von SynthiaSeverin
Das Fackellicht auf der Wendeltreppe fiel warm in Hermines Gesicht, als die TĂŒr zu Snapes BĂŒro sich hinter ihnen schloss. Mit leuchtenden Fingern fuhr es ihre konzentrierten ZĂŒge entlang, wĂ€hrend sie ihre Blicke in einen kleinen Zettel vertiefte. Harry jedoch beachtete seine beste Freundin kaum.
âNa das wird ein schöner SpaĂ morgen!â, grollte er, als die beiden die Treppe zur Eingangshalle empor stapften, âErst eine Doppelstunde ZaubertrĂ€nke, dann schon wieder Nachsitzen und hinterher auch noch Okklumentik.â
Er warf Hermine, die von ihrem Zettel aufschaute, einen gequÀlten Blick zu.
âWarumâ, sagte er verĂ€rgert, âWarum macht es Snape nur so viel SpaĂ, mich zu Ă€rgern? Das ist jetzt schon der dritte Tag in nur einer Woche, an dem er mich nachsitzen lĂ€sst. Keinem Anderen drĂŒckt er so viele Strafarbeiten auf wie mir und dabei hĂ€tte gerade Malfoy das so verdient. Sag mir Hermine, warum macht Snape das, warum?â
Hermine schaute nachdenklich in die Luft.
âJa, das ist schon merkwĂŒrdigâ, bemerkte sie leise, âWenn ich es nicht besser wĂŒsste, dann-â
âDann was?â, fragte Harry ungeduldig. Seine schlechte Laune konnte und wollte er nicht verbergen.
âNajaâ, fuhr Hermine fort und atmete tief durch, âSo oft wie er dich sehen will, Harry. Also wenn das nicht Snape und du wĂ€ren, könnte man fast glauben, dass er dich gern bei sich hat.â
Harry lachte. âDas ist wirklich ab-â
Doch plötzlich hielt er inne. Gegen seinen Willen hatte sich schlagartig ein Satz, den er vor einigen Wochen auf dem Flur vor Dumbledores BĂŒro gehört hatte, aus seinem Hinterkopf wieder in sein Bewusstsein gedrĂ€ngt.
âAlle denken, dass Eis kalt ist. Aber wenn man es lange genug berĂŒhrt, spĂŒrt man, dass es glĂŒhtâ.
Auf einmal fĂŒhlte Harry sich sehr sonderbar, fast so als wĂ€re er gerade durch einen kalten Nebel gelaufen oder der Fast Kopflose Nick hĂ€tte seine Hand getĂ€tschelt. Was war geschehen? Harry konnte nicht sagen, was dieses GefĂŒhl genau war, er konnte nicht sagen, was er gerade dachte. Alles war eigenartig, merkwĂŒrdig. Und doch sagte sein GespĂŒr ihm, dass er gerade im Begriff war, auf etwas zu stoĂen, das irgendwo vor ihm im Nebel verborgen lag.
Hermine bemerkte, dass er stehen geblieben war und wandte sich zu ihm um.
âHarry, ist alles in Ordnung mit dir?â, frage sie besorgt.
Harry schĂŒttelte den Kopf, als wollte er jeden Verdacht von sich ablenken.
âJaja, alles okayâ, log er. In Wahrheit lieĂ ihn Lunas Satz nicht los.
Unter den skeptischen Blicken seiner besten Freundin kam er die Treppenstufen zu ihr hinauf.
Wahrscheinlich war er einfach nur mĂŒde auch wenn es erst kurz vor fĂŒnf war.
Doch warum sonst sollte er auf die sonderbare Idee kommen, ĂŒber Lunas Weisheiten ernsthaft nachzudenken?
âWarum strahlst du eigentlich so, Hermine?â, fragte er nach einer Weile im Versuch sich abzulenken. Bisher war er zu sehr in Gedanken vertieft gewesen, als dass er es bemerkt hĂ€tte. Doch nun war ihm aufgefallen, dass Hermine die ganze Zeit ĂŒber lĂ€chelte.
âWir haben alle Zutatenâ, antwortete sie fröhlich, âdas heiĂt, wir können noch heute Abend mit dem Brauen beginnen.â
âNicht wahr!â
âJa, nicht? Snapes VorrĂ€te waren eine echte Schatzkiste. Schade, dass alles bald ablĂ€uft. Das heiĂt, wir werden uns beeilen mĂŒssen. Aber zum GlĂŒck wird Snape das diesmal nicht nachkontrollieren und er hat nicht einmal bemerkt, dass wir was eingesteckt haben.â
âJaâ, antwortete Harry und hob die Augenbraue. Wie kam es, dass er gerade jetzt an das merkwĂŒrdige KrĂ€useln auf Snapes Lippen denken musste? Himmel, allmĂ€hlich gehörte er wohl doch ins Bett. Er begann ja schon zu fantasieren. Wie im Traum schob sich im nĂ€chsten Moment ein anderes Bild vor sein inneres Auge. Eines von einem schwanengroĂen, feuerfarbenen Vogel.
