Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

The Black Mirror - Der Orden

von Dr. S

Voldemort stand direkt über ihm. Sein Umriss schälte sich aus der Schwärze, die sein Blickfeld eben noch eingeschlossen hatte, und kam näher, als er sich über ihn beugte. Sein Blick glühte wie Kohlen in einem Kaminfeuer.

„Hast du wirklich geglaubt“, sagte er in seiner zischelnden Stimme, „dass du davonlaufen kannst?“

Instinktiv rutschte Draco nach hinten, auf allen Vieren durch Matsch und nasses Gras, desorientiert im nächtlichen Regen. Er wusste nicht, wo er war oder wann er war, und er wollte es nicht herausfinden. Er wollte weg.

Voldemorts Zauberstab zeigte direkt auf seine Brust, visierte sein wild klopfendes Herz an. „Es gibt kein Versteck vor mir. Nicht hier, nicht in der Vergangenheit – nirgendwo. Du hast mich verraten. Vor deiner Strafe kannst du dich nicht drücken.“

Er hob den Zauberstab. „Avada Kedavra!“ Der grüne Lichtstrahl zischte aus der Spitze direkt auf ihn zu.

Draco hob schützend einen Arm. Etwas versuchte ihn zu greifen. Er schrie und schreckte wie aus einem Alptraum hoch, prallte gegen etwas Warmes, Hartes. Hände packten ihn, Arme versuchten sich um ihn zu wickeln, und er schlug desorientiert und mit verschwommenem Blick dagegen aus.

„Woah, ganz ruhig. Ganz ruhig. Alles ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit.“

Sein trübes Blickfeld ließ sich auch mit Blinzeln nicht klären. Er machte nur unscharfe Umrisse seines Gegenübers aus, schwarzes Haar und ein vertrautes Gesicht. Draco sackte erschöpft gegen die andere Schulter, versteckte sein Gesicht darin. Zitternd bis in die Fingerspitzen krallte er sich an einem merkwürdig breiten Rücken fest.

„Black… Reg…“

„Äh… Nicht ganz.“

„Er ist hier. Er war gleich hier. Er wollte –“ Draco schnappte nach Luft und ein Arm drückte ihn enger gegen den warmen Körper. Langsam beruhigte seine Atmung sich. „Ich dachte, du hättest mich im Stich gelassen“, murmelte er. Der Stoff unter seiner Wange war nass vom Regen. Ihm stieg der Geruch von Tannennadeln und – ganz verwirrend – Leder in die Nase. Er dachte nicht weiter darüber nach. Gerade war er nur froh darüber, dass er nicht alleine war.

„Ist schon gut. Hier. Trink das.“

Finger umfassten seinen Kiefer und führten eine Phiole an seinen Mund. Eine warme, dicke Flüssigkeit, die nach Pfefferminz schmeckte, lief zwischen seinen Lippen hindurch. Draco schluckte ohne Widerworte. Er hatte Schwierigkeiten die Augen offenzuhalten, als wäre die Müdigkeit von wochenlangen schlaflosen Nächten auf ihn eingestürzt.

„Ich hab ihm nichts gesagt“, sagte Draco nuschelnd. „Kein Wort. Nur ein paar um ihn zu ärgern.“

Ein Lachen streifte sein Ohr warm. „Gut so. Leg dich hin und ruh dich aus.“

Es reichte ein leichter Druck gegen seine Brust und Draco fiel zurück in eine Wolke aus weichem Stoff und Kissen. Bis zum Hals in eine warme Decke gekuschelt wollte er der Schwere seiner Lider gerade nachgeben, als das Rascheln von Stoff ihn aufschreckte. Instinktiv streckte er die Hand aus und bekam einen Arm zu fassen.

„Lass mich nicht allein.“ Draco rollte sich auf die Seite, näher an die Hand heran, die er nicht loslassen würde. „Bitte“, murmelte er ins Kissen hinein. Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren, als würde sie aus weiter Ferne kommen. „Ich will nicht allein sein.“

Die Erschöpfung rang ihn nieder und begrub ihn unter der Decke. Er fiel in einen traumlosen Schlaf, eine begrüßende Dunkelheit, die so wunderbar still und warm war, dass er nie wieder gehen wollte. Ab und zu glaubte er Stimmen zu hören, ohne aber Worte ausmachen zu können. Seine Lider wurden leichter, begannen wie Federn im Wind zu flattern. Er schlug sie auf und ließ sich von tief orangenen Sonnenstrahlen blenden.

Eine schmale Hand lag auf seiner Schulter, hatte ihn sanft aus dem Schlaf gedrückt. Er drehte den Kopf, rieb sich die letzte Verklärung aus dem Blick und begegnete leuchtendgrünen Augen. Lily Potter saß auf der Bettkante und lächelte ihn sanft an.

„Hallo, Schlafmütze“, sagte sie. „Wie geht’s deinem Kopf?“

Draco hob die Hand an seinen Hinterkopf und spürte dort einen heißen Schmerz gegen seine Handfläche pochen. Er zischte auf, worauf Lily seine Hand wegzog und sich so über ihn beugte, dass sie einen Blick auf die Stelle werfen konnte.

„Sieht alles ganz gut aus.“

Draco setzte sich ächzend auf. Schwindel überkam ihn, drehte die Welt um ihn herum wie ein Karussell. Als er drohte zurück in die Kissen zu rutschen, fasste Lily ihn an den Schultern und half ihm sich aufzusetzen.

„Was ist passiert?“, fragte Draco.

Lily setzte sich wieder neben ihn. „Du bist hingefallen und hast dir den Kopf an angeschlagen. Ziemlich heftig. Wir haben dich zu uns nach Hause gebracht. Keine Sorge, hier bist du in Sicherheit.“

Draco stieß ein spöttisches Schnauben aus, unfreiwillig, und er fühlte sich nicht gut deswegen, als er von Lily angelächelt wurde.

„Wo ist…“ Er schaute zur Seite und schreckte zusammen. Über einem gut gepolsterten Sessel beim Fenster schwebte ein Kopf mit wirren schwarzen Haaren. James Potters Kopf. Er lag schräg auf der Rückenlehne, den Mund leicht geöffnet, und schlief.

