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Fanfiction

1 Moment - 5 Orte - Colin -10- Wenn blutroter Mond am Himmel steht... (Freunde-Special)

von HauselfeLilian

Eli saß an seinem gewohnten Platz an einem Schreibtisch im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und rieb sich die vor Müdigkeit juckenden Augen. Schon viel zu lange las er in einem verstaubten, zerfledderten und obendrein uralten Lederband mit winzigster Schrift auf den stockfleckigen, vergilbten Seiten. Der gar fürchterlich Fluch des Mondes von Bleddyn Blevins, verhieß es vielversprechend auf dem kaum leserlichen, eingeprägten Titel, aus dem das Blattgold bestimmt schon vor gut zweihundert Jahren herausgeblättert war. Stöhnend lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und fuhr sich durch das haselnussbraune Haar. Es war schon recht spät geworden und er war sich nicht einmal sicher, ob in Blevins' Buch überhaupt noch etwas Nützliches zu finden war. Mit schmalen haselnussfarbenen Augen blickte er auf das Viertel des zweitausendseitigen Wälzers und seufzte bei dem Gedanken, wieviel er noch vor sich hatte und wie wenig ihm das Buch bisher genützt hatte. Er steckte die Hand in seine Umhangtasche, zog seinen Zauberstab und entzündete mit einem schlenker aus dem Handgelenk ein weiteres Paar Kerzen auf dem Fenstersims.
Dunkel war es heute im Gemeinschaftsraum, die meisten Schüler aus ihrem Haus waren über die Weihnachtsferien nach Hause gefahren und die verbliebenen vertrieben sich ihre Zeit an diesem Abend in den Schlafsälen, so brannten nur wenige Kerzen in dem kreisrunden Turmzimmer und tauchten die Schreibtische in flackernde Schatten. Nur Eanna saß noch an einem Tisch vor dem leise knisternden Kamin, die Nase in einen dicken Roman aus längst vergangegnen Zeiten gesteckt, und genoss, ein schwermütiges Lied vor sich hin summend, die wohlige Wärme des Feuers. In dem Moment als Eli die schwer gewordenen Arme wieder auf den Tisch legte, klappte Eanna sein Buch zu und kam zu ihm hinüber. Er setzte sich, das Buch unter den Arm geklemmt, auf die Tischkante seines Schreibtischs und sah ihn besorgt an.
"Alles in Ordnung bei dir?", fragte er fast noch singend. Eli fuhr sich noch einmal über die tränenden Augen, brachte ein müdes Lächeln zustande und nickte in einer Art, die er als beruhigend erachtete.
"Kommst du mit nach oben?", wollte Eanna wissen und fuhr sich durch seinen zerzausten roten Schopf. Eli blies die Backen auf und stieß die Luft laut aus.
"Ich wollte das hier noch durchlesen", antwortete er halb gähnend. Eanna zog eine Augenbraue hoch und warf nebenbei einen Blick auf die aufgeschlagenen Seiten. Zum ersten Mal war Eli froh, dass die Schrift so klein war, denn Eanna konnte seinem Stirnrunzeln nach auf die Schnelle nichts entziffern.
"Was tust du denn da eigentlich die ganze Zeit?", hakte er interessiert nach. Eli lehnte sich mit dem Ellbogen quer über das Buch, stützte seine erhitzte Wange auf die Faust und sah Eanna von unten her an.
"Ich lerne nur ein bisschen vor...", versuchte sich Eli herauszureden. Eanna runzelte erneut die Stirn. Dann erhob er sich langsam vom Schreibtisch und steckte die Hände in die Taschen.
"Weißt du, ich denke, der Besenheld hat recht. Diese ganze Lernerei in letzter Zeit, das ist doch nicht normal. Du wirst noch ganz wirr im Kopf, wenn du so weitermachst. Ich weiß gar nicht, wieso du überhaupt diese ganzen Zaubertränke durchbüffelst. Du bist sowieso Jahresbester!", meinte Eanna und sein Blick zeugte von Ungläubigkeit. Eli biss die Zähne fest zusammen und warf ihm einen unsicheren Blick zu. Natürlich ahnte Eanna inzwischen, dass etwas im Busch sein musste, so oft wie er in der Bibliothek war und sich dann auch noch Bücher mit in den Schlafsaal nahm, doch das durfte er sich nicht anmerken lassen.
"Ich bin nur deshalb so gut, weil ich so viel lerne!", sagte er also mit leichtem Trotz in der Stimme und verschränkte die Arme. "Und nenn' ihn nicht Besenheld! Ich sag ja auch nicht Chorknabe zu dir!"
Eanna sah ihn überrascht an und zuckte mit den Schultern. Er wandte sich ab und schlenderte zur Treppe, die zu den Schlafsälen führte.
"Versteh schon...", sagte er noch gelassen. "Aber du solltest dich dringend mal wieder ausschlafen. Langsam wirst du zickig!"
Eli schaute ihm empört hinterher und öffnete ein paar Mal sprachlos den Mund, während Eanna gemütlich die Treppen zum Turm hinauf stieg. Dann knallte er seinen Arm auf den Tisch, dass die Kerzen auf dem Fenstersims wackelten und schie ihm hinterher: "ICH BIN NICHT ZICKIG!"
Mit einem ungläubigen Schnauben wandte er sich wieder dem dicken ledergebundenen Buch zu und versuchte den nächsten Abschnitt zu entziffern, als ein hohes Kichern ihn wieder zusammenfahren ließ.
"Nein, du bist überhaupt nicht zickig!", ertönte das kleinmädchenhafte Gekicher wieder und kurz darauf lehnte sich ein Mädchen mit langen, schwarzen Haaren an den Fenstersims. Sie hatte ein widerlich süßliches, falsches Grinsen aufgelegt und zog die Schultern so weit hoch, dass der Ausschnitt ihrer Bluse weit abstand. Eli verdrehte die Augen und richtete zum dritten Mal die Augen auf die kaum leserliche Schrift. Rosabel war als eingebildetstes Mädchen des Jahrgangs in ganz Ravenclaw bekannt. Wenn jemand hier zickig war, dann ja wohl sie!
Er beugte sich ganz nah über die fleckigen Seiten und musste erbost feststellen, dass sie ihm das Kerzenlicht verstellte. Mit so fest zusammengezogenen Brauen, dass sich schon eine steile Falte auf seiner Stirn bildete, konzentrierte er sich auf die Textstelle.

"Wenn in dunkelster Nacht blutroter Mond am Himmel steht, sei es nicht gut, dass der Wolf allein sei."

Von Sir Conall dem Rotbärtigen, angesehenem Hexenmeister an King Arthurs Hof, stammt dieser Satz,
und diesen legt man jedem Jäger ans Herz.
Um Kreaturen zu jagen, muss man sie kennen,
nur so kann man sie von den Menschen trennen.


