von Dr. S
„Im letzten Sommer hat mir meine Tante Bellatrix den Schlüssel für ihr Verlies in Gringotts gegeben. Sie wollte, dass ich ihr einige Dinge daraus bringe, weil sie das Haus nicht verlassen konnte. Dabei hab ich den Kelch entdeckt; ein auffälliges Stück in einem Verlies, das sonst nur mit Schlangen verzierte Gegenstände beherbergen würde. Als ich Bellatrix darauf angesprochen hab, hat sie mir zu verstehen gegeben, dass ich kein Wort darüber verlieren sollte. Bis vor kurzem hab ich nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, aber dann… Der Dunkle Lord hat meinem Vater sein Tagebuch gegeben, weil er ihm… irgendwie vertraut hat. Bellatrix steht in seiner Gunst auch weit oben. Mir fiel das Diadem wieder ein, von Ravenclaw, etwas von Hufflepuff war nur logisch und im Verlies meiner Tante, wie gesagt, fehl am Platz. Ich hatte den Schlüssel noch und nichts zu verlieren, also beschloss ich der Sache auf den Grund zu gehen…“
Draco betrat Gringotts mit einem mulmigen Gefühl. Die Kapuze seines Umhangs hatte er tief ins Gesicht gezogen, damit man ihn in der Winkelgasse nicht erkannte. Im Strom der heimfahrenden Schüler, die sich überall tummelnden, war er untergegangen, aber die Kobolde starrten ihn trotzdem aus ihren schwarzen Augen an, als er sich zum vordersten Schalter durcharbeitete.
„Ich will etwas aus diesem Verlies abholen.“ Draco holte den alten, etwas verschmutzten Schlüssel aus seiner Umhangtasche und legte ihn auf den Tisch des Kobolds. Dabei lehnte er lässig und gleichzeitig ungeduldig gegen den Schalter.
„Ich hatte das schon einmal gemacht. Man hatte mir damals keine Fragen gestellt, also gab es keinen Grund nervös zu sein. Alles sah aus, als würde es wie am Schnürchen laufen.“
Als der Kobold ihn zu den Wagons brachte, die herunter in die Gewölbe unter London führten, liefen sie an einem rothaarigen Mann mit Sommersprossen vorbei.
„Ein Weasley hatte mir gerade noch gefehlt. Nicht nur, dass ich die nicht ausstehen kann, er hätte mich bestimmt erkannt und gewusst, dass ich nichts außerhalb von Hogwarts zu suchen hatte. Einen Moment sah es so aus, als würde ich einmal im Leben Glück haben, dann…“
„Hey, Griphook, macht’s dir was aus, wenn ich einsteige?“ Bill Weasley hüpfte neben Draco in den Wagon. Sein langer Pferdeschwanz schlug Draco ins Gesicht, als er den Kopf heftig herumdrehte, während er sich anschnallte. Draco zog sich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht und schaute zur anderen Seite.
„Die wird dir gleich sowieso runterfliegen“, raunte Bill ihm zu.
Draco ignorierte ihn und verkrallte die Finger in seiner Kapuze. Der Wagon schoss los, ohne dass der grummelnde Kobold ihnen eine Warnung gegeben hatte. Die scharfen Kurven und Wendungen schleuderten Draco trotz Sicherung hin und her. Seine Kapuze blieb trotzdem seine Priorität, immerhin beschützte sie ihn auch vor den herumwirbelnden roten Haaren.
Es wurde dunkler, je tiefer sie fuhren. Die Schienen wurden von Fackeln erleuchtet, ansonsten blitzte nur dann Licht auf, wenn sie an Verliesen vorbeischossen. Irgendwo in der Ferne kreischten Fledermäuse und ab und an erreichte das Schnaufen eines Drachens Dracos Ohren.