âIch frage mich, was Fawkes wohl wollteâ, bemerkte Harry nachdenklich. Dann fiel ihm ein, dass Hermine Fawkes ja gar nicht kannte.
âIch meine Dumbledores Phönix, der vorhin-â
âIch weiĂ, wer Fawkes istâ, unterbrach sie Harry.
Er warf ihr einen erstaunten Blick zu. âWoher?â
âHast du vergessen, Harry, Dumbledore hat uns vor den Sommerferien das Versprechen abgenommen, dass wir dir nichts erzĂ€hlen. Was glaubst du wohl, wo?â
Harry verstand.
âIch glaube nicht, dass Fawkes etwas Besonderes wollteâ, fuhr sie fort, âNaja, sieh mal. Snape ist im Orden des Phönix, nicht wahr? Und er ist der Einzige, der noch in Hogwarts ist. Wahrscheinlich wird er Dumbledore regelmĂ€Ăig Bericht erstatten, was hier vor sich geht. Reine Routine. Den Kamin wird er ja wohl schlecht verwenden können, jetzt wo OH!-â
Hermine brach abrupt ab. Die Frage, die Harry auf den Lippen lag, beantwortete sich von selbst. Auf dem Boden des weitlÀufigen Flurs war plötzlich das Gestöckel von Damenschuhen zu hören. Sekunden spÀter huschte ein pinkfarbener Schatten um die Ecke.
âSchnellâ, flĂŒsterte Hermine und zog Harry hinter eine SĂ€ule.
Ohne die beiden zu bemerken, stapfte Umbridge an ihnen vorĂŒber in Richtung der Treppe.
âWas will die denn im Kerker?â, hauchte Hermine Harry zu.
âAch, das hab ich ganz vergessenâ, erklĂ€rte er, âSnape hat heute eine Inspektion, das hat sie oben im BĂŒro zu ihm gesagt.â
âDas heiĂt, Snape ist tatsĂ€chlich auf BewĂ€hrung?â
âSieht wohl so aus. Komm, lass uns gehen Hermine! Die Luft ist reinâ.
Wenige Minuten spĂ€ter standen beide im Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Am Tisch hatte sich Neville zusammen mit Ron hinter einem Stapel BĂŒcher fĂŒr die ZAG-PrĂŒfungen vergraben.
âDie KoboldaufstĂ€nde warenâ, murmelte Neville, fuhr mit dem Finger ĂŒber eine Buchseite und schrieb etwas auf ein Blatt Pergament nieder.
âHallo Harry! Hi Harry!â, ertönten zwei Jungenstimmen im Chor, deren Besitzer sich sofort vor Harry aufbauten.
âWillst du unsere neuen MigrĂ€ne- Marshmellows probieren?â
âOder die Bauchweh-Bonbons?â
âVielleicht darf es auch eine Zahnweh-Zuckerstange seinâ
âFRED! GEORGE!â, empörte sich Hermine, ehe sie ihren Beutel lehrte.
âHĂŒbsches Arsenal, Hermineâ, lachten die Zwillinge und hĂŒpften davon.
âDie lernen es wohl nie!â, stöhnte sie mit einem Blick auf ihr VertrauensschĂŒlerabzeichen, als Ron endlich von seinen BĂŒchern aufblickte.
âHarry! Hermine!â, rief er verwundert. Scheinbar hatte er seine Freunde erst jetzt bemerkt.
âWie ist es gelaufen?â Er stand auf und kam auf sie zu.
âWunderbarâ, sagte Harry bitter und lieĂ sich auf einen Sessel fallen, âDu darfst dich freuen Ron, Snape lĂ€sst uns morgen beide nach dem Abendessen nachsitzen.â
âDas sind ja wirklich tolle Neuigkeitenâ, antwortete Ron und sank wie ein Sack auf den zweiten Sessel nieder.
âJetzt nehmt es nicht so schwer, Jungsâ, sprach Hermine ihnen gut zu, âzumindest haben wir endlich alle Zutaten. Nun, ich glaube, ich geh dann mal die Kartoffelbuchpilze einlegen. Je frĂŒher wir beginnen, desto eher sind wir fertigâ
Und mit diesen Worten stand Hermine auf.
âIst das wirklich wahr, Harry?â, fragte Ron, âihr habt alles, was wir brauchen? Auch die auĂergewöhnlichen Sachen?â
Harry nickte.
âZum GlĂŒck war Hermine dabei. Ehrlich Ron, ohne sie hĂ€tte ich die Sachen niemals in Snapes VorrĂ€ten gefunden.â
Und plötzlich wurde er still. Abermals drÀngte sich Harry ein Satz in Harrys Bewusstsein.
âUnd bringen Sie Miss Granger mitâ. Miss Granger â Hermine.
âWas ist nur los? â, dachte Harry. âWas ist nur mit mir los? â
Auf der Suche nach einer Antwort blickte er seinem besten Freund hinĂŒber. Doch Rons Gesicht sah aus wie eh und je.
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