Eli wischte sich mit dem Handrücken über die tränenden Augen und bemerkte verstört, dass Rosabel immer noch am Fenster lehnte, dümmlich kichernd in ihren glatten Haaren herumspielte und ihn beobachtete. Schon zittrig und überfordert vom wenigen Schlaf den er in den letzten Wochen gefunden hatte, sah er sie mit zu Schlitzen verengten Augen an und fragte gereizt: "Was - willst - du, - Rosabel?"
"Wo ist denn Colin? Ist er heute nicht bei dir?", erwiderte sie süßlich. Eli glaubte, wenn sie noch höher sprach, würden seine Trommelfelle reißen.
"Nein, ist er nicht!", fauchte er sie an und widmete sich wieder dem Text, wobei Rosabel ein beleidigtes Geräusch von sich gab.

Steht der Blutmond am Himmel in dunkelster Nacht,
verliert jeder Mannswolf seine Kraft.
Von Furcht und Zaudern gepackt,
flieht er zu seinem Pack, ...


"Wo ist er denn dann? Ich hab ihn den ganzen Tag nicht gesehen!", schmollte Rosabel und verschränkte die Arme. Eli sah zähneknirschend auf, beschloss aber dann, dass sie ihn vielleicht eher in Ruhe lassen würde, wenn er sie einfach ignorierte. Doch Rosabel tippte nur ungeduldig mit einem ihrer langen Fingernägel auf den Marmorsims, was ein nervendes Klicken zur Folge hatte. Er atmete tief durch und konzentrierte sich wieder auf den Text.

... sich zu schützen in gefährlichster Stunde,
damit kein Jäger das Rudel verwunde.


"Du musst doch wissen, wo er ist! Er ist immerhin dein bester Freund, oder nicht?", drang Rosabel weiter auf ihn ein. Es fühlte sich an, als würde sie seinen Kopf zum Explodieren bringen wollen. Selbst die Gedichtform des Werwolf-Textes machte ihn geradezu wild.
Wieso hatten diese alten Zauberer auch nicht normal reden können?! Und wieso um alles in der Welt hatten sie so klein schreiben müssen?! Und wo, bei Merlins Bart, bekam man eine so winzige Feder her?!
Warum musste dieses Mädchen ihn eigentlich ansprechen?! Konnte sie nicht jemand anderen von seiner Arbeit abhalten?! Hätte sie nicht Eanna fragen können?!
"Willst du mir nicht endlich mal antworten?", forderte Rosabel eingeschnappt und fixierte ihn mit ihren grauen Augen. Eli biss sich so fest auf die Zähne, dass er befürchtete, sein Backenzahn würde gleich splittern. Nur mühsam brachte er den Mund auf.
"Ich weiß nicht, wo er ist!", fuhr er sie an. "Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!"
Er klatschte die Hände zu beiden Seiten des Buches laut auf den Tisch und las wutschnaubend weiter.

Von Schmerzen geschwächt und gehemmt,
ist dies der richtige Moment.


Doch Rosabel ging immer noch nicht weg. Sie gab ein hohes, piepsendes "Hm!" von sich und baute sich vor ihm auf, dass nun gar kein Licht mehr auf die Seiten fiel.
"Rosabel, jeder verdammte Idiot hat bemerkt, dass du total in Colin verknallt bist! Aber falls du es immer noch nicht geschnallt hast, sag ich es dir jetzt so, dass auch du es verstehst: Colin steht nicht auf solche Oberzicken, wie du eine bist! Also hör endlich auf ihm hinterher zu laufen, wie ein verirrtes Küken!", sagte er mit lauter Stimme und vor kaltem Zorn zitternden Händen. "Und jetzt zieh' endlich Leine!"
Kochend vor Wut ließ er sich wieder auf den Stuhl fallen, von dem er sich während seiner Schimpftriade langsam ein paar Handbreit erhoben hatte. Er zog das Buch wieder zu sich heran und starrte wutschnaubend auf die völlig verfleckte Strophe.

Nur in dieser einen Nacht,
erringt der Jäger die Macht,
schnell auf, die Wölfe zu töten,
sonst sei er am Morgen in Nöten.


Ein leises Schniefen ertönte vom Fenster. Eli konnte nicht mehr. Er hatte endgültig genug. Alles was er wollte, war das Buch fertig zu lesen, damit er endlich schlafen gehen konnte. Er knallte den Kopf auf die Seiten, stöhnte entsetzt und raufte sich die Haare. Rosabels Schniefen wurde immer lauter, bis es allmählich ein leises Schluchzen war. Entnervt richtete er sich auf, rang mit den Händen und rief mit ungläubig hoher Stimme: "Was ist denn jetzt schon wieder?!"
Rosabel stand von ihm abgewandt, ihre Schultern zuckten leicht und sie schnäuzte sich geräuschvoll die Nase.
"Seit wann bist du eigentlich so gemein? Sonst warst du doch nie so... Weißt du, ich dachte nur - ich wollte eigentlich -", stammelte sie mit belegter Stimme und sah aus dem Turmfenster. "Ich wollte ihn nur fragen, ob er sich mit mir die Mondfinsternis ansehen möchte. Nur so. Dachte, das gefällt ihm vielleicht. Aber bis sie anfängt, finde ich ihn bestimmt nicht mehr..." Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und schaute dann wieder zum Vollmond hinauf. "Dabei ist der Mond so groß heute Nacht!"
Sie drehte sich mit geröteten Augen zu ihm um. Er starrte ebenfalls hoch zum Vollmond und dann wieder in ihr tränenfreuchtes Gesicht. Die Verse rasten ihm durch den Kopf und obwohl sein bester Freund eigentlich das Genie in Astronomie war, setzten sich die Fetzen plötzlich zu einem greifbaren Gedanken zusammen.
Steht der Blutmond am Himmel in dunkelster Nacht... Damit war nicht die Neumondnacht gemeint, sondern der rote Vollmond während der Mondfinsternis!
...verliert jeder Mannswolf seine Kraft... Colin würde sich zurückverwandeln, sobald die Finsternis einsetzte!
Elis Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen, kaum dass er den Gedanken zu Ende gebracht hatte, und ein heißes Brennen breitete sich in seiner Brust aus, das ihm fast die Luft nahm. Colin würde allein und mit fürchterlichen Schmerzen in seinem Versteck aufwachen. Sicher hätte er wissen müssen, wann die nächste Mondfinsternis war, aber die ganze Werwolfsangelegenheit hatte alles hinten angestellt. Er wusste bestimmt nicht, was ihm heute noch bevor stand. Elis Mund wurde so trocken, als hätte Rosabel ihm eben einen Wüstenzauber im Mund verpasst. Er konnte kaum noch schlucken. Er konnte nicht zulassen, dass Colin das allein durchmachte. Er konnte ihn nicht hilflos und frierend in dem gruseligen Verlies im Wald liegen lassen. Er musste zu ihm - sich um ihn kümmern - und zwar auf der Stelle!
Noch immer starrte er Rosabel an und Rosabel starrte verdutzt zurück. Mit einem Mal schlug er Der gar fürchterlich Fluch des Mondes klatschend zu und stopfte all seine Sachen zurück in seine Tasche.
"Was zum - wo willst du denn hin?", rief Rosabel, als er aufsprang und in Richtung Schlafsaaltreppe hastete. Auf halbem Weg hielt er an, drehte sich um und krächzte: "Weißt du was? Ausnahmsweise hast du mal was richtig gemacht!"
Dann stürmte er in den Turm hinauf, riss Eanna aus seinem dämmrigen Halbschlaf, dass er fast aus dem Bett fiel, schüttete seine Tasche komplett über dem Bett aus und packte hastig Tränke, Kräuter, Verbandszeug, und einen seiner Umhänge ein, steckte sicherheitshalber noch Blevins' Buch zurück in die Tasche, und noch ehe sich Eanna mit schläfriger Miene aus dem Bett hatte lehnen können, war er auch schon wieder auf halbem Weg aus dem Gemeinschaftsraum.

