblondes Haar zu einem strengen Dutt frisiert und unter dem Hut versteckt worden war. Sie trug, wie alle, einen schwarzen Kittel, doch ihre Haltung und Ausstrahlung machte jedem ihren höher gestellten Rang und Status deutlich. Und nach Jördi's empörten Ausbruch widmeten die beiden Frauen ihre Aufmerksamkeit jetzt den beiden jungen Hexen.
Silva fühlte sich augenblicklich nicht mehr wohl in ihrer Haut und guckte ihre Freundin genervt an. Jördi, die sich nach Annette umsah, bekam nicht mit, wie sich die Hexe mit dem blonden Dutt vernehmlich räusperte. Erst beim dritten Anlauf widmete Jördi ihre Aufmerksamkeit der Frau.
„Ja bitte?“, entgegnete sie forsch.
Jördi war von den Neuigkeiten über Annette so aufgebracht, dass sie sich im Ton vergriff. Rasch biss sie sich auf die Lippen - so barsch hatte sie gar nicht klingen wollen, doch gesagt war gesagt und das spöttische Gesicht, mit dem die Hexe Jördi nun musterte, trug nicht gerade zu einer freundlichen Basis bei, auf die sich das folgende Gespräch betten konnte.
„Ich war unfreiwilliger Zuhörer eures kleinen Gesprächs“, sagte sie mit kühler Stimme. „Ich will mich ja nicht einmischen, aber sie, kleines Fräulein, sollten nicht zu vorschnell über etwas urteilen, von dem sie keine Ahnung haben.“
Jördi runzelte die Stirn. Versuchte diese Hexe etwa gerade, sie zu Recht zu weisen?
„Hört sich klug an, aber sie sind leider nicht meine Mutter.“
Silva klappte der Mund auf und Frau Funke bekam große Augen. Die andere Hexe steckte Jördi's unhöfliche Bemerkung mit einem leichten Lächeln weg, doch ein eiskalter, missbilligender Glanz lag jetzt in ihren Augen, mit denen sie Jördi's musterte.
„In der Tat, das bin ich nicht“, sagte sie herablassend. „Zum Glück, denn sonst müsste ich mir eingestehen, in deiner Erziehung komplett versagt zu haben, Jördis Hardemarsch. Sonst wüsstest du, dass man älteren Leuten mehr Respekt entgegen bringt. Vor allem, wenn man sie nicht kennt.“
„Ich bringe nur das gleiche Maß an Respekt auf, welches mir entgegen gebracht wird, gute Frau“, raunte Jörd. „Ich bin vielleicht noch keine Erwachsene, aber ein Mensch wie alle hier.“
„Ich bin kein Mensch, Schätzchen“, sagte die Hexe langsam und kniff die Augen zusammen. „Sondern eine Hexe.“
Dann rauschte sie davon. Frau Funke murmelte irgendwas von Erklärungen und lief wenige Augenblicke der Hexe nach. Silva blieb bei Jördi und starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
„Für wen hält die sich denn?“, fragte Jördi und ließ die blonde Hexe dabei nicht aus den Augen. „Als wäre sie 'ne First Lady oder so was.“
„Nicht das, aber so ähnlich“, meinte Silva und klang ziemlich verzweifelt. „Oh, Desi. Gut das du kommst.“
Mit neugieriger Mine guckte Desi ihre beiden Freundinnen an. Mürvet war bei ihr.
„Wieso, was ist passiert?“, fragte sie unsicher.
„Jördi ist passiert“, stöhnte Silva und schüttelte den Kopf. „Rate mal, mit wem sie sich gerade angelegt hat.“
Desi warf Jördi einen kurzen Blick.
„Mit Annettes Mutter, oder?“
„Nein. Fast. Wobei das bestimmt nur halb so schlimm gewesen wäre... .“
„Hallo!“, mischte sich Jördi ein. „Tut mir Leid, wenn ihr eure altehrwürdigen Hexenfamilien-Gespräche unterbrechen muss, aber ich bin auch noch da. Sag doch einfach, wer dieses Weib war und gut ist.“
„Dieses Weib war unsere Oberste Schulrätin und Außenpolitische Zauberministerin in der Gewerkschaft“, erklärte Silva und das Zittern in ihrer Stimme ließ sich nicht überhören.
Desis Augen weiteren sich entsetzt. Offenbar war diese Hexe ein ganz großes Tier. Doch anders als ihre beiden Freundinnen schien Jördi das überhaupt nicht zu beeindrucken.
„Schön, schön. Trotzdem kein Grund, mich wie einen Flubberwurm zu behandeln.“
„Jördi, hast du noch alle Tassen im Schrank?“, sagte Desi entsetzt. „Du kannst dir so eine wichtige Person doch nicht zum Feind machen.“
Jördi schürzte nur die Lippen. Sie gehörte nun mal zu den Menschen, denen Konsequenten ihres Handeln völlig egal waren - zumindest fürs erste. Und so langsam ging ihr das Getue ihrer beiden Freundinnen auf die Nerven. Sogar Mürvet war jetzt so weit, Jördi tadelnd anzusehen und den Kopf zu schütteln.
„Jetzt hört aber mal auf“, forderte sie und zwang sich ein belangloses Lächeln ab. „Die wird sich schon wieder einkriegen. In ein paar Wochen hat sie mich bestimmt vergessen.“
Desi war da anderer Meinung.
„Ich glaube nicht“, sagte sie mit zweifelnder Stimme. „Wir sprechen hier schließlich von Frau Eulenberg.“
Plötzlich spitze Jördi die Ohren.
„Wie bitte? Eulenberg?“, hakte Jördi nach.
Jetzt war sie an der Reihe, aus allen Wolken zu fallen und zumindest Silva quittierte das Entsetzen ihrer vorlauten Freundin mit Genugtuung. Reichlich spät, aber immerhin schien sie jetzt endlich zu begreifen, um wen es hier eigentlich ging.
„Schön, dass du endlich mal ein schlechtes Gewissen kriegst“, erwiderte Silva trocken und lächelte mit einem Mundwinkel. „Aber, ja: das war Lorenz' Mutter.“


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