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Fanfiction

1 Moment - 5 Orte - Laila -3- Ein Neuanfang?

von HauselfeLilian

Laila erwachte am nächsten Morgen erst um fünf Uhr. Zuerst erschrak sie, weil sie dachte, sie hätte das Training verschlafen, doch dann fiel ihr ein, dass heute die Schule beginnen würde. Außerdem hätte Offizier Nagi sie wohl schon längst aus dem Bett gezerrt, wenn wirklich Training gewesen wäre.
Laila streckte sich ausgiebig und gähnte. Sie hatte schon seit einem Monat nicht mehr so lange geschlafen. Offizier Nagi hatte nicht einen Tag ausfallen lassen. Er hatte alle Zeit, die sie gehabt hatten genutzt, um sie zu schulen. Es hatte sich gelohnt. Gestern hatte sie ihn zum ersten Mal besiegt.
Sie ging aus dem Schlafzimmer und trat auf den Balkon. Es war noch dunkel und draußen war es angenehm kühl, jedoch ging nicht die leiseste Brise. Sie hatte noch viel Zeit, bevor sie gehen musste. Doch jetzt, da Offizier Nagi sie nicht zum Training abholte, wusste sie nichts damit anzufangen.
Sie ging zurück ins Schlafzimmer und holte sich ihre sandfarbene Uniform. Über dem Balkongeländer schüttelte sie den Staub heraus und zog sich an. Die weite Hose mit den vielen Taschen ließ kaum noch ihre schlanken Beine vermuten, doch das war ihr egal. Sie hatte sich nie wirklich um ihr aussehen gekümmert. Sie zog sich das Top über und band ihre dicken schwarzen Haare zu einem Zopf, damit sie sie nicht störten.
In Ägypten waren die frühen Morgenstunden die beste Zeit um Sport zu treiben. Und genau das würde sie jetzt tun. Sie hatte schon immer diesen Drang nach Bewegung gehabt. Oft war die innere Unruhe sogar so stark, dass sie nicht schlafen konnte. Doch seit Offizier Nagi so hart mit ihr trainiert hatte, war sie jeden Abend völlig geschafft ins Bett gefallen und hatte die ganze Nacht durchgeschlafen. Eigentlich fragte sie sich, warum Offizier Nagi ihr heute frei gegeben hatte. Immerhin wäre noch bis zehn Uhr Zeit gewesen, denn die Karawane, die sie nehmen würde ging erst um elf. Und ihre Sachen für die Schule waren schon gepackt hergebracht worden. Sie hatte sie nichteinmal angesehen. Der Offizier hatte gesagt, es wäre alles drin was sie brauchte und das reichte ihr. Sie hatte sowieso nichts, was sie noch hätte einpacken können. Offizier Nagi hatte ihr zwar angeboten ihre Sachen aus dem Waisenhaus zu holen, doch die gestohlenen Dinge dort waren ihr völlig egal. Sie wollte das Waisenhaus einfach vergessen.
Sechs Stunden Training dagegen hätten sich gelohnt...
Jetzt musste sie sich eben selbst darum kümmern.
Sie trat aus der Tür und schloss sie ab. Dann ging sie über die Balustrade, bis zu der Treppe, die in den Innenhof mit dem Brunnen führte. Schnellen Schrittes lief sie den ganzen Gebäudetrakt hinunter bis zu einer riesigen Mauer. Es war die Grenzmauer, die die Festung der Wüstenarmee umfasste. Zwischen der Mauer und dem großen Gebäudekomplex verlief ein breiter gepflasterter Weg. Laila hatte sich genug aufgewärmt. Sie bog nach links ab und begann zu joggen. Mittlerweile umrundete sie die ganze Festung in ihrem gewöhnlichen Lauftempo in einer halben Stunde. Zu Anfang hatte sie fast eineinhalb dafür gebraucht.

Als sie die Festung beinahe umrundet hatte, sah sie einen Schatten auf dem Balkon einer Wohnung stehen. Er war ihr nur im Augenwinkel aufgefallen, aber sie spürte wieder dieses Kribbeln im Nacken. Als sie um die Ecke war blieb sie stehen. Sie wusste zu wem der Schatten gehörte. Ihn würde sie überall wiedererkennen. Doch sie mochte nicht beobachtet werden. Es war ihr unangenehm. Sie wollte wissen, was das alles sollte.
Sie schaute auf die nach Innen gehende Ecke der zwei zusammenhängenden Gebäudetrakte vor ihr. In ihr war ein flaches Wasserbecken eingelassen und an der Mauer schauten einige Vorsprünge von lehmverputzten Tragbalken heraus. Die Wand war hoch, doch zu schaffen.
Innerhalb von Sekunden fasste Laila ihren Entschluss. Sie nahm Anlauf, rannte durch das knöcheltiefe Wasserbecken und sprang auf der Kante ab. Den ersten Balken erreichte sie mit dem Fuß. An einem darüber hielt sie sich mit der Hand fest. Schwungvoll kletterte sie die Außenmauer hinauf. Von Weitem musste sie aussehen, wie ein Äffchen. Doch um diese Uhrzeit war kaum ein Wüstensoldat schon wach, der sie hätte sehen können.
Sie kletterte bis aufs Dach des Gebäudes und orientierte sich kurz. Dann spurtete sie los, über das mit feinem Wüstensand bedeckte Dach. Zwischen dem Gebäude und dem anderen, in dem sie den Schatten bemerkt hatte, lag der kleine Innenhof mit dem Brunnen und den Palmen, den sie von ihrem Balkon aus betrachten konnte. Er wurde durch den Mitteltrakt, in dem sich ihre Wohnung befand, mit dem anderen verbunden.
Laila nahm eine kleine Mauer in vollem Lauf und kam an das Ende des Gebäudes, wo dasselbe Wasserbassin am Boden in der Ecke angelegt war, an. An der Außenecke des Gebäudes verlief der Balkon der Wohnung von dem sie beobachtet worden war. Laila verlangsamte ihre Schritte und schaute vorsichtig über die Kante. Dort streckte jemand den Kopf heraus und schaute erwartungsvoll in die Richtung aus der sie bald kommen müsste.