Mit einem harten Ruck kamen sie zum Stehen. Draco krachte vorwärts und seine Kapuze verrutschte. Er rückte sie schnell wieder zurecht, sprang auf und vor Bill aus dem Wagon. Ihre Wege trennten sich noch nicht, stattdessen tauchten noch mehr menschliche Wachen auf.
Griphook beschwerte sich leise, aber deutlich hörbar über die Gesellschaft. Bill legte eine Hand auf Dracos Schulter.
„Also, Bill…“
„Unterbrich mich nicht, Black.“
„Sorry. Mach weiter. Spring am besten gleich zu der Stelle, wo ihr euch ein Verlies zum Rummachen sucht.“
Die beiden Wachen betrachteten sie, besonders Draco mit finsterer Miene.
„Gibt’s irgendein Problem?“, fragte Bill grinsend.
Eine Wache schüttelte sofort den Kopf, die andere hingegen verschränkte die Arme vor der Brust. Beide hatten den Zauberstab gezückt.
„Du weißt, welches Verlies hier ist“, sagte der skeptische Mann.
„Der Kunde hat einen Schlüssel“, mischte sich Griphook ein. „Mehr interessiert uns nicht. Verstanden?“
Die skeptische Wache hob entschuldigend die Hände und gab mit seinem Partner zusammen den Weg frei. Bill gab Draco den nötigen Schubs vorwärts, den er brauchte um nicht wieder umzukehren.
„Die Todesser bereiten uns in letzter Zeit einige Probleme“, erklärte Bill. „Nicht, dass wir Probleme mit Zauberern bekommen könnten, oder Griphook?“
Griphook antwortete nur mit einem hochmütigen Blick. Er ging voraus in den hochgewölbten Gang, der zu dem Verlies von Dracos Tante führte. Bill, der niemals gesagt hatte, was er hier unten wollte, blieb an Dracos Seite.
„Im Nachhinein vermute ich, dass er gemerkt hat, wer ich bin, und ein Auge auf mich geworfen hat.“
„Das sagst du jetzt extra auf diese zweideutige Weise, oder?“
„Einen besonders guten Job hat er da nicht gemacht…“
Die Fackeln flackerten von einem Windzug, der zu stark für die unterirdischen Höhlen war. Draco sah sich um. Die Schatten hinter ihm schienen sich zu bewegen. Dracos Blick folgte einem Windzug nach oben. Er legte den Kopf dabei so weit in den Nacken, dass seine Kapuze herunterzufallen drohte. Griphook hatte die Tür des Verlieses erreicht und wollte sie öffnen.
Draco war zurückgefallen, abgelenkt von seiner eigenen Paranoia, und wollte aufholen, als ein Rauschen ertönte. Etwas stürzte mit unfassbarer Geschwindigkeit von der Decke. Nicht auf ihn, allerdings.
Ein schwarzer Körper, von der Geschwindigkeit zu einer verschwommenen Masse transformiert, landete auf Bill, ein zweiter direkt auf Griphook. Der Schlüssel schlitterte über den erdigen Boden in eine Ecke. Draco blickte kurz auf ihn, dann auf die sich windenden Bündel am Boden. Bill bekam eine behandschuhte Hand auf den Mund gedrückt, schrie dumpf gegen die Handfläche, bis ein Zauberstab an seiner Schläfe ihn bewusstlos werden ließ. Mit Griphook passierte das Gleiche.
Die beiden schwarzverhüllten Personen richteten sich auf, Männer, die Draco sehr gut erkannte, auch ohne ihre Gesichter unter den Kapuzen auszumachen.
„Meine Onkel, Rodolphus und Rabastan. Auch ohne Bellatrix stehen sie auf einen dramatischen Auftritt, wenn auch etwas leiser. Besonders Rabastan hat sich im Manor öfter mal von hinten an mich herangeschlichen oder ist von wer weiß wo auf mich draufgefallen. Askaban hat ziemlich tiefe Narben in ihrem Verstand hinterlassen, wenn auch nicht ganz so tief, wie bei Bellatrix. Trotzdem wollte ich ihnen nicht begegnen, vor allem nicht, nach allem, was ich mir geleistet habe.“
Simultan schoben sie sich die Kapuzen vom Kopf, entblößten dunkles, in einem Fall leicht angegrautes Haar.