„Oh, keine Sorge. Ihm geht’s gut“, sagte Lily. „Er hatte wenig Schlaf. Eigentlich sollte er ein Auge auf dich haben.“

„Ich… hab nicht ihn gemeint“, sagte Draco leicht verstört.

„Sirius musste vor ein paar Stunden gehen. James hat ihn abgelöst.“

„Sirius…“ Draco dachte an den Schatten in seiner Erinnerung zurück, den Schatten, den er nicht hatte loslassen wollen, und versteckte sein zu heißes Gesicht hinter einer Hand.

„Sirius Black. Groß, schwarze Haare, gutaussehend, ein Grinsen wie die Katze in Alice im Wunderland?“

„Ich weiß“, sagte Draco und stöhnte frustriert in seine Handfläche. Regulus hätte sich zu gerne darüber aufgeregt, dass Draco ihn mit seinem Bruder verwechselt hatte. Aber Regulus war nicht hier, und die Enttäuschung darüber bohrte sich direkt in seinen Brustkorb. Dabei hätte er es wissen müssen, seit Regulus ihm den Rücken gekehrt hatte und in den Wald gelaufen war. Er war alleine.

Ein Schnarchen ließ ihn aufschauen. Lily seufzte, stand auf und ging zu dem Kopf ihres Ehemanns herüber. Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn und griff dann etwas von seiner Brust, das wie eine silbrige Stoffbahn über ihre Finger fiel. Harry Potters berühmter Tarnumhang. Lily zog ihn ein Stückchen nach oben und warf ihn über James‘ Kopf. Keine Haarspitze von ihm war mehr zu sehen.

„Das will niemand sehen, nicht wahr?“, sagte sie.

Draco schmunzelte. Seine Haut spannte sich straff über die Wange, die von Wurmschwanz verletzt worden war. Als er darüber tastete, fand er aber nichts. Der Schnitt war weg, die Haut dort dünn und empfindlich. Er schaute an sich herunter und entdeckte, dass er nicht sein einziges eigenes Hemd trug, sondern ein zwar bequemes, aber hässlich kariertes.

Lily setzte sich auf der anderen Seite auf die Bettkante. „Du hast dich bewundernswert geschlagen. Sich mit Voldemort anzulegen ist normalerweise ein schnelles Todesurteil.“

„Ein Wunder, dass ihr dann noch lebt“, murmelte Draco und auch das bereute er, als er in Lilys Gesicht sah. Etwas glitzerte in ihren Augen, und er schaute schnell zurück auf den Sessel, der jetzt unbesetzt wirkte.

„Du hast meinem James das Leben gerettet. Ich kann nicht sagen wie dankbar ich dir dafür bin.“

„Das war nur –“ Mitten im Satz hatte er plötzlich die Arme voll mit Lily Potter. Sie umarmte ihn fest, mit einer Stärke, die er ihren schlanken Armen nicht zugetraut hätte. Sein erster Instinkt nach der Überraschung war, sie wegzustoßen. Ein Schlammblut so in seiner unmittelbaren Nähe jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er konnte nichts dagegen tun, als würde es tief in ihm drin stecken, auch wenn er wusste, dass es albern war. Sehr albern. Egal, was seine Eltern dazu sagen würden.

Draco tätschelte Lily ziemlich steif den Rücken, aber sie wollte ihn nicht loslassen. Seine Hand blieb nutzlos zwischen ihren Schulterblättern liegen. Er merkte, wie er sich in die Umarmung hineinlehnte. So schlimm war es nicht. Er hätte nur gerne Regulus an ihrer Stelle gehabt. Die Erkenntnis, dass er das am Ende nie wieder haben sollte, ließ ihn sich wegdrehen.

Lily löste sich fast gleichzeitig. „Ich habe Suppe gekocht“, sagte sie und schwang ihren Zauberstab. Ein Tablett schwebte von dem Nachttisch herüber und setzte sich auf Dracos Schoß. Ein Teller Suppe und etwas Brot lagen darauf. „Du solltest etwas essen, damit du wieder zu Kräften kommst.“

„Ich hab keinen Hunger“, sagte Draco.

„Zwing mich nicht dich zu füttern“, sagte Lily, tauchte den Löffel in die Suppe und hielt ihn Draco vor den Mund.

Er seufzte auf und griff das Stück Brot, brach einen Teil davon ab und tunkte ihn in die Suppe. Während er abbiss, legte Lily den Löffel zurück, ließ ihn aber nicht aus den Augen, als würde sie ihm nicht trauen alleine zu essen. Die Wärme in seinem Magen tat zugegebenermaßen gut.

„Ich dachte“, begann Draco, nachdem er das Brot aufgegessen hatte, und stoppte abrupt.

„Da ist kein Veritaserum drin“, sagte Lily, als er sich in Schweigen hüllte. Sie drängte ihm den Löffel auf, damit er weiter aß.

Er konzentrierte sich auf die klare Brühe in seinem Teller. In seinem Kopf drehten sich die Fragen so schnell, dass er keine wirklich zu fassen bekam. Definitiv nicht lang genug für eine Antwort. Wieso war Regulus nicht bei ihm? War das hier sein Plan gewesen? Dann war es ein dämlicher Plan.

Dumbledore wusste, was es mit ihm auf sich hatte. Am Ende wollte er auch nur das Gleiche wie Voldemort: Informationen. Draco wusste nicht, was er ihnen sagen konnte und was nicht, was er überhaupt sagen wollte, und wie vorsichtig er sein musste. All diese Gedanken bereiteten ihm Kopfschmerzen.

„Willst du darüber reden, was passiert ist?“, fragte Lily. „Du hast ziemlich was abgekriegt –“

„Du siehst ziemlich gut dafür aus, dass du dich mit Bellatrix Lestrange angelegt hast.“

„Das hat schon anders ausgesehen. Wenn du mich fragst, hat sie nicht mehr alle Tassen im Schrank. Es würde mir schon reichen, wenn sie endlich jemand einsperren würde. Jeder weiß, in was für Dinge sie involviert ist, aber keiner unternimmt etwas dagegen. Es gäbe keine Beweise.“ Lily verdrehte die Augen. „Natürlich nicht, wenn man sie verschwinden lässt.“

„Da waren viele Todesser“, sagte Draco. „Mehr als von eurem Orden.“

Lily blinzelte ein wenig überrascht, als Draco Dumbledores Widerstandsgruppe ansprach.

