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Fanfiction

Der Phönix und die Hirschkuh - Eine schwere Entscheidung (Frühling 1997)

von SynthiaSeverin

Der Regen hatte alles hinfort gespült. Die Blätter, die der Herbstwind auf die Dächer geblasen hatte, den Schmutz vom Schnee an den Mauern, den Schlamm der Eisschmelze auf den Wegen. Hogwarts sah am Tag nach dem Unwetter wie gewaschen aus und der Vorfrühling tauchte es in glänzendes Licht. Alles war klar und blank, als hätten niemals undurchdringliche Nebel über diesen Zinnen gehangen, als hätte es niemals Dunkelheit gegeben. Severus machte sich auf den Weg zum Frühstück in der Großen Halle und blieb an einem Fenster in der Eingangshalle stehen.

Sonnenschein! Frühlingswetter! Was für ein Hohn, dachte er und ging schnaubend weiter. Das restliche Kollegium war schon eingetroffen, als er die Halle betrat. Da saß er mitten unter ihnen, der Verräter und tat so als ob nichts wäre. Nur einmal schaute ihn Severus an, um ihn dann keines Blickes mehr zu würdigen. Weder beim Frühstück noch in den Stunden, Tagen und Wochen danach.

Die Zeit schritt voran, der Frühling zog ins Land und an den Ufern des Sees wuchsen Lilien. Severus pflückte heimlich eine davon und barg sie in seinem Umhang, als er wie so oft in dieser Zeit einen Spaziergang machte, um den Kopf frei zu bekommen. Er hatte viel nachzudenken, seitdem er in dieser unglückseligen Nacht Dumbledores Büro verlassen hatte. Tag ein, Tag aus gingen ihm die gleichen, quälenden Fragen durch den Kopf. Wie sollte es weitergehen? Wie sah die Zukunft aus? Bis zu den Sommerferien würde er weiter an Hogwarts unterrichten und am Ende die Tat begehen, zu der der Schwur ihn zwang. Die Tat, vor der er sich jetzt fast noch mehr ekelte als zuvor, weil der Gedanke, Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore unnötiges Leid zu ersparen, kein Trost mehr war. Doch was kam nach diesem Schuljahr, nach Dumbledores Tod? Severus wusste es nicht. Hätte Dumbledore ihm nicht davon erzählt, dass Harry eine Chance hätte, zu überleben, er wäre schon in dieser Nacht gegangen, um Lily zu folgen. Und manchmal dachte er auch jetzt daran, im Sommer einfach den Schwur zu brechen und seinem Schicksal lachend entgegen zu gehen.

Dumbledore selbst hielt sich sehr bedeckt in diesen Tagen. Er schien klug genug zu sein, Severus‘ Gunst nicht offen zu suchen. Nicht ein einziges Mal stand er vor seiner Türe, um sich auszusprechen. Selbst als dieser Dummkopf von Weasley fast vergiftet worden wäre, hörte Severus nichts von ihm. Und doch war er da, wie ein Schatten, nicht greifbar, aber zu spüren. Severus‘ Räume waren stets blitzblank, als wäre eine Truppe Hauselfen dazu abkommandiert worden, sich allein um ihn zu kümmern. Abends fand er sehr oft kleine Naschereien aus der Schulküche in seinem Zimmer und als er zur Monatsmitte seine Gehaltsabrechnung in den Händen hielt, staunte er nicht schlecht über die unerwartete Lohnerhöhung. Manchmal hatte Severus große Lust, ins Schulleiterbüro zu stürmen und dem werten Herrn all seine Torten, Hauselfen und Galleonen vor die Füße zu knallen. Denn sie zehrten an seinem Nervenkostüm. So verletzt Severus auch war, so benutzt, betrogen und verraten er sich auch fühlte, er konnte nicht leugnen, dass unter all seiner Wut und all seinem Hass noch immer ein Feuer der Freundschaft brannte. Auch wenn es einer erstickten Flamme glich, die mit dem Verglimmen rang. Ihre Glut aber war noch heiß genug, um Severus sich wie blutiges Fleisch fühlen zu lassen, das im Kessel schmorte.

