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1 Moment - 5 Orte - Laila -7- Thurayyas Geschichte

von HauselfeLilian

Laila stand an der nördlichen Außenecke des Haupgebäudes und sah mit grimmigem Blick zu, wie der Falkenturm im Norden langsam in das goldene Licht des Sonnenaufgangs getaucht wurde. Ein paar von Fahims Falken kreisten in weiten anmutigen Bögen um seine Spitze und manche jagten sich gegenseitig hinterher. Doch dieser Anblick konnte sie nicht beruhigen. Sie war viel zu aufgebracht um die Schönheit der Raubvögel zu würdigen.
Ein Monat - ein ganzer Monat - war vergangen seit sie den Brief an Offizier Nagi geschickt hatte und sie hatte noch immer keine Antwort bekommen. Er ließ sie einfach in der Schule sitzen. Es war, als wäre nie etwas gewesen. Als wäre die Entführung aus dem Waisenhaus nie geschehen. Als hätte es das wochenlange Training in der Hitze der Wüste gar nicht gegeben. Als hätte sie sich die versteckte Festung in der Wüste mitsamt den Offizieren nur ausgedacht. Als würde Offizier Nagi nicht existieren. Als wäre alles nur ein Traum...
Und diesmal hatte er nicht einmal Professorin Muhammad mit einer Nachricht zu ihr geschickt, wie er es damals getan hatte, als die Auroren sie befragt hatten. Dabei hätte sie genügend Gelegenheiten dazu gehabt um ihr etwas zukommen zu lassen. Dafür hatte sie extra gesorgt. Doch nichts war passiert...
Sie hatte viel über die Wüstenarmee und Offizier Nagi nachgedacht in den letzten Nächten. Vermutlich hielten sie es für zu gefährlich mit ihr in Kontakt zu treten, seit die Auroren sie befragt hatten. Wahrscheinlich wussten sie mehr als sie und immerhin war es möglich, dass die Auroren sie immer noch beobachteten, weil sie ihr nicht geglaubt hatten. Doch selbst wenn es so war, gab es genügend andere Möglichkeiten ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, die die Auroren nicht abfangen konnten.
Laila richtete den Blick in den wolkenlosen Himmel, der nun ein immer helleres Blau annahm.
Wie konnte Offizier Nagi von ihr erwarten, dass sie in den Winterferien wieder in die Festung der Wüstenarmee zurückkehrte, so wie er es von ihr verlangte, wenn sie einfach allein gelassen wurde? Nicht, dass sie ein Problem damit hätte, dass sich niemand um sie kümmerte. Das hatte im Waisenhaus schließlich auch keiner wirklich getan. Doch wieso sollte sie zurück zu Offizier Nagi gehen, wenn sich dort auch nichts geändert hatte.
Und dann gab es noch das Problem mit den Auroren, der Schule und dem Waisenhaus an sich. Die dachten jetzt nämlich, sie wäre abgehauen, aber die Auroren hatten gesagt, sie müsse wieder ins Waisenhaus zurückkehren, bis sie volljährig war. Erst dann dürfte sie allein wohnen. Und Mrs Sultan war informiert worden, dass sie in den Sommerferien wieder ins Waisenhaus zurückkehrte. Spätestens im Sommer würde die Hausmutter also nach ihr suchen lassen, weil sie wieder verschwunden war. Dann würden die Auroren auch wieder auf ihre Spur kommen. In den Ferien konnte sie das einfacher regeln. Zwar war sie sonst immer in der Madrasa al Fahim geblieben, aber bei so vielen Schülern würde es nicht auffallen, dass sie nicht da war. Und falls sich doch jemand dafür interessierte, würde Professorin Muhammad ihr und der Wüstenarmee helfen es zu vertuschen, so wie sie es auch bei den anderen Kindersoldaten tat.

Jemand tippte ihr von der Seite auf die Schulter. Laila reagierte schnell. Sie griff nach der Hand, wirbelte herum und knallte die Person gegen die Außenmauer des Hauptgebäudes. Den anderen Arm drückte sie auf ihren Brustkorb um sie festzusetzen. Ihre Gesichter waren nur einen Fingerbreit voneinander entfernt. Der stoßweise Atem strich über Lailas Gesicht und sie blickte in ein paar hellbrauner Augen. Hellraune Augen, die sie überall wiedererkannt hätte.
"Du bist schnell!", ertönte die klingende Singvogelstimme.
"Und du unvorsichtig!", sagte Laila tonlos und lockerte den Arm um Thurayyas Brustkorb etwas. Thurayya keuchte und lächelte schwach. Sie wandte den Kopf zur Seite, zu ihrer Hand, die Laila immer noch gegen die raue Sandsteinmauer drückte.
"Lässt du mich jetzt los?", fragte sie verschmitzt. Laila ignorierte die Frage und entgegnete: "Was willst du?"
"Das sag ich dir, wenn du mich loslässt!", sagte Thurayya frech. Laila drückte sie wieder fester gegen die Wand und sagte kühl: "Ich verhandle nicht mit Gefangenen!"
Thurayya fing an zu kichern. Plötzlich zog sie das Knie hoch, doch Laila war wieder schneller. Sie riss ihr eigenes Knie hoch, drückte es gegen die Innenseite von Thurayyas Schenkel und lenkte ihr Bein von ihr weg. Thurayyas Bein blieb auf ihrem Oberschenkel liegen und sie sah sie verdutzt an, als Laila ihr Knie gegen die Mauer lehnte und sie nun wacklig auf einem Bein stehen musste.
