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The Black Mirror - Das Dunkle Mal

von Dr. S

Mitten in der Nacht riss ein scharfes Brennen Draco aus dem Schlaf. Er riss die Augen auf und starrte in absolute Finsternis. Instinktiv packte er nach dem Schmerz und umklammerte sein linkes Handgelenk. Das Prickeln, als würde er seinen Arm über offenes Feuer halten, war viel zu vertraut.

Draco wartete mit aufgerissenen Augen darauf, dass er sich an die Dunkelheit gewöhnen würde. Mehr als die schemenhaften Umrisse der Fenster drängten sich nicht aus den Schatten. Dafür breitete das Brennen sich aus. Als würden seine Adern den Schmerz wie Blut bis in seine Brust tragen.

Draco schob die Hand, mit der er das linke Handgelenk umklammerte, tiefer. Ganz vorsichtig, die Fingerspitzen wie Fußsoldaten voraus geschickt. Er tastete nach der vernarbten Haut, dem Netzwerk aus verschlungenen Linien, aber Narbengewebe suchte er vergeblich. Die Linien des Dunklen Mals pulsierten frisch und heiß unter seinen Fingerspitzen.

„Nein, nein, das kann nicht…“ Draco presste die Hand gegen das Mal, grub die Finger hinein, bis seine kurzen Nägel es in die brennende Haut hinein schafften. „Verdammt.“

Er hatte bis jetzt übersehen, wer auf dieser Seite des Spiegels noch am Leben war. Schlimmer als dutzende Todgeweihte. Der verdammte Grund dafür.

Draco schnappte nach Luft.

Es klopfte an der Tür.

Er stieß die ganze Luft hustend aus seinen Lungen und fuhr hoch. Draco griff sich an die Brust, wo seine Lunge schmerzte und sein Herz wild gegen die Rippenbögen schlug. Er schaute zur Tür.

Aus dem dunklen Flur steckte jemand den Kopf herein. Er konnte nicht erkennen wer, aber die Frage stellte sich auch nicht lange.

„Alles in Ordnung, Draco?“, fragte Regulus. „Ich hab dich fluchen gehört.“

Sicher nur, weil ihn auch etwas geweckt hatte. Draco zog den Ärmel des Pyjamas weit herunter, trotz schützender Dunkelheit. „Jaah… Ja, ich hab nur nicht damit gerechnet hier aufzuwachen.“

„Du hast gehofft, das wäre alles nur ein böser Traum gewesen, was?“

Draco seufzte. Er hatte nichts dergleichen beim Aufwachen gedacht. Zu viel Schmerz hatte sich in seine Gedanken geschoben. Es war nicht nur das Brennen – daran war er auch nach monatelanger Abstinenz irgendwie gewöhnt – sondern das, was damit einherging.

Draco sah in Richtung der Fenster. Der Schimmer von Straßenlaternen und dem Mond schaffte es nur durch eine Ritze der Vorhänge. Regen klatschte noch immer gegen die Scheiben. Hart und brutal, als versuche jeder Tropfen individuell die Scheibe zu zerschlagen.

„Brauchst du irgendwas?“, fragte Regulus. Er hatte die Tür aufgeschoben und lehnte im Rahmen.

Draco schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen. Alles um ihn herum roch fremd und anders und… nicht unbedingt falsch. Das Bett war gemütlich. Ein Duft von Leder lag in den alten Lacken, der Decke und sogar in seinem Pyjama. Sirius Black hatte ein gemütliches Bett. Draco rieb sich über die Augen. Er lag in Sirius Blacks Bett; das konnte nicht richtig klingen.

„Wenn du genickt hast, seh ich das nicht. Mach das Licht an.“

„Ich…“ Draco schaute nach rechts, wo er das Nachttischchen vermutete. Sein Zauberstab lag dort, rebellisch und aufmüpfig wie eh und je. „Hör zu, alles ist in Ordnung. Lass mich also gerne wieder in Ruhe.“

Regulus tat das genaue Gegenteil. Er kam herein. Das Brennen des Dunklen Mals verebbte zwar, aber das war kein Grund nicht kopflos aus dem Haus zu stürzen und sich vor die Füße des Dunklen Lords zu werfen. Bei Merlins Bart, wie gerne hätte er Regulus das ins Gesicht gesagt.

