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Fanfiction

Winterstille - Ungewiss

von Sternengreifer

Winterstille






“Lily - jetzt bleib endlich stehen, verdammt!”, Sirius’ Stimme klingt verzweifelt und hoch, wie eine aufgebrachte, wütende Biene.

Aber ich weiß, dass man Bienen am Besten ignoriert, wenn man nicht gestochen werden will und deswegen laufe ich unbeirrt weiter.

Der frische Schnee unter meinen Füßen knirscht leise und jeder meiner Schritte hallt laut in meinen Ohren wieder.
Alles ist schwammig, trüb und viel zu komplex, als das ich es hätte erfassen können.

Es ist später Abend und die Nacht wäre schneehell und leuchtend gewesen, würden wir uns nicht in London befinden, zusammen mit all den grellen Straßenlaternen und künstlichen Lichtern; hier kann es nie wirklich Nacht sein.

Sirius verfällt nun in einen Laufschritt, um mich aufzuholen und auch ich erhöhe mein Tempo. Es ist vielleicht ein bisschen kindisch, aber für heute Abend kann ich keinen von James' Freunden mehr sehen.
Es reicht.

“Gott, Lily, wo willst du eigentlich hin?!”

Ich bleibe abrupt stehen. Nur am Rande nehme ich war, dass Sirius, viel zu überrascht von meiner Reaktion, ein paar Schritte an mir vorbei schlittert.

Alles dreht sich plötzlich.
Die Schneeflocken, die durch das matte Laternenlicht tanzen und die großen, dicht aneinander gedrängten Backsteinhäuser, die die schmale Straße säumen, werden zu bunten Schlieren


Ich weiß nicht, wohin ich will.

Wirklich nicht.

Ich bin neunzehn, da ist es vielleicht noch normal, nicht so recht zu wissen, wie das Ding mit dem Leben nun richtig läuft.

Vielleicht ist es auch normal, dass sich ebendieses Leben manchmal alt und grau und abgenutzt anfühlt.

Und vielleicht ist es deswegen auch absolut in Ordnung, dass ich nicht weiß, wohin ich will.

Es schneit. Und meine Gedanken sind ein staubiges, altes Fenster.

Verklärt starre ich in den grauschwarzen Himmel und atme keuchend Schneeflocken und eisige Kälte ein.

Sirius packt mich am Arm und schüttelt mich sanft.

“Verdammt, Lily! Bitte sag mir, was los ist!”, flehend schaut er mich an. Er ist wütend, das merke ich, auch, wenn er es zu unterdrücken versucht.

“Was hast du mit -”, er räuspert sich. “Was ist mit Krone los? Und wieso bist du weggelaufen?”, auch, wenn er den Vorwurf nicht ausgesprochen hat, spüre ich, wie er zwischen uns schwebt und uns auseinander sprengt.

Heiße Wut durchfährt mich und ich wundere mich, dass der Schnee um mich herum nicht zu schmelzen beginnt.

“Ach, ich bin weggelaufen?”, die Worte gehen leise über meine Lippen, im Stillen staune ich darüber, dass ich ruhig bleibe und Sirius dabei in die Augen sehen kann.

Ich schüttle ihn sanft ab und bringe einige Schritte Abstand zwischen uns.

“Lass es bitte einfach. Ich brauche jetzt Zeit für mich. Sag James, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht”

Nur mit Mühe verkneife ich mir ein “und wenn du schon mal dabei bist, kannst du ihm auch gleich sagen, dass er ein egoistisches, komplettes Arschloch ist und ich wunderbar ohne ihn klar komme!“

Ich werfe einen letzten, flüchtigen Blick auf die verschneite Straße und die mit Misteln geschmückten dunklen Haustüren. Durch die beschlagenen Fenster flackert sanfter, orangeroter Kerzenschein zu uns herüber und malt Muster in den Schnee.

Sirius’ Gestalt wirft im Laternenlicht einen merkwürdig verzehrten, langen Schatten, neben dem er furchtbar verloren und klein aussieht.

“Frohe Weihnachten!”, meine brüchige, leise Stimme wird von den Schneeflocken fort getragen.

Dann drehe ich mich schwungvoll um die eigene Achse und Sirius, der die Hand zögerlich nach mir ausstreckt, und die Straße verschwinden.

*


Als ich James zum ersten Mal traf, war er noch Potter und seine Stimme ein Garaus für meine Ohren.
Sie klang so, als würde jemand dunkle Schokolade in grobe, splittrige Stücke brechen.