„Neffe“, grüßte Rodolphus kalt.
„Gleiches Recht für alle, würde ich sagen.“ Rabastan bedeutete Draco seine Kapuze herunterzuziehen.
Draco tat nichts.
„Ich hatte meinen Zauberstab zwar in Reichweite, aber Rodolphus und Rabastan hatten ihre schon gezogen. Sie hätten mich ausgeschaltet, bevor ich irgendetwas hätte ausrichten können. Ich hatte noch einige der Zaubertränke, mit denen ich die Auroren vor Hogwarts‘ Toren abgelenkt hatte, auch greifbar in meiner Nähe. Allerdings hätte mir eine Rauchwolke in den engen unterirdischen Gängen nur selbst ins Fleisch geschnitten, und zur Betäubung hatte ich nicht mehr genug Bewegungsfreiheit.“
Rabastan schoss vorwärts, rammte Draco gegen die Wand des Verlieses und riss ihm die Kapuze vom Kopf. Er grinste Draco an, mehr als nur leicht manisch.
„Viel besser. Wir wollen uns doch in die Augen sehen können, nicht wahr?“ Rabastan schlug ihm sanft gegen die Wangen, dann verschwand sein Grinsen innerhalb eines Wimpernschlages. „Ich meine, falls du das noch kannst, Draco.“
Rodolphus durchwühlte hinter ihnen die Taschen des Kobolds, bevor er den Boden absuchte. „Der Schlüssel.“
„Du hast noch den Schlüssel zu unserem Verlies, Draco Darling. Wir hätten ihn gerne wieder“, sagte Rabastan, klang besonders bedrohlich, wenn er versuchte freundlich zu sein.
„Habt ihr nicht selbst einen?“, gab Draco zurück. „Oder lässt Bellatrix euch damit nicht spielen?“
Rabastan drückte seinen Zauberstab in Dracos Kehle, das warnende Räuspern seines Bruders ignorierend. „So oder so würden wir gerne vermeiden, dass ein Verräter mit einem Schlüssel zu unseren privaten Sachen herumläuft.“
„Oh, liegt da noch dein alter Teddy drin, Rabastan?“, fragte Draco grinsend.
Rabastan grinste zurück. „Leider nicht. Obwohl das erste Ding, dem ich den Kopf abgerissen hätte, sowas wert gewesen wäre. Vielleicht behalte ich einfach deinen Kopf, hm?“
„Der Schlüssel“, schaltete Rodolphus sich wieder ein. „Wir haben keine Zeit für sowas.“
Rabastan verdrehte die Augen und tastete Draco sorgfältig ab, erst über den Umhang, dann darunter.
„Wo noch?“
„Black, ernsthaft –“
„Nein, Draco, wirklich. Lass nicht aus, wenn sie dir wehgetan haben.“
„Lass du mich die Geschichte erzählen, okay?“
„Kein Schlüssel. Nur komische Zaubertränke“, sagte Rabastan zu seinem Bruder. Rodolphus gab ihm irgendein Zeichen und Rabastan wandte sich wieder Draco zu, ein berechnendes Funkeln in den Augen. Er musterte ihn eingehend.
„Gib uns den Schlüssel, Draco“, sagte Rodolphus, „und komm mit nach Hause. Diese kindische Rebellion bringt niemandem etwas, verstanden?“
Draco sagte nichts. Er beobachtete, wie Rabastan mit seinem Zauberstab jede Linie seines Hals bis zu seinen Wangen nachzeichnete.