Keuchend rannte er Treppen hinunter und durch Korridore. Ihm wurde ganz flau im Magen, wenn er daran dachte, dass Colin diese schrecklichen Schmerzen heute gleich doppelt ertragen musste. Wenn er ihm doch nur helfen könnte! Wenn doch nur in irgendeinem der unzähligen Bücher, die er gelesen hatte, ein kleiner Hinweis gewesen wäre!
Während er einen Gang im dritten Stock entlanghastete, erhaschte er einen kurzen Moment lang einen Blick auf den strahlenden Vollmond. Noch hatte die Mondfinsternis nicht begonnen. Kein Schatten trübte das silberne Licht. Eli legte noch einen Zahn zu und so schnell seine Füße ihn trugen spurtete er die Marmortreppe hinunter und durch die leere Eingangshalle. Das Klatschen seiner Schuhsohlen auf dem steinernen Boden hallte laut von den Wänden wieder und bevor er hoffen konnte, dass kein Lehrer ihn um diese Uhrzeit noch im Schloss erwischte, fand er sich auch schon auf der äußeren Schlosstreppe wieder, die er, mehrere Stufen gleichzeitig nehmend, hinabrannte. Er hatte noch nicht einmal die Hälfte der Stecke über den verschneiten Rasen zurückgelegt, da wurde das Mondlicht allmählich fahler. Panisch sah er zum Himmel und bemerkte den schmalen Erdschatten, der begann den Mond zu verdunkeln. Plötzlich sank sein Fuß ein, er stolperte und stürzte mit Schwung in den knöcheltiefen Schnee. Der Aufprall presste ihm alle Luft aus der Lunge und die harsche Eisschicht über dem gefrorenen Schnee schnitt fein wie Nadeln in seine Wangen. Keuchend stützte er sich auf die Ellenbogen und sah zurück, wo ein tiefes Loch, gerade so groß wie sein Fuß, zu erkennen war. Erdkrumen lagen auf dem hellen Schnee verteilt. Er war geradewegs in ein verstecktes Kaninchenloch getreten. Hustend stemmte er sich wieder auf die Beine und bemerkte, wie ihm etwas Warmes über das Kinn rann. Blut tropfte unter ihm in den Schnee und ein stechender Schmerz in seiner Lippe machte sich bemerkbar. Doch das Licht schwand nun immer schneller. Keine Zeit jetzt sich darum zu kümmern. Colin hatte seine Hilfe nötiger. Wie vom Billywig gestochen sprang er wieder auf die Beine und spurtete mit brennenden Lungen über die Ländereien auf die dunklen Spitzen der Bäume im Verbotenen Wald zu, die sich in der Ferne gegen den Sternenhimmel auftürmten. Die große braune Ledertasche schlackerte wild am langen Gurt hin und her und versetzte ihm gelegentlich einen kräftigen Stoß auf die schmerzenden Kniescheiben oder in die Kniekehle, sodass er strauchelte.