"Gib es auf, ich bin sowieso besser als du!", sagte Laila kühl. "Also, warum bist du hier?"
Thurayya blinzelte kurz, dann ließ sie ihr Bein an ihrem Schenkel hinabrutschen, schlang es um ihre Hüfte und zog sie zu sich heran. Laila war für einen Augenblick so überrascht, dass sie gegen sie prallte. Dann sprang sie wie vom Blitz getroffen von ihr weg.
"Hör sofort auf mit dem Blödsinn!", sagte sie aufgebracht. Doch Thurayya grinste sie nur breit an und rückte ihr farngrünes Kopftuch zurecht.
"Ich hab dich vom Gemeinschaftsraum aus gesehen", sagte Thurayya nun endlich und nickte zu dem Flügel auf der rechten Seite. "Und weil ich dich nie gefunden hab um mit dir zu reden, dachte ich, ich erwische dich vielleicht hier unten."
"Und was willst du von mir?", wollte Laila wissen und verschränkte die Arme.
"Du hast gesagt, wir trainieren zusammen", antwortete Thurayya und ging langsam auf sie zu. "Hast du das vergessen?"
Laila wandte sich ab und lief auf das Tor zur Haupthalle zu.
"Nein, hab ich nicht!", erwiderte sie. Thurayya folgte ihr.
"Und wann fangen wir endlich damit an?", fragte Thurayya erwartungsvoll. Laila blieb auf halber Höhe zur Flügeltür der Halle stehen und sah sie prüfend aus dem Augenwinkel an.
"Heute Nacht auf dem Dach!", sagte sie knapp. Thurayya strahlte sie an und es sah beinahe so aus, als wollte sie einen Schritt auf sie zu gehen. Laila machte einen Schritt zurück und hob die Hand. "Aber wenn du mit solchen Kindereien wie vorhin anfängst, wirst du morgen nicht mehr sitzen können!"
Thurayya schluckte und nickte.
"Danke!", hauchte sie. "Bis später!"
Dann stieg sie eine Treppe in der Haupthalle hinauf, die zu einem Rundgang um die Kuppel führte. Laila sah ihr hinterher bis sie außer Sicht war, dann bog sie in einen Gang des Muhammadflügels ein.

Sie stieg die Treppen hinauf und bog in den Korridor im ersten Stock ein. Dann hörte sie Schritte hinter sich und ein Ruf ertönte.
"Hey Laila! Warte auf mich!"
Laila verdrehte die Augen und beschleunigte ihre Schritte, doch ihr Verfolger hatte sie binnen weniger Sekunden eingeholt.
"Guten Morgen, Saif!", sagte sie genervt.
"Du wünschst mir einen guten Morgen? Womit hab ich das denn verdient?", sagte Saif verwundert und versuchte mit ihr Schritt zu halten. Laila verengte die Augen zu Schlitzen und wandte langsam den Kopf zu ihm. Saif machte erschrocken einen Schritt zur Seite und lief einen großen Bogen, bis er wieder neben ihr war.
"Ooh, verstehe! Das war eher ein 'Soll-dich-die-Kobra-noch-vor-dem-Mittagessen-beissen-Guten-Morgen'!", sagte er leicht beleidigt.
"Ich bin erstaunt von deiner Auffassungsgabe", brummte Laila.
"Ach, komm schon! Womit hab ich es verdient, dass du so gemein zu mir bist?", sagte Saif und zog einen Schmollmund. Laila zog eine Augenbraue in die Höhe. "Ich tu dir doch nichts!"
"Ach, nein? Und dass du ungemein nervig und lästig bist, zählt wohl nicht?", knurrte Laila. "Du kannst froh sein, dass du noch nicht als Mistkärfer durch diese Schule krabbelst, Saif!"
Unbeirrt setzte sie ihren Weg durch den Korridor fort.
"Ich hab dir sogar was mitgebracht!", sagte Saif und hielt ihr ein rundes Küchlein unter die Nase, das verdächtig orange war und einen seltsamen Geruch verströmte. Laila ging langsamer und musterte das seltsame Ding.
"Was ist das denn?", fragte sie argwöhnisch.
"Kürbispastete!", antwortete Saif und biss selbst von einer ab. "Ist eine englische Spezialität!"
"Wo hast du die her?", wollte Laila misstrauisch wissen.
"Na, vom Frühstück! Seit Dekan Abujamal diese englischen Zauberer getroffen hat, ist er süchtig nach diesen Dingern! Die gibt es doch immer um diese Jahreszeit! Hast du die noch nie probiert?", sagte Saif. Laila schüttelte den Kopf.
"Und wie kommst du darauf, dass ich eins davon haben will?", sagte sie.
"Naja, du warst nicht beim Frühstück, da dachte ich, du bist vielleicht hungrig...", sagte Saif schulterzuckend. Laila schlängelte sich an ihm vorbei und ging einfach weiter. Saif seufzte und lief ihr wieder nach.
"Jetzt nimm schon!", sagte er und hielt ihr die Pastete auffordernd unter die Nase.
"Nein, danke!", murrte sie.
"Was? Denkst du, ich hab sie vergiftet?", gluckste Saif. Laila fuhr herum, zückte ihr Messer und hielt es Saif an die Kehle. Der erschrak so heftig, dass er die Kürbispastete fallen ließ, und wich langsam mit erhobenen Händen an die Wand zurück.