„Einen Lumos-Zauber kriegst du doch hin, oder ist dein Stock nur Deko?“

„Das…“ Draco rieb sich mit beiden Händen über sein verschlafenes Gesicht, versuchte die Muskeln aufzuwecken. „Das ist nicht so einfach. Er… Mein Stock benimmt sich störrischer als ein Teenager in der Pubertät.“

Die Matratze bewegte sich, ohne dass er etwas tat. Regulus hatte sich auf die Bettkante gesetzt. Draco konnte seinen Umriss erkennen, weil seine schattenhafte Gestalt fester dunkel als die Umgebung schien.

„Hast du ihn gestohlen?“, fragte Regulus skeptisch.

„Nein, ich hab ihn bei Ollivander gekauft als ich elf war“, sagte Draco schnippisch. Er zog die Beine in einen Schneidersitz, weg von der Wärme eines fremden Körpers. Unruhig verschränkte er die Finger in seinem Schoß. „Er… Er wurde mir gestohlen. Seit ich ihn wiederhabe, ist es nicht dasselbe. Als… würde er sich gegen mich wehren. Mich nicht akzeptieren.“

„Das ist Unsinn“, sagte Regulus. „Du redest, als hätte dein Zauberstab einen Verstand.“

„Hätte er einen Verstand wüsste er, wann es für uns beide besser wäre, dass er meine Zauber ausführt.“

Regulus stieß ein leises Schnauben aus, wenig amüsiert, und vielleicht bildete Draco sich den Funken Belustigung auch nur ein. „Ein Lumos wird doch wohl gehen.“

„Nein.“

„Probier’s aus.“

„Damit ich wie ein idiotischer Erstklässler dastehe? So gerne will ich dich auch nicht lachen hören.“

Wieder schnaubte Regulus. Vielleicht war das sein Lachen. Das wäre irgendwie… enttäuschend. Draco hatte das Gefühl etwas Besseres aus ihm herauskitzeln zu können.

„Dann lass es mich ausprobieren“, sagte Regulus und rutschte näher heran.

„Was?“ Draco wich ans Kopfende zurück, presste das Kissen mit seinem Rücken gegen das hölzerne Bettgestell. „Nein –“

„Du darfst auch über mich lachen, wenn es daneben geht.“ Regulus rutschte wieder näher. Auf Höhe von Dracos Hüfte blieb er sitzen und streckte sich nach dem Nachttischchen – es stand nicht auf der rechten Seite. Regulus lehnte sich über ihn rüber um auf die linke Seite greifen zu können. Draco konnte nicht noch weiter zurückweichen. Er versuchte es. Er holte tief Luft und zog so seine Brust ein.

Regulus stemmte sich links von ihm auf der Matratze ab und griff nach dem Nachttisch. Er war nah genug, dass Draco ihn riechen konnte. Leder suchte er hier vergeblich.

Die Nähe änderte an der Dunkelheit nichts. Bis auf die Umrisse seines Kopfes konnte er nicht viel erkennen. Das Weiß von Regulus‘ Augen blitzte auf, richtete sich direkt auf Draco, als er den Kopf zu ihm herumdrehte. Er konnte spüren, wie Regulus schwer ausatmete, und hielt selbst alle Luft fest in seinen Lungen. Nicht einmal ein Blinzeln traute er sich zu. Sie starrten einander an, bis Draco die Luft ausging.

Sich räuspernd drehte Draco den Kopf zur Seite, während Regulus sich mit einem Ruck über ihn streckte um das Nachttischchen zu erreichen. Dort schnappte er sich Dracos Zauberstab und fiel mit ihm in der Hand zurück auf die Matratze. Direkt neben Draco lehnte er sich ans Kopfende.

„Lumos.“ Das Licht blendete Draco. Er schirmte sich mit der Hand dagegen ab und linste durch zwei Finger zu Regulus. Der zuckte mit den Schultern. „Funktioniert doch.“

„Wow, so stolz auf einen der banalsten Zauber, seit es den Wabbelbein-Fluch gibt“, gab Draco zurück. Er griff den Zauberstab knapp über Regulus‘ Fingern, streifte sie fast, und zog den Stab etwas weiter in seine Richtung. Das Licht an der Spitze schien fahler, als hätte Regulus es gedimmt um niemanden zu blenden. „Denkst du nicht, dass du das mit deinem besser hingekriegt hättest?“

„Das war Absicht“, sagte Regulus trocken.

