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Fanfiction

The Flaw of Perfection - Weihnachtseifer

von Dr. S

Weihnachten zu Hause in London, Geschenke, kitschige Dekoration und die ewig gleichen Lieder im Radio. Es sollte ihm gut gehen. James saß in der Küche des Grimmauld Place Nummer zwölf, an dem langen, uralten Tisch, den sein Vater einfach nicht austauschen wollte, und aß einen Apfel. Seine riesige Familie hatte sich zum Abendessen bei ihnen eingeladen. Das versprach stressig wie jedes Jahr zu werden. Stressig, nervenaufreibend und auslaugend. Eine Ablenkung – vorausgesetzt man brauchte eine.

„Mein Geschenk hat dir nicht gefallen, was?“ Albus hockte ihm gegenüber, einen Teller frischer Kekse vor sich stehen, als wäre das schon sein Mittagessen.

„Du hast mir Haargel geschenkt“, gab James spöttisch zurück. Mit einem Knacken biss er ein Stück aus dem Apfel und kaute lustlos darauf rum.

„Ich hätte dir auch Schuhcreme schenken können. Das würde dein Gestrüpp auch nicht zähmen.“

James zuckte die Achseln. Sein Blick wanderte zum Kellerfenster. Er konnte nach oben auf den Bürgersteig sehen, wo zwei Paar Beine eng beieinander vorbeigingen.

Albus schnaubte. „Was ist los mit dir? Du musst was Fieses über meine Frisur sagen. Oder mich boxen.“

„Werd erwachsen, Albus“, murmelte James und warf den Rest des Apfels zielsicher in den Abfalleimer.

„Erwachsene würden aufstehen und ihren Müll vernünftigen wegwerfen.“ Seine Mutter kam mit einer Kiste voller Weihnachtskugeln die Treppe herunter. Sie lief schon den ganzen Morgen im Haus herum und versuchte den letzten Glanz aus dem alten Gemäuer zu holen. Das Wichtigste vergaß sie dabei. Sie hatte sich immer noch nicht angezogen, lief noch in ihrem Bademantel herum, dabei war es schon Mittag. Ihr Haar war inzwischen in einem wirren Knoten getrocknet.

Letztes Jahr war weniger hektisch gewesen. Die Familie hatte sich in Shell Cottage zusammengefunden, die Arbeit war also auf einen anderen Ast ihres weitläufigen Stammbaums gefallen. Sein Vater hatte sie alle gestern erst daran erinnert, was für ein winterliches Wunderland Tante Fleur und Onkel Bill hergerichtet hatten, obwohl sie direkt am Strand wohnten. Seitdem hörte man Ginny regelmäßig etwas über „Schleim“ murmeln.

„Wie wär’s, wenn ihr mir helft, anstatt hier faul rumzusitzen? James, hier.“

James schaute auf. Eine rote Weihnachtskugel traf ihn an der Stirn. Sie fiel auf den Boden und zerbrach, hinterließ nicht mehr als einen stechenden Kopfschmerz. Albus schlug vor Lachen mit der Faust auf den Tisch.

„Verflucht, James!“ Ginny knallte die Kiste mit den Kugeln auf den Tisch. Sie packte James‘ Gesicht und schaute sich seine Stirn besorgt an. Er wand sich sobald er konnte aus ihrem Griff und rieb den Schmerz weg. Ginny seufzte. „Wieso hast du nicht gefangen? Bist du schon aus der Übung?“

James rutschte bis ans andere Ende des Tisches, weit weg von seiner Mutter und seinem Bruder, der vor Lachen auf dem Tisch zusammengesunken war. Er stand auf. „Es geht mir gut. Ich war nur… na ja…“

„Du warst was?“ Ginny wartete nicht lange auf eine Antwort und beschwor ein Kehrblech herauf, das die Scherben der Weihnachtskugel aufsammelte. „Vielleicht solltest du deinem Vater helfen. Er verstümmelt oben unseren Weihnachtsbaum.“ Das war eine nettere Variante ihm zu sagen, dass er im Weg saß oder stand. „Albus, du kannst mir hier unten helfen.“

So schnell verging seinem kleinen Bruder das Lachen. James hörte ihn im Vorbeigehen murmeln, dass er auch lieber eine Weihnachtskugel an den Kopf gekriegt hätte.