„Wie habt ihr es da heil raus geschafft?“, fragte er.

„Dumbledore“, sagte Lily schulterzuckend. „Er ist der mächtigste Zauberer unserer Zeit, das weiß selbst Voldemort. Es hält ihn selten genug lange am selben Ort. Diesmal… Sagen wir so, du hast ein ziemlich beeindruckendes Duell verpasst.“

Draco durchfuhr ein Zittern bei Dumbledores Namen, das bis in seine Fingerspitzen ging. Der Löffel bebte in seiner Hand und verteilte seinen ganzen Inhalt an Suppe über dem Tablett. Er ließ das Besteck scheppernd in den Teller fallen.

„Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten“, sagte Lily.

„Wie habt ihr mich gefunden?“, fragte Draco.

„Eine anonyme Eule mit scharfem Schnabel“, sagte eine zweite Stimme. Draco schaute auf und zur Tür. Sirius Black stand im Türrahmen, lässig mit verschränkten Armen gegen den Balken gelehnt. „Wie geht’s unserem Zeitreisenden?“

Draco verschluckte sich auch ohne Suppe.

„Ganz gut soweit, würde ich sagen. Er hat meine Suppe gegessen“, antwortete Lily, und Sirius schmunzelte. „Wie sieht’s aus?“

„Dumbledore ist auf dem Weg hierher“, sagte Sirius und kam herein, durchquerte mit großen Schritten den Raum und ließ sich auf den Stuhl fallen. Ein Schrei kam zwischen den Polstern hervor und James Potter jagte hoch. Er warf dabei den Tarnumhang und Sirius herunter, der auf allen Vieren auf dem Boden landete.

„Tatze, bei Merlins Bart –“

„Autsch.“ Sirius rappelte sich auf, rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über die Knie. „Glaub nicht, dass ich mich entschuldige. Jetzt sind wir quitt.“

„Sorry.“ James tätschelte seinem Freund schuldbewusst den Rücken, sein Blick aber hatte sich auf Draco fixiert. „Sieh mal einer an, wer aus dem Traumland zurückgefunden hat.“

„Du solltest aufpassen, was du sagst. Ich musste mich nicht von einem fremden Hintern wecken lassen“, gab Draco zurück.

„Scheint, dass es ihm besser geht. Sein Maul reißt er wieder schön weit auf“, sagte James und ließ sich wieder auf den Sessel fallen – gleichzeitig mit Sirius. Sie landeten gemeinsam zwischen den Kissen, schoben und schubsten einander, bis sie sich nebeneinander auf die Sitzfläche quetschten.

Lily verdrehte darüber nur die Augen.

„Äh, hallo. Wir kennen uns noch nicht.“ Aus dem Flur kam ein zweiter Mann, unauffällig genug um bis eben in den Schatten zu verschwinden. Draco erkannte ihn erst auf den zweiten Blick. Remus Lupin trat ein. Er musste jünger sein, aber in seinem nassen braunen Haarschopf zeichnete sich schon eine gräuliche Strähne ab. Ein sanftes Lächeln versuchte sich gegen die Müdigkeit unter seinen Augen anzustemmen. Er streckte Draco seine Hand entgegen. „Ich bin Remus Lupin.“

Draco drehte ruckartig den Kopf zur Seite, weg von Lupin, und verschränkte die Arme vor der Brust. Hinter ein paar zerwühlten Haarsträhnen schirmte er sich gegen die Blicke ab. Ein ganzes Jahr lang war Lupin sein Professor gewesen. Er hatte seine Stunden nicht bei ihm Büro mit Tee trinken verbracht oder ‚Uh‘ und ‚Ah‘ über einen langweiligen Grindeloh zu machen, aber er erinnerte sich an ihn. Erinnerte sich, wie er ihm gesagt hatte, seine Aufsätze würden bessere Noten bekommen, wenn er aufhören würde, alles als lächerlich zu bezeichnen – was Draco nur angestiftet hatte seine Hand im Unterricht nach oben zu kriegen um alle seine Fragen gleich verbal mit seiner implizierten Lächerlichkeit zu strafen.

Aber alles, woran er gerade dachte, war ein Baby mit türkisfarbenen Haaren. Ein hässliches Halbblut, mit dem seine Tante ihn aufgezogen hatte. Ein kleiner Junge ohne Eltern.

„Äh…“ Lupin so unsicher in einer einzigen Silbe zu hören war sehr merkwürdig, das konnte Draco nicht abstreiten. „Und das hier ist Peter. Peter Pettigrew.“

Draco fuhr hoch. Er warf das Tablett um und den Teller mit dem letzten Rest Suppe direkt gegen Lupin. Hinter ihm stand der kleine Verräter und schreckte an die Wand zurück, das speckige Gesicht vor Angst verzerrt.

„Du“, keuchte Draco. Ein Beben ging durch seinen ganzen Körper, erschütterte jeden Muskel, jede Faser seines Seins. Er fasste nach seinem Zauberstab, fand aber nicht einmal eine Hosentasche. Der Stab lag auf dem Nachttisch. Er stürzte sich darauf.

„Hey, hey, ganz ruhig!“ Zwei Paar Hände packten ihn von hinten und versuchten ihn niederzuringen.

„Du miese, kleine Ratte“, brüllte Draco. „Ich zeig dir was – Lasst mich los!“ Sein Zauberstab wurde ihm von James aus der Hand geschlagen, während Sirius ihn mit seinem ganzen Gewicht in die Matratze drückte. Draco stieß ihm zwischen die Rippen, gegen die Brust und presste seine Hand gegen sein Gesicht, schob es aus dem Weg. „Ihr wollt einen Verräter?! Da habt ihr ihn. Dass du dich noch hierher traust! Denk nicht, dass ich nicht – Lass mich los!“

James hatte ihn von hinten an den Schultern gepackt, Sirius drückte ihn nieder.

