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Fanfiction

The Flaw of Perfection - Absprung

von Dr. S

Der Gemeinschaftsraum der Gryffindors war gefüllt mit dröhnender Musik und lautem Lachen. Menschen redeten durcheinander und manchmal sogar miteinander. Butterbier und Süßigkeiten und Knabberzeug im Überfluss stopften anderen wiederum das Maul. Die Siegesfeier dauerte bereits seit dem Ende des Spiels an.

Das Mittagessen hatte niemand geschafft und für das Abendessen sah es auch schlecht aus. Neville hatte schon angedroht, dass sie irgendwann ins Bett gehen müssten, immerhin sei morgen Unterricht. In ein paar Stunden würde er sich allerdings wieder weichklopfen lassen.

James hatte das Gefühl jeden Einfluss auf seine Bewegungen schon lange verloren zu haben. Er wurde von einem Grüppchen zum nächsten gestoßen und hörte sich die immer gleichen Geschichten an. Meistens über das heutige Spiel, ab und zu auch über die Spiele der vergangenen Saison, und sehr oft löcherte man ihn auch mit Fragen, ob er es ernst meinte nicht nach Australien zu gehen.

Er meinte es ernst. Und sobald er eine Gelegenheit hatte hier rauszukommen, würde er Scorpius suchen und es ihm sagen.

James hatte diverse Male versucht durch das Portraitloch zu kommen, daran lag es nicht. Wenn er es überhaupt bis zur Fetten Dame schaffte, stieß ihn irgendein Schüler aus dem Durchgang wieder zurück in den Gemeinschaftsraum. Dann umringten ihn plötzlich noch mehr Menschen, mit denen er bis heute noch kein Wort gewechselt hatte.

„Jamie, hey.“ Fred rettete ihn beim Büffet vor den Griffeln einer Gruppe Fünftklässlerinnen, die wie ausgehungerte Hyänen um ihn herumgetigert waren. Er drückte ihm ein Butterbier in die Hand zwinkerte. „Einmal darfst du dir das doch erlauben, oder? Ist doch ein besonderer Tag.“

James öffnete die Flasche, trank aber keinen Schluck.

Fred reichte das anscheinend schon. „Das mit Australien… Ist das dein Ernst?“

James nickte.

„Wow…“ Fred stürzte einen großen Schluck Butterbier herunter. Er zwang ihn hörbar seine Kehle herunter. „Bis gestern klang es noch so, als würdest du alles für Australien tun. Ich meine… wirklich alles. Hast du ein besseres Angebot?“

James wiegte den Kopf von einer Seite auf die andere.

Fred grinste, wie nach einem zu großen Schluck Euphorie, und verlor das auch nicht, als er versuchte die Stirn zu runzeln. „Ist das Angebot blond und ein bisschen hochmütig?“

„Louis?“

Fred stieß ihm schnaubend zwischen die Rippen. „Bisschen blonder.“

James biss sich auf die Wangeninnenseite, um das Lächeln zu unterdrücken. Er brachte die Wunde von heute Morgen wieder zum Brennen, wo er sich hineingebissen hatte, als Scorpius ihn erschreckt hatte.

„Seid ihr zwei denn wieder…“ Fred hob beide Hände, als würde er sich selbst unterbrechen. „Dann wärst du sicher nicht hier, was?“

„Ich hab schlecht eine andere Wahl. Aus Askaban bricht es sich leichter aus“, sagte James und linste auffällig nach links, wo die Fünftklässlerinnen sich wie auf Kommando umdrehten und aus dem Fenster starrten, dabei kicherten wie Kobolde vor einem Goldhaufen. Von der anderen Seite pirschten sich drei Drittklässler heran, die ihn fast so ehrfürchtig anstarrten, wie sie seine Schwester angeschmachtet hatten. Fred schreckte bis jetzt alle erfolgreich ab, aber mit jeder Sekunde schien das abzunehmen.