"Wenn du das versuchst, dann hoffe ich für dich, dass du ein starkes Gift nimmst! Wenn ich nämlich auch nur fünf Minuten überlebe, wirst du auch sterben!", zischte sie. Saif zitterte am ganzen Körper und sah sie voller Angst an. Er versuchte es mit einem Lächeln, das einer schrecklichen Grimasse viel ähnlicher war und sagte dann mit bebender Stimme: "Laila, das - das war doch nur - nur ein Scherz! Ich würde nie - ich würde dich nie - vergiften!"
Laila zoh die Augenbrauen in die Höhe und ließ das Messer sinken.
"Oh!", sagte sie schlicht, steckte das Messer ein und machte sich wieder auf den Weg.
"Oh?", wiederholte Saif entgeistert. "IST DAS ALLES? BIST DU DENN VERRÜCKT GEWORDEN? WOLLTEST DU MICH UMBRINGEN?"
Laila hatte den Anflug eines Lächelns auf den Lippen, als sie hörte, dass Saif ihr nachrannte.
"Mach dir nicht gleich in die Hosen!", schnaubte sie und hielt vor der Tür zum Krankenflügel an.
"IN DIE HOSEN?!", kreischte Saif. "DU HAST MICH MIT EINEM MESSER BEDROHT!"
"Schrei doch noch lauter, Saif!", sagte Laila unbeeindruckt, wobei sie sich beherrschen musste, nicht zu schmunzeln, und stieß die Tür zum Krankenflügel auf. "Damit gleich alle hören, was für ein Mädchen du bist!"

Zur Heilkunde-Ausbildung der Muhammads gehörte es auch, dass sie abwechselnd eine Woche lang Dienst im Krankenflügel der Madrasa al Fahim taten, um die Anwendung der Heilzauber, Tränke und Salben zu lernen und den Heiler der Schule, einen äußerst belesenen Mann namens Nasir Albaf, zu unterstützen, der bei den vielen Schülern eine Menge Arbeit hatte.
In dieser Woche waren Laila und Saif zusammen mit drei anderen Muhammads aus ihrem Jahrgang an der Reihe. Laila musste sich nun mit den Mädchen Amira und Amirah herumschlagen, die ständig versuchten sie herumzukommandieren und immer wieder aufs Neue scheiterten. Und Saif hatte Nagib am Hals. Einen Jungen, der zwar wahnsinnig intelligent war, aber sich dessen leider bewusst war und kaum aufhören konnte Saif in allem was er tat zu verbessern.
Der Morgen verlief recht unspektakulär. Laila behandelte eine Erstklässlerin mit verstimmten Magen, der sie einen Kräutertee zur Besserung gab. Eine Viertklässlerin hatte sich eine Dorne eingetreten, die sie herauzog und den Schnitt zuheilen ließ. Eine Zweitklässlerin der Muhammads hatte den falschen Trank genommen um durch die gesicherte Tür im Gemeinschaftsraum zu kommen und Professor Saqqafs Gift erwischt, wogegen sie das Gegengift von Laila bekam. Eine Fünftklässlerin der Mu'tamids hatte es auf seltsame Art und Weise geschafft ihre Haare in Blutegel zu verwandeln und musste rückverwandelt werden.
Und dann war da noch ein Marihat-Spieler der Farghanis der sich beim Training eine tiefe Wunde an der Schulter zugezogen hatte, die jetzt stark eiterte. Er saß auf dem Bett und ließ immer wieder leises Gejaule hören, während Laila hinter ihm stand und den Eiter vorsichtig mit einem Holzstäbchen aus der Wunde schabte. Allmählich war sie schon richtig genervt von seinem Gejammer. Immerhin war er Marihat-Spieler. Er sollte sich gefälligst nicht so anstellen!
"Gibt es noch was zu tun?", rief Saif durch den Krankenflügel. Von allen Seiten gab es nur Kopfschütteln. Saif zuckte unschlüssig mit den Schultern und kam dann zu Laila gelaufen, die sich gerade beherrschen musste, dem Marihat-Spieler den Holzspatel nicht in die Halsschlagader zu rammen, damit er endlich Ruhe gab. Saif ließ sich auf der Bettkante nieder und sah Laila dabei zu, wie sie die Wunde mit einem scharf riechenden, rauchenden Trank reinigte.
"Du bist ja ziemlich gesprächig heute!", sagte Saif irgendwann und grinste sie breit an.
"Bin ich nicht!", sagte Laila kühl und warf ihm einen bösen Blick zu.
"Klar bist du das!", meinte Saif, während er Laila dabei zusah, wie sie der Wunde einen Klaps mit dem Zauberstab verpasste und sie augenblicklich verheilte. "So viel wie heute hast du die ganze letzte Woche nicht mit mir geredet!"
"Du irrst dich!", sagte Laila kalt. Sie drückte dem Marihat-Spieler seinen Kaftan in die Hand und sagte: "Du bist fertig!"
Der Junge erhob sich vom Bett und sah von Saif zu Laila und wieder zurück.
"Oh, nein, ich irre mich nicht! Ich merk mir das, weiß du!", strahlte Saif und stand vom Bett auf. Laila fuhr herum und starrte ihm wütend ins Gesicht.
"Bilde dir ja nichts darauf ein!", fauchte sie mit drohend erhobenem Zauberstab. "Das ist nur, weil du mich nie in Ruhe lässt!"
"Tja, ich bilde mir aber was drauf ein!", kicherte Saif und hüpfte um die Ecke des Krankenbetts um etwas Abstand zwischen sie zu bekommen. "Sonst redest du ja auch mit keinem!"