Als er den Waldrand erreichte, packte er sich die Tasche unter den Arm, damit sie sich nicht in einem der Sträucher und Bäume verfing und schlängelte sich in raschem Tempo zwischen den Bäumen hindurch, nicht darauf achtend, wie hart ihm die Zweige ins Gesicht schlugen und sein Gesicht zerkratzten. Mit rasendem Herzen näherte er sich der auffallend eckigen Lichtung, die in schwaches Licht getaucht war. Mit einem Mal überfiel ihn eine Furcht, die seine Nerven zum Flattern brachte. Was, wenn Colin nicht mehr unten in der Kammer eingeschlossen war? Was, wenn der Werwolf er geschafft hatte auszubrechen und nun durch den Verbotenen Wald streifte? Es war die erste Nacht, die Colin im Verlies unten verbrachte. Sie hatten zwar an den Eisengittern gerüttelt und sich dagegengeworfen, doch was war schon mit der unbändigen Kraft eines Werwolfs zu vergleichen? Konnte er sich überhaupt sicher sein, dass Colin nicht noch verwandelt war und hinter einem Baum auf ihn lauerte? Doch Colin hatte auch gesagt, dass das Amulett wirkte. Wenn er es selbst unverwandelt wahrnahm, dann sicher noch viel stärker als Wolf. Außerdem wuchs der Eisenhut hier in großen Stauden. Colin hatte erzählt, dass er als Werwolf dem Gewächs nicht zu nahe kam.
Elis Sinne flimmerten. Sein Herz pochte nicht nur vor Anstrengung sondern auch vor Angst. Er ließ den Blick wachsam über die Lichtung schweifen und tastete vorsichtshalber nach dem Zauberstab in seiner Tasche. Angestrengt lauschte er in die drückende Stille hinein. Kein knacksender Zweig, kein Blättchen regte sich, kein Heulen oder Knurren drang an sein Ohr.
Eli straffte die Schultern und machte einen vorsichtigen Schritt auf die Lichtung. Nein, er durfte jetzt kein Feigling sein! Es ging hier um Colin und er musste ihm zur Seite stehen! Die Meisten würden ihn wahrscheinlich für verrückt erklären und ihn anschreien, wenn sie wüssten, was er gerade tat, doch er konnte nicht anders. Es ging um seinen besten und liebsten Freund.
Eli trat schwer atmend auf die Lichtung und von seinem Nacken breitete sich eine Gänsehaut über den ganzen Körper aus. Im Grunde, dachte er und rückte die schwere Tasche auf seiner Schulter zurecht, war es immer nur um Colin gegangen. Schon von Anfang an. Er würde nicht zulassen, dass er ihn verlor, mochte es noch so schrecklich und hoffnungslos scheinen. Keiner hatte auch nur eine Ahnung, wie wichtig er ihm war. Colin war nicht einfach nur ein bester Freund. Colin war so viel mehr. Niemand konnte ahnen, wie viel er ihm bedeutete...
Vor Anspannung zitternd setzte er den Fuß auf die erste Treppenstufe, die hinunter in die Kerkerruine führte. Dort unten war es so dunkel, dass er nichts erkennen konnte. Selbst die Eisengitter konnte er nicht sehen. Doch dann hörte er etwas tief unten in der Kammer. Ein leises Wimmern drang zu ihm herauf.
"Colin!", steiß er erleichtert hervor und stürzte auch schon die rissige Steintreppe hinab, während er seinen Zauberstab zog und die Überreste der uralten Fackel seitens des Eisengitters entzündete, weil im beinahe erloschenen Licht des Mondes nichts mehr zu sehen war. Das Licht der Fackel reichte kaum aus um auch nur ein Viertel des dahinterliegenden alten Folterkellers zu erleuchten und außer nacktem Stein war nichts zu erkennen. Colins schmerzdurchdrungenes Wimmern schwebte von ganz hinten zu ihm her.
"Colin, ich bin gleich bei dir!", rief Eli atemlos und ließ seine Tasche neben einem Kleiderhaufen, der für den Morgen bereitlag, zu Boden gleiten. Aus den Tiefen des dunklen Raumes ertönte ein qualvolles Heulen. Eli war mit einem Satz bei der Gittertür und machte sich fiebrig an der dicken Silberkette zu schaffen, mit der sie Colin verschlossen hatte.
"Eine Sekunde noch!", rief er und seine Eingeweide wurden schwer wie Blei, als erneut ein lautes Wimmern ertönte. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, wenn er daran dachte, was für Schmerzen sein Freund haben musste. Er wünschte sich nur, seine Hände würden nicht so sehr zittern! Ständig rutschten ihm die Ketten und Schlösser durch die Finger.
Doch plötzlich wurde aus dem Wimmern ein lautes, trommelfellzerreissendes Kreischen, das Eli versteinern ließ. Er sah nur noch einen rot-braunen Schatten und dann krachte etwas mit so heftiger Wucht gegen das Gitter, dass er zurückgeschleudert wurde und hart auf dem Boden landete. Ein Tosen wurde laut und Eli hörte das wilde Bellen, Knurren, Heulen und Japsen und immer wieder ein fürchterliches Rütteln und Kreischen. Er hob den Kopf und sah wie der braun-rötliche Wolf sich mit gefletschten Zähnen und irrem Blick immer wieder gegen das eiserne Gitter warf. Geifer troff von seinen Lefzen und spritze umher, wann immer er mit Kopf und Körper gegen die Stangen schlug und sich blutende Risse am Kopf zuzog.
Nach Luft schnappend und mit starrem Blick auf den Werwolf robbte Eli rückwärts so schnell er konnte von dem Gitter weg, bis er mit dem Hinterkopf heftig gegen die erste Treppenstufe stieß. Er konnte kaum glauben, was er da vor sich sah. Sein Denken war erlahmt. Er wusste, dass er eigentlich wegrennen sollte. Er wusste auch, dass er keinen einzigen Zauber kannte, der ihn vor einem Werwolf schützen wurde. Und dennoch wollte sich kein einziger Muskel in seinem Körper bewegen. Die Panik schnürte ihm die Brust so zu, dass er keine Luft mehr bekam und ihn zu ersticken drohte. Seine Augäpfel hüpften zwischen den weit aufgerissenen Lidern. Sein Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet und in seinen Ohren klingelte es vom Lärm, den der rasende Werwolf veranstaltete. Er schnappte durch die Stäbe, kratze mit den langen Klauen, bellte und jaulte und überschlug sich fast mit der Stimme, ganz zu schweigen vom Scheppern der Eisenstäbe, dem Klingen der Ketten, Metall auf Metall, den dumpfen Schlägen wenn Fleisch auf Eisen traf und dem Ächzen der Verankerungen die im knirschenden Stein allmählich nachgaben. Plötzlich schnappte Eli nach Luft, sein ganzer Körper fing an zu zittern und Tränen rannen über sein Gesicht. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er solche Angst gehabt, das war der einzig klare Gedanke, den er fassen konnte. Er war immer noch nicht Herr seiner Gliedmaßen. Wenn das Gitter jetzt nachgab... Eli wollte es sich nicht ausmalen. Er wäre mit Sicherheit tot. Oder ein Werwolf. Und Colin würde sich nie verzeihen, wenn er ihm eines von beiden antun würde. Und nun lag er da und konnte sich vor Angst nicht einmal bewegen. Konnte nicht fliehen und sich nicht schützen. Und wenn etwas passieren würde, würde Colin sich die Schuld dafür geben, obwohl er zu unvorsichtig gewesen war und es ganz allein seine Schuld sein würde! Colin, der es sich nie verzeihen würde, wenn er ihm auch nur ein Haar krümmte. Colin, mit dem er so viel erlebt und durchgemacht hatte. Colin, sein bester Freund, der jetzt dort vor ihm stand und drohte ihn umzubringen.
Und fast zeriss es ihm das Herz, als er erkannte, dass das dort sein bester Freund war. Ihm fiel auf, wie sehr der Werwolf doch nach Colin aussah. Das rötlich gestichelte Fell, das so schimmerte, wie sein Haar, die weißen Muster in den bernsteinfarbenen Augen, nicht zu unterscheiden von denen in Colins blauer Iris, die roten Sprenkel auf der Schnauze, wie seine Sommersprossen... Es gab keinen Unterschied zwischen Colin und dem Werwolf. Sie waren untrennbar verwachsen.
Er wusste nicht, wie verzweifelt er war, dass er es tat, aber er öffnete den Mund, starrte in seine bernsteingelben Augen und schluchzte: "Colin, hör auf! Bitte, hör auf!"
Eli war klar, dass es keinen Sinn hatte, dass er einen Werwolf nicht davon abhalten konnte ihn anzugreifen, nur weil er ihn wie dusslig anschrie und ihn anflehte. Trotzdem tat er es.
"Ich bin es! Eli! Dein bester Freund!", schrie er und heiße Tränen rannen über sein Gesicht. "Colin, hör auf! Colin!"
Und dann, wie durch ein Wunder, ließ der Werwolf von dem Gitter ab. Mit einem ohrenbetäubenden Jaulen sprang er in den Halbschatten, biss sich in den Hinterlauf und heulte noch schlimmer. Er kratzte sich, dass dichte Fellbüschel auf dem Boden davonwirbelten und wälzte sich auf dem Boden herum.
Eli stand der Mund weit offen und keuchend beobachtete er, wie sich der Wolf selbst verletzte. Für einen Moment wollte er glauben, tief in seinem Innern hatte Colin gemerkt, dass er hier war um ihm zu helfen, doch dann ertönte schauriges Geheul hinter dem Eisengitter und die Treppe bis zu Elis Füßen war in schwummriges rotes Licht getaucht. Eli legte den Kopf in den Nacken und sah durch die Baumwipfel den Mond im Kernschatten der Erde nun ein rotes Glimmen über den samtschwarzen Himmel verbreiten und ihm wurde klar, dass nicht er etwas bei Colin bewirkt hatte, sondern er sich nun rückverwandelte. Das Knurren und Jaulen erstarb allmählich und wurde zu kurzen Schmerzensschreien und schließlich zu einem erstickten Schluchzen.