„Wenn du freie Bahn hättest, rein hypothetisch“, schlug Fred vor, „was würdest du dann jetzt machen?“

James seufzte. „Was denkst du, Fred? Und sobald das hier abschwächt, bin ich weg.“

Fred erlaubte sich ein schweres Seufzen. Er nahm das unangetastete Butterbier aus James‘ Hand und stellte es auf dem Tisch hinter ihnen ab. „Erinnerst du dich an das letzte Mal, als wir den Pokal gewonnen haben?“

„Jaah.“ Die Siegesfeier hatte sich erst in den frühen Morgenstunden aufgelöst. Neville hatte versucht sie früher ins Bett zu schicken, aber gegen den Krach war er nicht angekommen und hatte aufgegeben. Am nächsten Tag hatte sie teils todmüde, teils verkatert erst zum Mittagessen in die Große Halle gefunden.

„Was du brauchst“, sagte Fred, „ist eine Ablenkung.“

James runzelte die Stirn. „Was hast du vor, Fred?“

„Das willst du nicht wissen, James.“ Fred trat einen Schritt zurück, die Miene ernst versteinert. Er griff den Saum seines T-Shirts, bereit es hochzuziehen. „Aber keiner wird in deine Richtung schauen und du kannst getrost verschwinden.“

James schirmte seinen Blick ab. Er schüttelte den Kopf. „Nicht schon wieder, Fred. Mach das nicht.“ Aber da hörte er schon das Kreischen eines Mädchens und eine Sekunde später Pfiffe und Anfeuerungsrufe. James schaute zwischen Zeige- und Mittelfinger durch und sah nur eine Sechstklässlerin, die teils angewidert, teils amüsiert Freds T-Shirt in den Händen hielt. Freds Prophezeiung hatte sich bewahrheitet: alle starrten ihn an.

James schüttelte weiter den Kopf, drehte sich um und ging schnurstracks aufs Portraitloch zu. Keiner hielt ihn auf. James stieg heraus in den Korridor und sperrte das Lachen und Entsetzen gleichermaßen ein. Hier draußen war es ruhiger, aber nicht viel einsamer. Die Fensterbänke und Ecken waren besetzt von Schülern, oft Pärchen, die zum Glück zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, um ihm mehr als Glückwünsche zuzurufen.

James schaffte es ohne große Probleme bis zur Großen Treppe. Dann stand er vor einem anderen Problem, als einem gut gefüllten Gemeinschaftsraum. Das Schloss war riesig und er hatte keine Ahnung, wo Scorpius sein könnte.

Das letzte Mal hatte er ihn gesehen, als er Hastings zusammen mit Louis zurück ins Schloss geschleppt hatte. Wahrscheinlich lag Kapitän Arschgesicht jetzt im Krankenflügel und schmollte.

James schaute auf seine Uhr. Bis zum Abendessen war noch Zeit und irgendwo musste er anfangen.

Der Weg in den vierten Stock wies weitaus weniger Schüler auf, die ihn ansprechen wollten. Eher mehr von denen, die ihm grimmig hinterherschauten. James kam schneller voran und stand schon ein paar Minuten, obwohl etwas außer Atem, vor dem Krankenflügel. Die Wahrscheinlichkeit, dass Scorpius stundenlang bei Hastings hockte, war verschwindend gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass Hastings ihm sagen würde, wo Scorpius hin war, schien noch geringer.

Ein einziges Bett war belegt, versteckt hinter einem Vorhang. Die Krankenschwester war nicht zu sehen. James wagte also ungefragt einen Blick hinter den Vorhang. An Hastings‘ Bett fand er zwar etwas Blondes, aber es war zum Glück nicht Scorpius. Louis saß an der Bettkante. Er bemerkte James erst auf den zweiten Blick. Als hätte er sich an seinem Stuhl verbrannt fuhr er hoch. Er ließ etwas los, das gut möglich Hastings‘ Hand gewesen sein konnte, denn die fiel in einer unbequemen Position zurück auf die Matratze.

„Au“, murmelte Hastings dumpf. Er hatte das Gesicht in seinem Kissen vergraben, als wolle er sich selbst ersticken. „Nicht mal das kannst du vernünftig…“

James hob beide Augenbrauen. „Sorry, ich wollte nicht stören“, sagte er und machte kehrt.