In Lailas Augen erschien für einen Moment ein freches Blitzen, dann war sie auch schon über der anderen Seite des obersten Balkons. Sie stellte sich mit den Zehen auf die Kante des Dachs und ging in die Hocke, damit sie sich mit den Händen festhalten konnte. Dann drückte sie sich mit den Füßen ab, schwang nach unten und in einer geschmeidigen Bewegung landete sie fast lautlos auf dem Balkon, des Mannes, der immernoch in die falsche Richtung starrte.
"Warum beobachtest du mich, Offizier Nagi?", fragte sie laut.
Der Offizier drehte sich mit einem süffisanten Grinsen in seinem narbenübersähten Gesicht zu ihr um. In seinen dunkelbraunen Augen spiegelte sich wieder das jungenhafte Glitzern. Er konnte noch nicht lange auf sein. Seine schwarzen Locken standen in alle Richtungen vom Kopf ab.
"Leise wie eine Katze, Laila!", schmunzelte er und strich sich über seine schwarzen Bartstoppeln.
Die weite ägyptische Baumwollhose, die er trug war pastelltürkis. Und sie war das Einzige das er anhatte. Sein braungebrannter durchtrainierter Oberkörper war vollkommen nackt. Laila ließ kurz den Blick über ihn schweifen, doch interessierte sie sich nicht dafür.
"Das war nicht die Antwort auf meine Frage, Offizier Nagi!", sagte sie beharrlich.
Offizier Nagi grinste immernoch und schaute auf ihre nackten Füße.
"Du trägst immernoch keine Schuhe, Mädchen", sagte der Offizier.
"Eine echte Ägypterin trägt niemals Schuhe", gab Laila unbeeindruckt zurück.
"Aber du bist keine echte Ägypterin. Du bist Perserin oder nicht?", sagte er ohne mit dem Grinsen aufzuhören.
"Und auch die tragen keine Schuhe!", sagte Laila abweisend und starrte ihn böse an.
Wenn er doch nur mit dem dämlichen Grinsen aufhören würde. Er musterte sie von oben bis unten. Wieder etwas, das ihr nicht passte. Er sollte damit aufhören sie ständig anzugucken, weswegen auch immer.
"Ich will eine Antwort!", forderte sie.
"Wenn du schonmal hier bist, willst du dann nicht mit mir frühstücken, Laila?", wich Offizier Nagi aus.
Laila verengte die Augen zu Schlitzen.
"Ich will wissen, warum du mich beobachtest, Offizier Nagi!", sagte sie schlicht.
"Ich muss doch wissen, was meine Schülerin macht. Beeindruckend, dass du so früh aufstehst und laufen gehst", meinte er schulterzuckend.
"Was soll ich denn sonst tun?", murrte Laila.
Der Offizier gluckste vergnügt. Laila lehnte sich an das Geländer des Balkons und schaute ihn prüfend an. Immer dieses Grinsen. Das machte sie ganz verrückt. Wie konnte ein Erwachsener nur ständig so fröhlich sein und aussehen als hätte man seine Backen mit Wäscheklammern hochgeklemmt?
"Was ist denn so lustig?", fragte Laila mürrisch.
"Du nennst mich immernoch nicht Hasib", antwortete er verschmitzt.
"Gehen wir frühstücken!", sagte Laila prompt und wandte sich rasch ab.
Offizier Nagi lachte leise und ging an ihr vorbei durch einen breiten Bogen, der direkt in sein Esszimmer führte. Er winkte ihr zu und sie folge ihm.
Allein das Esszimmer seiner Wohnung war beeindruckend. Es war geradezu riesig. In der Mitte des Raumes stand ein schwarzer Tisch mit grauer Rauchquarzplatte. Drumherum lagen etwa ein dutzend schwarzer Sitzkissen auf einem gelben Knüpfteppich. Die drei Öllampen auf dem Tisch waren aus gelbem Glas und an der Wand hing ein großes Gemälde mit einem gelben Chrysanthemenfeld. Auf dem Quarztisch stand außerdem eine Teekanne aus gelbem Glas und dazu passende Gläser.
"Setz dich!", sagte Offizier Nagi und bot ihr ein Kissen an.
Laila nahm im Schneidersitz platz und der Offizier verschwand hinter einem Vorhang hinter dem sie die Küche vermutete. Sie ließ den Blick weiter durch den Raum wandern. Vielmehr gab es allerdings nicht zu sehen. Kein Schmuck, keine Dekoration, nichts.
Typisch Mann eben, dachte sich Laila.
Doch ihr gefiel die Einrichtung. Ein Zimmer ohne viel Aufhebens um Prunk und Stil. Ein Zimmer, das einfach nur zum Essen diente.
Der Offizier kam mit einem Tablett zurück und stellte es vor Laila auf den Tisch. Er setzte sich ihr gegenüber und schob es in die Mitte. Er hatte einen Krug Schafsmilch und einen Teller Datteln gebracht.
"Danke", sagte Laila leise.
Sie nahm sich eine Handvoll Datteln, während Offizier Nagi ihnen Milch einschenkte. Laila trank ein paar Schlucke. Von dem bisschen Laufen war sie noch nichtmal ins Schwitzen gekommen. Eigentlich wäre sie weitergelaufen, aber ein Frühstück mit dem Offizier war immernoch besser als in ihrer Wohnung zu sitzen und zu warten.
"Heute geht es wieder in die Schule", sagte Offizier Nagi und steckte sich eine Dattel in den Mund.
Laila erwiderte nichts. Dass die Schule wieder anfing, war eine Tatsache und bedurfte keiner Antwort.
"Wir werden uns eine lange Zeit nicht sehen", fuhr Offizier Nagi fort.
Auch darauf reagierte Laila nicht. Tatsache.
"Wirst du in der Schule weitertrainieren?", fragte der Offizier.
"Ja", antwortete Laila schlicht.
Offizier Nagi musterte sie eine Weile und schnaubte belustigt.
"Redest du in der Schule auch so wenig?", wollte er wissen.
"Ja", sagte Laila leise.
Sie spürte den Blick des Offiziers auf ihren Wangen prickeln und sah auf.
"Was hast du für ein Geheimnis, Laila?", hakte er nach.