Laila stampfte zornig mit dem Fuß auf den Boden und richtete ihren Zauberstab auf Saifs Brust. Wieso machte sie sein dämliches Gekicher eigentlich immer so rasend? Und warum konnte er sie nicht einfach mal in Ruhe lassen? Er verfolgte sie ja förmlich wie ihr eigener Schatten! Und was fand er daran, sie zur Weißglut zu bringen?
"Ich hätte dich doch umbringen sollen, Saif!", sagte sie aufgebracht. "Das ist wohl der einzige Weg um dich loszuwerden!"
Ein Räuspern unterbrach sie. Es war der Marihat-Spieler, der immer noch vor dem Bett stand und sie beobachtete. Sie drehten die Köpfe und fuhren ihn gleichzeitig an: "WAS?!"
"Ich wollte mich nur bedanken...", sagte der Junge verunsichert.
"Schön!", schnaubte Laila. "Nächstes Mal kommst du gleich, sonst verfaulst du von Innen. Und jetzt verschwinde endlich!"
Mit entsetztem Gesichtsausdruck machte der Junge ein paar Schritte nach hinten, zog sich hektisch seinen Kaftan über und verkrümelte sich dann schnellstens aus dem Krankenflügel. Laila nahm ihren Zauberstab runter und verstaute ihn wieder in der Tasche ihres Kleids. Dann holte sie ihre Heiler-Untensilien und ging an die Waschbecken um sie zu reinigen. Saif kam ihr nach und beobachtete sie dabei. Irgendwann sah sie gernervt auf und hob fragend eine Augenbraue.
"Gib es zu, es würde dir leid tun, wenn du mich umbringen würdest!", sagte Saif lächelnd.
"Bestimmt nicht!", sagte Laila und trocknete einen Salbentopf ab. Saif trat einen Schritt näher an sie heran und lehnte sich an das Waschbecken.
"Du würdest mich vermissen, wenn ich nicht mehr da wäre!", sagte Saif und zwinkerte ihr zu.
"Im Gegenteil, ich würde es genießen!", gab Laila zurück und fing an ihren Mörser zu spülen.
"Das ist gelogen!", grinste Saif. Laila erwiderte nichts darauf. Vielleicht würde er aufhören zu reden, wenn sie ihn einfach ignorierte?
"Soll ich dir helfen?", fragte Saif und stellte sich neben sie.
"Ich brauche deine Hilfe nicht!", brummte sie. Doch er überging das einfach und machte mit ihr zusammen alle Hilfsmittel sauber. Schließlich musste sie ihre Sachen nur noch aufräumen. Und weil sie nicht alles auf einmal tragen konnte, nahm er ihr die Hälfte der Sachen ab und trug sie ihr hinterher, in die Aufbewahrungskammer des Krankenflügels, wo sie es nicht mehr länger aushielt. Sie pfefferte die Schalen in eines der Regale, drehte sich um und sah ihn mit verschränkten Armen an.
"Hast du irgendeine Krankheit von der ich nichts weiß?", fragte sie.
"Wie bitte?", erwiderte Saif verwirrt.
"Vielleicht eine Geisteskrankheit?"
"Was?"
"Hat dich jemand auf mich angesetzt?"
"Nein!"
"Willst du mich ausspionieren?"
"Nein!"
"Oder sollst du mich beschützen?"
"Wie bitte?"
"Oder vielleicht umbringen?"
"Was?! Nein!"
"Hat dir jemand einen Liebestrank ins Essen geschüttet?"
"Nein!"
"Oder dir einen Bumerang-Fluch verpasst?"
"Nein!"
"Hat dich jemand mit einer unsichtbaren Schnur an mir festgebunden?"
"Nein?"
"Sind wir vielleicht mit einem elastischen Klebefluch verbunden?"
"Nein..."
"Oder gibt es eventuell einen unbrechbaren Magnetfluch, von dem ich nichts weiß, mit dem uns jemand belegt hat?"
"Nein, wieso?", fragte Saif unschuldig, während Laila immer grantiger und lauter wurde.
"Kannst du mir dann einen vielleicht erklären, wieso du mir hinterher rennst, als hätte mir Vater Fahim persönlich quatschende Drachenpocken an den Hintern gehext?!", rief Laila entrüstet. Saif sah sie einen Moment lang perplex an. Dann prustete er los.
"Du hast die Beherrschung verloren!", wieherte er. Laila hielt die Luft an und spürte, wie vor Wut ein Zittern durch ihren Körper lief.
"Hab ich nicht!", sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Saif konnte sich vor Lachen kaum noch aufracht halten. Er hielt sich mit einer Hand an einem der Regale fest und wischte sich mit der anderen die Tränen aus den Augen. Laila schaute zornig auf ihn herab und ihre Hand wanderte langsam zu ihrer Tasche mit dem Zauberstab, während sie sich schon überlegte, ob er sich besser als Maus, Glühwürmchen oder Mistkäfer machen würde.
"Weißt du eigentlich, wie niedlich das aussieht, wenn du diese Grübchen unter der Nase bekommst, sobald du dich aufregst?", lachte Saif. Laila hatte gerade den Zauberstab in ihrer Tasche gefunden, da rutschte er ihr unwillkürlich aus den Fingern. Verdutzt sah sie auf Saif hinab, der mittlerweile vor Lachen auf den Boden gerutscht war und sich den Bauch hielt.
"Irgendwann stirbst du doch noch, du Idiot!", fuhr sie ihn an und ließ ihn in der Kammer sitzen.