Eigentlich ein angenehmer, voller Klang, wäre da nicht diese schrecklich herbe, spitze Note gewesen, die meine Nerven überstrapazierte. Viel zu bitter, als dass sie für mich genießbar wäre.

In Verbindung mit Blacks spöttischem Organ klang sie fast so lieblich, wie Fingernägel, die zärtlich über eine Schiefertafel kratzten.

Ich konnte sie damals nicht ausstehen und lernte sie erst mit den Jahren zu lieben.
Wie so vieles an ihm.

Heute Abend klingt seine Stimme anders.

Während er hässliche, zerrissene Sätze zwischen uns wirft und ruhelos durch die Wohnung tigert, höre ich, wie sie zerbröselt. Ich sehe das Bild von brüchigem Beton vor mir, ohne dafür die Augen schließen zu müssen. Unnachgiebig, hart - und schrecklich zerbrechlich.

Der silberne, magische Blechwecker tickt und die Sekunden zerfallen zu Minuten.

Ich schließe die Augen, um nicht sehen zu müssen, wie er verzweifelt den Kopf schüttelt, so sehr, als versuche er, meine Worte daraus zu vertreiben.

Aber sie sind da und können nicht mehr zurückgenommen werden.

Er atmet laut und hektisch. Seine Schritte entfernen sich.

Als ich die Augen wieder öffne, fällt die Wohnungstür ins Schloss. Ein leiser Knall, der von dem breiten, zugigen Treppenhaus verstärkt wird und in meinen Gedanken leere Kreise zieht.

Ich sitze regungslos auf unserem Ehebett und atme die Stille ein.



*


Als die stechend kalte, klare Nachtluft meine Lungen wieder erfüllt, nehme ich überrascht die Umrisse meiner kleinen, grauen Heimatstadt wahr.

Cokeworth. Mir war nicht bewusst, dass ich hier hin wollte.

Es ist merkwürdig.
Seit die Tür hinter James ins Schloss gefallen ist, hat sich alles in mir nach der Vergangenheit gesehnt.

Ich habe Sehnsucht nach meinem jüngeren Ich und der Zeit, in der es kein Kunststück war, ein Lächeln nach innen zu ziehen und es für immer am Leuchten zu halten. In der man sein Gesicht nicht wahren musste und Kopflosigkeit nicht mit Absturz verbunden war.

Ich kann den kleinen, schmutzigen Fluss riechen, der die Stadt in zwei Hälften teilt, den Schneeregen fühlen, der die niedrigen Klinkerhäuser mit grauweißen Schlieren versieht.

Hier leuchtet nichts. Keine Lichterkette, kein matter, flackernder Kerzenschein.
Hier ist alles grau. Keine roten Glaskugeln, keine grünen Mistelzweige.
Und doch ist dieser Ort mit so vielen Erinnerungen durchzogen, dass er eigentlich in kunterbunten, leuchtenden Farben versinken müsste.

Die alten, rostigen Schornsteine der großen Fabrik heben sich dunkel vom heller werdenden Horizont ab, ich kann Ruß riechen und eile durch die vertrauten Gassen.

An einer versifften Bushaltestelle, nahe Spinner's End, steige ich in den überfüllten Nachtbus, sitze neben einem fremden, hustenden Fabrikarbeiter, der nach Rauch, Tabak und Whiskey riecht und atme seine Wärme ein.

Der Bus schlittert durch die Straßen und ich bin regungslos und ruhig, weil die Erinnerungen, schattengleich, über mir zusammenbrechen und mich, zusammen mit dem monotonen Rauschen und Plätschern des Schneeregens und den flachen Atemzügen des Fremden, mitreißen.

*


‘Sev ist der stillste und zugleich ruheloseste Mensch, den ich kenne.’

Dieser Gedanke geht mir immer wieder durch den Kopf, nachdem ich seine Silhouette am Flussufer ausgemacht habe. .

Es ist Ende Dezember und es regnet.

Hier in Cokeworth schneit es nur selten.

Ich glaube, für Schnee ist der Wind einfach zu rußig und die Luft zu warm.

Und wenn es dann doch mal schneit, dann bleibt zumindest in Spinner's End nur grauer Schneematsch in den Straßenrinnen zurück. Dafür sorgt die große Fabrik mit ihren hohen Schornsteinen und den Abgasen, die die Luft verpesten, gewissenhaft..