„Das meinte ich nicht.“ Draco streckte die Beine aus dem Schneidersitz und schaffte sich Platz, rutschte an Regulus heran. Er ließ die Finger über die Maserung des Holzes fahren. „Mit deinem Stab hätte es sich anders angefühlt. Besser. Natürlicher… Und dieses Ding wehrt sich gegen jeden magischen Funken von mir.“

„Du denkst wirklich, dass dein Zauberstab dich nicht mehr… ausstehen kann?“

Draco zuckte die Achseln.

„Ich halte das für Schwachsinn“, sagte Regulus. „Schlechte Zauber liegen niemals am Zauberstab. Wir geben uns eben ungerne selbst die Schuld, aber den Zauberstab zu verfluchen bringt auch nichts. Er ist nur ein Leiter für Magie.“

„Das solltest du mal Ollivander sagen.“

„Der sagt diesen Unsinn doch auch nur, weil er seine Stäbe verkaufen will. Er macht sie zu was besonderen, wenn er dich stundenlang in seinem Laden Zauberstäbe ausprobieren lässt um den Einen zu finden.“

„Wow…“ Draco gluckste. „Dafür, dass wir in einer Welt voller Auserwählter und Prophezeiungen leben, siehst du das aber ziemlich pragmatisch.“

„Ich sage eben nur, dass es der Zauberer ist. Nicht der Zauberstab.“ Regulus nahm die Finger vom Zauberstab und legte sie stattdessen um Dracos Handgelenk. Behutsam zog er es herunter, bis Dracos Finger um den Griff des Stabs lagen, als würde er ihm zeigen, wie man ihn festhielt. Das magische Licht an der Spitze glühte auf, hell genug, dass Draco ein Auge schützend zusammenkniff. Regulus‘ Finger rutschten von seinen herunter. Das Licht flackerte, bäumte sich wie eine Kerze im Wind auf, und verpuffte dann.

Dunkelheit füllte schlagartig den ganzen Raum aus. Draco schüttelte seinen Zauberstab unmotiviert.

Regulus seufzte. „Sicher, dass das nicht Absicht war?“

„Zu achtzig Prozent.“ Draco spürte ein Zucken durch Regulus‘ Schulter gehen und im nächsten Moment bekam er einen Ellenbogen zwischen die Rippen gestupst. Ein Glucksen entfuhr ihm. Er gab den Stups schärfer zurück. Regulus hustete anstatt zu lachen oder auch nur zu schnauben. Wenigstens etwas. Draco grinste darüber auf seinen Zauberstab herunter, den er in beiden Händen hielt und drehte wie damals, als er brandneu und intakt gewesen war.

„Ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass du mehr gegen deinen Zauberstab hast, als er gegen dich.“

„Na ja, ich weiß, wo derjenige, der ihn entführt hat, seinen Zauberstab hinsteckt, und so nah wollte ich dem ehrlich gesagt nie kommen.“

Stille. Nur ein Rascheln, als Regulus den Kopf drehte und ihn von der Seite anschaute. Die Dunkelheit war wieder zu fest um mehr als den groben Umriss seines Gesichts zu erkennen. Draco suchte nach dem groben Ansatz eines Lächelns. Er suchte und starrte und merkte dabei zu spät, dass er noch immer irgendwie an Regulus‘ Schulter lehnte.

Draco setzte sich auf. „Musstest du nicht irgendwo hin?“, fragte er und kratzte über das letzte Brennen an seinem linken Unterarm.

„Ja, zurück in mein Zimmer.“ Regulus rutschte von der Bettkante. Einfach so. „Wenn du irgendwas brauchst –“

„Ich hab nie irgendwas gebraucht.“

Regulus gab ein zustimmendes Geräusch von sich, das wenig glaubhaft wirkte. Seine Schritte bewegten sich in Richtung Tür und zogen seinen schattenhaften Umriss weiter weg. „Morgen besprechen wir, wie wir dich wieder nach Hause kriegen. Keine Sorge.“

„Mhm.“ Draco sagte das der Tür. Als hätte Regulus sie ihm ins Gesicht geschlagen.

Er rutschte auf die Matratze herunter und zog sich die Decke bis zum Kinn. Den Blick in Richtung Tür lauschte er konzentriert, ob Regulus wirklich in sein Zimmer zurückkehrte. Schritte oder auch nur knarrende Dielen konnte er über den krachenden Regen nicht ausmachen.

