von Lynette
âUnd du hast es ihm wieder nicht gesagt?â, fragte Morag unglĂ€ubig.
Helen seufzte und schĂŒttelte den Kopf.
âMensch, Helen, wie lange willst du denn noch warten?â Morag wich geschickt einem der herumfliegenden Kissen aus. Zauberkunst war schon immer der beste Ort gewesen, um vertrauliche GesprĂ€che zu fĂŒhren. Heute sollten sie den Verscheuchezauber wiederholen und es machte ihren MitschĂŒlern viel zu viel SpaĂ, die Kissen quer durch das Klassenzimmer zu jagen, um ihnen zuzuhören.
âIch weiĂ, dass ich es ihm bald sagen muss, aber - â Helen brach ab und duckte sich unter den Tisch, als Mandys Kissen gefĂ€hrlich nah vorbeitrudelte.
âJa, das musst duâ, sagte Morag und wedelte energisch mit dem Zauberstab, sodass ihr Kissen pfeilschnell durch die Luft schoss und Terry Boot im Gesicht traf.
âMiss McDougal!â, rief Professor Flitwick empört. âIn die Kiste! Nicht auf Mr Boot!â
âTut mir Leid, Sir!â, antwortete Morag und drehte sich wieder zu Helen.
Helen drehte gedankenverloren ihren Zauberstab hin und her.
âHelen.â Morag sah sie ernst an. âJe lĂ€nger du schweigst, desto schwieriger wird es. Als ich acht war, hab ich mal den Komet Zwei-Sechzig meines groĂen Bruders geklaut. Naja, und dann bin ich gegen einen Baum geflogen und der Besen war ziemlich beschĂ€digt. Darum hab ich ihn unter meinem Bett versteckt. Und Ian ist total verrĂŒckt geworden, weil er dachte, dass jemand seinen Besen geklaut hat, aber ich hab mir nicht getraut, ihm die Wahrheit zu sagen. Dann hat er die Magische Strafverfolgungspatrouille benachrichtigt und Anzeigen in den Tagespropheten gesetzt und sich total lĂ€cherlich gemacht durch die ganze Aktion. Ich meine, ein Komet Zwei-Sechzig!â Morag verdrehte die Augen. âBei einem Feuerblitz könnte ich das verstehen⊠Aber egal, jedenfalls hat er dann irgendwann den Besen unter meinem Bett entdeckt und war total sauer, weil er sich im ganzen Land zum Affen gemacht hat. Und wenn ich ihm das ganze gleich gebeichtet hĂ€tte, wĂ€re es nie so weit gekommen.â
âUnd die Moral von der Geschichtâ â klau deinem Bruder den Besen nicht!â, reimte Helen und grinste.
Morag gab ihr einen StoĂ. âDu weiĂt ganz genau, was ich meine!â
Helen nickte und wandte sich ihrem Kissen zu. âIch wirdâs ihm sagenâ, murmelte sie. âSobald ich kann.â
Sie verscheuchte ihr Kissen, doch auf halbem Weg verlor es die Lust und fiel auf Padmas Kopf.
Doch Helen konnte nicht. Die Tage vergingen und jeden Abend nahm sie sich vor dem Einschlafen vor, morgen ganz bestimmt Draco die Wahrheit zu sagen, doch sie tat es nicht. Sie war einfach zu glĂŒcklich. Draco gab sich wirklich MĂŒhe und vermied alle Themen, die etwas mit MuggelstĂ€mmigen zu tun hatten und Helen hatte die Hoffnung, dass er sich vielleicht doch Ă€ndern könnte.
Mitte Januar fand schlieĂlich der erste Ausflug nach Hogsmeade im neuen Jahr statt und Helen und Draco wollten zusammen hingehen.
Am Samstagmorgen brauchte Helen ungewöhnlich lange bei der Auswahl ihrer Kleidung und ihrer Frisur. Morag stand ungeduldig in der TĂŒr und wippte auf den Zehenspitzen hin und her.
âKomm schon, wird fertig!â, drĂ€ngte sie, als Helen wieder zum Spiegel rannte, um doch noch eine andere Frisur auszuprobieren.
âOffen oder zusammengebunden?â, fragte sie Morag unsicher.
Morag stöhnte auf und verleierte die Augen. âDu siehst gut aus! Und jetzt komm schon, Malfoy wird bestimmt auch schon ungeduldig! Und Pansy wĂ€re es sicher sehr recht, wenn du zu spĂ€t kommstâŠâ, setzte sie voller Berechnung hinzu. Es wirkte, denn keine Minute spĂ€ter befanden sich Helen und Morag auf dem Weg nach unten.
