von Loup
Wofür lebte ich noch? Was war der Sinn meines Lebens? Diese Frage stellte ich mir jeden Morgen. Und die Antwort war immer die Gleiche. Ich wusste es nicht.
Er hatte mich erneut im Stich gelassen. Doch das Schlimmste daran war, dass ich ihn verstehen konnte. Sehr gut sogar. Er hatte so viel Leid ertragen müssen. Viel mehr als ein einzelner Mensch schultern konnte. Er würde die Hilfe seiner Freunde brauchen um das alles zu verarbeiten. Doch wollte er mit ihnen nichts zu tun haben, um sie nicht an die dunklen Zeiten zu erinnern. Ein halbes Jahr war vergangen, seit dem er verschwunden war. Seinen Namen habe ich seit damals nie wieder erwähnt. Und ich würde ihn auch nie wieder erwähnen. Viel zu groß wäre der Schmerz, der damit verbunden wäre.
Hatte mein Leben noch einen Sinn? Ich wollte mir selbst diese Frage verneinen. Doch hatte ich Angst. Angst, ich würde mein Leben beenden und dann doch nicht für Ihn da sein, wenn er einsehen würde, dass er uns, dass er mich brauchte! Also vegetierte ich förmlich vor mich hin. Nur dieser eine Gedanke gab mir Kraft.
Irgendwann würde er zurückkehren! Irgendwann würde er merken, dass er mich brauchte… Irgendwann würde er hoffentlich auch merken, dass ich ihn brauchte… Im gleichen Augenblick hätte ich mich Ohrfeigen können. Ich schämte mich für diesen Gedanken. Er brauchte Hilfe und nicht ich!
Ich schleppte mich nach unten zum Frühstück. Eigentlich hatte ich keinen Hunger, aber meine Mum bestand darauf, dass ich etwas aß. Also nahm ich mir eine trockene Scheibe Toast und begann lustlos daran rum zu knabbern. Eine Eule schwebte durch das Küchenfenster und ließ einen Tagespropheten vor mir fallen.
Gerade wollte ich mich aufrichten um mich in meinen Sessel im Wohnzimmer zu sitzen, als mein Blick an einem smaragdgrünen Augenpaar hängen blieb. Hastig schlug ich die Zeitung auf und dort war er. Er lächelte mich aus einem Foto heraus traurig an. Wie gebannt starrte ich das Foto an. Erst nach ein paar Augenblicken wandte ich meinen Blick auf den Artikel. Und sofort gefror mir sämtliches Blut in meinen Adern. Wie gelähmt betrachtete ich die Zeitung und begann hilflos zu schluchzen.
Durch mein Schluchzen erweckte ich die Aufmerksamkeit meiner Mutter, welche im Nachbarzimmer aufräumte. „Ginnyschatz, was ist denn los?“ Ihr Blick fiel von mir auf die Zeitung und den Artikel vor mir. Sie warf einen Blick darauf. „Bei Merlins Bart!...“ Entsetzt griff sie sich an die Brust. Als sie sich wieder gefasst hatte, beschwor sie einen Patronus, der augenblicklich verschwand. Kurz darauf erschien mein Dad. Mit vor Schreck geweiteten Augen begann er wie gebannt den Artikel in der Zeitung zu lesen. Mum führte mich derweil in meinen Sessel im Wohnzimmer. Ich konnte sie in der Küche reden hören. Es kamen und gingen Leute. Doch all das war nebensächlich. Jedes Wort des Artikels schien sich in meinen Kopf gebrannt zu haben. Immer und immer wieder erschien er Wort für Wort in meinem Geist.
„Harry Potter – Unter mysteriösen Umständen verstorben.“
Lange Zeit war es ruhig um den Held der magischen Gemeinschaft. Jener, der uns vom dunkelsten Magier aller Zeiten befreit hatte, würde sich wahrscheinlich im Kreis seiner Freunde zunächst ein paar Wochen der Ruhe gönnen, bevor er sich voller Elan in die Neugestaltung unserer Gesellschaft einbringen würde. So dachten alle in unserer Gemeinschaft. Doch aus den Wochen ohne ein Lebenszeichen von ihm wurden Monate. Und langsam erwuchs Zweifel in der magischen Gemeinschaft.
Warum trat er nicht vor die Öffentlichkeit? Er, der er das Symbol war für einen Neubeginn. Er, der er für eine glückliche und friedliche Zukunft stand. Warum ließ er uns alle, die so sehnlichst auf eine Erklärung von ihm warteten im Stich?
Die Antwort auf diese Fragen ist so einfach wie niederschmetternd, wie der Tagesprophet heute exklusiv berichten kann. Nicht nur, dass die magische Gemeinschaft so lange vergeblich auf ihren Helden warten musste. Auch seine engsten Freunde haben seit über einem halben Jahr keinen Kontakt mehr zu ihm. Wie es scheint ist er seit über einem halben Jahr spurlos verschwunden.
Doch warum ist er untergetaucht? Fürchtet er sich etwa vor der Rache möglicher Todesser? „Harry ist nicht der Typ, der aus Angst vor etwas davon läuft!“, schätzt Neville Longbottom seinen Freund und Kampfgefährten ein. Jedoch gibt es nur eine andere Möglichkeit, die erklärt, warum Harry Potter, seit über einem halben Jahr spurlos verschwunden ist.
Dem Tagespropheten wurden aus vertrauensvoller Quelle Informationen zugespielt, die so niederschmetternd und dramatisch sind, dass es uns schwer fällt, sie hier niederzuschreiben. Jedoch hat unsere Leserschaft ein Recht zu erfahren, warum Ihr Held sie im Stich lässt.
Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass Harry Potter, derjenige, der Sie-wissen-schon-wen besiegt hat, selber nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Genauere Informationen zu den Todesumständen können wir Ihnen im Moment noch nicht mitteilen. Das Ministerium tagt im Moment darüber, wann der Tod Harry Potters, offiziell erklärt wird. Wir hoffen Ihnen bis zu dieser Erklärung genauere Umstände über den Tod Harry Potters mitteilen zu können.
Kurz nach dem Triumph über Sie-wissen-schon-wen wird die magische Gemeinschaft durch diese Nachricht erneut tief erschüttert. Traurige und schwere Zeiten stehen vor uns, da die Person, welche symbolisch für einen friedlichen Neubeginn gestanden hat, nun nicht mehr unter uns weilt.
Von einer zu tiefst erschütterten
Rita Kimmkorn.
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