von käfer
Vorab: @ belana: Vielen Dank für Deinen lieben Kommi! Oh ja, Tobias Snape ist ein fauler Sack und ein absoluter Widerling. Severus kann das nur ohne größeren seelischen Schaden überleben, weil er Lily hat...
Das heutige Kapitel könnte unter dem Motto stehen: schlimmer geht immer.
Einer kurzen Hitzeperiode folgte ein kühler, feuchter Sommer, der von einem kalten Nebelherbst abgelöst wurde, welcher Mitte Dezember in Matschwinter überging.
Den Bauern verfaulte das Korn auf dem Halm, was die Brotpreise in die Höhe trieb. Das wenige, was im Garten wuchs, fiel Schnecken und Würmern zum Opfer.
Der Vater hatte noch immer keine Arbeit und wenn die Mutter sagte, er kümmere sich auch gar nicht darum, glaubte ihr Severus.
Damit er nicht wie andere Männer aus Spinners End einmal in der Woche in die Stadt zum Stempeln musste, hatte der Vater ein Gewerbe angemeldet. Dadurch bekam er aber keine Stütze und weil er nicht in seinem Gewerbe arbeitete, war das Geld, das die Mutter mit Bügeln verdiente, das einzige Einkommen. Tagelang und immer wieder stritten sich die Eltern deswegen.
Mehr als nur einmal bekam Severus mit, dass der Vater verlangte, die Mutter möge doch ihr Dingsda – er bekam das Wort „Zauberstab“ nicht über die Lippen, sagte immer Dingsda – benutzen, um Fleisch herbeizuschaffen, und nur Minuten später verbot er ihr, das Bügeleisen mit Magie in Bewegung zu halten, um gleichzeitig mit den Händen etwas anderes zu erledigen.
Im Herbst jagte eine Grippewelle die nächste. Der Vater hustete und schnupfte ein bisschen, legte sich aufs Sofa, ließ sich pflegen und verlangte nach dem Arzt.
„Die Notfallkasse bleibt zu!“, bestimmte die Mutter, packte sich Evy im Tragetuch auf den Rücken und verließ das Haus.
Als sie Stunden später durchnässt zurückkehrte, hatte sie einen Korb mit Kräutern und geheimnisvollen Tränkezutaten dabei. Zwischen feuchten Blättern entdeckte Severus sogar einen gefesselten Feuersalamander. Nur zu gern hätte er der Mutter zugesehen, was sie mit all dem Zeug machte, aber er sollte auf Evy aufpassen. Die Dämpfe, die beim Tränkebrauen aufstiegen, waren nicht gut für ein Baby.
Ins einigermaßen warme Wohnzimmer wollte Severus nicht gehen, dort war der Vater und grummelte schlecht gelaunt vor sich hin. So stieg er mit seiner Schwester hinauf in sein Zimmer, steckte Evy in sein Bett, holte aus dem Versteck das zerfledderte Buch, das er zusammen mit anderen Schätzen von einem Sperrmüllhaufen in der Stadtrandsiedlung geborgen hatte, kroch ins Bett und las halblaut „Ali Baba und die 40 Räuber“.
Schon nach einer halben Seite war Evy eingeschlafen und wenig später wurde auch Severus´ Kopf schwer.
„Sesam, öffne dich!“
Severus glitt hinüber ins Morgenland. Die schwere dunkle Holztür öffnete sich gerade weit genug, dass er hindurchgehen konnte. Auf der anderen Seite führte ein heller, weiter Gang tief in den Berg hinein. Von den Wänden sahen glänzende schwarz-goldene Salamander mit glühenden Augen auf den Ankömmling.
Severus fürchtete sich nicht. Es waren seine Salamander. Er war hier zu Hause, war der Herr des Unterirdischen Reiches, trug Anzug und Umhang. Ewig lang schritt er durch den Gang, es fühlte sich an, als liefe er unter Wasser. Fast schon glaubte er, den Durchgang nie zu erreichen, da glitt vor ihm der purpurne Vorhang beiseite.