„Okay, ich glaube, es wird hier ein bisschen voll“, sagte Lily und schob sowohl Lupin als auch Wurmschwanz aus dem Zimmer heraus.

„Was hab ich falsch gemacht?“, konnte er Lupins heisere Stimme sagen hören.

Draco tastete unter den Körper von James und Sirius und dem Wirrwarr der Laken nach seinem Zauberstab, fand ihn zwischen zwei Kissen. Er umklammerte ihn, bereit auch nur Wurmschwanz‘ Haaransatz in Brand zu stecken. Ehe er ausholen konnte, packte James seine Hand und drückte sie in die Kissen hinein. Der Stab fiel ihm aus der Hand.

Draco zuckte und kämpfte gegen die beiden an, aber unter ihrem gemeinsamen Gewicht konnte er sich kaum rühren. Eingequetscht zwischen ihnen blieb er liegen, atmete schwer, als hätte er einen Spurt Hogwarts‘ Treppen rauf hinter sich. James und Sirius tauschten über seinen Kopf hinweg einen verwirrten Blick.

„Alles gut?“, fragte James.

Draco biss die Zähne zusammen. Seine Kiefer schmerzten, so hart knirschte er mit ihnen. Wurmschwanz, der Bastard, der ihn in diesen Schlamassel gebracht hatte, wegen dem er Voldemort wieder in die Augen hatte sehen müssen und Regulus vielleicht das letzte Mal gesehen hatte – am liebsten wäre ihm nach und hätte ihm all das zurückgezahlt.

Sirius‘ graue Augen bohrten sich in seine, als versuche er sich an Legilimentik. Sie waren denen von Regulus in diesem Moment so ähnlich, dass er ihrem Blick auswich. Hinter James‘ Brillengläsern fand er nur Verwirrung.

„Ich glaube, du brauchst ein wenig Ruhe“, murmelte er. „Du hast dir ziemlich schlimm den Kopf gestoßen.“

Draco lachte ihnen ins Gesicht, trocken und ohne einen Funken Belustigung. „Das hättet ihr wohl gern, ja?“, zischte er. „Ihr wisst nicht, was ich weiß.“

„Dann sag’s uns“, schlug Sirius mit so einer Leichtigkeit, als wäre es die einfachste Sache auf der Welt die Geschichte komplett umzuschreiben. Draco brachte es nicht fertig ihm dafür ins Gesicht zu spucken, aber auch nicht nur noch ein Wort zu sagen. Stumm drehte er den Kopf zur Seite und starrte stur das Kopfende des Bettes an.

„Wir sollten dich ausruhen lassen“, sagte James und gab Sirius einen Stups. Er ließ Draco nur sehr widerwillig los, als würde er ihm und seinen Gliedern nicht vertrauen, die ihm eben noch das Gesicht zusammengequetscht hatten, bis es gar nicht mehr hübsch gewesen war. Zusammen rappelten sie sich auf. Kaum war ihr Gewicht verschwunden, rollte Draco sich zur Seite zu den Kissen.

„Geh schon mal vor, Tatze“, hörte er James an der Tür sagen. Er zog sie ins Schloss und verharrte dort, das Ohr nahe am Holz, als würde er auf die Schritte lauschen, die sich entfernen sollten. „Du hast mir das Leben gerettet. Wenn du so große Angst davor hast etwas in der Zeit zu verändern oder mit ihr zu spielen, hättest du das nicht tun sollen.“

„Anscheinend bereuen wir das beide“, murmelte Draco in das Kissen hinein.

James musste ihn falsch verstanden haben, denn er gluckste. „Verrat uns wenigstens deinen Namen. Sonst muss ich dich… Schmolli McGrump nennen.“

Draco zog eine Augenbraue hoch.

„Okay.“ James hob abwehrend beide Hände. „McGrump soll’s sein. Aber beschwer dich hinterher nicht.“

„Du willst Informationen“, sagte Draco. „Dann warte, bis Dumbledore sie aus mir rausquetscht.“

„Deine Gegenwart muss ziemlich mies aussehen, wenn du Voldemort mit Dumbledore vergleichst“, sagte James. Er öffnete die Tür, zögerte aber hinauszutreten. „Danke. Dass du mir das Leben gerettet hast.“

Draco drehte ihm den Rücken zu. Kurz darauf hörte er die Tür ins Schloss fallen. Er konnte nicht fassen, dass sich James Potter gerade bei ihm bedankt hatte. Jahrelang hatte er seinem Sohn das Leben schwer gemacht und das kam dabei heraus. Ganz sicher sähe das anders aus, wenn er die Wahrheit kennen würde. Alles, was ihn davor rettete, war ein scheinheiliges Netzwerk aus Halbwahrheiten. Darauf konnte man keine Zukunft aufbauen. Und wieso sollte er das auch wollen?

Es gab hier nichts für ihn. Das einzig Wertvolle hatte ihn im Stich gelassen – und so gern er Regulus auch hatte, spätestens am Ende des Jahres würde er tot sein. Dann hätte er hier gar nichts mehr.

Draco setzte sich auf. Er atmete ein paar Mal tief ein und aus, bis das Glühen in seiner Brust langsam schwächer wurde.

Dumbledore würde jeden Moment hier sein. Dumbledore, den er das letzte Mal auf der Spitze des Astronomieturms gesehen hatte. Er hatte „Bitte“ gesagt, ein Wort, das Draco noch monatelang in seine Alpträume verfolgt hatte. Er wollte ihm nicht in die Augen sehen müssen.

Draco schaute sich um. Er sammelte seinen Zauberstab aus den Falten des Lakens und stand auf. Ein großes Fenster lag ihm direkt gegenüber und ließ die Nachmittagssonne herum. Der Himmel war von blutroten Streifen durchzogen, als hätte jemand ihn aufgeschlitzt. Der Regen war zu einem leichten Nieseln abgeschwächt, den er erst bemerkte, als er das Fenster öffnete.