Draco wartete in der Eingangshalle auf sie. Hinter ihm standen wie zwei dĂŒmmliche Felsbrocken Crabbe und Goyle.
âWow, ein Date mit LeibwĂ€chtern, wie romantisch!â, murmelte Morag in Helens Ohr. âBist du so gefĂ€hrlich?â
Helen achtete nicht auf sie und ging ein wenig unsicher auf Draco zu. Immerhin war das hier so etwas wie ihr erstes richtiges Date, obwohl sie sich schon hundertmal getroffen hatten.
âWollen wir?â, fragte Draco. Er wirkte genauso verlegen wie sie.
Helen nickte und nahm seine Hand. Sie traten aus dem groĂen Eichenportal und gingen die StraĂe nach Hogsmeade hinunter. Ein wenig verunsichert bemerkte Helen, dass Crabbe und Goyle ihnen hinterher trampelten.
Am Ortseingang von Hogsmeade blieben sie stehen.
âOkay, also, wo wollen wir hin?â, fragte Draco.
Helen wandte sich kurz um und sah Crabbe und Goyle an, die abwartend hinter ihnen standen.
âĂhm, Draco, was sollen die beiden eigentlich hier?â, fragte sie ihn leise.
Draco wandte sich um und schien Crabbe und Goyle zum ersten Mal zu sehen. âWas macht ihr hier?â, herrschte er sie an. âGeht in die Drei Besen! Oder in den Honigtopf! Oder macht â ach, ganz egal, Hauptsache, ihr latscht uns nicht hinterher!â
Crabbe und Goyle nickten doof und marschierten die HauptstraĂe entlang Richtung Honigtopf.
Draco schĂŒttelte den Kopf. âIch weiĂ auch nicht, wozu die ĂŒberhaupt einen Kopf habenâ, seufzte er.
Helen musste lÀcheln.
âAlso, wo wollen wir hin?â, fragte Draco.
Helen zuckte mit den Schultern.
âWie wĂ€re es mit etwas zu trinken?â, fragte Draco. âWarrington hat mir von einem romantischen CafĂ© erzĂ€hlt, was hĂ€ltst du davon?â
âWarrington?â, fragte Helen unglĂ€ubig. âRomantisch?â
âJa, unglaublich, oder?â
In der Tat, dachte Helen. Warrington, dieser groĂe unangenehme Quidditchspieler, sah so aus, als wĂ€re Romantik fĂŒr ihn ein finsteres Kerkerloch voller Folterinstrumente. Oder ein blutgetrĂ€nktes Schlachtfeld.
Madam Puddifootâs CafĂ© traf Helen daher gĂ€nzlich unvorbereitet. Es war kein Schlachtfeld und kein Kerkerloch. Es war pink. SĂŒĂliches, klebrig-romantisches Pink. Es gab zierliche weiĂe Tische und knallrosa Sessel, Blumengirlanden, RĂŒschen, Schleifen, niedliche Zierteller mit KĂ€tzchen an den WĂ€nden und Spitzengardinen an den Fenstern.
âWowâ, brachte Helen hervor, sobald sie ihre Stimme wieder gefunden hatte.
âUnglaublich, oder?â, fragte Draco und klang nervös.
Helen zwang sich zu einem LÀcheln, obwohl sie am liebsten geschrien hÀtte.
âWowâ, sagte sie noch einmal. âIch hĂ€tte nie gedacht, dass es irgendwo so viel Rosa geben könnte.â
âĂhm, ja â wollen wir uns nicht setzen?â, fragte Draco und fĂŒhrte sie zu einem freien Tisch. Ein wenig unsicher setzte Helen sich auf einen der viel zu weichen Sessel.
Madam Puddifoot sah genauso aus wie ihr CafĂ©. Sie sprach Helen und Draco mit âMeine SĂŒĂenâ an und brachte ihnen eine Kanne Kaffee.
Helen trank vorsichtig aus der winzigen, mit Rosen verzierten Tasse und verzog das Gesicht. Sie war an Kaffee nicht gewohnt und fand das GetrÀnk ziemlich bitter.
Draco langte nach dem ersten Schluck nach der Zuckerdose, warf fĂŒnf ZuckerwĂŒrfel in die Tasse und verrĂŒhrte alles mit einem filigranen Löffelchen.