Sechszehn Jahre, sechszehn gottverdammte Jahre lang hatte er Dumbledore blind vertraut, hatte zu ihm aufgesehen und um seine Freundschaft gekämpft. Und die ganze Zeit - die ganze Zeit - hatte Dumbledore gewusst, dass dieser verzogene Lümmel ein Seelenbruchstück des Dunklen Lords in sich trug. Der Stachel saß tief und schmerzte jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde…

Ungeschickt stellte Severus das Glas auf den Tisch, so dass die bernsteinfarbene Flüssigkeit sich über den Rand ergoss und zu einer klebrigen Pfütze auf der Tischplatte zusammenfloss, in der sich schwaches Kerzenlicht reflektierte.
Müde zog er den Zauberstab und lallte „Ratzeputz“. Die Welt vor seinen alkoholverschleierten Augen schwankte. Ihm war speiübel. Doch nicht wegen des Mets. Er hatte sich schon elend gefühlt, ehe er die Flasche entkorkt hatte. Wieder einmal war es eine jener Nächte, in denen Severus keinen Schlaf fand. In der er sich von der einen Kante seines Bettes auf die andere rollte. Früher, als er noch Tränkemeister war, hätte er das richtige Mittel mit einem Griff bei der Hand gehabt. Doch heute waren seine Vorräte viel kleiner und Severus hatte feststellen müssen, dass der Trank abgelaufen war. Also hatte er sich mühsam wieder aus dem Bett gequält und saß nun hier mit einem Kopf voller Gedanken und ewiggleicher Fragen, die er im Alkohol zu ertränken versuchte. Welch Ironie, dachte er, als er auf sein verschwommenes Spiegelbild in der Pfütze blickte, dass der Met ein Ostergeschenk von Dumbledore gewesen war. Den Mann, dessen Vorname er aus seinen Gedanken verbannt hatte.

Inzwischen neigten sich die Ferien fast dem Ende zu. Die Temperaturen stiegen und wie das Gras in den Schlossgründen wucherte, so schien auch über diese Sache allmählich Gras zu wachsen. Obwohl es Gras war, das sich vom Wasser eines fauligen Sumpfes nährte. Die heißglühende Wut und der Hass, die Severus so lange gefühlt hatte, verrauchten mit jedem Tag, den er Dumbledore aus dem Weg ging. Jetzt gab es nur noch die auskühlte Asche in ihm. Und sie glich einem schwarzen Loch. Einem schwarzen Loch aus Enttäuschung und Trauer und dem Unwissen, wie es weitergehen sollte. Severus trank den letzten Schluck und spürte, wie das Gefühl der Leere in ihn zurückkehrte. Mochte er auch tausend Flaschen leeren, nichts konnte dieses Loch stopfen. Dieses Gefühl, einen Freund zu Grabe getragen zu haben. Er vermisste Dumbledore. So ungern er dies vor sich selbst zugab: Er vermisste ihn. Nicht den Mann, der ihn eineinhalb Jahrzehnte angelogen hatte, sondern denjenigen, dessen Tür immer offen stand, wenn er seinem Zorn Luft machen musste und seine Wutausbrüche mit einem Lächeln begleitete. Der ihn mit Brausedrops und Knallbonbons die Nerven strapazierte und immer eine kryptische Lebensweisheit auf den Lippen trug, die Severus erst enträtseln musste. Dessen blauen Augen allein seine Okklumentik durchbrechen konnten und der das, was er dahinter sah doch niemals mit Füßen trat. Aber diesen Mann hatte es nie gegeben, oder? Es hatte ihn nie gegeben...