Unter ihm erhob sich eines der wichtigsten Zaubererdörfer in ganz Großbritannien: Godric’s Hollow. Ein kleines, sehr beschauliches Dörfchen, das fernab von dem lauten Muggel-Verkehr Londons lag. Er konnte den Regen hören, wie er auf Dächer und gegen Fenster klopfte. Er konnte ihn riechen, als er tief einatmete. Ohne den dreckigen Duft der Stadt fühlte er sich an zu Hause erinnert.

Draco schaute an der Hauswand herunter in den Garten, suchte eine Möglichkeit sich festzuhalten, zu klettern oder sogar zu springen. Er wurde von einer Gestalt am Gartenzaun abgelenkt. Eine junge Frau, die ihm nicht einmal bekannt vorkam, stand dort in langen schwarzen Roben und schüttelte den Kopf, ganz nach dem Motto, er solle nicht einmal darüber nachdenken.

Draco knallte das Fenster wieder zu. Natürlich war Dumbledore nicht dumm. Er musste seine Leute überall im Dorf stationiert haben, um ein Auge auf sein Gefäß voller nützlicher Informationen zu haben. Draco drehte seinen Zauberstab zwischen den Fingern. Sie hatten ihm eine Möglichkeit gelassen sich zu verteidigen. Was sollte das bedeuten? Wollten sie ihn in Sicherheit wiegen oder ihm ein Gefühl von Selbstbestimmtheit lassen? Vielleicht ahnten sie, wie wenig sein Zauberstab ihm gehorchte.

Regulus hätte ihm nichts überlassen können, das weniger nützlich war. Er schien bis zum Schluss daran festzuhalten, dass die Illoyalität seines Stabs eine Kopfsache war. Draco bereute, dass er ihm nie die ganze Geschichte des Elderstabs erzählt hatte. Vielleicht hätten sie einander dann verstanden.

Draco dachte an den Moment zurück, als Bellatrix von seiner Okklumentik zurückgestoßen worden war, und drehte den Zauberstab dabei in den Fingern. Regulus hätte das sehen müssen. Er wäre ein Argument reicher gewesen.

Mit magischer Gewalt würde er hier nicht rauskommen. Die Ordensmitglieder waren jung, kaum älter als er, aber sie waren gut, das musste er sich eingestehen. Gegen so viele würde er nicht ankommen. Und sich herausschleichen hielt er bei derartig unbekanntem Terrain auch für unwahrscheinlich. Aber er konnte nicht riskieren Dumbledore zu begegnen.

Draco verbrachte die nächsten Minuten damit das Zimmer zu durchsuchen. Er wühlte sich durch Schubladen, durch Schränke, schaute sogar in den Kamin hinein und überlegte, ob er darüber hinausklettern konnte. Er wünschte, er hätte das gewagt, als es an der Tür klopfte.

„Nein“, flüsterte er und hastete herüber zum Bett. Das Knarzen des Türrahmens verfolgte ihn, als er die Bettdecke herunterriss und sich darunter versteckte, wie ein Kind, das Angst hatte ein Dementor würde nachts kommen und seine Seele aussaugen. Er fiel neben dem Bett auf die Knie, kauerte sich hinter die Kante in der Hoffnung, man würde ihn so übersehen. Sein auffälliges, verräterisches weißblondes Haar verbarg er unter einer Kapuze aus der Decke.

„Guten Abend?“, drang die vertraute Stimme herein. Kräftiger, entschiedener als er sie in Erinnerung hatte. Das Rascheln eines langen Umhangs ertönte, als der große, dünne Zauberer eintrat. „Nun, ich hoffe doch sehr, dass nicht ich für diese Position verantwortlich bin. Geht es Ihnen gut?“

„Gehen Sie weg“, murmelte Draco. Er zog die Decke so gut er konnte um sein Gesicht herum. Jahrelang hatte er bezweifelt, dass Dumbledore sein Gesicht kannte, dass er ihn von einem der anderen unwichtigen Schüler unterscheiden konnte, aber jetzt wollte er nicht plötzlich interessant für ihn werden.

„Ich nehme an, dass wir uns kennen. Verzeihen Sie mir, wenn ich mich noch nicht daran erinnere“, sagte Dumbledore, und Draco konnte hören, dass er in seinen langen Bart hineinschmunzelte. „Es passiert mir zugegebenermaßen selten, dass man sich vor mir verstecken will. Oder darf ich mich dazu setzen?“

„Gehen Sie weg“, wiederholte Draco. Er murmelte es in den Stoff der Decke hinein, der die untere Hälfte seines Gesichts komplett verbarg. Vielleicht hörte Dumbledore ihn nicht, oder, was Draco eher annahm, er ignorierte ihn einfach. Aus dem Nichts erschienen ein paar breite Kissen und fielen vor ihm auf den Boden. Dumbledore setzte sich darauf. Draco sah sein Lächeln unter dem Silberbart, sah das stets amüsierte Funkeln in seinen blauen Augen hinter den halbmondförmigen Brillengläsern. Er sah genauso aus, wie Draco ihn in Erinnerung hatte.

Schnell senkte er den Blick. Das Schweigen war umso schlimmer, weil er wusste, wie genau Dumbledore ihn beobachtete. Jeder Atemzug, jedes kleine Muskelzucken musste ihm auffallen.

„Phineas hat mir erzählt, wer Sie sind, aber nicht, wie Sie heißen“, sagte Dumbledore, und damit erklärte er gar nichts. Wie viel hatte Phineas erzählt? Hatte er genau die falschen Sachen gesagt?

„Potter hat McGrump vorgeschlagen“, murmelte Draco. „Heißt das, Phineas hat Ihnen gesagt, wo Sie mich finden können?“

Dumbledore, der sich noch über James‘ unspektakuläre kreative Ausbrüche amüsierte, schüttelte den Kopf. „Das konnte er mir leider nicht sagen. Er hatte auch eine gute Ausrede, wieso er mir bis zur letzten Nacht nichts von Ihrem Aufenthaltsort verraten hat.“ Dumbledore beugte sich zu ihm vor. „Ich habe nicht gefragt“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.

Dracos letzter Hoffnungsschimmer, dass das hier nicht Regulus‘ Plan gewesen war, löste sich in pure Enttäuschung auf. Er zog die Beine an und presste seine Stirn gegen die Knie. So hatte Dumbledore keine Chance ihn anzusehen.