âIst doch eigentlich ganz gemĂŒtlich hierâ, sagte er und schaute sich im CafĂ© um.
Helen starrte ihn unglĂ€ubig an. GemĂŒtlich? Was war bitte mit Draco passiert? Dieses CafĂ© sah aus, als hĂ€tte eine rosa Explosion stattgefunden, und Draco fand das gemĂŒtlich!? Hatte sie sich in seinem Geschmack so sehr getĂ€uscht?
Ein schlabberndes GerÀusch am Nebentisch weckte ihre Aufmerksamkeit. Helen wandte den Blick zu dem PÀrchen neben ihnen und schaute gleich wieder weg.
Cormac McLaggen hatte seine Kusstechnik seit dem Weihnachtsball offenbar immer noch nicht verbessert, aber seiner Freundin schien es zu gefallen.
Helen grinste bei dem Gedanken an Mandys Gesicht, dann sah sie wieder zu Draco. Er rĂŒhrte immer noch in seinem Kaffee herum.
Sie lehnte sich vor. âDraco, ich muss dir was sagen.â
Er schaute sie aufmerksam an.
Helen rĂ€usperte sich. âAlso, um ehrlich zu sein⊠Dieses CafĂ© ist grauenvoll.â
Draco starrte sie verblĂŒfft an.
âWirklich!â, sagte Helen mit verzweifelter Miene. âIch komme mir vor wie in einem klebrigen Berg voller rosa Zuckerwatte! Es ist so â pink!â
Draco begann zu lachen und sah erleichtert aus. âIch hab gedacht, MĂ€dchen gefĂ€llt so was! Aber ich findâs auch grĂ€sslich!â
Er warf ein paar MĂŒnzen auf den Tisch und sie flĂŒchteten aus der rosa Hölle.
DrauĂen auf der StraĂe blieben sie stehen und begannen zu lachen.
âWie kommt Warrington denn in so ein CafĂ©?â, fragte Helen und hielt sich den Bauch vor Lachen.
âKeine Ahnungâ, keuchte Draco und stĂŒtzte sich an einer Hauswand ab. âAber er hatte schon immer einen ausgefallenen Geschmack.â
Helen schĂŒttelte sich. âRosa! Pink! RĂŒschen! Ich brauch jetzt dringend ein Kontrastprogramm!â
Draco grinste schief. âDa wĂŒsste ich was.â
Er nahm ihre Hand und fĂŒhrte sie durch Hogsmeade, bis sie vor einem schmuddeligen, heruntergekommenen Pub stehenblieben, dessen Fensterscheiben schon seit mehreren Jahrzehnten auf eine Reinigung warteten.
âWarst du schon mal im Eberkopf?â, fragte Draco und ging ihr voran.
Drinnen sah es noch dĂŒsterer aus als von auĂen, und es roch nach Ziege. Der Besitzer hinter der Bar sah genauso aus wie sein Pub und gab ihnen mĂŒrrisch zwei staubige Flaschen Butterbier. Hier saĂen keine knutschenden PĂ€rchen an kleinen Tischen, sondern ziemlich heruntergekommene und dĂŒstere Subjekte. Offenbar war es hier ĂŒblich, sein Gesicht nicht zu zeigen, denn zwei Gestalten in der Ecke behielten ihre Kapuzen selbst beim Pfeife rauchen auf.
âWowâ, sagte Helen und setzte sich vorsichtig auf eine der groben HolzbĂ€nke. Draco setzte sich ihr gegenĂŒber und schob ihr eine Butterbierflasche zu. âHier ist es ja wirklich rustikal.â
Draco verschluckte sich an seinem Butterbier.
âSeltsam, oderâ, sinnierte Helen, âdass die Besitzer ihren Lokalen so Ă€hneln.â
Sie dachte darĂŒber nach und ĂŒberlegte, dass es vielleicht an der Persönlichkeit eines Wirtes lag. Madam Rosmertas Drei Besen waren immer gut gefĂŒllt, wahrscheinlich, weil sie diese Herzlichkeit ausströmte. Und der Eberkopf war so heruntergekommen, weil sein Besitzer selbst nichts von Seife und Wasser zu halten schien. Und Madam Puddifoot? Die hatte einen Knall, entschied Helen. Und zwar einen pinken.
Draco stieĂ mit seiner Butterbierflasche leicht an ihre.
âAuf unser erstes richtiges Dateâ, sagte er und lĂ€chelte sie an.
Helen lĂ€chelte zurĂŒck.
âUnd auf viele weitereâ, antwortete sie.
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