Oben im Wohnzimmer hing sein Vater Zuckerstangen an einen Weihnachtsbaum, der bis zur Decke gereicht hätte, wäre seine Spitze nicht schiefer als der Turm von Pisa. Rote Kugeln beschwerten die Äste, eingewickelt von leuchtendgoldenen, fransigen Girlanden. Ein Mann hätte unter diesem Gewicht geächzt, der Baum krümmte sich nur. Genau wie in der Küche dudelte das Radio. Lily lag bäuchlings vorm Kamin und summte ‚My Love is Always Here‘ mit. Sie hatte die Sportseite des Tagespropheten vor sich liegen.

„Mum schickt mich, um zu helfen“, machte James sich bemerkbar.

„Super. Versuch du die unterzubringen.“ Harry warf ihm eine Zuckerstange zu. Diesmal fing James. Nicht, dass er stolz darauf wäre, eine bescheuerte Zuckerstange aus der Luft greifen zu können.

„Bisschen viel, oder?“, fragte er, während er einen Platz für die Zuckerstange suchte. Er hing sie an einen weitgefächerten Ast, der schon zwei rote Kugeln hielt.

Harry klopfte Lametta aus seinem Zauberstab, was James nur mit einem Blick kommentierte. „Sei froh, dass sie sich das singende Rentier verkniffen hat. Hier, setz ihm die Spitze auf.“

James nahm den goldenen Stern in die Hand und blickte hoch zum oberen Ende des Baumes. „Sieht aus, als würde er gleich zusammenbrechen.“ Er ließ den Stern mit einem Schwebezauber bis zur Decke fliegen und versuchte ihn von dort aus auf die Tannenspitze zu navigieren, die sich in einem schwierigen Winkel wegdrehte.

„Er ist ein bisschen krumm“, sagte Harry, als hätte er das gerade erst bemerkt. „Deine Mutter wollte einen anderen holen, aber ich finde den hier… sympathisch.“

Der Baum knickte unter dem Gewicht des Sterns weiter ein. James stieß ein schnaubendes Lachen aus. Zwar bekam er dafür keine Weihnachtskugel an den Kopf geworfen, aber Harry gab ihm einen sanften Klaps gegen den Oberarm.

„Ich dachte, ‚krumme Sachen‘ würden dir gefallen.“

James hatte Mühe ein halbes Lächeln zusammenzukratzen.

„Wir haben dich nicht umsonst James Sirius genannt. Das ist eine Freikarte.“ Harry fasste ihn an der Schulter und versuchte ein Lächeln oder dummen Scherz aus ihm herauszurubbeln. „Warum so grimmig?“

„Es geht mir gut“, sagte James schon, als würden seine Stimmbänder die Worte maschinell abfertigen. Es ging ihm gut.

Sein Vater glaubte ihm wohl nicht, auch wenn es nicht in seiner Natur lag nachzuhaken. „Vielleicht heitert dich das hier auf.“ Er zog einen Brief aus der Seitentasche seiner Robe. Ein dicker Pergamentumschlag, adressiert an James. „Eine Eule hat vorhin ans Fenster geklopft. In der Hektik hab ich’s fast vergessen.“ Langsam streckte James die Hand aus. Sein Herz raste, aber er wollte nicht darüber nachdenken weswegen… oder wegen wem.

„Wer ist Hastings?“, fragte Harry.

Vor Enttäuschung hätte James den Brief zu gerne ins Feuer geworfen. Er knitterte ärgerlich das Pergament, bevor er es aufriss. „Niemand.“

„Slytherins Kapitän“, sagte Lily. Sie hüpfte auf die Füße und schmiss sich an James‘ Seite, riss ihn aus seiner Balance. „Was will der denn von dir?“

„Sicher nicht ‚Frohe Weihnachten‘ wünschen“, murrte James. Er versuchte zweimal seine Schwester mit dem Ellenbogen wegzuschubsen, aber sie drapierte sich wie eine schmusebedürftige Katze um seine Schultern.

„Lies vor, lies vor“, bettelte sie.