Der Dunkle Lord wartete da draußen auf seine Todesser. Ob man ihn vor zwanzig Jahren hatte warten lassen dürfen? Vielleicht musste Regulus sich auch nicht zu ihm bequemen. Draco selbst hatte dem Brennen nur selten folgen müssen. Meistens war er zu weit weg, indisponiert oder einfach unnütz gewesen. Und ehrlich gesagt hatte er keine Ahnung, wie das bei Regulus aussah.

Es hatte ihn auch nicht zu beschäftigen. Draco schloss die Augen und versuchte einzuschlafen. Nach ein paar Minuten öffnete er sie wieder. Die Dunkelheit war noch immer dicht, der Regen laut und das Haus zu ruhig. Der Grimmauld Place war bei weitem nicht so groß wie Malfoy Manor, aber die Düsternis schien dadurch nur komprimiert zu werden. Als würden die Wände sich zusammenschieben und einen erdrücken wollen.

Draco lag in einem fremden Bett, eingehüllt von fremden Düften und beobachtete den schemenhaften Lichtstrahl, der sich durch den Schlitz der Vorhänge durchgearbeitet hatte und auf die gegenüberliegende Wand geworfen wurde. Er wurde zunehmend intensiver. Ein tiefes Grau wurde heller, bekam bläuliche Schattierungen und verlief sich in gelblichen Wellen. Die Regentropfen am Fenster hinterließen unscharfe Schatten darauf, wie Tinte, die mit Wasser vermischt worden war.

Ab und zu schloss Draco die Augen und verpasste innerhalb eines Blinzelns ganze Phasen des wandelnden Lichtspektrums. Er musste in der Zwischenzeit kurz wegnicken, erlaubte sich aber nicht das zu genießen oder gar auszukosten. Die Dunkelheit behagte ihm nicht. Hier gab es zwar kein Knarzen von Dielen, keinen Wind, der durch die Gänge heulte, und doch konnte er sich nicht entspannen.

Was, wenn er aufwachte und sich dem Dunklen Lord gegenüber sah? Wenn Regulus ihn benutzte, um sich etwas Ansehen zu erschleichen? Es schien logisch. Es schien zu logisch um auf die leise Stimme zu hören, die das für absolut absurd hielt.

Draco klammerte sich unter der Decke an seinen Zauberstab. Er spürte sein Herz unruhig schlagen. Regulus‘ Blick ging ihm nicht aus dem Kopf. Zu lange, zu starr… zu interessiert. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Konnte es einfach nicht.

Draco drehte sich auf den Rücken, da hatte die Müdigkeit schon lange aufgegeben. Er war wach. Keine Schwere in den Lidern trotz sporadischen Schlafes. Und das Sonnenlicht kämpfte sich durch graue Regenwolken bis zum Fenster vor. Wenig erfolgreich, aber zumindest bemüht.

Ein Blick auf den alten Wecker warf ihm ein leuchtendes ‚Zeit zum Aufstehen‘ zu. Draco nahm sich das zu Herzen und stand auf. Er suchte sich ein paar Sachen aus Sirius Blacks Kleiderschrank heraus. Bis auf ein paar Teile in grässlichen Rottönen blieb er von einer bösen Überraschung verschont. Gute Stoffe, angenehm zu tragen, ein bisschen schlabbrig um die Schultern herum. Er verstand nicht, wieso Black das alles hiergelassen hatte. Aber er war auch ohne viele Fotos seiner Freunde abgehauen. Draco tippte auf große Eile – oder Vorsorge, falls er sich auf der Flucht vor dem Gesetz einmal hier verstecken musste. Gut, darüber konnte er irgendwie auch nicht lachen.

Frischer und angezogen machte Draco sich auf den Weg ins Erdgeschoss. Er hatte das verworrene Chaos seiner Haare in Ordnung gebracht. Schlimm genug, dass sein eigener Großvater ihn für einen blonden Weasley-Abklatsch gehalten hatte. Diesen Blick musste er hoffentlich nie wieder ertragen.

Draco stieg die letzten Stufen herunter und erstarrte.