„Warte, James.“ Louis lief ihm bis in den Korridor nach. Er schlitterte ihm in den Weg. „Das ist nicht, wonach es aussieht.“

James gluckste. „Da oben läuft eine super Party, und du sitzt über fünf Stunden bei Kapitän Arschgesicht rum. Die Ausrede will ich hören.“

Louis stellte sich seinem Blick, als wäre die Sache ihm nicht unangenehm genug, dass er einen Rotschimmer zu überspielen hatte. „Da oben läuft noch eine Party? Das heißt, du hast noch niemandem gesagt, dass das nicht du auf dem Besen warst?“

„Gut kombiniert, Sherlock.“

„Heißt das, du wartest nur auf den richtigen Zeitpunkt, oder –“

„Wartest du auf den richtigen Zeitpunkt, oder sagst du mir gleich, was hier los ist?“, fuhr James dazwischen. „Ich weiß ja nicht, ob du mich wirklich für bescheuert hältst, aber besonders unauffällig ist diese Geschichte schon eine Weile nicht mehr.“

„Welche Geschichte?“ Louis stellte sich tatsächlich dumm, was James genervt schnauben ließ. Als wären nächtliche Zufallsbegegnungen nicht auffällig, als würde ein Lachen an der falschen Stelle ihn nicht verraten, als wäre die Sorgenfalte zwischen seinen Brauen nicht noch immer sichtbar.

„Wusstest du davon?“, fragte James. „Wusstest du, was er vorhatte?“

Louis schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. Die leichte Empörung in seiner Stimme wurde deutlich davon überschattet, wie unangenehm ihm war, was er gleichzeitig damit zugeben musste. „Denkst du ernsthaft, ich würde dich so im Stich lassen? Er hat… Er hat versprochen, dass er nichts Dummes tun würde.“

„Also hat er dir verraten, dass er was vorhatte?“, fragte James.

„Nein“, sagte Louis wieder, vehementer. „Er hat nur gesagt, dass du den Pokal nicht kriegst.“

„Da scheint er sich ziemlich tief geschnitten zu haben, nicht wahr?“

„Ich weiß, dass er ein elender Mistkerl ist, aber er hat nicht verdient dafür von der Schule zu fliegen.“

James hätte Louis noch ein bisschen weiter quälen können, aber davon hatte er nicht viel. Er klopfte Louis auf die Schulter, bevor sie zu hängen anfing. „Ich verpfeif ihn nicht. Auch wenn er es verdient hätte. Es wurmt ihn wahrscheinlich noch mehr, dass wir den Pokal haben, obwohl er dabei war.“

Louis schien verunsichert, aber gleichzeitig sichtlich erleichtert. Er bekam etwas Farbe zurück ins Gesicht, die er auch verloren hatte, als Hastings dabei gewesen war auszubluten. „So schlimm ist er eigentlich gar nicht“, sagte er leise, als würde er sich nicht wirklich trauen das auszusprechen. „Er kann ziemlich witzig sein… und clever… und schlecht sieht er auch nicht aus.“

James verdrehte die Augen, bis er das Gefühl hatte, sie würden bis nach hinten in seinen Kopf rollen. „In ein paar Wochen kann ich vielleicht auch darüber lachen, dass er mich in ein Loch gestoßen und mir eine überdimensionale Kleintiertrinkflasche zum Überleben dagelassen hat.“

Louis wagte es mit den Mundwinkeln zu zucken. Er rieb sich den Ansatz von Lächeln weg.

„Er ist ein Arsch, Louis“, sagte James. Ein letzter Versuch, das noch einmal klarzustellen. „Ein hinterhältiger, betrügerischer, verlogener, rücksichtsloser Mistkerl. Gib mir eine Sekunde und mir fällt noch mehr ein.“ Louis gab ihm tatsächlich die Sekunde ohne zu widersprechen. James seufzte. „Ich wette den Pokal darauf, dass er dich verletzen wird.“

„Dafür bräuchte ich erstmal ein Herz, nicht wahr?“, gab Louis zurück, diesmal ohne sich sein Lächeln zu verkneifen.