„Lily.“

Schnaubend ließ sie von ihm ab und fiel geräuschvoll zurück auf ihre Füße. Besonders viel Abstand hielt sie nicht, also drehte James sich von ihr und seinem Vater weg, um den Brief aufzufalten. Ein dickeres Blatt fiel ihm entgegen. Er klemmte es hinter den Brief und las:

Frohe Weihnachten, Potter,

ich dachte, es wäre an der Zeit diese kindischen Streitereien hinter uns zu lassen. Ein Neuanfang wäre in unser beider Interesse, nicht wahr? Weil Bestechung mir im Blut liegt, hab ich ein kleines Weihnachtsgeschenk für dich. Ich hoffe, du hast ein wunderbares Fest – vorausgesetzt deine riesige Familie trampelt dich nicht nieder.


James traute der Sache keine Sekunde. Er rechnete mit versteckten Flüchen im Papier, vielleicht sogar mit Drachenpocken, und hätte ihn ins Feuer geworfen, wäre kein Experte für schwarze Magie vier Meter von ihm entfernt gewesen. So zog er das andere Papier vor den Brief.

Ein Foto. James schluckte. Das Foto. Schlecht belichtet, weil es dunkel im Bootshaus gewesen war und nur ein magisches Licht in der Ecke schien. Er erinnerte sich so genau daran, dass er eigentlich nicht hinsehen musste, aber wegschauen konnte er auch nicht mehr. Scorpius blickte ihn an – eigentlich in die Kamera, etwas erschrocken und tropfend. Nasses Haar hing vor seinen Augen und ließ ihn schnell blinzeln. Er sah aus, als wollte er sich enger in James‘ Arme flüchten. Sein Körper war kalt vom Seewasser gewesen, hart und weich an genau den richtigen Stellen. James legte einen Finger auf das Bild, worauf sein eigenes Abbild Scorpius von ihm wegzog, zum Rand des Fotos und weiter, bis sie ganz verschwanden.

In ihm riss etwas; der letzte Strang, an dem die Lüge gehangen hatte, dass es ihm gut ginge. Er steckte das Foto weg und erst jetzt fielen ihm die letzten Worte am Ende des Briefs auf:

P.S. Ups, mir ist glatt entfallen, dass das mit euch ja nicht geworden ist. Sorry.

Er endete mit einem zwinkernden Smiley. Arrogant und hochmütig wie man einen Slytherin repräsentieren musste. Er holte aus um den Brief endlich ins Feuer zu werfen, als ihm das Foto in den Sinn kam. Mehr hatte er nicht von Scorpius. Er konnte das nicht wegwerfen.

„Was schreibt er?“, fragte Lily vom Sofa aus. Sie saß dort wie ein Vogel bereit zum Abflug.

„Ich…“ James hatte nicht genug Luft für die Worte. Er atmete unauffällig ein. „Irgendeinen Müll. Nichts Wichtiges. Ich werd noch eine Runde laufen, okay?“ Sein Vater und seine Schwester warfen sich einen Blick zu, schon bevor er ihnen den Rücken zudrehte.

Er nahm zwei Stufen auf einmal, bis er ganz oben in seinem Zimmer war. Das Foto warf er aufs Bett, den Brief in den Müll, und zog sich um. In weniger als fünf Minuten war er aus der Tür heraus und lief durch Londons matschigen Schnee. Die kalte Luft sollte seinen Kopf frei kriegen. Zumindest der Schmerz in seiner Brust würde abgelöst werden, sobald er außer Atem kam.

Er hatte sowieso kein Recht an ihn zu denken. Er hatte die Sache beendet um einen klaren Kopf zu haben. Um sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren. Das würde er auch tun.

James legte an Tempo zu. Solange er noch mit den Gedanken woanders sein konnte, strengte er sich nicht genügend an. Er rannte an desorientierten Touristen und mit Matschschnee spielenden Kindern vorbei, machte einen Schlenker durch den St. James’s Park und legte einen Spurt bis zur Themse ein. Viel zu weit. Er brauchte keinen riesigen Uhrturm, der ihm unter die Nase rieb, dass er spät dran war.

Wirklich leerer war sein Kopf nicht.