Seine Augen bohrten sich forschend in ihre, doch sie hielt seinem Blick stand.
"Keines", sagte sie nur und beschäftigte sich wieder mit dem Essen.
Bis sie mit dem Frühstück fertig waren, war es bereits sieben Uhr. Langsam kam Leben in die Festung der Wüstenarmee. Auf den Mauern der Festung war Wachwechsel, im Innenhof begann das Trainig einiger anderer Offiziersanwärter und auf den Gängen und den Balustraden sah man einige Männer mit roten Turbanen laufen. Laila wusste, dass der Offizier sie beobachtete, doch sie saß nur schweigend da und sagte nichts.
Sie dachte über die Schule nach. Die Schule hatte ihr immer gefallen. Alles war besser als das Waisenhaus. Die Madrasa al Fahim war beeindruckend. Angeblich war sie eine der schönsten Magierschulen der ganzen Welt. Laila hatte sich nie gefragt, ob das stimmte. Eigentlich interessierte sie das Gebäude kaum. Sie wollte nur lernen. Sie wollte alles lernen, was es zu lernen gab. Das machte sie zu einer guten Schülerin. Doch darauf war sie nicht aus. Sie wollte nur wissen. Sie konnte sich weder erklären woher dieser unstillbare Wissensdurst kam, noch woher diese ewige Unruhe, die Schlaflosigkeit und die Sehnsucht nach Erschöpfung kam. Eigentlich war es ihr egal. Das war eben ihre Art.
"Ich muss zu Tariq und meine Befehle entgegennehmen. Hast du schon gepackt?", wollte Offizier Nagi wissen.
"Ja", antwortete Laila.
"Ich bringe dich um halb elf zur Karawane nach Luxor. Du kannst hier warten, wenn du möchtest. Ich hole deine Sachen, wenn ich bei Tariq war und dann gehen wir", schlug Offizier Nagi vor.
"Jawohl", sagte Laila.
Er sah sie noch einen Moment prüfend an und erhob sich dann um das Geschirr in die Küche zu bringen. Ein paar Minuten später kam er in seiner Uniform, den roten Turban auf dem Kopf, wieder herein. Er ging durch das Esszimmer und hob kurz die Hand, kurz darauf verschwand er durch die Tür.

Laila hörte Offizier Nagis Schritte vor der Tür. Sie hatte ein ausgesprochen gutes Gehör und mittlerweile hatte sie Offizier Nagis Gang so oft gehört, dass sie wusste, dass er sich näherte. Er öffnete die Tür und kam ins Esszimmer. Auf seinem Rücken trug er einen großen capriblauen Baumwollsack. Als er sie am Tisch sitzen sah, ließ er den Sack unter lautem Rumpeln auf den Boden fallen.
"Du hast dich ja garnicht vom Fleck bewegt!", sagte Offizier Nagi verdutzt.
"Ich habe gewartet", meinte Laila schlicht.
Offizier Nagi ging um sie herum und schaute sie von der anderen Seite mit schliefgelegtem Kopf an.
"Du hast dich nicht umgesehen?", fragte er verwundert.
"Nein", antwortete Laila.
"Bist du nicht neugierig, was ich alles in meiner Wohnung habe?", wollte er wissen.
"Doch", sagte Laila.
"Und du hast nicht nachgesehen?", drängte er.
"Nein, ich habe gewartet", erwiderte sie.
Er hob überrascht die Augenbrauen. Sie hob den Kopf und sah ihn mit kühler Miene an.
"Nichtmal einen kurzen Blick?", hakte er nach.
"Nein, du sagtest, ich soll warten. Das habe ich getan", sagte Laila.
"Was hast du dann die ganze Zeit gemacht, während ich weg war?", wollte er wissen.
"Gesessen und gewartet", antwortete sie.
Einen Moment schien er beeindruckt.
"Ich hätte anderes erwartet", gab er zu.
Jetzt hob Laila eine Augenbraue. Einen Augenblick herrschte Stille.
"Ich bringe dich zur Karawane nach Luxor", fing der Offizier an.
"Gut", meinte Laila und stand auf.
"Willst du denn nicht wissen, wo wir sind, dass ich dich ausgerechnet nach Luxor bringe?", fragte er verwirrt.
"Nein", antwortete Laila.
"Nein?", sagte er erstaunt.
"Nein", wiederholte Laila.
"Und warum nicht?", erkundigte er sich.
"Wenn die in der Schule wissen, dass ich entführt wurde, werden sie sich fragen, warum ich wieder da bin. Sie werden Auroren schicken, die mich aushören und für den Fall ist es am besten, wenn ich es selbst nicht weiß, falls sie mir Veritaserum einflößen oder Legilimentik benutzen. Ansonsten würde ich unsere Festung auffliegen lassen. Das ist wohl kaum in deinem Sinne, nicht?", sagte Laila kühl, lief an ihm vorbei und hob ihren capriblauen Sack auf.
Er drehte sich entgeistert zu ihr um.
"Hab ich schonmal erwähnt, dass du unheimlich klug bist?", sagte er.
Laila war schon auf dem Weg zur Tür.
"Gehen wir jetzt, oder schlagen wir hier Wurzeln?", sagte sie kalt und verließ die Wohnung.