Der Vollmond leuchtete schon hell am Himmel, als Laila sich über die kleine Mauer zog, die das Flachdach der Schulgebäude begrenzte. Sie ging ein paar Schritte über die sandige Dachfläche und richtete den Blick in den Himmel, wo ihr Millionen und Abermillionen von Sternen entgegenblinkten. Thurayya war noch nirgends auf den Dächern zu sehen, aber das machte ihr nichts aus. Sie würde warten und den kühlen Wind genießen, der ihr dank der kurzen Baumwollhose und dem Top über die nackten Beine und Arme strich. Nach diesem Tag hatte sie die Ablenkung wirklich nötig. Saif brachte sie mit seinem dämlichen Gequatsche sicher noch irgendwann um den Verstand. Und es machte sie wahnsinnig, dass sie einfach nicht dazu in der Lage war ihm alles heimzuzahlen. Noch verrückter machte es sie, dass sie nicht wusste, wieso sie ihn nicht einfach so behandeln konnte wie alle anderen und ihm einfach einen Fluch auf den Hals jagen konnte oder ihn bei Gelegenheit niederschlug, so wie er es doch eigentlich verdiente. Energisch schüttelte sie den Kopf um die Gedanken loszuwerden. Darum sollte sie sich nicht mehr kümmern. Das war überhaupt nicht wichtig. Doch was war eigentlich noch wichtig? Wenn es selbst die Wüstenarmee nicht mehr war. Aber wenn sie es nicht wäre, wäre sie nicht auf dem Dach um mit Thurayya zu trainieren.
Erneut schüttelte sie den Kopf. Ihre Gedanken waren noch lästiger als Fliegen die um einen Haufen Drometheriamist schwirrten. Vielleicht konnte Thurayya sie ablenken.
Der Sand auf dem Dach knirschte leise. Laila schloss die Augen und lauschte. Das Knirschen kam näher. Sie lächelte in sich hinein. Ein Überraschungsangriff von hinten sollte es also werden. Wie vorhersehbar. Die Schritte kamen näher. Zögerlich, um sie nicht zu erschrecken. Dann als sie nah genug waren, wurden sie schneller. Als Laila spürte, wie der Boden leicht vibrierte und als kleine Sandkörnchen auf ihre Füße fielen, machte sie einen Schritt nach vorn und drehte sich zur Seite. Mit einem dumpfen Aufprall landete Thurayya der Länge nach auf dem Dach. Leise stöhnend drehte sie sich auf den Rücken und sah an Laila auf. Laila ging auf sie zu und stellte ihr den Fuß auf die Brust.
"Du bist meine Gefangene!", sagte sie kühl. Sie musterte die Kleinere. In ihrer langen weißen Hose und dem Shirt sah sie noch viel zierlicher aus als in den weiten Kleidern. Das Farghani-Kopftuch trug sie trotzdem.
"Auh... wie hast du das gemacht?", jammerte Thurayya. "Hast du mich gesehen?"
"Mit den Augen in meinem Hinterkopf?", sagte Laila und hob eine Augenbraue.
"Wie hast du mich dann bemerkt?", schmollte Thurayya. Sie wollte sich aufsetzen, doch Laila drückte sie mit dem Fuß wieder auf den Boden.
"Eine Herde galoppierender Re'em würde sich leiser anschleichen als du!", sagte Laila selbstgefällig.
"Ich war die beste Unteroffizierin von Amirmoez im Anschleichen!", sagte Thurayya beleidigt.
"Dann ist Offizier Amirmoez offensichtlich taub!", entgegnete Laila herablassend und erntete dafür einen bösen Blick von Thurayya.
"Und du bist eine schlechte Unteroffizierin!", stichelte Laila weiter.
"Wieso?", rief Thurayya entrüstet.
"Warum gibst du schon auf? Siehst du hier irgendwelche Männer, die die Zauberstäbe auf dich richten?", sagte Laila und zeigte ihr die bloßen Hände.
Sie konnte sehen, wie in ihren Augen der Kampfgeist aufblitzte. Thurayya packte ihren Fuß und wollte sie aus dem Gleichgewicht bringen, doch Laila hatte es schon vorausgeahnt. Sie zog den Fuß hoch und Thurayya nutzte den Schwung um wieder auf die Beine zu kommen. Doch kaum war sie oben, bekam sie von Laila auch schon einen Schlag gegen die Schulter, der sie ihr den Rücken zudrehen ließ. Laila packte ihr Kopftuch, zog es über ihr Gesicht und hielt es hinter ihrem Kopf fest zusammen. Thurayya schnappte sofort geräuschvoll nach Luft und fing an zu zappeln. Laila legte ihr den freien Arm von hinten um den Hals und hielt sie fest. Dann lockerte sie das Kopftuch etwas, damit sie wieder Luft bekam.
"Und tot...", sagte sie leise in Thurayyas Ohr. Dann schubste sie sie von sich weg, dass sie einige Schritte vorwärts stolperte und blickte sie mit verschränkten Armen an. Thurayya riss sich das Tuch vom Kopf und keuchte.
"Nimm das Ding ab, bevor es dich umbringt!", sagte Laila kühl. "Dann können wir richtig anfangen."