James streckte und dehnte sich an einem metallenen Geländer beim Ufer. Dann machte er kehrt und joggte den ganzen Weg zurück. Die paar Kilometer erschöpften ihn mehr als sonst, nur ein Zeichen dafür, wie viel Kondition er in den letzten Wochen eingebüßt hatte. Verschwitzt und keuchend kam er am Grimmauld Place an. Er schleppte sich durch die Haustür und wurde sofort von lautem Geschnatter umringt, das aus dem Wohnzimmer kam. Die Garderobe hätte das extra Dutzend Mäntel ohne Magie kaum halten können, geschweige denn das Dutzend, das noch kommen würde.

James schloss leise die Tür, anscheinend aber nicht leise genug.

„James, da bist du ja!“ Seine Mutter fasste ihn aus dem ersten Stock ins Auge, als er die Treppe kreuzte. Sie trug keinen Bademantel mehr, dafür aber ein Kleid das zu eng aussah, um auch nur einen Happen von der Weihnachtsgans auszuhalten. Er hätte in seinem verschwitzten Shirt keinen schlechteren Zeitpunkt abpassen können.

„Ich zieh mich gleich um“, murmelte er.

„Schon gut. Hilf mir mal mit dem Reißverschluss.“ Ginny kehrte ihm den Rücken zu und damit viel zu viel nackte Haut. Widerwillig zerrte James den Stoff zusammen. „Kannst du dir vorstellen, was Fleur anhat? Sie sieht aus, als wäre sie in Silber gefallen. Immer übertreibt sie es. Als wäre das hier ein Wettbewerb. Wie seh ich aus?“ Sie drehte sich einmal um sich selbst, als würde das James irgendwie helfen.

„Gut?“

Ginny nickte zufrieden. Sie zog an James‘ nassem Hemd und ließ es mit einem Klatschen zurück gegen seine Brust fallen. „Geh dir bitte was Schickeres anziehen. Dominique sieht aus… Und Louis erst. Der Junge wird mit jedem Jahr hübscher. Natürlich müssen sie einem das ständig unter die Nase reiben.“ Sie schnaubte abfällig und wurde das nicht ganz los, als sie James anlächelte. „Du könntest dir das ruhig auch erlauben.“

James wich der Hand seiner Mutter aus, die ihm entweder über die Wange streicheln oder hineinkneifen wollte. Er fing sich einen sanften Klaps.

„Ein Lächeln steht dir am besten. Versuch oben eins zu finden.“

James quetschte sich an seiner Mutter vorbei und flüchtete nach oben, aber sicher nicht um sich dort ein Grinsen anzutrainieren, dass einer Katze Konkurrenz machen würde, die Lewis Carol aus dem Kopf gehüpft war. Er wusch sich grob den Schweiß ab und kämmte sich mit nassen Fingern durch die Haare. Albus‘ Haargel vertraute er nicht genug um sein Gestrüpp damit zu zähmen.

In seinem Zimmer wartete das Foto auf seinem Bett. James ignorierte es so gut er konnte. Er musste tief in seinen Kleiderschrank kriechen, um dort etwas zum Anziehen zu finden, das nicht danach schrie angestarrt zu werden und doch schick genug war, damit seine Mutter keine Flederwichte auf ihn hetzte. Die Festtagsroben landeten hinter ihm auf dem Boden und eine Fliege konnte er nicht binden, also blieb er bei einer dunklen Hose und einem schlichten Hemd. Letzteres war ihm im letzten halben Jahr ziemlich eng um die Schultern geworden.

Das Foto sah ihm dabei zu, wie er es zuknöpfte. Er setzte sich auf sein Bett und hätte sich dort am liebsten zusammen gerollt. Das war erbärmlich. Er nahm das Bild in die Hand und versuchte sich daran zu erinnern, wie Scorpius ihn ins Wasser gestoßen hatte. Das war dumm und rücksichtslos, genauso wie ihm gönnerhaft unter der Hand das Quidditch-Feld zu besorgen. So jemanden sollte man nicht vermissen. Aber es war so süß gewesen, und spontan, und wann interessierte sich schon mal jemand dafür, was ihm wichtig war?