Severus atmete schwer. Sein Schlafzimmer im Kerker, das er noch immer nicht geräumt hatte, erschien ihm plötzlich wie ein Gefängnis, wie ein Grab. Er musste raus hier. Er würde ersticken hier unten. Schnell zog er seinen Reiseumhang vom Haken und ließ die Kerkertreppen hinter sich. Tief atmete er durch, als das Eichenportal hinter ihm ins Schloss fiel. Es war eine Frühlingsnacht wie aus dem Bilderbuch mit lauer Luft und sternklarem Himmel. Die Schlossgründe waren menschenleer. Eine Runde drehte Severus um den See. Dann ließ er sich auf dem Stein am Ufer nieder und schaute aufs Wasser. Hier hatte er auch gesessen, als vor fast sechszehn Jahren im November aus Dumbledores Büro gekommen war, ähnlich aufgelöst und unwissend wie heute. Zögerlich wandte Severus seinen Kopf zum Schlossturm. Doch das Fenster war schwarz. Würde er einmal dort oben sitzen? Für einen Moment musste Severus zurückdenken an diese unselige Nacht, in der Dumbledore in diesem Büro gesessen hatte, weinend wie er damals.

Es war schon eigenartig. All die Jahre war Dumbledore Severus wie heller Schein an einem fernen Horizont erschienen. Eine Lichtgestalt, deren Güte und Gnade er sein Leben in Hogwarts zu verdanken hatte. Immer hatte er in Dumbledores Schatten gestanden und sich vor ihm wegen der unauslöschlichen Flecken seiner Vergangenheit geschämt. Immer gebangt, dass das Licht sich deswegen einmal von ihm abwenden könnte. Nun war das Licht selbst von Schatten durchzogen, nun hatte Dumbledores weiße Weste selbst dunkle Flecken. Severus erinnerte sich, dass er ihn für einen Moment für durchtriebener als selbst den Dunklen Lord gehalten hatte. Der Moment oben im Schulleiterbüro, als der Schleier von seinen Augen gezogen wurde und die Lichtgestalt starb.

Er hatte Albus Dumbledore nie gekannt. Niemals hatte er seinen Plan voll durchschaut. Er hatte immer geglaubt, dass es nur darum ginge, Harry Potter zu beschützen. Doch mit dem Bengel hatte es mehr auf sich. Er war ein Rädchen im Getriebe der Maschinerie, die den Dunklen Lord zu Fall bringen sollte. Es ging nicht darum, sein Leben zu retten. Er hatte selbst eine Aufgabe. Die Aufgabe, zu sterben und vielleicht zu überleben – vielleicht. Severus lächelte bitter.

„Der Eine mit der Macht, den Dunklen Lord zu besiegen, naht heran“

Oh ja… der Auserwählte. Er selbst hatte an die Prophezeiung nie geglaubt. Das heißt, damals im Eberkopf schon. Aber nicht mehr, seitdem er wusste, wen sie betraf, seitdem er den Bengel kennengelernt hatte. Viele hatten es anders gesehen. Viele hatten geglaubten, dass der Junge vielleicht ein neuer Dunkler Lord werden würde, dem sie folgen konnten. Was Lily wohl dazu sagen würde, dass Dumbledore ihren Sohn, für den sie ihr Leben gab, in den Tod schicken wollte? Und dass er, Severus Snape, es ihm ausrichten sollte? Er, der sie schon einmal verraten hatte, schon einmal an ihr so schuldig geworden war?

„Wenn einer weiß, was Schuld bedeutet, dann ich“

Ha! Wenn das wahr ist, Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore, wenn du wirklich weißt, wie es ist, den Menschen verraten zu haben, den du liebst … warum, WARUM willst du den Bengel dann in die Selbstopferung schicken? Ohne absolute Gewissheit, dass er durchkommt? Harry Potter, das zum Schlachten aufgezogene goldene Kalb, oh was hast du ihn mit Liebe überschüttet. Es war zum Kotzen! Warum? Alles eine Farce? Eine geschickte Heuchelei, um ihn gefügig zu machen? Dein wunderbares Werkzeug? Sag es mir!