James sagte ihm nicht, dass es eine Menge Herz brauchte, um sich so für einen undankbaren Bastard einzusetzen. „Wie geht’s ihm eigentlich?“

„Er wird’s überleben“, sagte Louis. „Sein Ego wohl eher nicht.“

„Ich glaub, das lässt sich leicht wieder aufbauen.“

Louis schmunzelte und hob eine Schulter, als wäre er sich da wirklich nicht sicher. Vielleicht wollte er auch nicht darüber sprechen. Er mochte es lieber, wenn er anderen sagen konnte, was sie tun sollten. Wahrscheinlich wusste er auch selbst, was für eine dumme Idee das war.

„Du bist wegen Scorpius hier runtergekommen?“, fragte Louis.

James hätte fast gelacht. „Ich suche ihn, ja. Dachte, Kapitän Arschgesicht könnte mir sagen, wo er hin ist.“

„Seid ihr zwei wieder…“ Louis schnitt sich selbst das Wort ab. „Er war nicht besonders gut drauf. Für seine Verhältnisse… Er grinst immer, aber dahinter schien es ganz schön zu brodeln.“

James runzelte die Stirn. Jeder Anflug von Lachen verflog aus seinem Magen und ließ ein verknotetes Chaos zurück.

„Er hat gesagt, er würde frische Luft schnappen gehen. Ich kann dir suchen helfen, wenn du –“

„Schon gut“, winkte James ab. „Ich weiß, wo er ist.“

Jedenfalls glaubte er das zu wissen. Er verabschiedete sich von Louis und ließ ihn mit seiner dummen Idee alleine. So schnell er konnte lief er zur Großen Treppe zurück und spurtete sie herunter. In seiner Eile übersah er eine Trickstufe, die sein Bein bis zum Knie in ihren Schlund herunterzog. Er musste sich am Geländer wieder herausziehen, und das alles unter den amüsierten Blicken ein paar Ravenclaws, die ihre Niederlage durch diesen Anblick besser verdauen konnten.

James lief weiter bis auf die Ländereien. Die Nachmittagssonne kroch golden zwischen den bauschigen Schafswolken hindurch, anscheinend bereits auf dem Weg hinter den Horizont. James musste sich die Augen gegen einen fiesen Sonnenstrahl von links abschirmen. Er scannte die Ländereien.

Das schöne Wetter schien nur wenige nach draußen zu locken. Die Ravenclaws schienen sich verständlicherweise erst einmal zu verkriechen, die Hufflepuffs waren über ihre Demütigung noch nicht hinweg, die Gryffindors feierten so laut, dass man glaubte sie bis hier unten zu hören, und die Slytherins mochten kalte, dunkle Orten eben lieber.

James entdeckte Hagrid vor seiner Hütte. Er war dabei Krähen von der Vogelscheuche in seinem Kürbisfeld zu scheuchen. Der Welpe, der nicht mehr wirklich als Welpe durchging, hüpfte kläffend um seine Füße herum und schnappte nach den Krähen. James lief an ihnen vorbei in Richtung See. Am Ufer blieb er stehen.

Etwa zwanzig Meter entfernt auf der Mitte des Sees trieb das Ruderboot, nach welchem er gesucht hatte. Scorpius‘ hellblonder Haarschopf blitzte golden im Sonnenlicht.

„Scorp?“ James formte einen Trichter um seinen Mund, der seine Stimme wie einen Pfeil über den See schickte. „Scorpius?!“

Alles, was er damit erreichte war, dass Scorpius die Ruder wieder in die Hand nahm. Er drehte sich nicht um, zuckte nicht einmal in James‘ Richtung und schien ihn nicht bemerkt zu haben. Mit harten Zügen paddelte er weiter weg.

James machte einen Schritt vor und trat ins Wasser. Er fluchte und schüttelte die Nässe von seinem Hosenbein.