Jemand klopfte an seine Tür und wartete nicht auf eine Antwort. „Jamie?“ Teddy streckte den Kopf durch den Türspalt. Er hatte bläuliche Strähnen in sein schwarzes Haar gelassen, was bei jedem anderen wohl bescheuert ausgesehen hätte. Ihm stand es, obwohl er sich fast so sehr rausgeputzt hatte, wie James‘ Mutter. „Hier versteckst du dich.“

James versteckte das Foto hektisch unter seiner Matratze. Es guckte noch halb heraus, als Teddy neben ihn plumpste und ihn mit einem Faustschlag gegen den Oberarm begrüßte. Er grinste über das ganze Gesicht.

„Wow, schau sich dich einer an. Mein kleiner Bruder wird ja richtig heiß.“

James schlug die Hände weg, die an seinem Kragen rumzupfen wollten. „Bist du nur hergekommen, um mich aufzuziehen? Das hättest du auch unten machen können. Ich wollte gerade runterkommen.“

„Sicher? Wir warten sicher schon zwanzig Minuten auf dich.“ Teddy senkte die Stimme, als würden sie nicht vier Stockwerke vom Rest der Familie trennen: „Bei dem Tumult geht gerne mal jemand verloren.“

James schob sein Bein vor die Ecke des Fotos, damit es nicht auffiel. Das Sonnenlicht wurde schon schwächer und verabschiedete sich mit einem goldenen Glanz. Ihm war nicht aufgefallen, dass er länger hier gesessen hatte.

„Alles okay bei dir?“, fragte Teddy.

Allmählich ging diese Fragerei James gehörig auf den Zeiger. „Ja. Wieso fragt mich das jeder?“

„Wenn dich jeder fragt, wird es wohl einen Grund geben. Ich vermute, es hat was mit deiner grimmigen Miene zu tun.“

„Es geht mir gut.“ Er glaubte sich mit jedem Mal selbst weniger. „Lass uns runter gehen.“

Teddy griff ihn am Handgelenk und hielt ihn davon ab aufzustehen. Ein verschmitztes Grinsen zuckte über seine Lippen, das James nicht einordnen konnte. Er drückte das Bein dichter gegen die Stelle, wo das Foto inzwischen einen Knick bekommen hatte. Teddy steckte die andere Hand in die Hosentasche, als würde er etwas suchen.

„Vorher will ich dir was zeigen… bevor ich es dann allen anderen zeige.“ Er zog eine kleine, mit Samt überzogene Schachtel hervor und klappte sie auf. Ein Ring mit einem funkelnden Diamanten steckte darin. „Was sagst du?“

Eine ganze Weile sagte James gar nichts. „Echt?“

„Wir sind jetzt fast fünf Jahre zusammen. Da wird’s Zeit, nicht wahr?“

Das stimmte. Teddy und Victoire waren schon eine gefühlte Ewigkeit zusammen. James erinnerte sich noch daran, wie er sie an King’s Cross knutschen gesehen hatte. Sie hatten eine dieser beneidenswert perfekten Geschichten am Laufen.

Teddy schlug die Ringschachtel zu und steckte sie weg. „Freust du dich nicht?“

„Doch“, rief James aus. „Klar. Das ist… toll. Wirklich toll. Komm her.“ Er zerrte Teddy übermütig in eine feste Umarmung, während der er versuchte ein besseres Adjektiv als ‚toll‘ zu finden.

Teddy klopfte ihm auf den Rücken. „Jamie. Sag mir, was los ist.“

„Außer, dass du jetzt Louis‘ Bruder wirst?“ James ließ los. Sein Grinsen tat mehr weh, als ein Krampf in der Wade. „Du kannst dir noch überlegen, ob du nicht lieber Lily heiraten willst.“

Früher hatte Teddy das lustig gefunden – lustiger als Lily, die immer rot bis zum Scheitel geworden war – gerade seufzte er nur. „Louis hat mir gesagt, was los mit dir ist.“

James rutschte zurück, verschränkte die Arme vor der Brust. „Was hat er dir erzählt?“