Dünne Nebelschwaden wabbern vom Fluss aus langsam über den matschigen Grasboden und der zarter Nieselregen durchnässt mich bis auf die Knochen.

Cokeworth sieht in der Abenddämmerung so aus, als hätte ihm jemand einen grauen, kühlen Mantel übergeworfen. .

Wir sind dreizehn, zwei schlaksige Teenager, und Severus versinkt in dem seltsam geschnittenen, blauschwarzen Rollkragenpullover, den seine Mutter ihm gestrickt hat.

Seine Miene ist bewegungslos, er atmet schwer und fixiert einen Punkt auf der anderen Seite des Flusses. Über seiner bleichen Wange zeichnet sich undeutlich ein hauchzarter, dunkler Schatten ab.

Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und ich greife nach seiner Hand.

“Sie streiten immer noch.”, es ist eine stille Feststellung, keine Frage.

Er geht nicht darauf ein.

Er warte auf den ersten Schnee, sagt er stattdessen.

Ich weiß, dass das das nicht die Wahrheit ist.

Und genau deshalb drücke ich seine Hand noch fester, lehne den Kopf vorsichtig gegen seine Schulter und warte gemeinsam mit ihm.


~

Ich kann seine Hand noch immer in meiner spüren, in Gedanken jede einzelne Furche darin nach fahren und ich weiß, dass ich ihn geliebt habe, wie man einen besten Freund lieben sollte. Und gleichzeitig habe ich Angst, dass es mehr war - mehr ist. Zuviel.
Es ist vergeblich. Wir haben uns doch schon längst verloren, um lediglich ein Wort verpasst, das die Welt bedeutete.

*


Die Kirche in Cokeworth ist klein und aus graubraunem Sandstein gebaut.

Ein lauschiges Plätzchen, dabei ist sie nur einen Katzensprung und drei Bushaltestellen von den ärmlichen Arbeitervierteln entfernt.

Zwei große, mit Lichterketten und goldenen Papiersternen bestückte Tannen säumen ihre Holzpforte

Eine alte, verschnörkelte Straßenlaterne taucht den kleinen Marktplatz davor in ein warmes Licht.

Die Fenster des Gemeindehäuschens daneben sind hellgelb beleuchtet, gedämpfte Stimmen sind zu hören.

Ich muss lächeln, weil alles, was ich einatme, nach meiner Kindheit schmeckt.

Gebackene Maronen, gebrannte Mandeln, Kaminfeuer und der stechende Geruch von Weihrauch.

Früher waren wir oft hier gewesen.
Als ich dann nach Hogwarts kam, ging diese Tradition irgendwie verloren. Für meine Familie ging sie weiter, natürlich. Auch ohne mich.

Es macht mich ein wenig traurig, wenn ich daran denke, wie viel wir voneinander verpasst haben.

Zu spät.

Stille, unvermeidliche Fehler, die keine sind und für die niemand etwas kann. Und dennoch...

In der Kirche selbst ist es ruhig und dunkel. Flackernder Kerzenschein tastet zögerlich die großen Buntglasfenster ab. Eine alte Frau zünden Kerzen vor einer Marienstatue an.

Ich muss nur die Augen schließen und bin wieder in der Totenmesse für meine Eltern. Sie war der Anlass für letzte Mal, als ich einen Fuß in dieses Gemäuer gesetzt habe. Ich kann die gedämpften Atemzüge hören. Und all die Stimmen, die falsch zu den düsteren Orgelstücken singen.

Meine Schritte werden sanft von den hohen Wänden zurückgeworfen, klackern leise auf dem Steinboden.

Ich setze mich in die vorletzte Reihe und muss an meine Schwester denken.

Eigentlich ist sie die Buntere von uns beiden, das war sie schon immer, auch, wenn sie sich manchmal ein wenig unscheinbar und farblos vorkommt.

Gesungen hatte sie damals, im Kirchenchor, auf der Empore, gleich neben der verschnörkelten Orgel, bis der Raum mit ihrer Stimme ausgefüllt war.

Sie klingt ganz anders, wenn sie singt.

Erschreckend klar und hell und nicht einmal annähernd schrill oder unangenehm hoch.

Mit ihrer Stimme kann sie malen, zauberhafte Dinge hervor beschwören und sie im nächsten Moment zerspringen lassen.

