von käfer
Severus saß unter dem Tisch und spielte Drachenbändiger. Der Vater lag auf dem Sofa und las einen Brief, die Mutter stopfte Socken.
„Am Sonntag kommen meine Eltern und mein Bruder mit seiner Familie“, verkündete der Vater, nachdem er den Brief wieder zusammengefaltet hatte.
„Hmpf“, machte die Mutter.
„Ich erwarte, dass alles sauber ist und was Ordentliches auf den Tisch kommt“, sagte der Vater im gleichen Ton, in dem er immer zu Severus sagte: „Ich verbiete dir, im Wohnzimmer zu spielen.“
Die Mutter schnitt den Faden ab und hob den Kopf. „Du meinst also, ich putze nicht genug?“
„Zumindest sehe ich dich nie beim Putzen.“
„Natürlich nicht“, erwiderte die Mutter so, wie die Gemüsefrau sagte: „Finger weg!“, wenn Severus die Äpfel anschaute. „Natürlich nicht. Oder meinst du, ich fege das Wohnzimmer, wenn du auf dem Sofa liegst? Da möchte ich dich mal hören! Das erledige ich selbstverständlich vormittags. – Und was meinst du mit ´was Ordentliches auf den Tisch bringen´? Deiner Mutter schmeckt´s doch aus Prinzip nicht, egal was ich koche.“
„Na, du servierst schon komisches Zeugs!“
„Ach, und wer leckt immer den Teller ab?! – Severus, du bist ja auch noch hier! Für dich ist es allerhöchste Zeit! Ab ins Bett!“
Als Gute-Nacht-Geschichte erzählte die Mummy von einem Jungen, der keine Freunde hatte und von allen verspottet wurde, weil er ein steifes Bein hatte, hinkte und nicht rennen und klettern konnte wie die anderen, sondern lieber am Fluss saß und las. Doch als eines Tages ein kleines Mädchen ins Wasser fiel, konnten die anderen, die sonst so sehr die große Klappe hatten, nicht helfen. Der hinkende Junge hingegen stieg in den Fluss, schwamm hin und zog das Mädchen heraus. Von da an hatten alle ziemlichen Respekt vor ihm.
„Ich weiß, du würdest auch in den Fluss springen“, flüsterte die Mutter am Ende, zupfte die Decke zurecht, strich Severus übers Haar und gab ihm das Gute-Nacht-Küsschen.
Von unten rief der Vater: „Warum dauert das so lange? Wir haben zu reden!“ und seine Stimme klang wie die vom Bauern Burner, wenn er vor Wut brüllte, weil die Jungen ein paar Falläpfel aufgesammelt hatten. Severus zog sich die Decke ganz über den Kopf und steckte die Finger in die Ohren.
Die Mutter stellte den Einkaufskorb zurecht und kramte in ihrer Geldbörse. Severus hörte, wie sie murmelte: „Die ganze Meute mit Braten füttern! Und wovon bezahle ich nächste Woche das Brot?“
Severus ging nicht gern mit der Mutter einkaufen, weil die Ladenbesitzer sie immer so komisch anguckten. Am schlimmsten war die Gemüsefrau und genau dorthin gingen sie zuerst. Es waren keine Kunden im Laden und die Gemüsefrau saß da und strickte. Als Severus und seine Mutter eintraten, sah sie kurz hoch und machte weiter. Die Mutter sagte nichts. Severus fest an der Hand, sah sie sich im Laden um, ein altbewährtes Mittel, die Verkäuferin in Bewegung zu bringen. Sie warf ihre Nadeln beiseite, sprang auf und rief: „Und du Nichtsnutz nimmst deine schmutzigen Hände auf den Rücken und lässt sie da!“
„Ich habe die Hände gewaschen!“, protestierte Severus und streckte seine sauberen Finger vor.
„Egal! Wenn du was anfasst, muss deine Mutter alles bezahlen.“
Diese Drohung nahm Severus ernst. Die Mutter von Patrick hatte mal eine ganze Kiste halb verfaulte Pflaumen kaufen müssen, nur weil Patrick eine einzige angetippt hatte. Severus stellte sich mitten in den Laden, verschränkte die Hände auf den Rücken und wartete gelangweilt, bis die Mutter endlich fertig war und Mohrrüben und einen Kohlkopf einpackte. Igitt, Kohl! Severus mochte keinen Kohl, es stank immer im ganzen Haus, wenn die Mutter Kohl kochte und nach dem Essen rumorte es im Bauch und man musste ganz viel stinkende Pupse lassen.
Als nächstes gingen sie zum Bäcker. Die Bäckersfrau konnte Severus gut leiden, sie gab ihm manchmal ein Stück Kuchenrand, auch wenn die Mutter nie Kuchen kaufte.
Severus musste das Brot tragen, sie überquerten die Straße und stellten sich beim Metzger an. Die Metzgerei mochte Severus beinahe noch weniger als den Gemüseladen, denn der Metzger brüllte immer so laut und im Laden stank es. Severus wurde es schon beinahe ein bisschen übel und er war heilfroh, als die Mutter nach Ewigkeiten ein Stück eingewickeltes Fleisch in den Korb legte und ihn nach draußen führte. Severus wandte sich nach links und wollte heim, aber die Mutter zog ihn nach rechts in den Krämerladen und kaufte Waschpulver und Seife.
„Kein Wunder, dass ihr immer schmuddelig ausseht, wenn ihr nur das billige Zeug kauft“, sagte der Krämer mit seiner gemeinsten Stimme.
„Und ich frage mich, ob Ihre Frau überhaupt wäscht, wenn auf ihrem Hemd noch die gleichen Flecken sind wie letzte Woche“, entgegnete die Mutter nach dem Bezahlen.
Severus wunderte sich, was seiner Mutter alles auffiel.
PS: Über den einen oder anderen Kommi würde ich mich sehr freuen!
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