„So, so, wen haben wir denn da?“ Der herablassende Blick, vor dem er sich gefürchtet hatte, wartete im Eingangsbereich auf ihn. Sein Großvater stand in einem Mantel mit nassen Regenflecken auf den Schultern am Ende der Treppe, als würde er auf ihn warten. Obwohl er ein halbes Stockwerk unter Draco stand schien er auf ihn herab zu blicken.

Draco reckte sein Kinn; ein schwacher Ausgleich. Er klammerte sich mit einer Hand ans Treppengeländer. „Regulus ist –“

„Dir auch einen guten Morgen“, unterbrach Abraxas ihn scharf und mit einem kalten Lächeln. „Der junge Regulus hat mich hereingelassen und besorgt mir nur schnell ein paar Dokumente. Früh fängt sich der Wurm, nicht wahr?“

Draco schaute auf die alte Standuhr, die neben dem Trollfuß-Schirmständer tickte. Mittag war weiter entfernt als der Sonnenaufgang. „Sie wollen mir hoffentlich nicht unterstellen, dass ich bis in die Puppen schlafe… Sir.“

„Das, mein Junge, ist deine ganz eigene Interpretation. Darüber würde ich mir allerdings Gedanken machen“, sagte Abraxas, noch immer in einem Tonfall, als würden sie ein angenehmes Pläuschchen halten.

„Nun, dann gehe ich doch mal in Ruhe nachdenken“, sagte Draco steif. Er stieg die letzten Stufen herunter. Abraxas trat keinen Schritt zur Seite. Draco drängte sich an ihm vorbei und machte zwei weitere Schritte, bevor er an der Armbeuge gepackt wurde. Abraxas zog ihn bestimmend zurück. Sein Blick war schärfer als sein Tonfall und bohrte sich in Dracos Augen.

„Du kommst mir ungeheuerlich bekannt vor“, murmelte er mit einer Spur Unsicherheit, die Draco auf einen hoffentlich klaren Verstand schob, der jegliche Verwandtschaft zwischen ihnen absurd strafte. „Wirklich frischer als gestern siehst du nicht aus. Eine lange Nacht gehabt?“

Draco zog eine Augenbraue hoch. „Verzeihung?“

„Stellen wir uns dumm, ja? Denkst du, ich kann eins und eins nicht zusammenzählen?“

Draco legte passend zur Augenbraue den Kopf schief. Er spielte seine Verwirrung nicht. Anscheinend konnte er eins und eins nicht zusammenzählen.

„Zwei Jungen. Ein dunkler, ungestörter Ort. Zerwühltes Haar und Kleidung. Schlechte Ausreden.“ Abraxas erklärte den Rest mit seinem angewidert verzogenen Mundwinkeln. „Natürlich stellt man sich da dumm, nicht wahr? Aber damit das funktioniert hätte ich dich nicht so früh morgens in diesem Haus antreffen dürfen.“

Draco blinzelte. Gerade hoffte er sehr darauf, dass er seinen Großvater falsch verstanden hatte.

„Regulus ist ein Junge mit Zukunft“, sagte Abraxas. „Er hat viel Potential, und ein schmarotzender Niemand wie du tut gut daran sich nicht an zu viel Licht zu gewöhnen, bevor er in die Schatten zurückkriecht, wo er hergekommen ist. Verstanden?“

Draco griff nach der Hand seines Großvaters, die sich fester um seinen Arm geschlossen hatte, und löste sie mit bemüht ruhigen Fingern. „Ich werde es mir zu Herzen nehmen.“ Er schaffte es nicht sich ein falschen Lächeln abzuringen.

„Sir, ich habe gefunden, was Sie – oh.“

Draco drehte sich nach rechts. Regulus kam aus dem vermutlichen Wohnzimmer. Auch in seiner Alltagskleidung wirkte er irgendwie steif. Als würde der Kragen seines Hemdes ihn zu erwürgen versuchen. Das halbe Lächeln, das er für Abraxas übrig hatte, war so offensichtlich unehrlich, dass er es sich auch hätte sparen können. In der Hand hatte er eine mit Wachs versiegelte Pergamentrolle.“

„Sie erinnern sich noch an Ihre Gäste, Mr. Malfoy?“, fragte er anscheinend um einen Scherz bemüht und reichte das Pergament an Abraxas weiter.