Eli sprang mit tränennassem Gesicht auf und schaffte es endlich die Silberketten zu öffnen. Sie glitten rasselnd zu Boden. Er packte seine Tasche und zog die quietschente Gittertür auf. Colin lag splitternackt zusammengerollt im Halbdunkel der flackernden Fackel. Seinen gesamten Körper zierten blutende Bisspuren und Kratzer und er zitterte noch schlimmer als Eli ein paar Minuten zuvor.
"Colin?", schniefte Eli und wischte sich rasch die Tränen aus dem Gesicht. Von Colin kam nur ein leises Gurgeln. Eli ließ sich, immernoch zitternd, neben ihm auf die Knie fallen und riss den Umhang aus seiner Tasche. Im Kerker war es fürchterlich kalt und zugig.
"Colin, hörst du mich?", sagte Eli verschluckt und ihm wurde fast übel, als er die ganzen Wunden auf der hellen Haut seines Freundes sah. Was musste er für Schmerzen haben...
Colin bibberte und klapperte so laut mit den Zähnen, dass er kein Wort verstand, das er zu sagen versuchte. Schnell warf Eli ihm den Umhang über und rollte ihn vorsichtig auf den Rücken, damit er ihn ganz einwickeln konnte. Über Colins Nasenrücken zog sich ein tiefer blutender Schnitt, seine Unterlippe war aupgeplatzt, seine linke Wange rot und geschwollen, überall waren weitere kleine Risse zu sehen und sein Kinn war über die ganze Länge des rechten Kiefers aufgeschürft. Eli schüttelte mit brennenden Augen und zusammengepressten Lippen den Kopf und hob Colins Oberkörper leicht an, damit er ihn in seinen Schoß legen und ihn besser versorgen konnte. In dem Moment öffnete Colin seine Augen und er konnte wieder die senkrechten Pupillen und die bernsteinfarbene Iris durch die schweren Lider hervorblitzen sehen. Er zuckte kaum merklich zusammen und neigte den Kopf zu Colin hinunter, der seine Lippen stumm bewegte. Als er weit genug unten war, packte ihn Colin am Kragen. Er starrte ihn mit seinen Wolfsaugen an, die sich erst langsam wieder blau färbten, und dicke Tränen rannen über seine Wangen.
"Du Idiot! Was - m-machst du h-hier?", heulte er, war zwischen seinen Schluchzern aber kaum zu verstehen. Er war schwach und lag schwer in Elis Schoß, doch er ließ seinen Kragen nicht los. Ohne ihn antworten zu lassen, schluchzte er weiter und klang verzweifelter denn je: "Ich h-h-hätte dich fast umgebracht! Was m-machst d-du - ich h-hätte dich fast - ich hätte - ich -"
Plötzlich richtete er sich auf, drehte sich von ihm weg und übergab sich herzhaft auf den Boden. Eli streckte sofort seine Hand nach ihm aus und hielt ihn an der Schulter fest, damit er nicht umkippte. Er betrachtete Colins wippenden roten Haarschopf und versuchte nicht auf das plätschern und würgen zu hören.
Natürlich war es eine unglaubliche Dummheit gewesen einfach hinunter zu gehen. Natürlich war Colin aufgebracht deswegen. Doch er bereute nicht gekommen zu sein. Nicht jetzt, wo er sah, wie schlecht es ihm ging. Nicht jetzt, wo er erfahren musste, dass er dasselbe noch einmal vor sich hatte diese Nacht.
Colin schüttelte es vor Schmerz und nachdem er endlich seinen ganzen Mageninhalt losgeworden war, sank er schwach in Elis Schoß zurück. Eli ließ die Lache mit einem Schlenker seines Zauberstabs verschwinden und wandte sich wieder seinem besten Freund zu, der ihn mit seinen merkwürdig gemischten Augen ansah. Noch immer strömten Tränen wie Sturzbäche über sein Gesicht.
"Was m-machst du h-hier?", sagte Colin so heiser, dass es kaum über ein Flüstern hinausreichte. Seine Lippen bebten vor unterdrücktem Schluchzen. "Du solltest n-nicht h-hier sein!"
"Doch, ich denke, genau hier gehöre ich im Moment her!", erwiderte Eli stur und betrachtete mit feuchten Augen sein Gesicht. Seine Brust fühlte sich an, als wollte sie vor Mitgefühl und Sorge zerreissen. Als hätte jemand eine Axt hineingeschlagen und versuchte nun sie wieder herauszubrechen. Es bereitete ihm unendliche Qualen seinen besten Freund so leiden zu sehen. Wenn er ihn so zugerichtet vor sich liegen sah, wollte er ihn am liebsten in die Arme schließen und einfach nur sagen, dass alles wieder gut werden würde, dass er wieder werden würde. Doch das konnte er nicht. Er hatte noch keine Heilung gefunden. Doch die Hoffnung würde er ganz zuletzt aufgeben.
So schlimm wie heute hatte er ihn noch nie gesehen. Mit aller Kraft musste er die Tränen zurückhalten, wenn er daran dachte, dass die Nacht noch nicht überstanden war, dass es noch viel schlimmer sein würde, wenn er das nächste Mal erwachte. Colin drückte sich in seinen Schoß und fing wieder an zu schlottern. Er schluchzte noch heftiger und sah sich verängstigt in dem dunklen Kerker um.
"Was ist - was passiert hier? Wieso - warum ist es noch dunkel? Wie - wie -?", keuchte er mit verstörter Miene und suchte Elis Blick. Eli atmete zitternd aus, legte Colin die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.
"Wird schon...", sagte er leise. "In ein paar Stunden hast du es geschafft."
"Stunden?", japste Colin und sah ihn panisch an. "Was soll - wie kann das -?"
Er ließ die Augen wild umherhuschen und schien dann das rötliche Licht auf den Treppen zu bemerken. Er schien zu begreifen.
"Mondfinsternis-", brachte Eli nur mit gebrochener Stimme heraus, als er das stumme Entsetzen in Colins Gesicht sah. Er schien einen Moment nach Atem zu ringen, dann schlang er die Hände um den Kopf und kauerte sich so klein wie möglich zusammen.
"Nein!", stöhnte er, wobei er sich den ganzen Schmerz und die Qual aus dem Leib schrie. "Neiiiiin! Bitte, nicht! - Bitte! Nicht nochmal!"
