von Winkelgassler
Ein Blick nach links.
Niemand.
Ein Blick nach rechts.
Leere.
Ein Blick auf die Uhr.
Viertel nach sieben. Stockfinster. Um diese Zeit war grundsätzlich eh kaum jemand unterwegs, zumindest an einem Samstagmorgen wie dem heutigen. Die beiden jungen Damen in den knitterigen Kleidern das Vorabends blickten noch einmal kurz zurück zu ihm in die Wohnung, mit einem verschmitzten, verschwörerischen Lächeln, und dann machten sie sich kichernd auf dem schnellsten Weg auf zu den fernen Räumlichkeiten ihrer Häuser. Natalie hoch in ihren Turm, Gwendolyn in Richtung der Schulküche.
Was sie ihren Klassenkameradinnen wohl von dieser kurzen Nacht erzählen werden? Ihren beiden Schlafsälen wird es nicht entgangen sein, dass jeweils eines der Betten heute Nacht kalt geblieben war. Ganz im Gegensatz zu seinem eigenen, hier hinter ihm in seinem Zimmer. Ein Glück, dass dieser ehemalige Flügel der Schulräte, wo nun seine Wohnung, sein Büro und das Klassenzimmer in Kriechreichweite zueinander lagen, so weit ab von allen anderen bewohnten Bereichen der Schule war. So kann man durchaus mal etwas.. Lärm machen. Und der Lautstärke nach zu urteilen hatte den beiden Ladys die letzte Nacht eindeutig gefallen.
Ganz leise meldete sich ein bisschen schlechtes Gewissen dazu, doch jenes ist schnell überstimmt. Die beiden waren volljährig, die Initiative ging von ihnen aus, als sie sich am Vorabend in den Drei Besen zu ihm und seinem Cocktail an den Tisch setzten, und schließlich war er immer noch ein Mann im besten, fruchtbarsten Alter. Der Eintritt in den Lehrdienst muss nicht mit einem Zölibat einhergehen, auch wenn ihm dies während der eigenen Schulzeit durchaus noch so vorgekommen war.
Wie würde die sehr geehrte Schulleiterin wohl reagieren, wenn sie Wind davon bekäme, dass ihr neuer Lehrer nach nicht einmal zwei Monaten schon mit zwei seiner Schülerinnen eine heiße Nacht verbracht hat, inklusiver mündlicher Prüfung? …oder wäre sie vielleicht sogar neidisch? Wer weiß das schon.
Ehe das seltsame Kopfkino einer nackt posierenden Minerva in seinem Kopf Überhand nahm legte Mourecé eine seiner Lieblingsplatten auf den Plattenteller, The Chronic von Dr Dre, Geschenk eines guten Muggelfreundes aus Gibraltar, machte sich ein Pfeifchen an und setzte sich ausschließlich mit Brille und pinkem Bademantel behangen an den mächtigen Schreibtisch.
Dann warf er einen ersten Blick in das gestern angekommene Probeexemplar von Historie der magischen Neuzeit, Band II von Professor Gernhardt Rainluntzen, noch bevor er sich gemächlich für das Frühstück machte fertig. Schließlich konnten sie nicht auf ewig mit Zeitungen als Quellen arbeiten.
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