„Dass du dir dein Herz hast brechen lassen.“

„Sowas hab ich ihm nie erzählt.“

„Ach, du weißt doch, wie er ist. Übrigens soll ich dich nicht darauf ansprechen, weil du gefälligst zu ihm kommen sollst, wenn du bereit bist darüber zu sprechen.“ Teddy zuckte die Achseln, als wäre ihm der drohende Zorn seines zukünftigen Schwagers komplett egal. „Ist mir wohl entfallen.“

Gerade schaute James lieber auf den Boden als Teddy an. „Mein Herz ist okay. Ich hab das Brechen übernommen.“

„Also, ich denke, deins hat dabei auch was abgekriegt.“ Teddy massierte seine Schulter. „Erzähl’s mir.“

„Es gibt nichts zu erzählen. Ich hab keine Zeit für sowas. Ich muss trainieren und hab einen Abschluss zu schaffen.“ Er wollte so gerne hinzufügen, dass es das Richtige gewesen war, stattdessen atmete er nur schwer ein und wieder aus. James versteckte sein Gesicht hinter einer Hand. Auch Teddys Finger konnten die Verspannung in seiner Schulter nicht lösen.

„Verrätst du mir ihren Namen?“, fragte er.

James zögerte. Zwischen Mittel- und Ringfinger wagte er einen Blick zu Teddy. „Scorpius?“

Teddys Hand verkrampfte sich. Er zog überrascht die Brauen hoch. „Wie… der kleine Malfoy?“

James nickte. „Ich war so ein Arschloch. Ich hab gar nicht das Recht… was immer ich bin zu sein.“ Er schob auch die andere Hand vor sein Gesicht. Fest presste er die Handballen gegen seine beißenden Augen. Er ließ sich von Teddy näherziehen, stützte sich mit den Armen auf seinem Schoß ab. „Und dir gegenüber bin ich auch ein Arsch. Du hast sowas Großes vor und ich denk nur an meine Probleme.“

„Passt schon, Jamie. Du hast dir da nicht gerade einen einfachen Kandidaten ausgesucht. Zumindest, was den Hintergrund angeht.“ Teddy wuschelte ihm durch die Haare. „Planst du an dem Ufer zu bleiben oder kommst wieder zurück?“

James rammte seinen Ellenbogen in Teddys Magen und setzte sich auf. „Darum geht’s nicht. Ich hab keine Zeit dafür. Der Pokal ist nicht einmal in Reichweite und du weißt, was für ein unnötiges Drama ihn mir letztes Jahr genommen hat.“

„Ja, aber Scorpius ist nicht in deinem Team“, sagte Teddy. „Außer, man lässt Slytherins jetzt bei den Gryffindors mitmachen.“ Er hielt James mit einer scharfen Handbewegung ab auf diesen schlechten Scherz zu reagieren. „Es ist doch ganz einfach, James. Wenn du unglücklich bist, geh zu dem letzten glücklichen Moment zurück. Du wirst schon wissen, was du zu tun hast.“

James nickte. Das wusste er in der Tat. „Fokussieren“, sagte er und stand trotz Teddys enttäuschtem Seufzen auf. „Gehen wir jetzt. Sonst denkt Victoire noch, du bist mit mir durchgebrannt.“

Teddy seufzte erneut und versuchte sich einen Schmerz aus den Schläfen zu reiben. „Ich wusste nicht, dass das eine Option ist“, murmelte er und gab James einen Stups vorwärts.

Zusammen gingen sie die Treppe herunter, aber James trennte sich im Erdgeschoss von Teddy unter der Ausrede ein Glas Wasser zu brauchen. Das laute Geschnatter aus dem Wohnzimmer behagte ihm noch nicht ganz. Vor allem, wenn er sich Louis‘ nicht sehr subtile Versuche antun musste, Informationen über sein Liebesleben aus ihm zu kitzeln. Und dann war da noch die Frage, die Teddy seiner Freundin stellen wollte. James freute sich für ihn, wirklich, und auch für Victoire, aber so viel Romantik war keine schöne Aussicht. Ihm wurde bei dem Gedanken richtig schlecht.