Doch die Nacht schwieg. Wütend warf Severus einen Stein hinaus aufs Wasser und beobachtete, wie er versank. Dann kehrte er zurück ins Schloss. Mit einem letzten Blick auf die welkende Lilie im Wasserglas, zog er seinen Mantel aus, warf sich aufs Bett und schloss die Augen.

Das Gesicht mit den roten Haaren schwebte geisterhaft vor ihm im Licht, weiß, durchsichtig, eine Erscheinung in weiter Ferne. „Aber du nennst jeden, der meine Herkunft hat Schlammblut, Severus“, sprach die Stimme gedämpft, wie durch Watte, „Warum sollte es bei mir anders sein?“
„Nein!“, keuchte Severus, „Lily, nein. Du bist etwas Besonders. Warte doch. Du bist etwas Besonderes. Für dich, da-“

Er riss die Augen auf. Das Nachthemd klebte an ihm vor Schweiß und hinter dem Kerkerfenster leuchtete graues Licht. Es war Morgen. Severus blinzelte und rollte sich aus dem Bett. Sein Schädel brummte. Verfluchter Alkohol! Und was war das eigentlich für ein sonderbarer Alptraum? Warum wandte sich Lily plötzlich mit einem verächtlichen Blick von ihm ab, gerade als er ihr erklären wollte, dass er alles nur für sie tat? Nur für sie!

Schlaftrunken ließ Severus seinen Blick durch den Raum schweifen – und zuckte plötzlich zusammen. Von der anderen Seite des Zimmers schauten ihn zwei Augen an. Dann aber erkannte Severus, dass es nur sein eigenes Spiegelbild war. Merlin, seine Nerven lagen wirklich blank! Alle Menschen, von denen er geglaubt hatte, sie zu kennen, erschienen ihm plötzlich fremd. Dumbledore, er selbst, Lily.

Lily! Severus hatte das untrügliche Gefühl, dass ihm der Alptraum etwas sagen wollte. Doch was? Zögerlich warf er einen Blick hinüber zur Lilie. Welk ließ sie den Kopf hängen. Schnell wandte er den Blick wieder ab und dachte zurück an die unglückselige Nacht, als ihre Freundschaft zerbrach. Aus ihrem Leben verstoßen hatte sie ihn, weil er nicht verstehen wollte, warum es ihr missfiel, dass er andere Schlammblut nannte. Severus lächelte bitter. Wie blind er gewesen war! Hätte er ihr damals doch nur zugehört. Er hätte sich dem Dunklen Lord nie angeschlossen. So aber hatte er durch eine harte Schule lernen müssen, dass auch die Todesser keine Unterschiede machten. Warum zum Teufel musste er eigentlich jede Lektion in seinem Leben zu spät lernen? Und dann kam die Nacht auf dem Hügel, in der Dumbledore ihn widerlich nannte. Er hatte den Dunklen Lord angefleht, ihr Leben zu verschonen im Austausch gegen den Jungen. Doch sie – sie hatte lieber sich selbst geopfert, als ihn preiszugeben. Und wieder hatte Severus sie nicht verstanden. Doch er hatte gelernt. Seit Jahren schon riskierte er sein Leben um ihr Opfer zu wahren. Sollte Dumbledore doch einen anderen Jungen schicken, die Welt zu retten. Die Welt war scheißegal, es ging nur um sie. Nur um…