Sogar Klavier kann sie spielen. An der Orgel hatte sie sich auch versucht.

Ich kann sie vor mir sehen, wie ihre Finger sanft über die Tasten tanzen, ihre Füße vorsichtig die Pedalen drücken und ihre Gesichtszüge, die heute immer mehr flüchtig gesetzten Linien gleichen und stets ein wenig verzehrt wirken, plötzlich standhaft und vollständig werden.

Ich hoffe, sie hat das noch nicht aufgegeben. Es wäre schade, wenn sie auch das weggesperrt hätte.

Ich schließe die Augen und lausche ihrer Stimme, die all die Jahre verblasst und vergessen in den alten Steinwänden geschlummert und nur auf einen aufmerksamen Zuhörer gewartet hat.

*


Bis Weihnachten sind es nur noch wenige Adventskalendertürchen. Vielleicht zwölfzig oder auch dreiunddreißigmilliardenmillonen, wenn ich’s mir recht überlege.

Petunia sagt, ich soll nicht so ein dummes Zeug reden. Es seien noch genau sieben.

“Sieben Türchen, Lily. Weil heute der siebzehnte Dezember ist, verstehst du?”, sie denkt, dass sie jetzt alles weiß und viel schlauer ist als ich, weil sie schon in die zweite Klasse geht und bis Zwanzigmilliardenmillionentausendundbillionen zählen und ihren Namen in großen, schönen Druckbuchstaben schreiben kann.

Andauernd bringt sie glitzernde Leuchtpapiersterne mit, die Mummy stolz im ganzen Haus verteilt. Sie darf schon ohne einen Erwachsenen Papier mit der Schere schneiden.

Ich finde das ungerecht, weil ich nur bis zehn zählen kann, wenn Daddy mitzählt und nicht mit Scheren spielen darf und deshalb auch keine Leuchtpapiersternchen habe, die Mummy dann an unseren Kühlschrank kleben könnte.

Aber als Tunia heute aus der Schule kam, hat sie auch für mich einen Stern gebastelt.

Er ist ganz bunt und sie sagt, dass das goldene Glitzerzeug darauf Feenstaub sei. Und sie hat mir versprochen, dass sie mir beim Ausschneiden der Sternchen helfen wird, wenn ich endlich selbst welche basteln darf.

Sie sagt, dass das furchtbar schwer sei und ich wirklich noch ein bisschen zu klein dafür wäre.
Die Sterne müssen schließlich perfekt sein, wenn sie am Weihnachtsbaum hängen, sonst nimmt der Weihnachtsmann unsere Geschenke wieder mit und Tunia und ich gehen leer aus.

Ein bisschen Angst macht mir das schon. Aber Petunias Sterne sind so schön, dass wir eigentlich extra viele Geschenke bekommen müssten. Und wenn wir dann noch ein Lied für ihn singen, kann gar nichts mehr schief gehen. Dieser Gedanke beruhigt mich ein wenig.

Ich sehe an Tunia vorbei aus dem Fenster und frage mich, ob der Weihnachtsmann eine Landkarte braucht, um unser Haus zu finden, oder ob er alle Adressen von allen Kindern im Kopf hat. Und wie er in die Häuser kommt, die keinen Kamin haben. Fragen über Fragen.

Dabei bemerkte ich gar nicht, dass es zu schneien begonnen hat, bis ich Petunias freudigen Jubel höre. Dicke, flauschige Wattebauschflocken fallen vom grauweißen Himmel. Mit offenem Mund starre ich staunend nach draußen, drücke mir zusammen mit Petunia beinahe die Nase an der kühlen Scheibe platt. Erst, als das Glas von unserem Atem ganz beschlagen ist und die Welt mit einer hauchzarten Schicht Zuckergussschnee überzogen ist, wenden wir uns ab.


“Wenn der Schnee morgen richtig hoch liegt, gehen wir zusammen mit Daddy auf die Apfelbaumwiese und fahren Schlitten.”, sagt Tunia begeistert, öffnet das siebzehnte Adventskalendertürchen und teilt ihre Schokolade mit mir, weil ich meine schon aufgegessen habe.

Petunia ist eine tolle große Schwester. Die tollste auf der ganzen Welt um genau zu sein, auch wenn sie manchmal eine schreckliche Besserwisserin ist.