Um halb elf standen Laila und Offizier Nagi am Nilufer gegenüber der Stadt Luxor. Laila hatte sich, nachdem sie ihre Schuluniform angezogen hatte, einfach an seinem Arm festgehalten und sie waren appariert. Am gegenüberliegenden Nilufer von Luxor gab es eine Menge Obstplantagen. Vor allem Datteln und Feigen wuchsen hier. Und genau auf so einer Obstplantage standen sie jetzt. Nach außen musste sie für die Muggel wie eine gewöhnliche Plantage aussehen, doch in Wirklichkeit verbarg sich dahinter noch viel mehr. Vor allem die Hallen waren zu einem vollkommen anderen Zweck gebaut worden. Vor den mindestens dreißig Obsthallen flirrte die Luft in der Mittagshitze. Die Tore, die zu der gepflasterten Palmenallee zeigten, waren noch geschlossen. Im Schatten der Bäume hatten sich die Passagiere und deren Familien gesammelt. Laila sah sich aufmerksam um. In Kairo waren es immer über tausend Kinder gewesen, die auf die Karawane zur Schule gewartet hatten. Hier in Luxor waren es gerademal tausend, wenn überhaupt. Die meisten Familien schienen aus den peripheren Gebieten zu kommen, nur einige wenige kamen aus Städten oder gar aus Luxor selbst. Laila erkannte das sofort. Beim Stehlen in Kairos Einkaufsstraßen hatte sie gelernt den Leuten anzusehen wieviel ihr Habe wert war. Natürlich wusste sie, dass die meisten Zauberer in Ägypten sich außerhalb der Nilgebiete niedergelassen hatten. Sie waren nicht auf die Hilfe der Natur angewiesen um Wasser und Nahrung zu bekommen und konnten so unter sich in kleinen Oasen leben ohne sich ständig vor Muggeln hüten zu müssen. In Kairo dagegen war die Karawane immer voller Kinder von wohlhabenden Geschäftsmännern gewesen und es waren fast doppelt so viele Menschen dort gewesen.
"Dann lasse ich dich mal allein", sagte Offizier Nagi an ihrer Seite.
Laila sah zu ihm auf. Er wandte sich ihr zu.
"Ich muss noch einen Auftrag für Tariq erledigen", fügte er erklärend hinzu. "Wir sehen uns dann in den Winterferien."
"Eigentlich bleibe ich in den Ferien immer in der Schule", sagte Laila.
"Jetzt nicht mehr. Wir werden in den Ferien trainieren", sagte Offizier Nagi kopfschüttelnd.
"Gut", meinte Laila nur.
Er trat einen Schritt näher zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Nicht anfassen, Offizier Nagi!", zischte sie sofort.
Doch nach einem kurzen Blick - war er enttäuscht gewesen? - beschloss er seine Hand auf ihrer Schulter zu lassen. Laila schaute ihn böse an.
"Auf Wiedersehen, Laila!", sagte er ungewöhnlich sanft und drückte leicht ihre Schulter.
Dann ließ er den Arm fallen und trat von ihr weg.
"Auf Wiedersehen...", sagte Laila perplex.
Offizier Nagi lächelte und zwinkerte ihr kurz zu. Dann wandte er sich um und ging davon.
"Hasib...", fügte Laila so leise hinzu, dass er sie nicht hören konnte.
Sie bemerkte, wie sich seine Nackenhaare kurz aufstellten, dann war er in einem Staubwirbel verschwunden.
Laila setzte sich an den Stamm einer Palme und legte ihre Tasche neben sich. Sie wartete im Schatten, bis sich schließlich um viertel vor elf die Tore der Obsthallen öffneten.
Was da herauskam hätte wohl jeden Muggel umgehauen. Es waren gigantische Tierwesen, die an ihrem höchsten Punkt fast vier Meter erreichten. Sie ähnelten Dromedaren, doch viel hatten die riesigen Wüstenschiffe nicht mehr damit zu tun. Von ihren langen Beinen hatten sie gleich acht Stück. Ihr Höcker war verschwunden, stattdessen gab es eine kreisrunde Vertiefung in ihrem Rücken mit einem Rand und sie waren über und über mit bunten Stoffbändern, Troddeln und gehäkelten Stoffstreifen geschmückt. In ihren Nasenlöchern steckten Goldringe so groß wie Autoreifen und sie waren mit dicken Häkeltauen aneinander festgebunden. Über dem Rücken mit der Aussparung waren größe Tücher an Stangen festgemacht, die die Passagiere vor der Sonne schützten. Muggel und sogar ausländische Zauberer hätten sie wahrscheinlich als sonstwas bezeichnet, doch hier in Ägypten waren es einfach die Drometheria.
Aus jeder der Obsthallen kamen fünf Drometheria herausgelaufen. Insgesamt waren es einhundertfünfzig der Tierwesen, die jetzt auf der scheinbar unendlichen Palmenallee eine Karawane bildeten. Ganz vorne - das wusste Laila - saß der Karawanenführer dessen Befehl alle Drometheria gehorchten.
Einer der gigantischen Achtbeiner kam direkt vor ihr zum stehen. Sie stand schnell auf, um den ersten Platz zu ergattern. Auf einen sehr hohen, melodiösen Pfiff fielen von den Rücken der Drometheria weiße Strickleitern herab, auf denen die Schüler hochklettern konnten. Laila kletterte die Leiter so rasch hinauf, dass alle hinter ihr zu staunen anfingen, was sie nicht im geringsten beachtete. Sie ließ sich in die Vertiefung auf dem Rücken des Wesens gleiten und warf ihren Sack über den Rand um ihn auf den Schulterblättern des Tiers festzubinden. Nach getaner Arbeit lehnte sie sich auf ein buntes Strickkissen am Rand des Sitzplatzes und atmete tief durch. Sie hasste es regelrecht in der Karawane zu sitzen. Nicht weil die Tierwesen eine unangenehme Gangart oder etwas ähnliches hatten. Nein, es war lediglich, weil auf ihnen Platz für sechs Schüler war, die sie jetzt wohl oder übel bis zum Abend ertragen musste. Nervtötendes Geschwätz bei unerträglicher Hitze, das war jedesmal eine Tortur.

Als erstes kam ein Junge die Strickleiter hochgeklettert. Er war älter als Laila und dem Aussehen nach begann er wohl gerade sein letztes Jahr an der Madrasa al Fahim. Er trug die Schuluniform für Jungen. Einen Herrenanzug aus leichter Baumwolle, bei dem das Oberteil bis über die Knie reichte. Darunter wurde eine leichte Baumwollhose getragen. Seine Schuluniform war, wie die aller, weiß. Sein Turban war jedoch dahliengelb, sowie seine Hose. Er trug teuer aussehende Sandalen mit echten Perlen.
"Guten Morgen!", sagte er herablassend und setzte sich neben Laila ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Laila warf ihm einen giftigen Blick zu, den er allerdings nicht bemerkte. Sie hasste diese hochnäsigen Reichen, die sich für etwas besseres hielten. Als Waise hatte sie schon immer damit zu kämpfen gehabt, dass die anderen sie als minderwertig betrachteten. Jeder Waise ging das so, selbst in der Schule.