„In der Tat“, sagte Abraxas. Sein bohrender Blick blieb wie fixiert auf Draco. Er seufzte und wandte sich Regulus zu. Die Pergamentrolle schob er in die Innentasche seines Umhangs. „Ich hoffe sehr, dass dein Vater sich demnächst wieder selbst um seine Geschäfte kümmert.“

„Ich hoffe, ich enttäusche Sie nicht als Ersatz.“

„Nicht im Geringsten“, sagte Abraxas sofort. „Allerdings ist er nun schon eine Weile fort. Der richtige Anlass wird ihn schon aus seinem Versteck locken. Zu den Feierlichkeiten nächstes Wochenende darf ich dich mit deinen Eltern erwarten, oder nicht?“

„Sir, es tut mir sehr leid, aber meine Eltern sind erst in höchstens zwei Wochen zurück“, sagte Regulus. Er sah nicht aus, als würde es ihm leidtun. Abraxas dagegen schon. „Vater hat die Reise nach Florenz schon lange geplant. Ich bin sicher, wenn es ihm möglich gewesen wäre –“

„Schon gut.“ Abraxas fing die Entschuldigung mit einer legeren Handbewegung ab. „Orion hat sich stets darauf verstanden sich zu drücken. Wir sehen uns aber, Regulus?“

Regulus nickte. „Wir sehen uns.“ Er legte eine deutliche Betonung auf das ‚wir‘, die Abraxas zu überhören schien. Zum Abschied schüttelte er Regulus‘ Hand, drückte sogar freundlich seine Schulter, und speiste Draco mit einem Nicken ab.

Bis in die Schultern verspannt verharrte Draco, bis die Tür ins Schloss fiel. Er sackte mit einem Seufzen gegen das Geländer. Regulus blieb starr wie eine Statue.

„Entschuldige, Draco. Er ist sehr plötzlich vorbeigekommen. Ich hab Kreacher nach oben geschickt, um dich vorzuwarnen.“ Er schaute Draco sehr genau ins Gesicht, zwar nicht direkt in die Augen, aber ohne das Gefühl zu erzeugen, er würde ihn abwertend mustern. „Du siehst… blass aus. Für deine Verhältnisse.“

„Warum wohl?“, antwortete Draco. „Er hat mit mir geredet, als wäre ich Dreck unter seinen Fingernägeln. Als wäre ich ein kompletter Versager.“

„Na ja, du kannst nicht einmal einen Lumos.“

Draco verengte die Augen. Er schoss den scharfen Blick seines Großvaters zu Regulus. „Du kannst nicht einmal deinen Hauselfen kontrollieren. Das kriegt sogar ein Squib besser hin.“ Während Regulus noch zu überlegen schien, ob er sich angegriffen fühlen sollte oder doch nur, was er zum Frühstück haben wollte, setzte Draco sich auf die unterste Treppenstufe. Er seufzte. „Ich dachte einfach nicht… dass er mich so wenig leiden könnte, wenn ihn niemand dazu zwingt.“

Und er wusste auch nicht, warum er das Regulus erzählte. Der drängte sich doch nur so auf, weil er irgendetwas davon hatte. Irgendetwas musste er vorhaben. Und sei es nur, dass er Draco brauchte um zu finden, was immer er aus der Vorratskammer in Malfoy Manor haben wollte. Damit könnte er besser umgehen, als mit purer, verwirrender Nächstenliebe.

„Weißt du…“ Regulus setzte sich neben ihn auf die Stufe. „Er kennt dich nicht. Ihr habt euch insgesamt vielleicht eine Viertelstunde miteinander auseinandergesetzt.“

„Super. Ich lad ihn zum Tee ein, dann hat er eine ganze Stunde mich zu verabscheuen.“

„Blut ändert rein gar nichts daran, ob man sich leiden kann“, sagte Regulus. „Es kann dich nicht zwingen jemanden zu mögen, und es hält dich erst recht nicht davon ab zu hassen. Das ist alles rein subjektiv.“

Draco dachte daran zurück, wessen Zimmer er gerade verlassen hatte. Das eines Kerls, der sich niemandem aus seiner Familie irgendwie verpflichtet gefühlt hatte. Wahrscheinlich wusste Regulus, wovon er sprach.