In der Halle war der Tisch aufgestellt. An jeder Seite standen zehn Menschen und warteten darauf, sich setzen zu dürfen. Warteten auf ihn, auf den Herrn des Unterirdischen Reiches. Er musste jeden einzelnen erkennen, nur dann gab es Essen, Licht und Wärme.
„Königin Elisabeth“, erkannte Severus, daneben „Prinzgemahl Philip“. Der amerikanische Präsident. Die Tochter des letzten russischen Zaren. Der Schuldirektor. Und so weiter. Severus hatte keine Mühe, alle zu benennen. Nur die junge Frau zu seiner linken bereitete ihm Sorgen. Er kannte ihr Gesicht, wusste, er hatte sie schon gesehen, aber ihm fiel nicht ein, wer sie war.
Schon begann die Gestalt, zu verblassen.
„Murmeltier“, drang eine Stimme von irgendwoher.
Plötzlich fiel es ihm doch ein. „Evy!“ Aber es war zu spät, seine Schwester hatte sich aufgelöst.
Die Speisen erschienen auf den Tellern. Severus griff nach dem Hühnerbein, doch er hatte nichts in der Hand. Erbsen und Reiskörner lösten sich ebenfalls auf. Die Gäste verschwanden, es wurde dunkel und kalt. Ein Gürtel schloss sich eng um Severus´ Bauch.
Als der Druck zu stark wurde, wachte er auf.
Evy lag nicht mehr neben ihm. Es war dunkel drinnen und draußen, im Haus alles still. Severus stand auf, schlich aus seinem Zimmer und lauschte. Der Vater schnarchte. Die Eltern hatten ohne ihn gegessen! Das, was im Traum der Gürtel gewesen war, war in der Wirklichkeit Riesenhunger.
Severus brauchte kein Licht, er sah auch so genug. Ohne ein Geräusch zu machen, stieg er die Treppen hinunter und öffnete die Tür zur Speisekammer. Hier konnte und musste er Licht machen; er wollte sich nicht durch Krümel und verstellte Dinge verraten.
Die Snapesche Speisekammer war nie gut gefüllt, aber was Severus jetzt im trüben Licht der funzeligen Glühbirne sah, ängstigte ihn. Außer ein paar Zwiebeln, einem Ei, drei Scheiben Schwarzbrot und der Dose mit Babynahrung, die die Mutter jede Woche im Jugendamt abholte, war nichts da. Gar nichts. Dabei hatte Severus solchen Hunger!
Vor Angst bebend stieg er hinunter in den Keller – und atmete auf. Da waren die Stiegen mit Äpfeln, Kohlköpfen und Rüben, die Kiste mit den Möhren und die Kartoffeln, die Severus von den Feldern des Bauern Burner gesammelt hatte. Winzige Dinger waren es, so klein, dass sie der Bauer nicht haben wollte, aber es waren Kartoffeln. Unzählige Male war Severus hinausgegangen, hatte stundenlang mit bloßen Händen in der Erde gewühlt. Das war alles, was der Bauer erlaubte, eine Schaufel durften die Kinder nicht benutzen.
Severus nahm sich zwei Äpfel, legte die anderen so, dass das Fehlen nicht auffiel und ging in sein Zimmer. Er kaute noch, als er Evy schreien hörte. Es dauerte nicht lange, da ertönte die Stimme des Vaters: „Wenn du das Balg nicht bald zur Ruhe bringst, ziehe ich zurück zu meiner Mutter.“
Die Schlafzimmertür schien offen zu sein, Severus hörte jedes Wort, als wären die Eltern in seinem Zimmer. „Bitte, dann geh“, sagte die Mutter. „Dann habe ich ein gefräßiges Maul weniger zu stopfen.“
Es rumorte und rumpelte, dann knallte die Tür und Severus sah vom Fenster aus, wie der Vater mit einem kleinen Koffer in der Hand in Richtung Haltestelle ging.
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