„Ich weiß, dass Sie eine anstrengende Nacht hatten. Wenn Sie Zeit brauchen –“

„Ich werde Ihnen nichts sagen“, unterbrach Draco den mächtigsten Zauberer dieser und der nächsten Generation. „Zauberern, die mit der Zeit spielen, passieren schlimme Dinge.“

„Eine seltsame Sache, die Zeit“, sagte Dumbledore nachdenklich. „Und, in der Tat, sehr gefährlich. Gerüchte sagen, dass beim letzten Unfall eines Zeitreisenden Donnerstag in vier Stunden vergangen sei. Ich kann dazu nur sagen, dass ich während meinen UTZ-Prüfungen nichts davon mitbekommen habe. Jeder Donnerstag fühlte sich wie zwei volle Tage an.“

Jedes Wort aus Dumbledores Mund war wie ein Folterfluch aus Voldemorts Zauberstab. Schmerzhaft und darauf abgezielt ihn auszuquetschen. Er hatte das eine überstanden, vielleicht konnte er das hier auch schaffen. Aber wozu? Immer wieder diese Frage. Was hatte er jetzt noch für das er durchhalten sollte?

„Ich sage nichts“, murmelte Draco.

Dumbledore seufzte und machte es sich auf seinen Kissen gemütlicher. „Ich kann nicht behaupten, dass ich nicht neugierig bin. Wir machen alle täglich so viele Fehler – ich erst heute Morgen, als ich diese Roben als gut genug zum Laufen eingestuft habe und über sie gestolpert bin – da wäre es doch sehr angenehm schon vorher über seine Fehler Bescheid zu wissen. Wir müssten sie nie bereuen.“

Draco überkam eine plötzliche Hitze. Wut ließ seine Finger zu Fäusten krampfen. Dazu war er also gut genug. Die Fehler von anderen, von Dumbledore, ausgleichen, und als einziger voller Reue zurückbleiben.

„Eine seltsame Sache, die Zeit“, wiederholte Dumbledore und seufzte erneut, schwerer diesmal, wie ein alter Mann, der zu viel Zeit in den Knochen stecken hatte. „Sehr verlockend und sehr gefährlich. Wir haben Krieg, wie Sie sicherlich wissen, und ich kann nicht riskieren, dass Lord Voldemort in die Finger bekommt, was immer Sie wissen. Es würde das Ende bedeuten.“

Die Wut verschwand genauso plötzlich, wie sie aufgetaucht war, weggespült von eisiger Kälte. Von Angst. Draco schaute langsam hoch. Aus dem Schlitz, den er in seiner Deckenkapuze gelassen hatte, sah er Dumbledore in die Augen. Er schluckte hart.

„Was haben Sie mit mir vor?“, fragte er heiser.

„Ich biete Ihnen Schutz an“, sagte Dumbledore. „Sie können hierbleiben. Der Orden, ich, wir werden versuchen Sie zu beschützen. Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie uns helfen. Das kann ich nicht erwarten.“

Draco versuchte seine Gedanken zu ordnen. Ihm kam nichts anderes in den Sinn, als eine einzige Frage: Könnte er Regulus auch beschützen?

„Währenddessen“, brachte Dumbledore das ‚aber‘ ins Spiel, „sollten wir daran arbeiten, Sie wieder nach Hause zu bringen. Das ist in aller Interesse sicher das Beste.“

Draco hatte nicht genügend Decke um seine Reaktion zu verstecken. Er zitterte, er bebte, als würde ein eigenes Erdbeben durch seinen Körper gehen, und er wusste nicht wieso. Das war alles, was er wollte. Nach Hause. Zu seinen Eltern. Trotzdem verklärte sein Blick sich, fing an zu brennen, wurde feucht.

Unter seinem Deckenmantel nickte er.

„Gut.“ Dumbledore richtete sich auf und ließ die Kissen mit einem Schnippen des Zauberstabs verschwinden, als wären sie nie da gewesen. So wie Draco auch verschwinden würde. „Die Potters werden sich gut um Sie kümmern. Ein sehr talentiertes, enthusiastisches Paar. Ruhen Sie sich noch etwas aus. Es hat mich gefreut, nun, Mr. McGrump.“ Dumbledore streckte seine Hand zum Handschlag aus, aber Draco würde nicht darauf reinfallen und seine Decke verlassen. Nicht jetzt, wo nach jedem Blinzeln feuchte Tropfen in seinen Wimpern hängenblieben. „Wir werden uns wiedersehen, da bin ich mir sicher.“

Draco schloss die Augen. Er lauschte Dumbledores Schritten und dem erneuten Knarren der Tür, als sie ins Schloss gezogen wurde. Eine Träne rollte über seine Wange. Er wischte sie weg, schüttelte die Nässe angewidert von seinen Fingern.

Regulus hatte sich genau das gewünscht. Er hatte nicht mit ihm zusammen sein wollen, sonst wäre er jetzt hier. Sie hätten zusammen Unterschlupf beim Orden finden können. Regulus aber konnte Zukunft und Vergangenheit trennen, und auch Draco wusste, dass das getrennt gehörte. Egal, was jetzt gerade die Gegenwart war, sie konnten daraus keine neue Zukunft schmieden.

Draco versteckte sich in seinem Deckenkokon, wo er sich stumm dafür schämen konnte, dass seine Augen nicht aufhörten zu tränen. Es war richtig, es war besser so, und es war es nicht wert darüber seine Würde zu verlieren.

Er sah Regulus‘ Gesicht vor sich, nass vom Regen und blutverkrustet. Sein eisiger Blick, der eine Gänsehaut über seine Arme schickte. Die steife Linie seiner Lippen, die sich so selten biegen ließ. Draco versuchte sich an sein Lachen zu erinnern, aber es schien so fern und leise. Er wollte es öfter hören, bis er es auch in zwanzig Jahren nicht vergessen würde.