*


Die Kälte trägt mich mit aller Macht in die Wirklichkeit zurück.
Mein dunkelblauer Mantel ist von meinem Spaziergang durch Cokeworth durchnässt, ich friere und die Luft, die ausatme, hängt als kleine, vergängliche Wolke über meinen Lippen.

Petunias Stimme ist verklungen und die kleine Kirche füllt sich nach und nach mit friedlicher Stille. Winterstille.

Ich bin nun alleine, starre auf meine Hände, die so verkrampft aussehen, als würden sie sich mit aller Macht an diesen vergangenen Momenten festhalten wollen.

Einen Herzschlag lang habe ich das Gefühl, von diesen Erinnerungen zusammengehalten zu werden.

Eine Träne läuft über meine Wange. Ich presse die Lippen zusammen und lege die Hand vorsichtig auf meinen Bauch.

Ich bin schwanger.

Und der Grund, warum ich so unglücklich bin, ist nicht der, dass ich mich dieser Situation nicht mal ansatzweise gewachsen fühle, sondern dass wir auseinander gerissen werden, während in meinem Bauch ein kleiner Mensch heranwächst, und unserem Leben beim Zerbrechen zusehen können.

Unverantwortlich. Es darf einfach nicht sein.

Und es ist ungerecht. So ungerecht, dass wir uns nicht auf unsere Zukunft freuen dürfen, sondern dazu gezwungen sind, an der Vergangenheit festzuhalten und die Gegenwart zu fürchten.

Es ist ungerecht, dass der Vater meines Kindes mich nicht vor Freude küsst, bis mir schummrig wird, mit mir durch die Wohnung tanzt und mich dann in ein schickes Restaurant ausführt, um die frohe Botschaft gebührend zu feiern, sondern vollkommen überfordert aus unserer Wohnung fliehen muss.

Ich bin sonst nicht so. Normalerweise bin ich rational, optimistisch und trage das Herz auf der Zunge.

Heute hat alles umgeworfen.

Und ich habe solche Angst.

*


Ich weiß nicht, wie ich letztendlich zurück finde.

Taumelnd stolpere ich die Treppe zu unserer Wohnung empor.

Sie ist sanft, diese Winterstille. Sanft und wunderschön und kalt. Wie fallender Schnee.

Und ich zerreiße sie. Mein Atem ist laut, meine Hände zittrig und mein Schluchzen hĂ€sslich und krĂ€chzend.

Ich denke an James und mich und an die Schneeengel, die wir letztes Jahr an Heiligabend - unserem ersten, gemeinsamen Weihnachten - gemacht haben.
Unbeschwert und leicht hatte ich mich damals gefühlt. Jeder Schritt war ein kleiner, ungeschickter Tanz, bei dem sich die Beine verknoten und man schließlich kichernd übereinander fällt.

Ich will weinen und lachen, alles gleichzeitig, weil ich Mutter werde und alles so verdammt ungewiss ist und meine Gedanken staubig und verworren und kunterbunt sind.

Sie tanzen wild umher, wie die Schneeflocken im matten Laternenlicht.

Ich versuche wirklich mit aller Kraft nicht an James, seine Küsse, seinen Geruch und die Schneeengel zu denken, weil das weh tut und mir so schwindlig ist, als hätte ich zu tief in mein Feuerwhiskeyglas geschaut. Aber es gelingt mir nicht.

Ich stehe wieder mit ihm zusammen auf dieser menschenleeren, verschneiten Obstwiese, über uns der klare Sternenhimmel und ich wünsche mir, den Moment einfangen zu können, ihn in ein Marmeladenglas zu stecken, damit ich ihn für immer bei mir haben kann.

Kaum, dass ich die Wohnungstür geöffnet habe, steht James vor mir.
Und ich bin so unglaublich wütend und erleichtert, weil er noch da ist und habe gleichzeitig nichts anderes erwartet.

Ich bleibe abrupt stehen, versteife mich und lege automatisch eine Hand auf meinen Bauch.

„Du bist also wieder da?“, frage ich leise und schrecke vor dem merkwürdig verzehrten Klang meiner Stimme zurück.

Er hebt den Blick.

Als ich sein Gesicht richtig sehe, erschrecke ich.

Seine Augen hinter den Brillengläsern sind rot und verquollen, seine Züge ernst und sein Blick läuft fast über vor Sorge.

Unbeholfen und zögerlich schäle mich aus meinem Mantel und schwinge den Zauberstab, um meine Sachen zu trocknen und mich wieder aufzuwärmen. James lässt mich dabei nicht aus den Augen.