Am Ufer entlang lief er in Richtung Bootshaus. Scorpius war in seinem Boot nicht viel schneller, aber er hatte einen enormen Vorsprung. Als James das Bootshaus erreichte, verschwand er gerade hinter der Klippe, die das Fundament und eine Stütze des Schlosses bildete.

Er könnte sich sein eigenes Boot holen und Scorpius abfangen, auch wenn das gehörig Zeit kostete, und noch länger würde es dauern im Bootshaus auf ihn zu warten. James wollte nicht warten. Er wollte mit Scorpius reden und ihm sagen, dass es keinen Grund gab Aggressionen abzubauen. Wo auch immer die herkamen.

James rannte am Bootshaus vorbei und die Klippen hoch. Der Weg bog sich an ihnen herum hoch zum hinteren Teil des Schlosses. Jeder Schritt brachte ihn höher. Fünfzehn Meter, zwanzig. Er lief dicht am Klippenrand, um Scorpius nicht aus den Augen zu verlieren. Aber je näher er ihm kam, desto weiter entfernte er sich gleichzeitig.

James stoppte abrupt, kickte ein paar Kieselsteine über den Rand. „Scorpius“, rief er, laut genug, dass seine Stimme über die Ländereien hallte. Scorpius stockte nicht einmal.

James schaute über den Klippenrand. Die dunkle Wasseroberfläche wellte sich sanft gegen den steinernen Abhang der Klippe. James setzte einen Schritt zurück, nahm Anlauf und sprang.

Er hasste es zu fallen. Er hasste nichts auf dieser Welt mehr als das unkontrollierbare Gefühl zu fallen, die Angst vor dem Aufprall, dem unvermeidlich damit einhergehendem Schmerz. Als er durch die Wasseroberfläche schlug wurde all das auf einmal weggespült.

Nach Luft schnappend tauchte er auf. Desorientiert und mit verschwommenem Blick. Er wischte sich Wasser von Stirn und Augen. In seinem Blickfeld tauchte ein Ruder auf. Das Paddel schob sich gegen seine Wange, stupste seinen Kopf sanft herum.

„Bist du wahnsinnig?“ Scorpius beugte sich über den Rand des Bootes. Er zog das Ruder wieder ein. Sein Gesicht wirkte blasser als sonst. Die roten Ränder um seine Augen waren immer noch da. Er seufzte, als wolle er gar keine Antwort auf seine Frage.

„Es war der schnellste Weg nach unten“, sagte James und hängte sich grinsend an den Bootsrand. Ein paar Stunden und Scorpius hatte ihm so sehr gefehlt, dass er seinen Klippensprung für die beste Idee seit Kesselkuchen hielt. „Ich brauchte doch einen dramatischen Auftritt, damit du einen Grund hast mich aus dem Wasser zu fischen.“

Scorpius verschränkte die Arme auf dem Bootsrand, gleich zwischen James‘ Händen. „Wer sagt, dass ich dich aus dem Wasser fische?“

James biss sich auf die Unterlippe. Sein Grinsen blieb. Scorpius sah aus als würde er sich gegen sein eigenes Lächeln wehren. Am Ende packte er James am Arm und half ihm ins Boot zu klettern.

James plumpste auf die Sitzbank neben Scorpius. Er wrang den unteren Teil seines Hemdes aus. Eine kleine Pfütze bildete sich zwischen seinen Schuhen. James fuhr sich mit beiden Händen durch die pitschnassen Haare.

„Wow“, sagte Scorpius. „Du bist echt nass.“

James gab ihm einen Stups zwischen die Rippen. Sein Lächeln wurde endlich erwidert, etwas verschmitzter um die Mundwinkel herum. Er hob die nassen Finger an Scorpius‘ Wange, folgte einem leicht rosa Schimmer der Linie des Wangenknochens herunter.

„Was machst du hier?“, fragte er.