Er brach in herzzerreissendes Schluchzen aus. Eli beugte sich über ihn, drückte ihn an sich und nun rollten auch ein paar vereinzelte Tränen seine Nase herunter. Colin bekam seinen Arm zu fassen, drückte ihn an sich und wimmerte voller Verzweiflung.
"Schon gut... Ich bin ja da...", versuchte er ihn zu beruhigen. "Ich bin hier und pass auf dich auf..."
"Ja, du bist... du bist immer...", stieß Colin zusammenhanglos unter Tränen hervor. Dann wurde er plötzlich ruhig, zitterte etwas weniger und drehte den Kopf, damit er ihn ansehen konnte. Eli hob überrascht die Augenbrauen, als er Colins entsetzten Gesichtsausdruck sah.
"Du – hier!", brachte Colin unter Mühe heraus und wie es schien, hatte er offenbar Mühe klar zu denken. "Du! Du -"
Colin erschauderte und ein merkwürdiges Glimmen trat in seine blauen, noch immer von bernsteinfarbenen Schlieren durchzogenen Augen. Er packte Eli erneut groß am Umhang, doch jetzt drückte er ihn von sich weg.
"Du - darfst nicht - hier sein!", keuchte er und die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Eli versuchte den Griff um seinen Umhang zu lösen und Colin wieder auf seinen Schoß zu drücken, doch er ließ nicht locker. "Du musst – weg hier! Sofort!"
"Colin, was redest du? Ich will dir doch nur helfen!", sagte Eli in beruhigendem Ton, doch er schaffte es nicht, das Zittern aus seiner Stimme zu verbannen. Colin schüttelte panisch den Kopf, ließ ihn los und kroch unter schwerer Anstrenung von ihm weg. Eli runzelte die Stirn und krabbelte ihm auf allen Vieren hinterher.
"Colin, du brauchst Hilfe!", beschwor er ihn und streckte die Hand nach ihm aus, doch Colin schlug sie Weg und wich rückwärts an die raue Kerkerwand zurück.
"Du musst gehen! Ich werde mich wieder verwandeln!", presste Colin hervor und krümmte sich, eine Hand auf die Rippen gelegt, zusammen. Eli erschrak und machte einen Hüpfer auf ihn zu. Sicher hatte er sich einige Rippen gebrochen, als er gegen die schweren Gitter gesprungen war.
"Es bleibt doch noch Zeit! Lass mich wenigstens ein bisschen -", setzte er beschwichtigend an. Aber jetzt, da er neben ihm saß, bäumte sich Colin auf und stieß ihn von sich weg.
"Es ist keine Zeit mehr!", schrie ihm Colin wütend entgegen. Eli bemerkte, dass seine Augen wieder alles Blau verloren hatten und von sattgoldener Farbe waren. "Du musst raus hier! Na, los, doch!"
Eil warf einen Blick auf die blassrot glühende Treppe.
"Aber deine Verwandlungen dauern mindestens -", versuchte er zu argumentieren.
"Sie werden immer kürzer! Ich verwandle mich viel schneller!", rief Colin verzweifelt und erhob sich auf wackligen Beinen, den Umhang fest um sich geschlungen. Er knickte wieder leicht ein, als sich seine Wirbelsäule krümmte, doch er packte Eli am Kragen und schleifte ihn mit ungewöhnlicher Kraft auf den Ausgang zu. Kurz vor der Tür sank er schnaufend und wimmernd zu Boden und hielt sich beide Seiten. Eli war sofort wieder auf den Beinen und wollte zu ihm gehen, doch als Colin aufsah, zuckte er zurück. Seine Pupillen waren zu senkrechten Schlitzen geworden.
"Geh! Schnell! Verschwinde von hier!", krächzte Colin und fuchtelte mit einem Arm, während er sich am Gitter entlangzog. Eli sprang nach draußen und schloss rasch das Eisentor. Colin griff nach den Silberketten um sie abzuschließen, doch sowie er sie berührte, stieß er einen Schmerzlaut aus. Er ließ die Ketten fallen und starrte auf seine Hände, die voller Brandblasen waren, dort wo er das Silber berührt hatte.
"Schieb sie zu mir rüber!", rief Eli ihm zu, auch wenn ihm das Herz augenblicklich in die Hose gerutscht war. "Ich mach zu! Komm, ich mach schon!"
Colin schubste die Ketten mit den Füßen bis zum Gitter, wo Eli die Hände durch die Stäbe streckte und sie fest um Tor und Rahmen schlang.
"Immerhin halten die Ketten!", sagte Eli erleichtert. Colin war vor ihm zusammengesunken, hielt sich mit zitternden Händen an dem Tor fest, während er laut keuchte und Tränen auf seine nackten, schmutzigen Knie fielen.
"Ich bleibe, bis alles vorbei ist, in Ordnung?", sagte Eli leise und ging vor ihm in die Hocke. Colin schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf.
"Ich will nicht, dass du mich so siehst!", schluchzte Colin auf und noch mehr Tränen kullerten in seinen Schoß.
"Colin, das macht mir nichts aus! Ich kann dich doch hier nicht allein lassen!", beteuerte Eli und griff nach seiner Hand. Colin schüttelte den Kopf ohne ihn anzusehen.
"Du musst! Wenn ich dich angreife – wenn ich dich verletze -!", stammelte er und schrie laut auf, als sich seine Ohren in die Länge zogen. "Ich bitte dich, Eli! Geh! Ich müsste mich umbringen, wenn ich dir etwas antue! Renn davon! Bitte! Jetzt!"
Seine Stimme versagte und wurde zu einem undeutlichen Krächzen und Knurren. Als er aufsah, konnte Eli die Verzweiflung in seinem Gesicht sehen. Mit schwerem Herzen nickte er, ließ die Hand an Colins Arm hinabgleiten und drückte ihn kräftig.
"In ein paar Stunden geht der Mond unter, dann komme ich zurück, ja?", versprach er. Colin keuchte und röchelte nur noch und nun begann sich auch seine Nase in de Länge zu ziehen. Eli zuckte erneut zurück und schulterte seine Tasche. Er warf noch einen letzten Blick auf Colin, der sich mit einem Heulen aufbäumte, als Haare aus seiner Haut herausstachen, und in eine dunklere Ecke des Verlieses verschwand. Eli rannte die Treppen hinauf und war kaum ein paar Schritte von der Öffnung im Boden entfernt, da drangen schon fürchterliche Schreie aus der Erde herauf.