Als ich mich an ihm vorbei drängen will, hält er mich auf.

“Ich
 Es.. Ich -”, er verschluckt sich an den Wörtern und räuspert sich vernehmlich. Dann atmet er tief ein und sieht mir fest in die Augen.

“Es tut mir leid. Das war alles so viel... Vor einer Woche erst der Ordenseinsatz – der Krieg... Voldemort... Und jetzt das... Ich konnte nicht anders..”, er lacht auf. Ein kleines, humorloses, trauriges Lachen, dass eher so klingt, als versuche er nicht zu weinen. “Ich weiß ja nicht mal, ob ich es jetzt kann.”, er schluckt hart und massiert seine Schläfen

Er sieht viel älter aus als neunzehn. Vielleicht, weil er weiß, wie zerbrochene Menschen aussehen, weil er aus nächster Nähe gesehen hat, was der Krieg mit den Menschen macht.
Es tut weh, ihn so zu sehen, James war immer lebensfroh, ein farbenfroher, bunter Mensch.

Für einen zerbrechlichen, kleinen Augenblick, frage ich mich, ob ich auch manchmal so aussehe.

Ich betrachte sein Profil, die markanten Züge, die nicht so recht zu seinem schmalen Gesicht passen wollen, die gerade Nase, die roten Lippen.

Zum ersten Mal frage ich mich, wem unser Kind wohl ähnlich sehen wird. Ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, rote oder schwarze Haare, grüne oder braune Augen haben wird - und plötzlich verschwindet die Ungewissheit und gewährt mir einen Blick, auf das, was sein könnte.

Ich kann uns sehen - alle drei - und zigmillionen Bilder schießen mir durch den Kopf.

Mal stehen wir mit einem kleinen, rothaarigen Mädchen am Bahnhof King's Cross, dann schiebt ein schmächtiger, kleiner Junge mit James' Hilfe einen riesigen Gepäckträger mit einem dicken, schweren Holzkoffer beladen über Gleis 9 ¾. Ein kleiner, schwarzhaariger Babyjunge läuft seine ersten Schritte, große braune Augen sehen mich flehentlich an, ein Mädchen rast, von einem lachenden James verfolgt, auf einem Rennbesen jauchzend an mir vorbei.

Vollkommen überwältigt stehe ich da, sehe die Bilder an mir vorbeirauschen und weiß nicht, was ich denken oder wohin ich dieses gewaltige, neue Gefühl packen soll.

Der Moment ist ebenso schnell vorbei, wie er gekommen ist, die Ungewissheit gewinnt wieder Überhand und dennoch - etwas ist geblieben, ein kleiner Funke, ein winziger, winziger Hoffnungsschimmer. So viele Möglichkeiten, so viele Wege, die uns offen stehen.

Ich schenke James ein kleines, flüchtiges Lächeln und streiche über seine Wange.

Er lässt sich in meine Arme fallen und atmet viel zu schwer, viel zu schnell.
Ich kann spüren, dass er weint und es ist verrückt, so verrückt, dass wir hier stehen und nicht wissen, wohin mit unseren Gefühlen, Gedanken und Ängsten.

Vielleicht ist das normal, weil wir gerade erst dabei sind, unseren Weg zu finden. Weil wir wirklich noch nicht wissen, wohin wir eigentlich wollen und uns diese Entscheidung gerade irgendwie aus der Hand gerissen wurde, alles in eine neue Richtung gelenkt und die neue Situation vieles auf den Kopf stellen wird.

Vielleicht ist es normal, das man sich manchmal so schrecklich verloren und einsam fühlt, obwohl der andere bei einem ist.

Vielleicht werden wir auch versagen und die Bilder, die ich gesehen habe, waren nicht mehr, als irgendwelche Hirngespinste, die mein verzweifelter Verstand mir einbläuen wollte.

Aber vielleicht, ganz vielleicht, werden wir es schaffen und fantastische Eltern sein.

James Lippen streichen hauchzart über meine Haut.

“Wir werden das Beste daraus machen, nicht wahr Lily?”, flüstert er leise, fast flehend.

Ich lächle unter Tränen, obwohl er das nicht sehen kann und streichle ihm sanft über den Rücken, spüre, wie er atmet und bilde mir ein, seinen viel zu schnellen Herzschlag zu spüren.

“Das werden wir, James. Immer.”



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Frohe Weihnachten, Leute :)


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