Severus heilt inne. „Warum sollte es bei mir anders sein?“. Der Satz schoss ihm wie ein Fluch durch den Kopf. Irgendetwas stimmte nicht. Doch was? Unsicher warf Severus noch einmal der Lilie einen kurzen Seitenblick zu. Und dann erschauerte er. Konnte es sein? Konnte es, dass er sich wieder täuschte? Dass er Lily wieder einmal nicht verstand? Erschöpft schloss Severus die Augen. Nur um sie ihm nächsten Moment wieder aufzureißen. Das war sie! Die Antwort auf die Frage, die er sich in den Schlossgründen gestellt hatte. Nein, es ging nicht nur sie. Ihr ging es niemals nur um sich. Vor dem Gryffindorturm, da hatte sie für alle Mugglestämmigen gesprochen. In Godric’s Hollow, da hatte sie sich für ihren Sohn geopfert. Sie war ihm Orden des Phönix gewesen. Sie hatte an Dumbledores Seite gekämpft. Bei Merlin! Auch sie hatte ihr Leben riskiert, um den Dunklen Lord zu stürzen. Das war es, was sie wollte. Das war ihr Ziel. Sie wollte die ganze Welt vor ihm retten - nicht nur ihren Sohn.

Geistesabwesend zog Severus sich um und stürzte auf den Stuhl vor dem Pult nieder. Noch immer starrte er sein Spiegelbild an, gelähmt von der neuen Erkenntnis. So viel er für sie auch getan hatte, so wenig hatte er sie verstanden – bis jetzt, als sein Leben mal wieder aus den Fugen geraten war. Wie damals auf dem Hügel und vor dem Gryffindorturm. Lily hatte beides gewollt.

War es vielleicht auch das, worum es Dumbledore ging? Beides? Zumindest würde das einiges erklären. Seine Liebe zu dem Bengel wirkte zu echt, um nur Schauspiel zu sein. Doch wer konnte das schon mit Gewissheit sagen? Severus dachte kurz nach, dann lachte er grimmig sein Spiegelbild aus, in dessen Augen noch immer der Zorn auf Dumbledore brannte. Es war egal, ob er verraten worden war oder nicht. Ihm war plötzlich eine weitere schreckliche Wahrheit bewusst geworden: Der Dunkle Lord würde nie aufhören, Potter nach dem Leben zu trachten, es sei denn er würde besiegt. Und um besiegt zu werden, musste Potter „sterben“. Oh, welch bittersüße Ironie! Dumbledore hatte sie längst schon durchschaut. Sein Plan war der einzige Weg. Riskant, aber es gab keine andere Möglichkeit. Oder zumindest keine, die den Dunklen Lord für immer besiegen und nicht nur in Schach halten könnte oder bedeutete, seelenruhig mit anzusehen, wie er die Welt blutrot färbte.

Aber war es das, was Severus wollte? Den riskanten Weg? Die Klappe, mit der sich beide Fliegen erschlagen ließen? Er schloss die Augen, überlegte. Hätte Dumbledore ihm all das vor sechszehn erzählt, er wäre aus dem Büro gerauscht und hätte sich im See ertränkt. Sinnlos, einen Jungen zu beschützen, der vielleicht sterben würde. Aber heute… Seit Jahren hatte Severus niemanden mehr Schlammblut genannt. Und Voldemorts Blutvergießen widerte ihn an. Es war wahr, was er zu Dumbledore gesagt hatte. Er hasste es, Menschen sterben zu sehen – zu spät zu kommen oder nichts tun zu können. Er hatte versprochen Draco und die Schüler Hogwarts zu beschützen, die allesamt nicht von Lily abstammten. Tief atmete Severus ein, dann schlug er die Augen auf. Ja… Ja, auch er wollte beides. Es ging ihm schon lange nicht mehr nur um Potter, selbst wenn er sich das nie eingestanden hatte. Er wollte, dass die Schreckensherrschaft des Dunklen Lords endete. Dass diese Schlange endlich zugrunde ging!

Noch immer sah Severus seinem Spiegelbild in die Augen. Er wusste nicht, ob sie noch schwarz waren oder sich grün gefärbt hatten oder vielleicht… vielleicht auch eisblau.