Sie wandte sich langsam ab und lief das Dach hinunter, während Thurayya das Kopftuch nahm um sich die Haare zusammenzubinden. Dann hörte sie wieder das Knirschen im Sand und musste schmunzeln. Thurayyas Anschleichtaktik war wirklich grauenvoll. Man hörte sie ja schon, wenn sie noch fünf Meter entfernt war. Offizier Nagi hätte dafür einen Stein nach ihr geworfen. Laila erinnerte sich daran, wie schlecht sie sich am Anfang angeschlichen hatte. Die Beule hatte sie eine ganze Woche lang gehabt. Vielleicht sollte sie Thurayya auch eine Lektion erteilen.
Als das Knirschen nah genug war, machte sie wieder einen Schritt zur Seite. Doch diesmal schwang sie ihr Bein in der Drehung mit nach oben und Thurayya lief direkt hinein. Laila traf sie auf die Brust und sie ging geräuschvoll nach Luft schnappend zu Boden. Als sie hart auf dem Boden aufkam, presste es ihr erneut die Luft aus den Lungen, und sie blieb japsend im Sand liegen.
"Du bist viel zu laut!", sagte Laila kopfschüttelnd. Doch Thurayya konnte nicht antworten. Sie bekam noch immer keine Luft. Laila ging neben ihr in die Hocke, zog sie an den Armen hoch und fing an auf ihren Rücken zu klopfen, bis sie wieder normal atmete. Thurayya sah mit tränenden Augen auf, sagte aber nichts. Schon nach einer Minute rappelte sie sich wieder auf und sah Laila auffordernd an.
"Machen wir weiter, oder was?", keuchte sie. Laila nickte und winkte sie zu sich her. Sie war verbissen, das gefiel ihr. Also sollte sie auch eine Chance bekommen. Schließlich war sie nicht ihr Prügelsack. Sie wollte etwas von ihr lernen und im Gegenzug hatte sie jemanden, der mit ihr trainierte. Also begannen sie zu kämpfen, während der Vollmond über sie hinwegzog und ihnen genügend Licht schenkte.
...Thurayya holte zum Schlag aus. Laila drehte sich zur Seite weg, packte ihren Arm und ihren Hosenbund und schleuderte sie über ihren Rücken hinweg in den Sand. Thurayya blieb keuchend liegen und Laila stellte den Fuß auf ihren Kopf.
"Gefangen...", sagte sie gelangweilt.
...Laila trat ihr in die Seite, drehte sich um sie herum, trat ihr in die Kniekehle, dass sie einknickte und verpasste ihr einen weiteren Tritt in den Rücken. Thurayya kippte vornüber und landete mit dem Gesicht im Sand.
"Gefangen...", sagte Laila gelangweilt und stellte den Fuß auf ihren Rücken.
...Laila duckte sich vor zwei von Thurayyas Schlägen weg, wich ihrem Tritt aus und wischte ihr mit einem gekonnten Kick das Standbein weg. Thurayya fiel aufs Dach und wollte sich wieder aufrappeln, doch Laila trat ihr aufs Handgelenk und gähnte: "Gefangen..."
...Thurayya trat ihr gegen den Kopf. Laila taumelte zur Seite und konnte ihrem nachfolgenden Schlag nur ausweichen indem sie sich auf den Boden fallen ließ. Thurayya stürzte sich auf sie, doch Laila schwang die Beine hoch und stieß sie ihr in den Bauch. Der Schwung ließ sie über sie hinwegfliegen und sie fiel hart auf das Dach. Laila war sofort wieder auf den Beinen, ging gemütlich zu ihr hinüber und sagte, bestimmt zum vierzigsten Mal, verdrossen: "Gefangen..."
Sie betrachtete Thurayya, die schwer atmend und bibbernd auf dem Boden lag. Ihre Hose und ihr Shirt waren an einigen Stellen zerrissen und aufgescheuert vom vielen Fallen. Sie hatte auch einige Schrammen und kleine Schnitte abbekommen, die die weiße Baumwolle schon rot färbten. Sie hatte eindeutig genug abbekommen. Das Zittern war ein Zeichen, dass sie überanstrengt war. Das konnte sie jetzt nicht mehr verbergen.
"Genug für heute Nacht!", sagte Laila.
"Nein, wir machen noch weiter!", hustete Thurayya.
"Nein, es reicht jetzt. Wir gehen zu Bett!", entgegnete Laila kopfschüttelnd.
"Ist es denn so langweilig mit mir?", stieß Thurayya hervor und lächelte traurig.
"Es ist nicht langweilig", sagte Laila und reichte ihr die Hand. Thurayya schlug ein und ließ sich von ihr hochziehen. Sie stöhnte schmerzvoll auf. Vielleicht hatte sie sie ein wenig zu hart rangenommen, dachte Laila. Doch dann stolperte Thurayya gebeugt ein paar Schritte nach vorn und sie sah den langen Schnitt auf ihrem Rücken. Sofort ging ihr Blick zu Boden und fiel auf den großen scharfen Stein, auf dem sie gelandet war und der sie aufgeschlitzt hatte.
"Du bist verletzt!", sagte Laila und bewahrte sie davor hinzufallen. Thurayya richtete sich schwankend auf und meinte: "Das ist nichts! Nur ein paar Kratzer!"
Laila legte ihr den Arm stützend um und entgegnete: "Nein, eben nicht. Das muss behandelt werden, sonst entzündet es sich!"
"Und was soll ich im Hospitalflügel sagen? Heiler Albaf wird mir zu dieser Stunde keine einzige Ausrede abkaufen, wenn ich ihn aus dem Bett hole!", sagte Thurayya matt und ließ sich von Laila zum Ende des Flügels führen, wo es weniger sandig war. Sie humpelte etwas. Laila hatte also richtig gesehen. Beim vorletzten Sturz hatte sich Thurayya den Knöchel gestaucht.