„Was auch immer eure Beziehung war, da wo du hergekommen bist, wenn er dich hier wirklich verabscheut, hat er es hinter dem Spiegel sicher auch getan.“

Draco knüllte sein aufkeimendes Mitleid wie ein Pergament zusammen und warf es ganz weit weg. Er schaute Regulus an und grinste. „Das war verdammt unsensibel.“

Regulus legte den Kopf schief. „Ich bin nur ehrlich.“

Draco schüttelte den Kopf. Er lehnte sich an Regulus heran, der mit dem Oberkörper vor ihm zurückwich. Seine Augen folgten Dracos Zeigefinger, der sich mit Schwung in seine Brust drückte.

„Obendrauf“, sagte Draco, „denkt er, wir hätten was laufen.“

Regulus zog den Blick von Dracos Finger, hob das Kinn und schaute ihn direkt an. Der üblichen Gleichgültigkeit seines Gesichts fehlte etwas. Etwas, das Draco nicht einordnen konnte.

Draco schob den Rest seiner Finger nach, legte alle fünf flach auf Regulus‘ Brust. Er tätschelte sein Brustbein, locker, vielleicht zu freundschaftlich. „Was hältst du davon?“

Regulus zuckte die Achseln. „Dann wundert er sich wenigstens nicht darüber, dass ich dich nächstes Wochenende mitbringe.“

Dracos Hand blieb flach liegen. Er hatte nicht erwartet, dass Regulus wirklich alles egal war. „Ernsthaft?“

Regulus ließ seinen Blick erneut über Draco wandern, als würde er abmessen, wie viel Vertrauen er ihm entgegenbringen konnte. „Ich könnte es schlechter treffen.“

Draco musste grinsen, ganz unfreiwillig. „Wenn du deinen Ruf unbedingt in die Tonne treten willst… könntest du auch Hagrid mitnehmen.“

Regulus‘ Blick schweifte nach oben ab, als würde er sich das zu genau vorstellen, kehrte aber schnell zurück zu Draco. Vielleicht war es die wirklich grausige Vorstellung vom riesenhaften Wildhüter in seinem Maulwurfswellumhang, aber irgendetwas brachte ein paar Flecken Farbe auf Regulus‘ Wangen. „Dann haben wir ein Date?“, fragte er.

Draco prustete. Er schüttelte wieder den Kopf und schlug die Hand sanft gegen Regulus‘ Brust, bevor er sie zurück in seinen Schoß zog. Das letzte Mal hatte ihn jemand sowas gefragt, als der bescheuerte Zaubereiminister ihn gebeten hatte das nächste Mal Tee im Tropfenden Kessel zu trinken. Shacklebolt hatte das genauso wenig ernst gemeint wie Regulus.

„Mein Ruf kann mir ja egal sein“, sagte Draco. „Mich kennt hier niemand.“

Etwas zuckte über Regulus‘ Lippen bis hoch in seine Mundwinkel, schnell und leuchtend wie ein Blitz. Bevor Draco einen genauen Blick darauf werfen konnte, stand Regulus auf und entkam seinem Blickfeld.

„Gehen wir frühstücken“, sagte Regulus, als würde er Draco keine Wahl lassen.

„Wenn du mir verrätst, was du überhaupt in der Vorratskammer suchst“, ließ Draco ihm erst recht keine Wahl.

Regulus schaute auf ihn herunter und streckte die Hand aus. Draco half sich selbst hoch. Eine Stufe über Regulus stehend nahm er es sich heraus streng auf ihn herunterzuschauen.

„Du brauchst meine Hilfe um es zu finden, weil ich mich dort… verdammt gut auskenne“, sagte Draco. „Gib’s ruhig zu.“

„Bietest du mir gerade deine Hilfe an?“, fragte Regulus.

Draco schnaubte. „Bitte, darauf läuft dieses ganze Theater doch hinaus.“ Sonst wäre er schon lange ein Geschenk für den Dunklen Lord oder wäre den Unsäglichen als Forschungskaninchen ausgeliefert worden. Solange Regulus ihn für nützlich hielt, würde er vielleicht heil aus dieser Sache herauskommen. Und zurück zu Hause würde ihn nie wieder ein schmerzendes Brennen aus dem Schlaf reißen.

„Theater?“

„Ich will nur, dass wir quitt sind.“

Regulus zuckte die Schultern. „Okay, wir haben mehr als ein Frühstück um das zu besprechen.“

„Dann haben wir ein Date.“ Draco folgte ihm in die Küche. Mit wesentlich leichteren Schritten. Damit konnte er umgehen.


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