Es ging ihm nicht gut. Er vermisste Scorpius so sehr, besonders sein Lächeln, das alles zu jeder Zeit besser gemacht hatte, und seine letzte Erinnerung an ihn war, dass er das kaputt gemacht hatte. Und wofür? Für einen Sport, der ihm so unwichtig vorkam, wenn er zu lange darüber nachdachte. Aber egal, wie sehr er es versuchte, er konnte sich nicht vernünftig ablenken. Nicht mit Sport, nicht mit Weihnachtsgeschenken und auch nicht mit seiner stressigen Familie.

Ein Teil davon hielt sich in der Küche auf. James hörte zumindest seine Eltern miteinander reden. Er zögerte sie zu stören. Der Duft einer Gans stieg ihm im Treppenaufgang entgegen. Einen Moment blieb er stehen und sog den Duft ein. An der glasierten Haut hätte er sich satt essen können, musste aber bei dem weißen Fleisch bleiben. Er schob die Tür weiter auf.

„Hast du ihr Gesicht gesehen, als sie den Besen ausgepackt hat? Das war eine grandiose Idee von Charlie“, hörte er Ginny sagen und stutzte. Besen? Niemand von ihnen hatte einen Besen bekommen. „Schade, dass er es nicht her geschafft hat. Lily sollte sich persönlich bedanken…“

Lily konnte allerdings einen neuen Besen gebrauchen. James machte sich gedanklich eine Notiz ihr sein Besenpflegeset zu leihen und ihr zu zeigen, wie man richtig damit umging. Ihr alter Besen hätte das auch verdient und bitter nötig gehabt.

„Ich weiß nicht. Ein ziemlich teures Geschenk“, erwiderte Harry. Er klang, als würde er mit vollem Mund sprechen.

„Aber es geht an jemanden mit Talent.“ Der Stolz brachte Ginnys Stimme zu zittern. Oder vielleicht ein oder zwei Schluck Punch zu viel „Wir haben sie doch spielen sehen. Das war ein Augenschmaus – vor allem, wenn du dir den Dreck ansiehst, den sie gerade in der Liga verzapfen. Lily ist dagegen ein Naturtalent.“

„James spielt auch gut…“

„Ja, weil er vierundzwanzig Stunden am Tag trainiert.“

James‘ Hand auf der Türklinke fing an zu zittern.

„Er macht’s gerne, dachte ich“, murmelte Harry.

„Das ist mein Job, Harry, ich erkenne den Unterschied zwischen jemandem mit Talent und jemanden der unablässig trainiert. Irgendwas fehlt immer“, sagte Ginny, als würde sie ein Backrezept herunterleiern.

James stieß die Tür auf. „Du findest mich talentfrei?“

Seine Eltern fuhren gleichzeitig zu ihm herum. Ginnys Augen schwollen auf die doppelte Größe an. „James? Wir dachten, du bist oben –“

„Du findest, dass ich kein Talent habe?!“, platzte es aus ihm heraus.

„Nein. Nein, nein, nein. So hab ich das nicht gemeint. Ich…“

James wartete auf den Rest des Satzes. Seine Zähne klapperten und Wut oder etwas anderes stieg heiß in seine Augen. Ginny warf Harry einen hilfesuchenden Blick zu, und sein Vater versuchte im Rekordtempo einen Mund voll Siruptorte herunterzuschlucken. Das Resultat wartete James nicht ab. Er knallte die Tür zu und lief wieder nach oben.

Im Erdgeschoss herrschte weiter rege Stimmung. Keiner hatte ihn gehört, so laut wie sie sich unterhielten und lachten. Erst im dritten Stock hörte er davon kaum noch was, beschleunigte auf den letzten Stufen dennoch. James warf seine Zimmertür so heftig zu, dass das Schild mit dem Namen ‚James‘ herunterfiel und nur das uralte ‚Sirius‘ hängenblieb, das schon immer da gewesen war. Er verschloss die Tür magisch, dann trat er mit aller Kraft gegen seinen Koffer, gegen die Kommode und kickte den Abfalleimer durch den Raum, bevor er sich auf sein Bett fallen ließ. Er starrte an die Wand, bis sein Blick vollkommen verschwommen war.

„James?“ Seine Mutter klopfte an die Tür. „James, kommst du runter?“

Er antwortete nicht. Seine Raserei hatte seinen Besen erwischt, der an der Wand gelehnt hatte, perfekt und sorgsam gepflegt. Aber wozu? Vielleicht sollte er eine Karriere als Besenpfleger ins Auge fassen. Dafür schien er Talent zu haben.