Sie selbst hatte eine paar neue Schuluniformen von Tariq Saddam Zaman bekommen. Auf ihrem Haar lag ein capriblaues Tuch, das mit einem einfachen Goldreif auf dem Kopf gehalten wurde. Die Tücher hatten den Sinn, dass sie die Sonne abhielten und dafür sorgten, dass die Haare nicht allzu schnell mit Wüstensand einstaubten. Und sie trug ein weißes Kleid mit capriblauen Stickereien an den Säumen und dem Ausschnitt. Tariq hatte ihr sogar ein paar einfache Goldarmreifen für Arme und Beine zukommen lassen.
Als nächstes kam ein recht junges Mädchen die Leiter heraufgeklettert, was ihr sichtlich schwer fiel. Laila hatte keine Lust ihr zu helfen und auch der reiche Schnösel neben ihr machte keinerlei Anstalten. Das Mädchen quälte sich allein über den Rand und versuchte ihren dahliengelben Baumwollsack auf den Schulterblättern des Drometheria festzubinden.
Ihr folgte ein Mädchen in lachsroter Gewandung. Sie war ungefähr in Lailas Alter. Als sie sah, dass das andere Mädchen sichtliche Probleme mit ihrem Gepäck hatte, kam sie ihr sofort zur Hilfe. Nach ein paar Minuten schafften die beiden es gemeinsam ihr Gepäck festzubinden und ließen sich geschafft auf die weichen Kissen sinken. Das junge Mädchen murmelte ein schüchternes Hallo, während die andere ein strahlendes Lächeln in die Runde warf. Sie beugte sich über den Rand des Drometheria und reichte einem hübschen Mädchen mit hellbraunem Haar und farngrünem Gewand die Hand. Die etwas jüngere hätte diese Hilfe allerdings nicht nötig gehabt. Sie band behände ihren Sack fest und drehte sich zu den anderen um. Normalerweise gab Laila kaum Acht auf die anderen Leute - zumindest nicht so, dass sie es bemerkten - aber bei diesem Mädchen kam sie kaum umhin sie neugierig anzusehen. Immerhin war sie fast so gut trainiert wie sie und wenn man beachtete, dass Laila seit einem ganzen Monat bei der Wüstenarmee war, war das weitaus mehr als alle anderen Mädchen. Der Blick des Mädchens fiel auf Laila und ihre Augen weiteten sich interessiert. Sie sagte nichts, doch sie kam auf Laila zu und ließ sich neben ihr nieder. Zum Schluss kam endlich ein capriblauer Turban in Sicht. Ein paar schwarzer Augen mit dichten Brauen schaute über den Rand und dann sah man ein strahlendes Jungengesicht. Der Junge stieg über den Rand verstaute sein Gepäck und stellte sich in die Mitte.
"Laila, Laila!", sagte er kopfschüttelnd.
Laila sah seine weißen Zähne aufblitzen. Es war ein Junge aus ihrem Jahrgang. Er war im selben Flügel wie sie, was unschwer an seiner capriblauen Uniform zu erkennen war.
"Hast du mir was zu sagen, Saif?", fragte Laila kühl.
"Nicht im Geringsten!", grinste der Junge frech. Er stieß den Jungen zu Lailas Rechten mit dem Fuß an und sagte barsch: "Heh, mach mal Platz, du Snob!"
Der andere Junge grummelte etwas Unfreundliches, aber anscheinend war ihm Laila nicht ganz geheuer und so rückte er brav zur Seite. Saif ließ sich neben Laila fallen und legte die Arme lässig auf den Rand des Drometheria. Dann ertönte der nächste melodiöse Pfiff. Die Strickleitern rollten sich magisch zusammen und der große Achtbeiner unter ihnen setzte sich langsam in Bewegung. Das Mädchen mit dem gelben Kleid lehnte sich noch über den Rand um ihrer Familie zuzuwinken. Kurz darauf hatte die Karawane die Obstplantage auch schon verlassen. Sie nahm einen magisch geschützten Weg durch die Felder, der sie vor Muggelaugen verbarg, bis sie in der Wüste ankamen.
Laila war zum ersten Mal an diesem Tag erleichtert. Keine Erstklässler im Drometheria. Das war wenigstens etwas. Erstklässler waren immer unheimlich nervig. Sie stellten Unmengen an unlogischen geradezu dämlichen Fragen und Laila hätte am liebsten jeden einzelnen von ihnen erwürgt, nur damit sie Ruhe gaben. Es sah ganz so aus, als würde sie eine angenehme ruhige Reise haben.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde erreichte die Karawane den Rand der Wüste. Bisher hatten die Drometheria in ihrem Trott langsam vor sich hingeschaukelt, doch jetzt, da sie auf der abgeschiedenen Route ankamen, legten sie einen Gang zu. Die schnelle Gangart der Tierwesen war eine sehr angenehme Reisegeschwindigkeit. Die Tiere waren unglaublich schnell und konnten tausende von Kilometern in dem Tempo durchhalten ohne zu erschöpfen. Dabei bewegte sich der Passagierteil auf ihrem Rücken überhaupt nicht. Man hätte sogar Karten stapeln können, ohne dass sie zusammengefallen wären.
"Und wie heißt du, Kleines?", fragte plötzlich das Mädchen aus Lailas Jahrgang die Kleine mit dem dahliengelben Kopftuch.
"Ich bin Zahida", antwortete die Kleine schüchtern.
"Ah, wie schön. Mein Name ist Hania", erwiderte die Fünftklässlerin freundlich.
Laila stöhnte genervt auf. Das durfte doch nicht wahr sein! Warum konnten die Leute nicht einfach die Klappe halten, wenn sie sich doch garnicht kannten?! Was fanden sie nur an diesem ständigen Geplapper?
Sie legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Sie wollte sie nicht hören. Sie wollte nichts von ihrem dummen, belanglosen Gequatsche hören. Warum hätte sie nicht schon vorher versuchen können einzuschlafen? Warum konnte nicht einfach auf der Stelle eine Pyramide auf sie herabfallen und sie erschlagen? Alles wäre besser gewesen als das hier!