Ein erstickter Schluchzer quälte sich aus seiner Kehle. Laut und erbärmlich genug, dass er durch die Schichten der Decke zu hören war. Er war froh, dass Regulus nicht hier war, um ihn so zu sehen, und gleichzeitig sehnte er sich nach seiner Schulter.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis seine Tränen sich trocknen ließen. Er traute sich nur langsam unter der Decke hervor. Inzwischen war es düster geworden. Eine blaugraue Dunkelheit überzog den verregneten Himmel. Draco schaute hinaus und sah zwei Gestalten am Gartenzaun mit großen Gesten diskutieren, bevor die schmalere, weibliche Gestalt sich zum Gehen wandte. Er beobachtete, wie sie über den Zaun kletterte und hinter einer kleinen Wiese am Rand eines Waldstücks disapparierte. Die andere Gestalt lehnte sich an den Zaun und schaute in Richtung Haus, vielleicht hoch zu ihm. Draco drehte dem Fenster den Rücken zu.

Er straffte die Schultern, drückte die Wirbelsäule durch und entschied sich das Zimmer zu verlassen. Wozu genau wusste er nicht. Vielleicht wollte er etwas essen. Vielleicht auch nur das Haus ansehen.

Das Zimmer führte auf einen schmalen Flur. Wände und Möbel wirkten nicht, als hätten zwei Neunzehnjährige sie ausgesucht. Zwei weitere Türen zweigten rechts und links ab. Am anderen Ende des Flurs folgte Draco einer Treppe nach unten. Das musste jene Treppe sein, die James Potter in seinen letzten Momenten verteidigt hatte.

Draco blieb auf der letzten stehen. Es war ein merkwürdiges Gefühl von hier zur Haustür zu blicken. Er fragte sich, ob er wohl einfach gehen könnte. Als er sich ihr näherte, hörte er allerdings Stimmen durch das Holz dringen. Wachen. Natürlich. So viel dazu, dass er kein Gefangener war.

Er folgte einem weiteren Gang zum Wohnzimmer. Bilder von einem älteren Paar beäugten ihn neugierig auf seinem Weg in die Küche. Hier fand er Lily und James Potter beim Gemüse schneiden fürs Abendessen. Sie unterhielten sich leise und stoppten abrupt, als sie Draco in der Tür stehen sahen.

„Sieh mal einer an“, sagte James. „Wie geht’s uns denn?“

„Hast du Hunger?“, fragte Lily. „Abendessen dauert noch ein bisschen.“

„Ich…“ Draco wusste auf einmal sehr genau, dass er keinen Hunger hatte. Er wollte auch nicht in diesem Raum bleiben, wo er nur schielen musste um aus den beiden Potters den einen zu machen, der angefangen hatte ihm leid zu tun, seit er in der Vergangenheit gelandet war. Wie das Baby mit den türkisfarbenen Haaren. Er seufzte. „Ich wollte nur frische Luft schnappen. Ist das erlaubt?“

Lily schaute ihn besorgt an, nickte aber. Sie öffnete die Hintertür, die direkt aus der Küche in den Garten hineinführte.

„Bleib in Sichtweite“, sagte James und zwinkerte ihm zu.

Ohne ein weiteres Wort ging Draco nach draußen. Es war kühl. Der Regen hatte die Sommerwärme aus der Umgebung gesogen, bevor er sich anscheinend erschöpft hatte. Kein Tropfen fiel mehr, wie Draco feststellte, als er testend die Hand ausstreckte. Er machte ein paar Schritte auf das Gras hinaus. In der abendlichen Finsternis war die Umgebung schwerer zu erkennen. Sträucher und Blumen schlängelten sich um einen Pfad, der herunter auf die Wiese führte. Gleich unter dem Küchenfenster stand eine Bank, die er überlegte zu besetzen. Die Stimmen aus dem Haus änderten seine Meinung.

„Er tut mir leid“, hörte er Lilys leise Stimme. „Steckt in der Vergangenheit fest, ohne Freunde und Familie. Ich will mir das gar nicht vorstellen.“

„Ich hätte nichts dagegen“, sagte James. „Ich würde dich als kleines Mädchen besuchen und dir sagen, was du für einen tollen Ehemann bekommst. Es wäre einfach noch mehr Zeit, die ich mit dir verbringen kann. Und dann würde ich Snapes Geburt verhindern.“

Lily kicherte, und als Draco einen Blick über die Schulter warf, musste er mitansehen, wie James sie so stürmisch in seine Arme zog, dass sie beide gegen die Arbeitstheke fielen. Er wusste nicht, ob er von dem Abendessen etwas haben wollte.

Rückwärts wanderte er den Pfad entlang, versuchte sich umzuschauen und landete doch immer wieder bei dem Küchenfenster. Ein Lachen erreichte ihn von hinten. Er drehte sich um.

„Kochen mit ein bisschen zu viele Liebe, hm?“ Sirius saß auf dem Gartenzaun und grinste ihn an. „Du denkst nicht darüber nach abzuhauen, oder? Dorcas hat dich verdächtig aus dem Fenster schielen sehen.“

„Wer ist Dorcas?“, fragte Draco. Er konnte Lachen aus dem Haus kommen hören. In Zeiten des Krieges noch Spaß zu finden war bei ihnen in Malfoy Manor schier unmöglich gewesen. Allein Bellatrix hatte gerne und viel gelacht – allerdings hatte ihr manisches Gackern nichts mit Freude zu tun gehabt.

„Endlich mal jemand, den du nicht zu kennen scheinst“, sagte Sirius und verengte sehr aufgesetzt die Augen zu misstrauischen Schlitzen. „Ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll.“

„Ich kenne nicht jedes Gesicht in Großbritannien“, gab Draco kühl zurück. Er war nicht darauf aus gewesen sich zu unterhalten. Gerade bereute er es das Zimmer verlassen zu haben. Er hätte sich schlafen legen sollen und erst aufwachen sollen, wenn Dumbledore ihn nach Hause schicken konnte.

Er ließ den Blick über die Landschaft schweifen, drehte sich dabei langsam um sich selbst und landete schlussendlich wieder bei Sirius. Der sah nicht aus, als hätte er ihn aus den Augen gelassen.