Sie ließ sie vorsichtig auf dem Boden ab und meinte: "Dazu musst du nicht in den Krankenflügel. Ich bin eine Bint Muhammad, schon vergessen? Hin und wieder arbeite ich auch dort!"
Thurayya sah bewundernd an ihr auf und fragte schüchtern: "Kannst du das denn?"
"Natürlich kann ich das!", schnaubte sie und stieg auf die Dachumgrenzung. "Warte hier, ich bin gleich zurück!"
Mit diesen Worten ließ sie sich an einer Säule hinabrutschen, bis zu dem schmalen Sims vor ihrem Schlafsaal. Dann stieg sie hinein, schlich sich durch den Schlafsaal der Mädchen und hinein in den Gemeinschaftsraum, wo sie sich am Heilkundeschrank an Watte und Verbänden bediente und am Schrank für magische Zutaten ein Fläschchen Diptam und einige Kräuter herausholte. Die steckte sie sich in die Taschen und schlich sich zurück in den Schlafsaal zu ihrem Fenster.

"Gib mir dein Bein!", sagte Laila, als sie wieder zurück auf dem Dach des Muhammad-Flügels saß und sich vor Thurayya niedergelassen hatte. Die kleine Braunhaarige saß mit schmerzverzerrter Miene und vor Anstrengung geröteten Wangen vor ihr wandte schnell wieder das Gesicht ab, damit sie ihren schamvollen Blick nicht sah.
"Solltest du nicht erst meinen Rücken-?", deutete Thurayya vorsichtig an.
"Nein, lass erstmal den Dreck rausbluten", meinte Laila nur knapp und nahm dann den Fuß in die Hände, den Thurayya ihr entgegen streckte. Sie fing an ihn vorsichtig in alle Richtungen zu bewegen, um herauszufinden wo es schmerzte.
"Danke...", nurschelte Thurayya verlegen.
"Wofür?", brummte Laila und legte ihren Fuß auf ihrem Schenkel ab, um die Kräuter auszupacken.
"Dass du mich versorgst...", murmelte Thurayya.
"Die Wüstenarmee kümmert sich um ihre Kämpfer", sagte Laila schlicht und legte die Kräuter um den schon sehr geschwollenen Knöchel.
"Ja, das tut sie!", sagte Thurayya verträumt lächelnd und zog sich das Tuch aus den Haaren. Laila hob verwundert eine Augenbraue, während sie die Kräuter um den Fuß wickelte. Sie hatte gehofft zu hören, dass Thurayya sich genauso allein gelassen fühlte wie sie.
"Bei dir hört sich das sehr überzeugt an...", brummte Laila.
"Bei dir denn nicht?", erwiderte Thurayya und sah sie prüfend an. Laila antwortete nicht und machte sich daran die Watte um den Knöchel zu legen.
"Offizier Nagi hat mich aus dem Waisenhaus entführt und mich vor die Wahl gestellt, Kerker oder Wüstenarmee", sagte Laila. "Ich dachte, die Wüstenarmee wäre besser, als das Waisenhaus."
"Ist sie das nicht?", wollte Thurayya wissen. Laila zuckte unschlüssig mit den Schultern.
"Ich finde, sie ist das Beste, das mir je passiert ist!", sagte Thurayya überzeugt und lächelte breit.
"Wo haben sie dich denn her?", fragte Laila, während sie den Verband um Thurayyas Knöchel wickelte.
"Aus Sintimay", antwortete Thurayya. "Von meinem Vater..."
"Von deinem Vater?", rutschte es Laila heraus, bevor sie ihre Überraschung zurückhalten konnte.
"Ja, er hat mich an Offizier Amirmoez verkauft", nickte Thurayya. Laila hielt beim Verknoten des Verbandes inne und verdutzt zu Thurayya auf. Die hatte allerdings den Kopf zur Seite gedreht, das Gesicht halb von den Haaren verdeckt, und malte mit einem Finger kleine Schnörkel in den Sand.
"Das heißt, du bist bei der Wüstenarmee, weil dein Vater dich an einen ihrer Offiziere verkauft hat?", fragte Laila scharf.
"Nein, so war das nicht...", antwortete Thurayya kopfschüttelnd. "Offizier Amirmoez hat mich sozusagen gerettet..."
"Gerettet?", wiederholte Laila und ihre Augenbrauen flogen in die Höhe. "Wovor denn?"
"Vor meinem Vater...", sagte Thurayya, doch ihre sonst so klangvolle Stimme war nur noch ein Flüstern. Sie nahm den Fuß mit dem fertigen Verband von Lailas Schoß und drehte sich von ihr weg. Dann umschlang sie ihre Knie und stützte das Kinn darauf. Laila musterte sie eine Weile im Mondlicht. Sie konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch sie war sich sicher, dass sie, was immer sich darin spiegeln sollte, nicht sehen sollte.
"Lass mich deinen Rücken behandeln!", sagte sie schließlich und rutschte wieder zu ihr auf. Thurayya gab einen undefinierbaren Laut von sich, strich sich aber die langen Haare aus dem Nacken, damit sie sich den Schnitt ansehen konnte. Ihr dünnes weißes Oberteil hatte sich inzwischen um den Schnitt herum mit Blut vollgesogen. Laila zog sachte den Stoff zu Seite um ihn Sich genauer anzusehen. Glücklicherweise war die Wunde nicht sehr tief und die Blutgerinnung hatte schon begonnen einzusetzen.