Wieder sprang er auf und riss den Reisemantel vom Haken. Wieder stürmte er die Treppen hinauf und raus in die Schlossgründe. Er brauchte frische Luft, um seine stürmenden Gedanken zu beruhigen. Doch er konnte keinen Schritt gehen, ohne dass die Welt um ihn her ihn an Lily oder Dumbledore erinnerte. Jeder Gedanke stach, schnitt ihn noch immer wie ein Messer. Obwohl er glaubte, Dumbledores Plan nun ein wenig besser zu verstehen – dass er belogen worden war, konnte Severus nicht vergessen.

So viele Jahre hatte er gehofft, Dumbledores Freundschaft gewinnen zu können, auch wenn die Zweifel nie aufhörten. Nun wusste er, dass er immer nur ein Werkzeug für ihn gewesen war. So war es doch, oder? Oder? Severus blieb stehen und horchte in sich hinein. Doch seine innere Stimme antwortete nicht. Stattdessen stieg das Bild in ihm wieder auf. Das Bild von Dumbledore, der Tränen über die silberne Hirschkuh vergoss. Ein Gefühl von Schwere ließ Severus für einen Augenblick auf die nächste Bank niedersinken. Er hatte verstanden. Mehr verstanden als ihm lieb war. Eine graue Wahrheit konnte grausamer sein als eine schwarze Fantasie. Ob der Lümmel bei dem Spielchen wohl mitmachen würde? Severus wusste es nicht, er zweifelte. Aber eines konnte er nicht verleugnen: Dass der Bengel sich liebend gerne in Gefahr stürzte. Und er würde es freiwillig tun müssen, auch das gehörte zum Plan.

Lange durchwanderte Severus die Schlossgründe, kehrte nur zum Essen kurz ins Schloss zurück und war dann wieder draußen. Die Stunden schwanden dahin, ohne dass er etwas davon mitbekam. In Gedanken versunken hatte er bald jedes Zeitgefühl verloren. Erst als die Dämmerung ihn überraschte, machte er sich auf den Heimweg. Doch anstatt sich in sein Zimmer zurückzuziehen, tauschte er die Schlossgründe gegen die Flure ein und zog seine ziellosen Runden durch das einsame Gebäude.

Es war seltsam, dachte er, als er eine abgelegene Treppe betrat. All die Jahre hatte es in seinem Kopf nur schwarz und weiß gegeben. All die Jahre hatte er Dumbledore hinter einer unüberwindbaren Mauer geglaubt im Reich der Guten, der Unschuldigen, während er im Niemandsland herumirrte - zu schuldig für die gute Seite, zu reumütig für die böse. Immer hatte er daran gezweifelt, dass Dumbledore, die Lichtgestalt, ihm, dem ehemaligen Todesser wirklich vertrauen konnte. Nichts als Gutmenschentum waren seine Worte für ihn gewesen.

Aber wenn es wahr war… wenn es wirklich wahr war, dass auch er schuldig geworden war, konnte es dann sein … Konnte es sein, dass er all das wirklich ernst meinte?

Langsam ließ sich Severus auf dem Boden des einsamen, dunklen Durchgangs sinken, den er inzwischen erreicht hatte. Noch immer fiel es ihm schwer zu glauben, dass Dumbledore ebenfalls ein dunkles Geheimnis haben sollte. Wie ein merkwürdiger Traum kam ihm all das vor. Aber wenn es tatsächlich so war, dann erschien so vieles in einem ganz anderen Licht. Severus ließ die vergangenen Jahre Revue passieren. All die Male, in denen Dumbledore den Glauben an das Gute im Menschen predigte. All die Male, als er ihm sein Vertrauen aussprach. Welch tieferen Sinn bekamen diese Momente plötzlich.