„Du verschwendest verlogene Worte an einen erbärmlichen Verräter“, zischte Rabastan. „Wir sollten ihn einfach –“
Draco zog das Knie hoch. Er entlockte Rabastan einen heiseren Schrei, als er ihm zwischen die Beine trat. Rabastan stolperte, und Draco nutzte das aus, packte seinen Zauberstabarm und drehte ihn mit einem Ruck herum.
„So, wie ich’s dir gezeigt hab?“
„Wie du es mir gezeigt hast, ja.“
Draco versetzte seinem Onkel einen schnellen, harten Schlag in den unteren Rücken und brachte ihn zum Einknicken, konnte so seinen Arm von hinten um Rabastans Kehle schlingen. Er bekam seinen Zauberstab zu fassen und presste ihn drohend gegen Rabastans Schläfe.
Rodolphus seufzte. „Bist du so tief gesunken, Draco?“
„Lass mich vorbei oder ich sinke noch tiefer.“
„Glaubst du, das interessiert mich?“ Rodolphus schickte eine schnelle Folge an Flüchen auf Draco los, obwohl der seinen Bruder als Schutzschild benutzte. Er war ein guter Schütze. Die meisten Flüche trafen Dracos linken Arm, versengten ihn so schmerzhaft, dass er Rabastan loslassen musste. Der sackte als wimmernder Haufen auf den Boden und versuchte mit seinem verletzten Arm den Zauberstab aufzuheben. Draco knockte ihn mit einem Schlag seines Zauberstabs auf den Hinterkopf aus, musste dafür riskieren in Rodolphus‘ direkte Schusslinie zu geraten.
Zwei Flüche trafen die Wand hinter Draco, der Rest des Dutzends erwischte Dracos Schulter, bevor er eine neue Welle mit einem wackelnden magischen Schild abwehren konnte. Er griff unter seinen Umhang und klemmte eine Phiole von seinem Gürtel. Mit Schwung warf er sie um das Schild herum auf Rodolphus‘ Brust. Das Glas zerbrach und setzte ein Netz aus Elektrizität frei, das seinen Onkel schockte. Abgehakte Schmerzenslaute von sich gebend sank Rodolphus auf den Boden.
„Nett, Draco. Wie bist du darauf gekommen?“
„Ich bitte dich, Black, tragbare Blitze sind wie tragbare Flammen. Man muss sie nur richtig einsetzen…“
„Wusstest du, dass die Weasley-Zwillinge tragbare Gewitter verkaufen?“
„Du unterbrichst mich schon wieder, Black.“
Draco stieg über die bewusstlosen Körper und sammelte den Schlüssel von seinem Versteck in der dunklen Ecke auf. Er konnte das Verlies, schon von Kobold-Zauber befreit, schnell aufschließen. Die Tür gab den Blick auf meterhohe Berge von Gold frei, kein Vergleich zu dem Verlies der Malfoys, und die Häute verschiedener Kreaturen verliehen dem Ganzen einen obskuren Anblick.
„Ich war zwar erst einmal dort gewesen, aber ich musste mich nicht lange umschauen. Es war, als hätte sich das Bild dieses Kelchs in meinen Kopf eingebrannt. Ihn zu finden war jedenfalls nicht das Problem, dafür aber die Schutzzauber auf den Schätzen. Ohne den Kobold war es fast unmöglich etwas mitzunehmen, ohne dass ich meine Finger verliere. Daran hatte ich zum Glück gedacht…“
Draco zog sich schwarze Lederhandschuhe über, belegt mit diversen Schutzzaubern und die perfekte Ergänzung zu seiner Hand des Ruhmes. Sein Vater hatte sie ihm zu seinem dreizehnten Geburtstag geschenkt. Damit griff er den Kelch und eilte aus dem Verlies. Er stieß die Tür zu, nahm den Schlüssel und verstaute ihn zusammen mit dem Kelch in seiner Umhangtasche.
Im Gang außerhalb des Verlieses stapelten sich vier Körper. Draco ließ sie alle ohne einen zweiten Blick hinter sich und eilte zurück zum Wagon, zögerte, als er diesmal alleine dem Drachen begegnete.