"Zieh dein Hemd aus", sagte Laila und entkorkte das Fläschchen Diptam. Thurayya rutschte plötzlich von ihr weg, drehte sich um und schüttelte mit entsetzem Blick den Kopf. Laila zog die Brauen zusammen.
"Ich kann dich so nicht behandeln! Zieh es aus!", sagte sie streng. Doch das hatte nur den Effekt, dass die Kleine ihr Hemdchen fest umklammerte, sich zusammenkauerte und beinahe furchtsam hinter ihren Knien zu Laila schaute.
"Ich kann nicht!", hauchte Thurayya und schüttelte erneut den Kopf. Laila musste sich beherrschen um nicht laut aufzustöhnen und sich an die Stirn zu fassen. Wie konnte man sich nur so anstellen?
Laila stand auf, ging um sie herum und setzte sie wieder hinter sie. Dann nahm sie das Hemd an den Seiten des Risses, packte es kräftig und riss es mit einem Ruck auseinander. Mit einem lauten Ratschen teilte sich das Hemd über Thurayyas Schultern, wobei sie erschreckt aufquiekte. Und dann sah Laila, warum sie sich nicht hatte ausziehen wollen. Ihr ganzer Rücken war bedeckt von Narben. Narben von unterschiedlichster Länge, Dicke und Breite. Überall auf der dunklen Haut leuchteten sie wie kleine Sterne in der Nacht.
"Sie sind hässlich, oder?", schniefte Thurayya und umklammerte ihre Beine fest.
"Nein, eigentlich nicht", entgegnete Laila, während sie vorsichtig ein paar Tropfen Diptam auf die Schnittränder tropfen ließ, damit sie langsam verheilten. Thurayya hickste und drehte den Kopf.
"Nicht?", sagte sie leise. Laila schüttelte den Kopf und behandelte die Wunde weiter.
"Hast du so hart mit den Offizieren trainiert?", wollte Laila wissen.
"Die sind nicht von den Offizieren", antwortete Thurayya. "Das hat mein Vater getan."
Laila stellte die Diptam-Flasche auf dem Dach ab. Thurayya drehte sich mit traurigem Blick zu ihr um und zog sich die Fetzen des Hemds über die Schultern. Sie sah irgenwie verloren aus, so wie sie dort saß. Laila bekam ein Ziehen im Magen, als sie sie ansah, auch wenn sie nicht wusste, was es zu bedeuten hatte.
"Wir haben in einem kleinen Häuschen in Sintimay gewohnt", begann Thurayya zu erzählen. "Mein Vater... war ständig betrunken. Er hatte keine Arbeit und kein Geld. Oft gab es fast nichts zu essen. Er ließ mich putzen und aufräumen und kochen und die Wäsche waschen. Er war eigentlich kaum zuhause. Betrank sich lieber woanders und wenn er dann nach Hause kam, war er meistens schon zu voll um mich überhaupt zu bemerken. Doch wenn ihm etwas nicht passte, war es auch nur eine nicht gestopfte Socke oder ein Glas Wein, das er selbst verschüttet hatte, dann schlug er mich... mit allem, das in seiner Reichweite war. Erst wenn er dann so betrunken war, dass er einschlief, konnte ich das Haus verlassen. Ich bin oft die ganze Nacht durch die Straßen von Sintimay gelaufen. Hab mir was zu Essen oder etwas Geld gestohlen und mir auf den Dächern den Sternenhimmel angesehen..."
Thurayya krabbelte neben sie und zog die Beine wieder an. Vielleicht hatte sie der Blick gestört, mit dem Laila sie ansah. Denn der war so verständnislos und stechend, dass er sie beinahe durchbohrt hätte.
"Am schlimmsten war es in den Sommerferien, wenn ich von der Schule nach Hause gekommen bin", fuhr Thurayya fort. "Die ganze Wohnung war heruntergekommen, sogar mein Zimmer, und ich bekam Prügel, noch bevor ich richtig zur Tür reinkam. Dann musste ich wieder putzen. Es wurde immer schlimmer und schlimmer..."
Thurayya ließ sich zur Seite kippen und legte den Kopf auf ihre Schulter. Laila wollte wegrutschen, doch dieses Mal wollten ihre Beine ihr nicht gehorchen. Sie blieb sitzen und ließ es zu, dass die Kleine an ihrer Seite lehnte.
"In den Sommerferien vor einem Jahr hab ich dann Offizier Amirmoez kennengelernt. Ich hab seinen Geldbeutel geklaut und seine Unteroffiziere haben mich verfolgt. Ich hab mich gewehrt, als sie mich eingefangen hatten. Amirmoez hat mich nicht geschlagen. Er gab mir zu Essen und zu Trinken. Und unterhielt sich mit mir. Ich glaube, er wusste sofort, wie es mir zuhause ging. Dann fragte er mich, ob ich zur Wüstenarmee wollte. Auch wenn ich nie davon gehört hatte, willigte ich ein. Ich wollte einfach nur weg von zuhause. Und alles war besser in der Nähe meines Vaters zu sein... Offizier Amirmoez folgte mir nach Hause und warf meinem Vater seinen Geldbeutel auf den Tisch. Er sagte, er könnte ihn behalten, wenn er mich mitnehmen dürfte. Mein Vater nahm das Geld und willigte ein, ohne auch nur nachzudenken. Meine Sachen waren in weniger als zehn Minuten gepackt und ich verließ Sintimay mit der Wüstenarmee..."


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