„Ein Bekannter von mir hat behauptet, das hier sei eine gute Aggressionsbewältigungsmethode“, sagte Scorpius. Seine Stimme geriet ins Wanken, wie ein dünner Ast im stürmischen Herbstwind. „Er hat sich wohl geirrt. Lenkt nicht besonders gut ab.“

James drehte sich soweit er auf der schmalen Bank konnte zu Scorpius herum. Er ließ seine Hand auf Scorpius‘ Hals liegen. „Wovon willst du dich ablenken?“

Scorpius fasste James‘ Hand und zog sie aus seinem Nacken. „Ich hab gehört, dass ihr den Pokal bekommen habt.“

„Gratulier mir bitte nicht.“

„Hatte ich nicht vor.“ Scorpius zog seine Hände einsam zurück in seinen Schoß. „Hastings war… tiefer als am Boden zerstört. Hast du dir schon dein Wiederholungsspiel geholt?“

„Und die Party da oben kaputt machen?“ James schüttelte den Kopf.

Scorpius schien nicht verwirrt, nur die roten Äderchen auf dem Weiß seiner Augen schienen deutlicher zu werden. „Du lässt ihn damit durchkommen?“

„Ich lasse mein Team damit durchkommen. Es wäre brutal ihnen den Pokal wegzunehmen. Findest du nicht?“

„Warum bist du dann nicht oben und feierst mit ihnen?“, fragte Scorpius.

„Ich hab nichts gemacht“, sagte James. „Soll ich feiern, dass ich sie trainiert habe? Scorp, was ist los? Ich dachte, dass wir –“

„Hier.“ Scorpius griff in seine Hemdtasche. Er zog ein sehr zerknittertes, mehrmals gefaltetes Pergament heraus und hielt es James hin. Es war der Brief der Thunderers. „Den hätte ich dir früher zurückgeben sollen. Du brauchst ihn bestimmt.“

„Nicht wirklich.“ James machte keine Anstalten den Brief zu nehmen.

„Und da verflüchtigen sich meine Hoffnungen, du würdest mich ansprechen, um ihn wiederzubekommen“, sagte Scorpius, zog James an seinem Hemd näher und stopfte ihm den Brief in die Tasche. Er klopfte auf die ausgebeulte Stelle, die das Pergament versteckte. „Dein Hemd behalte ich, da schläft es sich gut drin.“

Schnaubend zog James den Brief wieder hervor. Feuchtigkeit wellte die Ecken. Er wedelte damit vor Scorpius‘ Nase herum. „Ich will den nicht. Hast du alles vergessen, was ich vorhin gesagt habe?“

Scorpius zog den Kopf zur Seite, schob James‘ Hand mit dem Pergament von sich weg. „Das war bevor ihr den Pokal hattet. Wir wissen beide, wie das jetzt abläuft.“

„Nein, ehrlich gesagt weiß ich nicht, was du meinst.“

Scorpius blinzelte schnell hintereinander. „Du warst ein bisschen frustriert, immerhin hast du in einem Loch festgesteckt, aber jetzt habt ihr gewonnen, alle überschütten dich mit Anerkennung und Lob, und eine Nacht später kommst du wieder darauf, dass Quidditch wohl doch das ist, was du tun musst.“

„Scorp –“

„Und ich Dummkopf hab ein paar Minuten lang geglaubt, dass wir wieder eine Chance bekommen.“

„Scorpius, hey.“

Scorpius schaute ihn an. Über seine geröteten Augen hatte sich ein wässriger Film gelegt, der sich in den Winkeln zu Tropfen sammelte und James die Sprache verschlag. Er tat das Erstbeste, das ihm in den Sinn kam. So wie die Klippe herunterzuspringen.

James warf den Brief ins Wasser.

Scorpius‘ Kopf ruckte herum. Er beugte sich über den Rand des Boots und schaute dem Pergament nach, wie es sich mit Wasser vollsog und schwer heruntersank. Das gelbliche Pergament verschwand in den dunklen Tiefen des Sees.

Scorpius drehte sich zurück zu James. Sein Mund stand offen.