Eli konnte die eigenen Tränen nicht mehr zurückhalten. Von stummem Schluchzen geschüttelt stand er auf der Mitte der Lichtung und sah zu, wie der Erdschatten endgültig über den Mond hinwegzog und ihn fast noch heller erstrahlen ließ als zuvor, während Colin unter seinen Füßen heulte und schrie. Es war einfacher für ihn die Fassung zu bewahren, wenn sein Freund in der Nähe war. Angesichts seines Leids musste er stark sein und ihm Halt geben. Doch immer wenn er ihm nicht helfen konnte, wenn er nicht in seiner Nähe war, dann kroch die Verzweiflung in ihm hoch, wie eine Schlange aus dem Schatten, die ihn zu erwürgen drohte.
Seine Augen brannten und seine Sicht war verschleiert. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Wenn Colin es schaffte auszubrechen, war es eine Dummheit in der Nähe zu bleiben. Doch er wollte nicht weg. Während Colin sich hörbar und unter größten Schmerzen verwandelte, wollte er ihn nicht allein lassen, auch wenn es sich anfühlte, als würde sein Herz bluten. Er musste doch wissen, wann er wieder zu ihm konnte, wann es an der Zeit war ihn zu versorgen und sich um ihn zu kümmern. Er konnte hier nicht weg. Und als würde sich selbst sein Körper dagegen wehren, wollten ihm seine Beine nicht gehorchen, als ihm die Stimme der Vernunft einflüsterte, dass er sich von hier entfernen musste.
Bei einem fürchterlich lauten, langgezogenen Heulen, das schon nach ausgewachsenem Werwolf klang, erschrak Eli so heftig, dass er wegstolperte und nach einem lauten Aufschluchzen, das er nicht unterdrücken konnte, ließ er endlich die Vernunft walten. Er rannte davon. Rannte geradeaus über die kleine rechteckige Lichtung, nicht wissend, wohin er sollte, wo er warten sollte, oder was er mit sich anfangen sollte. Er wischte sich die Augen und bemerkte nicht einmal das Gebüsch aus Wolfswurz, in das er geradewegs hineingelaufen war. Erst die Hälfte der Lichtung hatte er überquert, als er sich die Zehen an der niedrigen Mauer stieß, daran hängen blieb und mit einem fast anmutigen Schwung, bei dem einige Meter Moos unter ihm hinwegzogen, geradewegs auf der Nase landete. Zum zweiten Mal in dieser Nacht wich ihm alle Luft aus den Lungen, aber gleichzeitig fühlte sich sein Kopf an, als wäre er gespalten worden. Weiße Lichter tanzten vor seinen Augen. Er rollte sich stöhnend auf den Rücken und ertastete einen großen Felsen, dort wo er mit dem Kopf aufgeschlagen war. Dann fasste er sich an den Kopf und spürte, wie sofort etwas Warmes seine Finger verklebte. Ihm wurde schlecht, als sein Gehirn zu pochen begann und dann begann er hemmungslos laut zu Schluchzen, während ihm die Tränen seitlich über das Gesicht rannen und in seine Ohren tropften.
Wen scherte es denn noch, wenn er hier einfach liegen blieb? Wen scherte es noch, wenn Colin es schaffte auszubrechen und ihn zu beissen? Wen scherte es, wenn er selbst ein Werwolf würde? Denn dann, und Eli heulte noch lauter vor Scham, als er daran dachte, dann wäre Colin wenigstens nicht mehr allein damit. Dann wäre es nicht weiter schlimm, wenn es keine Heilung gäbe, weil er dann trotzdem bei ihm sein konnte. Dann würde ihn die Einsamkeit unten in der grausamen Folterkammer nicht verrückt machen.
Eli schlang die Arme um den Kopf und rollte sich zusammen um sein lautes Weinen zu ersticken. Er war am Ende mit den Nerven, nachdem was er eben erlebt hatte, und Schlafmangel und die Sorge um seinen besten Freund trugen ihren Teil dazu bei. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Er wollte den Schmerz und das Leid nicht fühlen müssen. Er wollte, dass es vorbei war. Er wollte, dass alles wieder so war wie früher. Er wollte einfach nur, dass es Colin wieder gut ging, dass sie wieder zusammen lachen konnten,... dass sie an nichts mehr außer Quidditch-Training und – wenn überhaupt – ihre Hausaufgaben denken mussten,... dass sie sich gegenseitig aus Jux Zauber aufhalsen konnten...