Seine Mutter klopfte erneut. „Jamie, ich hab’s nicht so gemeint. Du hast viele Talente. Ich könnte einen ganzen Artikel über dich schreiben.“

James war heiß. Er öffnete das Fenster. Die Straße unter ihm war leer und versank allmählich im Dunkeln.

„Lass uns darüber reden. Lass mich erklären, was ich meine“, bat seine Mutter. „Ich komm jetzt rein.“

James hörte das Ruckeln an der Klinke, dann das gemurmelte „Alohomora“ und reagierte instinktiv. Er packte seinen Besen und sprang aus dem Fenster. Mit seiner Mutter zu reden war das Letzte, was er gerade wollte. Er preschte steil in den Himmel, bis die eisige Luft seine Lungen bei jedem Atemzug zu gefrieren schien. Dann flog er geradewegs aus London heraus.

Er hatte einen Kompass an seinem Besen, ein schlechter Ersatz für ein Navigationssystem, aber nach Südwesten fand er leicht. Fast zwei Stunden flog er mit Höchstgeschwindigkeit durch den schwärzer werdenden Himmel. Der Schnee wurde dicker und weißer, je weiter er hinaus aufs Land kam. Er wusste ungefähr, wo er hin wollte, musste aber doch weit über Wiltshire schweben bleiben, um sich zu orientieren. Das hier hätte sich als riesengroße Dummheit herausstellen können, wäre das alte Herrenhaus mit den weiten Ländereien am Ende nicht verblüffend einfach zu finden gewesen.

James landete direkt auf dem schneebedeckten Weg zur Haustür und flog dabei durch eine magische Barriere, die ein unangenehmes Kribbeln auf seiner Haut zurückließ. Er erreichte kaum die doppelflügelige Tür, als diese geöffnet wurde.

Ein Mann stand vor ihm, der Scorpius verdammt ähnlich sah, bis auf seine Augen, die kälter als der Schnee schienen. Sogar James kannte seinen Namen, nicht weil er kompliziert und extravagant war, sondern weil er sowas wie ein Schimpfwort in ihrer Familie war.

„Kann ich dir helfen?“, fragte Draco Malfoy.

„Äh…“ James hatte sich nichts überlegt. Er hatte keinen Gedanken an irgendetwas als den Weg verschwendet, genau das also, was er seit Tagen versuchte mit Training hinzubekommen. „Ich… äh…“

„James?“ Scorpius erschien in der massiven Eingangshalle, die sich hinter Dracos Rücken auftat. Er trat an die Seite seines Vaters, der James noch einmal genau musterte. „Ist schon gut, Vater. Das ist ein Freund von mir.“

„Ich hätte auch nicht auf Santa gewettet. Ich bin im Salon, Scorpius.“ Er klopfte seinem Sohn auf die Schulter und ließ die Hand einen Moment verharren, als wolle er ihn mit sich ziehen, bevor er aus James‘ Blickfeld verschwand.

Scorpius quetschte sich in den Türspalt. „Was willst du hier, James?“ Sein Blick fiel nach unten. „Wo sind deine Schuhe?“

„Ich…“ Auch darauf hatte James keine gute Antwort. Seine Zehen waren kalt und steckten in Socken voller Schnee. Noch konnte er mit ihnen wackeln. Er atmete tief durch und ließ das Erste heraus, was ihm in den Sinn kam: „Ich hab’s zu Hause nicht ausgehalten. Und ich wusste nicht wohin.“ Er hatte wieder diese heißen Tropfen in den Augen, die seinen Blick verschwimmen ließen. „Du hast mir gefehlt.“

Scorpius schob die Tür weiter auf. „Du musst am Erfrieren sein. Komm rein.“

„Ich will nicht stören. Ich –“

Scorpius streckte die Hand aus und legte sie auf James‘ Wange. So wunderbar warm. „Jetzt komm gefälligst rein.“

James ließ sich nach vorne fallen, direkt in Scorpius‘ Arme und ließ ihn nicht mehr los.


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