James klappte ihn mit zwei Fingern unter Scorpius‘ Kinn wieder zu. „Ich hab meine Meinung nicht geändert. Was ich vorhin gesagt habe, meine ich immer noch so. Seit ich es ausgesprochen habe… fühlt sich alles besser an. Da fehlt nur noch eine Kleinigkeit, um das Ganze perfekt zu machen.“

„Vielleicht solltest du eine Nacht darüber schlafen, was genau das ist“, sagte Scorpius. Seine Stimme und Miene waren steif.

James zog seine Finger über Scorpius‘ Kinn, schüttelte locker den Kopf, bis er die weichen Lippen erreichte. „Das muss ich nicht.“

Scorpius schluckte hart. „Du hast die Riesenchance einfach weggeworfen.“

James spürte das Lächeln zittrig über seine Lippen zucken. „Ja.“

Scorpius atmete abgehackt. „Und… Und wie lange, bis du ihr hinterherspringst?“

James schüttelte wieder den Kopf, sachte nur. Seine Finger hatten es bis zu Scorpius‘ Wange geschafft und Gesellschaft vom Rest seiner Hand bekommen. Er hinterließ Feuchtigkeit auf dem Rotschimmer.

„Es wäre nicht das erste Mal, dass du mich wegen Quidditch hängenlässt“, sagte Scorpius.

„Ich weiß“, sagte James, und es fiel ihm schwer daran zu denken, dass er diesen Fehler mehr als einmal begangen hatte. Er hoffte nur, dass Scorpius einen klitzekleinen Grund fand ihm zu verzeihen, und wenn er danach monate- oder jahrelang graben musste, würde er das tun. Durchhaltevermögen in Beziehungsdingen lag in der Familie. „Und es tut mir leid. Es tut mir verdammt leid. Ich wollte dich nie verletzen und noch weniger wollte ich, dass du deine Wut am See auslässt. Lass sie lieber an mir aus.“

Scorpius sah nicht im Geringsten wütend aus, und vielleicht half das Rudern nicht, weil es keine Wut war, die seine Augen brennen ließ. „James…“ Er schüttelte den Kopf und verstummte.

„Du hast das mit dem Pokal gehört“, sagte James.

„Gerüchte in Hogwarts, James. Die sind schwerer wieder einzufangen –“

„– als der goldene Schnatz.“ James nickte. „Aber eines scheint sich Zeit zu lassen. Vielleicht kommt es heute Abend in den Kerkern an.“

Scorpius legte die Stirn in Falten, gleichzeitig neugierig und ungeduldig. In jeder anderen Situation hätte er James zu einer schnelleren Antwort gedrängt.

„Kein Quidditch mehr für James Potter“, rückte er raus. „Ich gehe nicht nach Australien. Ich gehe nicht einmal nach Montrose.“

„Du hättest zu den Magpies gehen können? Mein Vater ist Fan. Er hätte dich nie wieder gehen lassen.“

James schmunzelte. „Kein Quidditch mehr. Auch nicht, wenn du mir keine Chance mehr geben willst.“

Scorpius schob James‘ Hand von seiner Wange. Seine Augen waren hart und durchdringend. James senkte geschlagen den Blick, als Scorpius‘ Hand in seinem Nacken landete. Er wurde nach vorne gezogen und hatte keine Zeit zu reagieren, bevor Scorpius‘ Lippen auf seinen landeten. Er lächelte eine halbe Sekunde in den Kuss hinein, bevor er ihn zurückgab. Ihre Münder öffneten und schlossen sich ungeschickt gegeneinander. Winkel und Rhythmus interessierten ihn auch nicht. Er zog Scorpius an sich heran, zerrte ihn mit allen Fingern in seinem Hemd verkrallt näher, bis er Scorpius‘ Herzschlag nicht nur an seiner Zunge, sondern auch an seiner Brust zu spüren glaubte.

Das Boot schwankte unter dem heftigen Ruck, als Scorpius auf seine Seite der Bank rutschte. Sie lösten sich voneinander, beide Hände auf der Suche nach Halt. Scorpius rückte zurück, brachte das Gleichgewicht zurück aufs Boot. Er errötete. James musste ihm noch einen Kuss geben.