„Moment. Drache? Was für ein Drache?“
„Das blinde Häufchen Elend, das vor dem Verlies angekettet ist?“
„Den hast du nicht erwähnt.“
„Ich denke, du hast einfach nicht zugehört. Jedenfalls hinkte ich –“
„Hinken? Wann hat dein Bein etwas abgekriegt?“
„Ging ich. Black, hör mir einfach zu. Ich kam an dem Drachen vorbei, um vor einem neuen Problem zu stehen…“
Der Wagon konnte nur von einem Kobold in Gang gesetzt werden, vielleicht auch von einer der menschlichen Wachen. Die beiden, die Draco bei seiner Ankunft misstrauisch beäugt hatten, lagen ebenfalls ausgeknockt auf dem Boden, einer starrte mit offenen Augen ins Leere, wahrscheinlich würde er nicht mehr aufwachen.
Draco ließ sich nicht ablenken und hüpfte in den Wagon. Er suchte nach irgendwelchen Hebeln oder Knöpfen oder irgendetwas, das nach einer Steuerung aussah, fand aber nichts. Frustriert schlug er gegen die Metallstange zum Festhalten.
Unter ihm tat sich ein Abgrund auf, so tief, dass er nur Dunkelheit und nicht den Boden erkennen konnte. Ab und zu blitzten Gleise auf, die sich in unberechenbaren Linien durch die unterirdischen Gewölbe zogen. Es gab keinen Ausweg.
Irgendwo in der Ferne ging ein Alarm los. Das Kreischen hallte von den Wänden wider und wurde verstärkt, übertönte erfolgreich die Schritte, die sich Draco näherten. Ein plötzlicher Knall weckte Dracos Aufmerksamkeit. Er drehte den Kopf und wurde von einem feuerroten Blitz geblendet. Ein brennendheißer Fluch riss seine Seite auf und schleuderte ihn auf den Boden des Wagons. Draco knallte mit dem Kopf auf die Kante der Sitzbank. Einen Moment sah er schwarz, dann wurde er gepackt, hochgerissen und geschüttelt.
„Du kleines Miststück“, fauchte Rabastan, „hast mir meinen Arm gebrochen. Willst du wissen, wie viele Knochen ich dir brechen kann, bevor ich zu deinem Genick komme?“
„Da du zu blöd bist, um zu wissen, wann ein Knochen gebrochen ist, würde ich sagen keinen“, brachte Draco schwach heraus.
Rabastan knurrte. Er packte Dracos Haar, zerrte und riss daran, holte aus und ließ Dracos Kopf gegen die Sitzbank krachen. „Jochbein.“ Der Schmerz vernebelte Dracos Kopf, ließ das Blut in seinen Ohren rauschen, sodass er Rabastans Stimme kaum hörte. „Kiefer.“ Den erneuten Aufprall gegen die Sitzbank spürte er dafür umso heftiger.
„Stopp.“ Rodolphus war nur ein verschwommener Schatten hinter Rabastan. Seine Brust rauchte dort, wo Dracos Zaubertrank ihn getroffen hatte. Der Geruch von verbranntem Fleisch war eine Genugtuung in dieser Position. „Finde erst raus, was er genommen hat.“
Draco hatte gerade genug Zeit die Beine anzuziehen und die Füße in Rabastans Magen zu rammen. Er stieß ihn aus dem Wagon, wusste aber nicht wohin er fliehen sollte. Seine Onkel blockierten den Weg und waren mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem sie vor Zorn rot glühten. Draco stand schwankend auf und grinste, wischte sich Blut von der Lippe. Sein Blick war verschwommen. Als er seinen Zauberstab zog und erfolgreich einen Protego aussprach, war er sich sicher, dass Rabastans Fluch abprallen würde. Trotzdem traf ihn etwas in der Brust.
Draco stolperte rückwärts, fiel über die Kante des Wagons und stürzte.