„Aber wir können keine Heilung finden, wenn wir an dem festhalten, was nicht mehr ist… Wir können unsere Schuld nicht begleichen, indem wir sie Anderen anlasten…Wir müssen Wiedergutmachung leisten und Gnade lernen mit uns selbst“

Wir… grundgütiger… wir. Warum hatte er nie darüber nachgedacht, dass dies mehr als Rhetorik sein könnte? Und all die Momente, in denen er das Gefühl hatte, dass Albus Dumbledore ihn durchschaute. Konnte es sein, dass es echtes Verständnis war? Dass er wirklich an ihn glaubte, ihm wirklich vertraute? Severus musste an die Tränen um seinen Patronus denken, die so echt gewesen waren wie der Boden auf dem er saß. Und wem würde er, bei aller Notwendigkeit für den Plan, seinen Tod in die Hand legen, wenn nicht jemandem, dem er vertraute? Tief atmete Severus durch. Immer hatte er an Dumbledores Vertrauen, an seiner Liebe gezweifelt. Aber vielleicht… vielleicht hatte er sich selbst betrogen. Vielleicht war er gar nicht der Bauer auf Dumbledores Schachbrett. Vielleicht war er… ja, was eigentlich? Springer? Turm? Dame?

Für eine Weile schwieg alles in Severus. Doch dann plötzlich kehrte mit flammender Kraft die Wut in ihn zurück. Wenn das wahr war, warum zum Teufel, hatte Dumbledore ihm nie etwas davon erzählt? Was immer sein Geheimnis war, er hätte gefälligst darüber reden sollen, anstatt Severus all die Jahre im Dunklen leiden zu lassen. Aber der feine Herr liebte Geheimnisse ja. Er hatte noch ganz andere vor ihm gehabt, oh ja. Konnte er selbst Albus eigentlich noch vertrauen, nach diesem Verrat? Er war gerne sein Verbündeter, um den Dunklen Lord zu stürzen – aber er war nicht seine Marionette oder sein Schoßhündchen, das man herumkommandieren konnte. Wenn, dann ging er den Weg freiwillig mit ihm, gleichberechtigt an seiner Seite. Und wo zum Bowtruckle war er hier überhaupt?

„Lumos“, rief Severus und staunte nicht schlecht, als sein Zauberstablicht den Raum enthüllte. Von den Wänden blickten ihn zahllose Gesichter an. Gesichter, die er kannte. Ohne es zu registrieren, war er direkt in jenen Durchgang gelaufen, den ihn Dumbledore einst gezeigt hatte. Gerade überlegte er noch, wie er diesen merkwürdigen Zufall deuten sollte, als er plötzlich eine Stimme hinter sich hörte.
„Oh, Professor Snape, Sie sind es. Ein Glück sage ich, ein Glück“
Severus drehte sich um. Es war Phineas Nigellus Black, der munter weitersprach.
„Sie müssen dringend ins Schulleiterbüro kommen. Es ist nicht zum Aushalten. Sie müssen es beenden“
Severus hob die Augenbraue.
„Was ist nicht zum Aushalten? Was muss ich beenden?“
„Der Direktor spricht die ganze Zeit nur von Ihnen. ‚Ich habe ihn verloren, oder?... Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht… Er wird mir nicht verzeihen, nicht wahr Fawkes? Er wird nicht zurückkommen‘. Und dann seufzt er, grübelt vor sich hin und schickt mich in die Küche, um den Hauselfen Aufträge zu erteilen.“
„Das tut er?“, fragte Severus verwundert.
„Oh ja, den lieben langen Tag. Wenn Sie mich fragen…“
Doch Severus fragte nicht. Er hörte auch nicht mehr zu. Nachdenklich senkte er den Blick, beobachtete für eine Weile den Lichtkegel auf den Dielen. Den einzigen hellen Fleck in einem Meer aus Finsternis.

Dann blickte er auf und traf einen Entschluss.
„Phineas“, rief er dem Porträt zu, „Gehen Sie ins Schulleiterbüro! Sie wissen, was Sie zu tun haben.“


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