Eli wusste nicht, ob er ohnmächtig wurde, oder ob der Schlaf ihn übermannte. Er bemerkte nur, dass das Moos, trotz der eisigen Kälte, doch ein erstaunlich weiches Bett abgab. Immer tiefer sank er hinein in einen tiefen schwarzen Strudel, nur gelegentlich aufgehellt durch ein Jaulen, das wie ein weißer Blitz hindurchzuckte.
Einige Zeit später löste sich die Schwärze auf und ihm war nun, als würde er träumen. Er hörte ein leises Plätschern und ein einziger fahler Lichtstrahl kitzelte sein Gesicht. Durch seine Lider schien ein schwacher, rosa Streif. Eli blinzelte und öffnete die Augen ein wenig. Es war, als wäre alles in einen strahlenden, weißen Nebel gehüllt. Es war kühl um ihn herum und roch nach Wald. Allmählich nahm er grüne, sanft im Wind wiegende Tupfen über sich wahr. Dann hielt er nach der Quelle des Plätscherns Ausschau und entdeckte ein entspanntes, sommersprossiges Gesicht umrahmt von flammendem Rot vor sich. Sein Blick schweifte über den nackten Oberkörper und schließlich zu den nabelhohen Büschen, die zwischen ihnen standen. Und plötzlich erinnerte er sich daran, wo er gerade sein musste! Es musste dieser Sommertag vor fast eineinhalb Jahren sein, wo er sich mit dem besten Freund der Welt einfach zwei Schlafsäcke geschnappt hatte und sie im Waldstück zwischen Buckley und Rennan übernachtet hatten. Er konnte sich noch genau daran erinnern. Colin hatte schrecklichen Ärger mit seiner Mutter bekommen und Elis Vater hatte es zum ersten Mal seit Langem über sich gebracht ernstlich mit ihm zu schimpfen, doch dafür hatten sie zum ersten Mal etwas richtig spannendes ganz allein unternommen und das war es alle Mal wert gewesen...
"Colin, sag bloß nicht, du gießt die Büsche!", murmelte Eli halb glucksend und rieb sich die schweren Lider. Colin merkte auf und schnaubte belustigt.
"Da bist du ja! Ich hab schon nach dir gesucht!", rief Colin und lachte kurz auf. Eli hielt beim Augenreiben inne und runzelte die Stirn. Das hatte Colin damals aber nicht gesagt! Er hörte Colin seinen Reißverschluss schließen. Verwundert stützte er sich auf die Ellenbogen und musterte ihn argwöhnisch. Gleich darauf spürte er, wie sich ein ziepender Schmerz über seine Schädeldecke zog. Langsam wurde seine Sicht klarer und er erkannte, dass es nicht das strahlende Licht der Augustsonne war, das ihn geweckt hatte, sondern ein fahler Januarstrahl. Er musste auch erkennen, dass Colin nicht so gesund und unversehrt war, wie an diesem denkwürdigen Samstagmorgen, sondern seine blasse Haut von blutigen Bissen und Kratzern übersäht und sein Gesicht voller Schürfwunden war.
Mit einem Mal drang alles auf ihn ein, was er letzte Nacht erlebt hatte. Ihm wurde ganz schwindlig und übel und sein Kopf fing noch stärker an zu schmerzen.
"Colin!", keuchte er schließlich, als er sich an alles erinnert hatte, und versuchte aufzuspringen. Doch Colin kam schon breit grinsend über die Büsche gehüpft, bekleidet nur mit einer schwarzen Jeans, und ließ sich im Schneidersitz neben ihm ins Moos fallen. Er ließ den Blick über Elis Gesicht wandern und bemerkte die vielen kleinen Kratzer und Schnitte, die in seiner Haut brannten, und auch die geschwollene, blutige Lippe, die er sich beim Sturz in das Kaninchenloch aufgebissen hatte.
"Was ist denn mit dir passiert?", fragte Colin stirnrunzelnd.
"Mit – mit mir?", sagte Eli verdutzt und hätte bei Colins Gesichtsausdruck am liebsten laut losgelacht. "Ich – also, ich – ach, vergiss es – es war nichts."
Dann holte ihn sein schlechtes Gewissen ein, als er Colins Brust betrachtete und die vielen Wunden sah. Hastig setzte er sich auf und geriet ins Schwanken. Vermutlich hatte er sich beim letzten Sturz eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen.
"Du siehst nicht gut aus!", bemerkte Colin immer noch nachdenklich.
"Ich? - Ach, lass mich! Wie geht es dir? Wie lange bist du schon wach? - Du siehst furchtbar aus! Lass mich das ansehen!", rief er und die Worte stolperten ihm so schnell aus dem Mund vor Schreck, dass er sich beinahe verhaspelte, während er schon seine Tasche heranzog und an dem Verschluss herumnestelte. "Bist du okay? Wo hast du schmerzen? Willst du dich hinlegen?"
Colin hielt seine Hände fest. Elis Magen machte einen Satz, als hätte er eine Stufe treppab verpasst, als er aufsah und direkt in Colins besorgte, nun wieder blaue, Augen sah.
"Mir geht's gut! Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?", fragte Colin ruhig und lächelte ihn sanft an. Eli verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte er so fit sein? Hatte er mehr als eine Nacht im Wald gelegen?
"Mit – mir?", hauchte er und wischte sich das Stirnhaar zur Seite. "Ich bin – gut, nein – alles prima – ich -"
"Hast du dir den Kopf gestoßen?", hakte Colin fürsorglich nach. Eli blinzelte schnell. Das musste ein Traum sein. Es konnte ihm nicht so gut gehen. Irgendetwas lief hier gewaltig falsch.
"Mein Kopf ist völlig schnuppe! Wir müssen uns erstmal um dich kümmern!", sagte Eli und versuchte mit der Hand, die Colin immer noch hielt, den Verschluss aufzubekommen.
"Warte! Eli, warte!", rief Colin belustigt. Eli beachtete ihn nicht, da packte er ihn an den Oberarmen und rüttelte ihn leicht. Wieder starrten sie sich an.
"Es geht mir gut!", sagte Colin und strahlte dabei. "Es geht mir ausgezeichnet! Ich fühle mich toll! Ich hab keine Schmerzen, obwohl ich mich heute Nacht zwei Mal verwandelt hab! Ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen, oder durch den Himmel fliegen oder mich mit einem Drachen anlegen!"
"Das ist unmöglich!", murmelte Eli und blickte ihm abwechselnd in beide Augen. "Du – Du bist übergeschnappt... völlig übergeschnappt!"
Colin fing an zu lachen und drückte ihn plötzlich fest an sich.
"Nein, ich glaube, du schnappst langsam über!", gluckste er ihm ins Ohr. "Wenn ich es dir doch sage! Mir geht es spitze!"
Eli versuchte sich von ihm loszuwinden.
"Ich glaube, diese ganze Suche nach einem Heilmittel hat dich ganz kirre im Kopf gemacht!", sagte Colin und hielt ihn etwas von sich weg, um ihn wieder ansehen zu können. Eli machte einen leicht gehetzten und wirren Eindruck. Er verstand überhaupt nichts mehr! Was ging hier nur vor?
"Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen, Eli?", wollte Colin fürsorglich wissen. Eli starrte seinen besten Freund immer noch unverwandt an und dann tat er etwas, was schon lange überfällig war. Er zwickte sich heftig in den Arm. Es tat so weh, dass er aufschrie. Colin brach in heiteres Gekicher aus und grinste noch immer.
Urplötzlich warf sich Eli auf ihn und umarmte ihn so stürmisch, dass sie beide rücklings auf das weiche Moos fielen. Colin blieb lachend mit Eli auf der Brust liegen und klopfte ihm sacht auf den Rücken. Ihn überkam eine Woge der Erleichterung und ein paar vereinzelter Glückstränen kämpften sich aus seinen Augenwinkeln. Die ganze letzte Nacht mit sämtlichen furchtbaren Erlebnissen war in diesem Moment vergessen. Er war einfach glücklich, dass es ihm gut ging, auch wenn er es sich nicht erklären musste.
Ein paar Tränen fielen auf Colins nackten Oberkörper.
Hoffentlich bemerkt er das nicht, dachte Eli mit geschlossenen Augen. Doch als Colin die Arme um ihn legte und einfach liegen blieb, fügte er seinen Gedanken noch hinzu: Was sollte denn geschehen, wenn er es sieht? Immerhin ist er dein bester Freund!
Und noch bevor Colin ihm ein paar Minuten später ins Ohr flüsterte: "Schlaf jetzt, du hast genug getan!", war er auch schon in tiefen Schlaf versunken und atmete schwer und langsam.

Colin schmunzelte zum Himmel hinauf und genoss die kalte Brise, die über sein Gesicht strich und das Buch umblätterte, das kurz zuvor aus Elis überhaupt nicht verschlossener Tasche gefallen war. Bei etwa einem Viertel der zweitausend Seiten flaute der Wind ab und wenn Colin ganz scharfe Augen gehabt hätte, hätte er nun auf den stockfleckigen, braunen Seiten entziffern können:

Wenn die Morgensonne den Horizont erklimmt,
so sieht sich der Jäger von Feinden umringt.
Blutrünstig, mörderisch, zerfetzend,
werden sie den Jäger hetzen.

Gestärkt durch ihre schwerste Nacht,
glänzen Sie in voller Pracht
ob Mann, ob Frau, ob Kind,
ihr Segen ist der Morgenwind.


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