Von rechts stupste ein Ellenbogen in ihre Rippen. Laila öffnete die Augen und warf Saif einen bitterbösen Blick zu. Wie konnte er es nur wagen sie jetzt auch noch anzuquatschen?
"Hey Laila, ich hab gehört du bist entführt worden", raunte er ihr zu.
Laila hob missbilligend eine Augenbraue.
"Komisch, dann dürfte ich jetzt nicht hier sein, oder?", sagte sie angespannt.
"Naja, Fariha hat mir geschrieben-", setzte Saif an.
"Ach, diese Waisenkinder quatschen einfach zu viel!", sagte Laila abwehrend und blickte wieder in eine völlig andere Richtung.
"Aber es stand sogar im Nilseher! Die Auroren suchen nach vier Kindern aus dem Kairoer Waisenhaus. Dein Name war dabei und sogar ein Foto von dir!", meinte Saif herausfordernd.
Laila dachte angestrengt nach, wobei sie vermied sich auf die Lippe zu beißen. Das machte sie nämlich sonst immer, wenn sie nachdachte und Saif wusste das.
"Ich wurde nicht entführt. Ich bin abgehauen!", sagte Laila als sie eine Eingebung bekam.
"Aber das Waisenhaus wurde doch angegriffen!", drängte Saif.
Laila funkelte ihn zornig an.
"Ich habe die Chance eben genutzt. Ich hatte die Nase voll vom Waisenhaus und bin abgehauen!", sagte sie energischer, als sie eigentlich gewollt hatte.
Sie war eine gute Lügnerin. Eine sehr gute sogar. Sie war sich sicher, dass sie nicht auffliegen würde. Zumindest nicht bei den Kindern.
Der Junge in der dahliengelben Uniform merkte auf.
"Du bist abgehauen? Du bist doch gerademal fünfzehn! Wo lebst du denn jetzt?", mischte er sich ein.
"Das geht dich nichts an!", sagte Laila forsch.
"Weißt du eigentlich, dass es gegen das Zaubereigesetz ist, wenn ein minderjähriger Zauberer alleine lebt? Es ist Pflicht eine Aufsichtsperson für denjenigen einzusetzen, die seine Angelegenheiten regelt, bis er volljährig ist", sagte der Siebtklässler in besserwisserischem Ton.
"Und weißt du eigentlich, dass du mir gewaltig auf die Nerven gehst?!", fauchte Laila ihn an.
Sie zog ihren Zauberstab schneller aus der Tasche ihres Kleids als er überhaupt blinzeln konnte und richtete ihn direkt auf sein Gesicht.
"Was soll das denn jetzt werden?", fragte der Snob hochnäsig. "Es ist eine Angelegenheit aller, wenn der Staat betrogen und seine Gesetze nicht eingehalten werden!"
"Das, mein Lieber, ist eine Warnung!", zischte Laila bedrohlich.
Die beiden anderen Mädchen waren schlagartig verstummt und sahen nun bange auf Lailas Zauberstab. Die andere zu ihrer Linken schien das allerdings recht wenig zu stören.
"Es ist ganz allein meine Angelegenheit und wenn du deine Nase behalten willst, hältst du sie lieber da raus! Verstanden?"
"Weißt du, dass es gegen das Zaubereigesetz ist, einen anderen ohne Notwehr-Situation zu verfluchen?", sagte der Junge abwertend.
Lailas Zauberstab erzitterte kurz vor unterdrückter Wut.
"Und weißt du, dass du in drei Sekunden keine Nase mehr hast, wenn du so weitermachst, Nabil?", entgegnete Saif rasch, bevor Laila etwas sagen konnte.
Der Siebtklässler schluckte mit einem Blick auf Lailas Zauberstabspitze und meinte dann zu Saif: "Woher kennst du meinen Namen?"
"Den kennt doch jeder auf unserer Schule!", sagte Saif abfällig. "Such dir einfach den Typ, dessen Hose am weitesten unten hängt, das ist Nabil!"
In der Zwischenzeit legte sich eine schmale, feingliedrige Hand in Lailas Armbeuge und zog ihren Arm hinunter.
"Das ist er nicht wert!", sagte eine Stimme, die in Lailas Ohren wie Engelsgesang klang.
Die melodiöse Stimme gehörte zu dem Mädchen an ihrer linken Seite. Laila ließ ihre Augen kurz zu ihr herüberblitzen und nahm den Zauberstab runter. Das Mädchen hatte ihr einen vielsagenden Blick zugeworfen und sich wieder abgewandt.
"Wieso das denn?", fragte Nabil Lailas Klassenkameraden verständnislos.
Die beiden hatten von eben nichts mitbekommen.
"Weil sein Geldbeutel so schwer ist, dass er schon auf dem Boden schleift!", sagte Saif und wieherte los.
Nabil fiel der Mund vor Empörung auf. Die Mädchen namens Zahiba und Hania mussten ebenfalls lachen und auch das Mädchen neben Laila, dessen Namen sie nicht kannte, ließ ein belustigtes Schnauben hören. Laila sah lieber einer ägyptischen Kobra zu, die aufgeschreckt von den Achtbeinern hinter einer Düne verschwand.

Den ganzen Mittag und Nachmittag über war es unglaublich heiß auf dem Drometheria. Zwar hielt der Sonnenschutz die meiste Hitze ab und der Fahrtwind kühlte ihre überhitzten Gesichter, aber sie wurden trotzdem alle müde und schläfrig.
Um vier Uhr hielt schließlich ein fliegender Teppich mit ihnen mit. Darauf saßen zwei Frauen und ein Schrank hatte auch darauf Platz gefunden. Es waren die Bedienungen der Karawane. Sie verteilten kleine Snacks und Getränke. Per Zauberstabschwung transportierten sie ein Tablett mit einer Karaffe frisch gebrühtem heißen grünen Tee und Pfefferminze und einer Schale mit getrocknetem Schafsfleisch in ihre Mitte.
Hania und Zahida bedankten sich herzlich und winkten den beiden Bedienungshexen zu, während sie zum nächsten Drometheria nach vorn flogen.