„Vielleicht sollten wir damit auf festem Boden weitermachen“, murmelte Scorpius. Seine Verlegenheit wuchs zusammen mit seinem Lächeln.

James wusste nicht, wann er ihn das letzte Mal so strahlen gesehen hatte. Er konnte sich nicht vorstellen eines Morgens aufzuwachen und dieses Lächeln zu bereuen. Nicht für Quidditch.

„Da…“ James suchte in seiner Hosentasche nach einem anderen Brief. „Da ist vorher etwas, das ich dich nochmal fragen will.“

Scorpius wischte sich über die rote Wange. Trotz Falte zwischen den Augenbrauen sanken seine Mundwinkel nicht ab. „Nochmal?“

„Die Hochzeit meiner Cousine und Teddy…“ James holte den Pergamentumschlag aus der Hosentasche. Er war vollgesogen mit Seewasser. Verschmierte Tinte lief über das Pergament in eine Ecke und tropfte wässrig schwarz herunter. „Ähm… Das war die Einladung, die ich zurückschicken sollte.“

Scorpius prustete los.

„Na ja, die war sowieso nur bürokratischer Müll. Jeder weiß, dass ich mich davor nicht drücken kann“, murmelte James.

„Und jeder weiß, dass ich auch vor einer Stunde nicht Nein gesagt hätte.“

„Du hast auch letzte Nacht nicht Nein gesagt“, antwortete James. Er steckte die Einladung in die Hemdtasche, wo eben noch der andere Brief Platz weggenommen hatte. „Und?“

„Letzte Nacht habe ich gesagt, dass du mich in zwei Tagen nochmal fragen sollst.“

„Und ich frage dich jetzt.“

Scorpius schaute ihn an, das Rot um seine Augen noch sichtbar. Viel zu sichtbar. Das Funkeln in ihnen kämpfte dagegen, wie der erste Sonnenstrahl, der durch den grauen Regenhimmel brach. „Was… hält deine Mutter davon?“

„Wahrscheinlich das Gleiche, was sie davon hält, dass ich Australien der Riesenkrake zum Spielen überlassen hab.“

Scorpius legte ihm eine Hand auf die Brust, genau auf die ausgebeulte Tasche und den darunter heftig schlagenden Muskel.

„Aber es ist nicht ihre Hochzeit“, sagte James. „Und es ist nicht ihre Entscheidung. Es ist meine.“

Scorpius nickte, was mehr als Hoffnung in James weckte. „Frag mich morgen nochmal“, sagte er, und James klappte der Mund auf. Scorpius grinste. „Mir gefällt es, das zu hören.“

James atmete erleichtert aus, dann schnaubte er. „Du –“

„Ja.“ Scorpius nickte heftiger. „Nicht nein. Ja.“

James küsste ihn noch einmal. Scorpius gab den kurzen Kuss zurück, hängte einen zweiten dran und ließ James den nächsten lange auskosten. Er schien genauso wenig davon zu halten aufzuhören wie James. Das Boot geriet erneut ins Schwanken. Ein Ruder rutschte aus der Halterung, stetig in Richtung Wasser; James packte es im letzten Moment. Scorpius‘ Lippen distanzierten sich.

„Also…“ James griff nach dem anderen Ruder. „Zurück ans Ufer?“

Scorpius schnappte ihm das zweite Ruder vor den Fingerspitzen weg. „Nur, wenn ich helfen darf.“

James lachte. „Wir drehen uns nur wieder im Kreis.“

„Hey, ich hab geübt“, gab Scorpius schmollend zurück.

James grinste, auch wenn der Grund für diese Übung wohl eher nach dem Gegenteil verlangte. „Ich weiß.“

Den Sonnenuntergang im Rücken steuerten sie das Ufer an, und in diesem Moment hätte sich nichts richtiger angefühlt, auch wenn sich das Boot mit den ersten Schlägen doch im Kreis drehte – James machte das absichtlich und zum Glück war Scorpius ihm deswegen nicht böse. Ihr Lachen schaffte es zusammen bis zum Ufer.

Ende


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