von Lynette
Nach dem Gespräch mit Luna fühlte Helen sich seltsamerweise besser. Es hatte ihr gut getan, einmal ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Am nächsten Morgen fühlte sie sich allerdings etwas unbehaglich, als sie Luna beim Frühstück begegnete. Zwar machte sie sich keine Sorgen, dass Luna all das weiter erzählen würde, was sie ihr gesagt hatte, aber es war ein merkwürdiges Gefühl, einem vollkommen fremden Mädchen sein Herz ausgeschüttet zu haben.
Luna selbst lächelte ihr nur zu und summte vor sich hin.
Helen ließ den Blick durch die Halle schweifen und fuhr zusammen, als sie Dracos blonden Haarschopf inmitten einer Gruppe von Slytherins entdeckte. Mit einem Ziehen im Magen bemerkte sie, dass Pansy Parkinson dicht neben ihm stand und laut lachte.
Morag sah auf, als Helen ihre Schüssel mit Porridge wegschob. Besorgt blickte sie sie an.
„Hab keinen Hunger“, murmelte Helen ihr zu und sah wieder hinüber zu den Slytherins.
Morag folgte ihrem Blick und schnaubte verächtlich. „Macht die Parkinson sich an Malfoy ran?“
Helen schaffte es, einigermaßen neutral zu antworten: „Sieht so aus.“
Die beiden Mädchen beobachteten die Slytherins noch eine Weile. Schließlich zerstreuten sie sich, Pansy Parkinson und ihre Clique setzten sich schwatzend wieder an den Tisch, während Draco flankiert von Crabbe und Goyle die Große Halle verließ, ohne Helen einen Blick zuzuwerfen.
Enttäuscht drehte sich Helen um.
Morag seufzte mitfühlend, dann erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Viktor Krum, gefolgt von den anderen Durmstrangs, betrat die Halle.
„Sieht er nicht absolut hinreißend aus?“, flüsterte sie verzückt.
Helen betrachtete Krum und versuchte, sein Aussehen objektiv zu beurteilen.
„Naja“, sagte sie schließlich, „wenn du auf große, muskulöse Typen mit einem Watschelgang stehst…“
„Groß und muskulös? Ihr sprecht doch hoffentlich nicht von mir?“ Anthony ließ sich neben sie auf die Bank fallen und grinste sie an.
Morag reckte verärgert den Kopf. „Geh weg, Antony, du versperrst mir die Sicht!“
Anthony ignorierte sie und wandte sich Helen zu. „Hast du Lust auf eine Partie Zauberschach?“
Helen verzog das Gesicht. „Wozu, wenn du doch sowieso wieder gewinnst?“
„Hm“, machte Anthony und grinste. „Da hast du wohl Recht.“
Er klaute ein paar Weintrauben von Morags Teller, die zu beschäftigt damit war, Krum beim Essen zu beobachten, um dies zu bemerken.
Nachdenklich beobachtete er Helen. Sie sah müde und traurig aus. Anthony war kein Mensch, der gern über Gefühle sprach, aber er wusste, wann es seiner besten Freundin schlecht ging und wollte sie aufmuntern, ohne den Grund für ihre schlechte Stimmung in Erfahrung zu bringen.
„Was willst du denn gern machen?“, fragte er Helen.
Die zuckte lustlos mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
Anthony überlegte einen Moment, dann strahlte er und sprang auf.
„Kennst du schon die Märchen von Beedle dem Barden?“
„Und dann hieß er den Tod als alten Freund willkommen und ging freudig mit ihm, und ebenbürtig verließen sie dieses Leben“, las Anthony und klappte das Buch zu. Helen lächelte zufrieden.
„Wie schön“, sagte sie. „Danke.“
Anthony erwiderte betont beiläufig: „Ach, keine Ursache.“
„Nein wirklich“, sagte Helen, „das war eine tolle Idee von dir.“
Anthony räusperte sich verlegen und stand auf. „Ich stell dann mal das Buch zurück.“
Helen nickte und lehnte sich zurück. Sie hatte den Vormittag sehr genossen. Zusammen mit Anthony hatte sie in der Bibliothek die gesammelten Märchen von Beedle dem Barden gelesen, während der Regen an die Fenster trommelte und der Wind die Scheiben klirren ließ. Nirgendwo war es so gemütlich während eines Regentages wie in der Bibliothek, überlegte sie. Vielleicht noch im Gemeinschaftsraum oder im Schlafsaal, aber was gab es Schöneres als eine große Halle voller Bücher, die einen auf andere Gedanken brachten?
Tatsächlich hatte sie ihren Liebeskummer beinahe vergessen, doch ihr fiel alles sofort wieder ein, als Draco Malfoy auf sie zukam.
„Hey“, sagte er fröhlich und ließ sich auf Anthonys Platz fallen. „Lernst du? Am Samstag? Dass ihr Ravenclaws aber immer übertreiben müsst…“
Helen schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, ich habe mit Anthony die Märchen von Beedle dem Barden gelesen.“
Dracos Gesicht erstarrte zu einer undurchdringlichen, hochmütigen Maske.
„Kindermärchen“, sagte er spöttisch. „Mit Anthony – wie heißt er gleich?“
„Goldstein“, antwortete Anthony, der mit verschränkten Armen hinter ihm stand. „Du sitzt auf meinem Stuhl, Malfoy.“
Draco erhob sich langsam. „Ich wollte nicht stören“, sagte er kühl. „Eigentlich wollte ich dir etwas zeigen, Helen, eine Art - Protestaktion.“
Er griff in die Tasche und holte einen großen, runden Anstecker heraus, auf dem rot leuchtend stand:
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