Die Sechs aßen still das Trockenfleisch und tranken den Tee. Offenbar wollte sich niemand mehr mit Laila anlegen. Selbst Saif hielt den Mund, obwohl er wahrscheinlich vor Neugier geradezu brannte. Nach dem Essen waren alle zu faul um zu reden und so lehnten sie sich alle gegen die Kissen und dösten vor sich hin bis die Sonne unterging. Dann brach sofort wieder gerede aus. Saif unterhielt sich jetzt mit Hania aus ihrem Jahrgang, die zum Flügel Mu'tamid gehörte. Die kleine Zahida sprach mit Nabil, der allen Anscheins nach Schülerbeauftragter war. Das namenlose Mädchen war Laila allerdings immernoch am liebsten. Sie lag neben ihr, die Beine auf den Rand des Drometheria gelegt und sagte keinen Ton. Nur ab und zu warf sie einen Blick zu Laila hinüber.
Schließlich war die Nacht hereingebrochen. Zahida, Hania, Nabil und Saif waren eingeschlafen. Die Karawane raste unter dem sternklaren Himmel durch die Wanderdünen. Die Nächte in der Wüste waren unbeschreiblich schön. Es war vollkommen still, nur das sanfte rhythmische Trommeln der Beine der einhundertfünfzig Drometheria war zu hören. Allmählich war die Luft abgekühlt und bald war es soweit, dass es wirklich kalt wurde. Es war September und im Winter würde die Temperatur in der Sahara auf bis zu minus zehn Grad fallen. In dieser Nacht sollten es acht Grad werden. Hania wachte irgendwann auf und zog ein paar Decken über die Schlafenden. Als sie bemerkte, dass Laila noch wach war, ließ sie es bei ihr sein. Laila legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den Sternenhimmel. In der Wüste, wo es kaum Licht gab, war es ein überwältigender Anblick. Es waren Millionen und Abermillionen Sterne am Himmel zu sehen.
Hania hatte sich an Zahiba gekuschelt und war schnell wieder eingeschlafen. Laila warf einen Blick auf die Namenlose und war überrascht. Ihe Beine lagen immernoch über dem Rand des Drometheria. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht, aber ihre hellbraunen Augen waren immernoch weit offen und beobachteten die vier Schlafenden. Als hätte sie Lailas Blick gespürt, richtete sie sich auf und sah sie an.
"Du bist Laila, richtig?", sagte sie leise.
Ihre Stimme klang wie Musik in Lailas Ohren. Es war nicht dieses nervige Gequäke, das die anderen an sich hatten. Es war eher wie der Gesang eines Moabsperlings kurz bevor die Sonne unterging.
"Wer will das wissen?", fragte Laila, traf aber nicht ihre übliche kühle Tonart.
Es war seltsam, aber dieses Mädchen hatte etwas an sich, das ihr Interesse geweckt hatte.
"Thurayya", stellte sich das Mädchen vor. "Du kommst aus dem Waisenhaus in Kairo, nicht?"
"Nicht mehr", sagte Laila. "Du bist ziemlich gut in Form. Spielst du Marihat?"
Doch Thurayya antwortete nicht. Sie machte nur große Augen und beugte sich so nahe zu Laila, dass sie fast ihren Arm berührte. Laila wollte sie schon wegdrücken, aber dann flüsterte Thurayya: "Du bist Offizier Nagis Laila, nicht wahr?"
Laila bekam Gänsehaut am ganzen Körper und fuhr herum. Ihre Gesichter waren nur noch eine Handbreit voneinander entfernt. Jetzt wusste sie, warum das Mädchen so schnell die Strickleiter hochgeklettert war.
"Du bist auch bei der Wüstenarmee?", wisperte Laila.
"Unter Offizier Amirmoez", nickte Thurayya.
Sie nahm sich ein Kissen und lehnte sich mit der Schulter an den Rand des Drometheria, damit sie Laila ansehen konnte. Laila sah ihr direkt in die Augen, wo sich die unendlich vielen Sterne wiederspiegelten.
"Wie ist er so? Hast du Angst vor ihm?", wollte Thurayya wissen.
"Vor Offizier Nagi? Nein!", antwortete Laila.
Thurayyas Miene wurde noch ungläubiger.
"Sollte ich denn?", fragte Laila.
"Ich - ahm - also ich meine nur, weil - naja, weißt du...", stammelte Thurayya.
"Rück schon endlich raus mit der Sprache!", forderte Laila.
"Einfach alle fürchten sich vor ihm!", hauchte Thurayya.
"Ehrlich?", entgegnete Laila verdutzt.
"Aber ja! Er ist Zamans brutalster und schrecklichster und furchbarster und gnadenlosester Offizier!", flüsterte Thurayya und erschauderte. "Ich kriege schon Gänsehaut, wenn ich nur daran denke, was Offizier Amirmoez mir und den anderen schon alles erzählt hat! Es heißt Zaman will ihn bald zum General ernennen!"
Laila zog die Brauen zusammen. Diese Informationen über ihren Ausbilder waren ihr neu. Aber sie musste zugeben, dass das alles noch viel interessanter machte.
"Zaman? Du meinst Tariq Saddam Zaman?", erkundigte sich Laila.
"Ihr nennt ihn beim Vornamen?", sagte Thurayya fassungslos.
"Immer!", nickte Laila.
Thurayya staunte und fand keine Worte.
"Du fürchtest dich nicht vor ihm?", fragte sie.
"Kein bisschen!", erwiderte Laila.
"Ich hab ja schon viel von dir gehört, aber dass du so... so unerschrocken bist, hätte ich nicht gedacht...", hauchte Thurayya verblüfft.
"Wo hast du von mir gehört?", fragte Laila argwöhnisch.
"Na, bei den Offizieren der Wüstenarmee!", antwortete Thurayya.
"Was reden die denn über mich?", wollte Laila wissen.
Thurayya holte tief Luft.