Draco runzelte die Stirn. „Was?“

Sirius zuckte die Achseln. „Mein Bruder“, sagte er und räusperte sich. „Das war seine Eule mit dem scharfen Schnabel. Er hat mir geschrieben, wo wir dich finden können.“

Draco fühlte sich einen Moment lang in den Schwindel von letzter Nacht zurückgestoßen. Er trat schnell an den Zaun heran und musste sich daran abstützen. „Was?“

„Reggie hasst mich. Er kann mich nicht ausstehen“, sagte Sirius mit einer Sachlichkeit in der Stimme, die nicht zu ihm passen wollte. „Es braucht eine Menge, dass er mich um Hilfe bittet. Du musst ihm ziemlich wichtig sein.“

Draco schnaubte voller Spott. „Du machst dich lustig, wunderbar. Wenn das stimmen würde, wäre Regulus jetzt hier.“

„Ich hatte auch gehofft, er würde jetzt hier sein“, murmelte Sirius. Er glitt von dem Zaun herunter und lehnte sich rücklings dagegen. Sie schauten in entgegengesetzte Richtungen.

Draco verkreuzte die Arme auf dem Zaun und lehnte sich leicht darüber, während er in den entlegenen Wald hineinschaute. Er glaubte das Mal brennen zu spüren. „Er hasst dich nicht“, sagte Draco nach einer Weile. „Er ist nur… enttäuscht. Du hast ihn im Stich gelassen.“ Draco schluckte, aber das Kratzen blieb seiner trockenen Kehle erhalten. „Obendrauf glaubt er, du seist talentierter, charmanter und würdest besser aussehen – was ich nicht bestätigen kann.“

Sirius drehte sich herum, sodass er ebenfalls den Wald vor Augen hatte, schaute aber Draco forschend an. „Brauchst du eine Brille?“

Draco sah in sein neugieriges Gesicht, so ähnlich und doch so anders, als das von seinem kleinen Bruder. Er konnte nicht genau bestimmen, was den offensichtlichen Unterschied machte. Trotzdem hatte er als Antwort nur ein herablassendes, halbes Schulterzucken übrig.

Sirius gluckste. Er schaute ebenfalls in den Wald hinein. „Ich war kein guter Bruder für Reggie, ich weiß das“, sagte er ernster. „Aber jede Münze hat zwei Seiten. Es gab Zeiten, da hätte ich einen Bruder gebrauchen können, ein klein wenig Unterstützung. Regulus war immer zu beschäftigt damit unsere Eltern glücklich zu machen. Ich wünschte nur, er wüsste, dass ich ihm trotz allem immer helfen werde.“

„Ich glaube, dass er das weiß“, sagte Draco. „Sonst wäre ich nicht hier, oder?“

Sirius schaute ihn an, eine verwirrte Falte zwischen den Augenbrauen, und lächelte dann. Er klopfte Draco auf den Rücken. „Regulus hatte nie einen besonders guten Geschmack was seine, nun, Freunde anging. Mit dir scheint er nicht vollkommen danebengegriffen zu haben.“

„Ich fühle mich geehrt“, sagte Draco trocken.

Sirius lehnte sich über seine Schulter, um ihm ins Ohr zu flüstern: „Obwohl Umarmungen beim ersten Date eigentlich tabu für mich sind.“

Draco verbarg das Gesicht so gut er konnte hinter einer Hand. Seine Wangen brannten gegen seine Finger. Er stöhnte gequält, was Sirius nur lachen ließ, laut genug, dass es wie das Bellen eines Hundes klang. Erneut bekam er einen Klaps auf den Rücken.

„Ich werde ihm nichts verraten, vorausgesetzt wir wechseln je wieder ein Wort“, sagte Sirius und zuckte mit den Achseln. „Wer weiß, vielleicht hast du einen guten Einfluss auf ihn.“

„Ich glaube nicht, dass ich dafür lange genug hierbleibe“, antwortete Draco, und die verwirrte Falte zwischen Sirius‘ Augenbrauen kehrte zurück. „Dumbledore sucht einen Weg mich nach Hause zu schicken. Wenn er das nicht hinkriegt, dann niemand.“

„Wie? Soll das heißen, er hat dich nicht um Hilfe gebeten?“

Draco schüttelte den Kopf. „Zu gefährlich.“

Sirius verdrehte die Augen, als würde das übersetzt für ihn das genaue Gegenteil bedeuten. „Was ist mit dir? Willst du nicht derjenige sein, der die Welt vor Lord Voldemort rettet? Oder rechtzeitig sein Gold zum besten Kurs bei Gringotts verhökert?“

„Ich werde nichts verändern“, sagte Draco. „Ich mag es dort, wo ich hergekommen. Ganz davon abgesehen, dass niemand mich als seinen Auserwählten haben will. Bisher ist das immer gehörig schiefgegangen.“

„Vielleicht ist genau das der Grund, aus dem du hier bist“, sagte Sirius. „Ich hab genug Fehler gemacht um Reue zu erkennen. Das hier könnte deine zweite Chance sein. Vielleicht sollst du etwas verändern.“

Draco wich dem herausfordernden Blick aus und schaute auf eine Kerbe im Holz des Zaunes herunter, fuhr sie mit dem Finger nach. „Du sagst das nur, damit ich irgendetwas Lustiges oder Dummes tue. Oder dir sage, wann du dein Gold verhökern sollst.“

„Ja, das vielleicht auch“, sagte Sirius nickend. Er stupste Draco mit dem Ellenbogen an und holte ein kurzes Lachen aus ihm heraus.

Als er hochschaute, den Mund bereits halb zur Antwort geöffnet, fing sein Blick etwas Rotes, Leuchtendes aus den Schatten des Waldrands auf. Draco verschlug es die Sprache. Er verengte die Augen, versuchte sich auf die Stelle zu fokussieren, und beugte sich dabei über den Zaun.

„Hast du das gesehen?“, fragte er.

„Was?“

„Da war –“

In der Ferne, ganz deutlich diesmal, sah er drei scharlachrote Funken aufblitzen.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
DVD: Game of Thrones - 3. Staffel
[DVD] [Blu-ray]
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Ich wünsche Joanne Rowling, dass sie es schafft, nach den sieben Potter-Bänden eine andere Art von Literatur zu schreiben und dass die jugendlichen Leser mit der Lektüre mitwachsen werden.
Rufus Beck