„Was?!“
„Black, verflucht nochmal. Du machst die ganze Spannung kaputt. Guck mich nicht so an, ich bin nicht weit gefallen. Sechs, acht Meter unter mir befanden sich weitere Gleise und es fuhr gerade ein Wagon dort entlang. Der Kobold hat meinen Fall aufgefangen. Es hat trotzdem wehgetan, und du zerquetschst mich.“
„Entschuldige…“
„Der Kobold war ausgeschaltet und der Wagon fuhr hoch zur Oberfläche. Ich hatte also doch endlich einmal Glück. Hat nur leider nicht lange gehalten. Oben in der Bank warteten die Auroren, angelockt von dem Alarm, den zu neunzig Prozent meine dämlichen Onkel ausgelöst hatten. Ich war verletzt, konnte kaum stehen. Leichte Beute für Auroren, auf der Suche nach einem potentiellen Bankräuber. Einen Malfoy hätten sie sofort nach Askaban geschickt.“
Draco zog sich seine Kapuze zurück über den Kopf. Er kauerte hinter dem vordersten Schalter der Bank. Überall in der weitläufigen Halle tummelten sich Auroren. Noch hatten sie ihn nicht bemerkt und besprachen ihre Vorgehensweise.
Die zwei Reihen der kleineren Schalter boten die perfekte Deckung, aber Draco musste dort erst einmal hinkommen. Er hielt sich die stark blutende Seite und lugte vorsichtig um die Ecke. Einige der Auroren erkannte er wieder.
„Tonks war da, oder?“
„Nur, weil ich sie wiedererkenne, heißt das nicht, dass ich mir die Namen von irgendwelchen Amazonen merke. Willst du jetzt hören, was sie angehabt hat, oder wie ich da rausgekommen bin?“
„Wieso? Hatte sie was Besonderes an?“
„Ich saß also ziemlich in der Klemme…“
Blut tropfte auf den Boden. Draco wurde übel. Sein linker Arm pochte vor Schmerz und seine Schulter brannte, als würden tausend Nadeln darin stecken. Mittlerweile war sein Auge so angeschwollen, dass er kaum noch sehen konnte. Die Hand dicht gegen den Riss in seiner Seite gepresst, nutzte er einen unbeobachteten Moment aus und huschte zur horizontalen Schalterreihe.
Die Kobolde und das andere Personal waren aus der Haupthalle evakuiert worden. Er konnte ungesehen hinter den Schaltern zum Ausgang kriechen, hatte schon fast das Ende der Reihe erreicht, als eine Stimme ertönte:
„Hier ist Blut“, rief einer der Auroren. „Leute, ich hab eine Spur.“
Draco rettete sich um die nächste Ecke, aber mit seiner Tarnung war es vorbei. Die Schritte der Auroren kamen so schnell näher, dass er selbst mit klarem Kopf nicht gewusst hätte, was er tun sollte.
Wenige Meter vor ihm gaben die geöffneten Türen den Blick auf die Winkelgasse frei. Verlassen. Abgesperrt aus Sicherheitsgründen. Die Auroren hielten Passanten und Menschen mit Kameras – Journalisten? – zurück. Sicherlich würde er nicht apparieren können, bis er hinter der Absperrung war.
Draco fasste nach der Kante des Schalters und zog sich schleppend hoch. Die Wunde in seiner Seite blutete immer noch, egal wie fest er seinen Handschuh dagegen presste. Der Schmerz war dort kaum auszuhalten. Draco atmete tief durch, streckte den Rücken durch und drehte sich um.
Bestimmt zehn Auroren hatten die Zauberstäbe auf ihn gerichtet. „Zauberstab fallen lassen“, riefen sie gleichzeitig, ein erschreckender Chor, dessen Echo in der weißen Marmorhalle zurückblieb.
Draco blendete seine Verletzungen aus. „Das hättet ihr wohl gerne.“
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