"Offizier Nagi hatte bis jetzt nie eine Schülerin. Sie sagen, du bist die beste Offiziersanwärterin. Die Unteroffiziere fürchten sogar, dass du vor ihnen zum Offizier ernannt wirst. Sie haben schon jetzt Angst vor dir... Ich habe gehört, was du mit Shakil, Ahmed und den anderen angestellt hast. Sie bekommen das kalte Grausen, wenn von dir geredet wird. Alle sagen, du bist gefährlich. Gefährlicher als Offizier Nagi womöglich. Und mit einer Ausbildung vom besten Offizier könntest du ihnen alle hohen Ränge strittig machen. Offizier Nagi soll bei Zaman von dir schwärmen. Jeder General, jeder Offizier - alle der Wüstenarmee kennen deinen Namen, aber nicht dein Gesicht. Einige von uns versuchen euch beim Training zuzusehen. Einer der Unteroffiziere hat es mal geschafft. Er sagte, das Training würden nichtmal Zamans oberste Generäle durchhalten", erzählte Thurayya ehrfürchtig. "Stimmt es, dass ihr um vier Uhr mit dem Training anfangt und erst um sechs Uhr abends aufhört?"
"Ja", sagte Laila leise.
"Und ihr kämpft sogar in der Mittagshitze?", hakte sie perplex nach.
"Ja", murmelte Laila.
"Und es geht sogar das Gerücht rum, dass du Offizier Nagi gestern im Kampf besiegt hättest!", flüsterte Thurayya heiser.
Laila nickte.
"Stimmt das wirklich?", hauchte sie ungläubig.
"Ja, zum ersten Mal!", antwortete Laila.
Thurayya lehnte sich zurück und erschauderte erneut.
"Was ist? Hast du jetzt auch Angst vor mir?", fragte Laila kühl.
"Ein bisschen schon...", nuschelte Thurayya.
"Ich werde dir nichts tun, solange ich keinen Befehl dazu habe. Wenn du auch in der Wüstenarmee bist, sind wir verbündete", sagte Laila. Ihr kühler Ton schien auf Thurayya allerdings weniger beruhigend zu wirken.
"Du bist wirklich gruselig", meinte Thurayya.
"Warum?", erwiderte Laila.
"Du lächelst nie", behauptete Thurayya.
"Da hast du recht", sagte Laila.
"Warum nicht?", wollte Thurayya wissen.
Laila hob eine Augenbraue. Sie wandte sich von Thurayya ab und beschloss nicht mehr mit ihr zu reden. Immerhin hatte sie jetzt mehr als genug gesprochen und dieses Thema war für sie ein Tabu. Gefühle... für Laila waren sie ein Buch mit sieben Siegeln. Sie empfand keine Gefühle, zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern. Das war auch gut so. Sie waren unnütz, trieben die Menschen zu unlogischen Entscheidungen ab und hielten sie davon ab ihre wichtigen Aufträge zu erfüllen. Vielleicht war sie deshalb so nützlich für Offizier Nagi. Weil sie diese ganze Gefühlsduselei nicht im geringsten würdigte.

Die Drometheria verfielen wieder in ihren langsamen Trott und die Passagiere fingen wieder an zu schaukeln. Sie mussten im Tal der magischen Urväter angekommen sein. Laila merkte auf, aber Thurayya starrte sie immernoch an.
"Tut mir leid, das war das falsche Thema. Klar, dass du nicht darüber sprechen willst", entschuldigte sich Thurayya.
Laila schenkte ihr einen kühlen Blick. Immerhin hatte sie es selbst bemerkt, das war doch ein Anfang. Bisher hatte kein anderer, außer Offizier Nagi vielleicht, ihr Schweigen verstanden.
"Bist ein kluges Köpfchen...", sagte Laila nur.
Thurayya lächelte sie an. Plötzlich begannen ihre Augen zu glitzern und sie wandte sich nach vorn.
"Wir sind da!", hauchte sie.
Auch Laila richtete den Blick wieder nach vorn. Die Drometheria wackelten auf eine Gebirgskette zu von der nur die Spitzen aus dem feinen Wüstenrand herausschauten. Die Karawane erreichte das Gebirge und vor ihnen baute sich ein gigantisches Tor aus Wüstensandstein auf, in das Unmengen von Hiroglyphen und andere Bilder eingemeißelt waren. Der Mond stand direkt darüber und tauchte alles in schimmerndes Silberlicht. Die Drometheria zogen darunter hindurch. Die Felsen taten sich in einem Ring auf, dessen Ende nicht zu sehen war. Die Tierwesen gingen rechts an den Felswänden entlang. Auf der linken Seite tat sich ein gewaltiger Hügel mit blühenden Gärten und Wegen auf.
Nach ein paar Minuten kamen die Drometheria zum stehen. Laila und Thurayya erhoben sich. Auch die vier Schlafenden erwachten und sahen sich blinzelnd um.
"Sin' wa' scho' da-aaah?", gähnte Saif.
"Ja, beweg dich!", sagte Laila kalt und stieß ihn mit dem Fuß an damit er zur Seite rückte und sie an die Strickleiter kam.
Wieder ertönte der hohe Pfiff und die Leitern entrollten sich. Laila und Thurayya waren schnell hinunter geklettert und blickten nun auf die blühenden Gärten. Sie sahen sich kurz an und dann liefen sie die sandigen Wege die auf den Hügel führten hinauf.
Dort oben stand die Madrasa al Fahim. Ein riesiger Sandsteinpalast mit einem gewaltigen Hauptgebäude, das eine gigantische goldene Kuppel hatte, von der aus eine lange goldene Stange in den Himmel ragte an deren Ende ein Ring angebracht war den ein Falke in der Mitte zierte. Direkt darüber stand jetzt der Mond. Aus den Fenstern der vier immensen Seitenflügeln, die in jede Himmelsrichtung von dem Hauptgebäude wegzeigten, schien warmes Licht heraus und auf den Rundgängen der vier Falken-Türme, die an den Ecken der Mauer standen, die den Palast säumten, brannten helle Leuchtfeuer, was die goldgefiederten Falken dazu veranlasste in einem schimmenrnden Schwarm über der Schule zu kreisen. Unter jedem der Türme befand sich ein enormes Eingangstor, zu dessen Seiten jetzt Fackeln brannten. Die Schüler sammelten sich vor den schwarzen Holztoren und warteten darauf, dass sie geöffnet wurden.


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