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Pureblood Pride - Der verlorene Zug

von Dr. S

„Wie kann ein ganzer Zug verschwinden?“, fragte Sirius. Er beugte sich zum wiederholten Male über den Artikel auf der Titelseite des Abendpropheten. Glauben konnte er das Ganze immer noch nicht. Auf dem Foto ratterte der Hogwarts-Express zum dritten Mal aus dem Bild heraus und verschwand.

Draco und Ron waren mit den Köpfen zusammengestoßen, als sie sich gleichzeitig zu Sirius herübergebeugt hatten, um als Erster an die Zeitung zu kommen. Molly hatte so freie Bahn um die Zeitung an sich zu nehmen. Sie brachte keinen Ton heraus.

„Und wieso erfahren wie sowas aus der Zeitung? Snape war gerade hier. Er sollte von solchen Aktionen wissen“, fuhr Sirius fort.

„Ganz einfach“, sagte Draco, rieb sich mit einer Hand die Beule an seiner Schläfe. „Der Prophet wusste es vorher. Was glaubst du, wer diese Artikel schreibt?“

„Todesser oder rasende Reporterinnen unter deren Fuchtel“, erklärte Ron.

„Danke, Wiesel. Vielleicht nochmal für die ganz Blöden?“

Sirius schnippte in den winzigen Zwischenraum, der die beiden voneinander trennte, und holte sich ihre Aufmerksamkeit wieder, ehe das Geplänkel ausarten konnte. Molly hatte sich inzwischen auf den Stuhl neben ihm gesetzt, verlor mit einem schweren Atemzug den letzten Rest Farbe in ihrem Gesicht.

„So oder so, Snape hat es auch gerade erst erfahren. Die Zeitung flog uns auf der Straße in die Hände“, sagte Remus. Heute war ihm das Wichtigste wohl Snape in Schutz zu nehmen. Sirius hätte darauf herumgeritten, wie auf der Bluse, die Remus einen ganzen Sommer lang als Hemd hatte durchbringen wollen, aber dafür fehlte ihm ein Millimeter guter Laune.

„Meine Tochter sitzt in diesem Zug“, sagte Molly.

Ron griff über den Tisch und nahm die Hand seiner Mutter. Zwar nur, um ihre Finger von der Zeitung zu lösen, aber in seinen Augen lag das nötige Mitleid um diesen misslungen Tröstungsversuch zu rechtfertigen.

„Wir kriegen das schon wieder hin“, versicherte Sirius und stand auf.

„Warte mal.“ Draco hielt ihn am Saum des schlappernden Pullovers fest. „Sag mir nicht, dass du blindlings loslaufen und einen spurlos verschwundenen Zug suchen willst.“

„Nichts verschwindet spurlos, Draco, vor allem kein Zug. Wir suchen die Strecke ab. Ohne Gleise kommt kein Zug weit, auch nicht unter dem größten Tarnumhang der Welt. Es geht vor allem um den –“

Remus räusperte sich. „Wie wäre es, wenn wir das unter… sechzehn Augen besprechen?“ Er schaute Draco an, setzte sogar ein kleines Lächeln auf, aber alles in seinem Blick sagte, dass er ihn nicht hier haben wollte.

Sirius runzelte die Stirn. Er schien verwirrter über diese Aufforderung zu sein als Draco oder alle anderen im Raum.

„Das ist absurd“, mischte Ron sich ein. „Malfoy würde uns nicht verraten. Er hatte letzte Nacht mehr als genug Zeit überzulaufen. Ganz nutzlos ist er übrigens auch nicht.“

„Danke dir, Wiesel, genau das hab ich hören wollen“, sagte Draco und sparte nicht an Sarkasmus.

Remus achtete gar nicht auf ihn. „Ich möchte lieber kein Risiko eingehen. Ron, streng genommen bist du auch kein Mitglied, aber –“

„Nein“, schritt Molly ein. „Ron hat heute schon genug angerichtet. Du hältst dich da raus, verstanden? I-Ich muss Arthur Bescheid sagen. Keine ruhige Minute lassen sie einem…“

Ron blickte auf seinen leeren Teller und versuchte einen mickrigen Rest Eintopf auf seinen Löffel zu bekommen. Er blickte seiner Mutter schuldbewusst nach, als sie aus der Küche stürmte und sich nicht gerade unauffällig die tränenden Augen rieb.

Remus rieb sich die Schläfen. „Wo sie recht hat… Gut, machen wir es so. Ich bringe Ron und Draco nach Hogwarts –“

„Ich dachte, du willst nicht zurück“, wisperte Ron Draco zu.

Draco rieb sich mit der linken Hand übers Gesicht und schirmte sich vor Sirius‘ Blick ab. Zwischen seinen Fingern blitzten knallrote Wangen auf.

„Ich will nicht, dass du…“ Sirius brach ab. Er hatte mitten in Remus‘ Redeschwall hineingeredet und traute sich nicht einmal zu Ende zu sprechen.

Draco linste zwischen den Fingern zu ihm durch. Durch den schmalen Spalt war schwer zu sagen, ob er Sirius für unverschämt oder nur egoistisch hielt. Er konnte Draco nicht bitten zu bleiben.

Sirius wandte sich Remus zu. „Ich will nicht, dass du Zeit verschwendest. Wir haben diesen Bermuda-Zug zu finden, sonst gehen die beiden in eine leere Schule zurück. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Kontaktieren wir –“

„Sirius, du blutest…“ Remus drehte ihn wieder zurück, besah sich den unter altem Kaschmir gut versteckten verletzten Teil seines Rückens. Erst jetzt fiel Sirius das unangenehm warme Rinnsal auf, das seine Wirbelsäule herunterlief. Die Bandagen fielen von seinem Oberkörper, als Remus den Pullover hochzog. „Ach, du liebe Güte…“

Sirius fummelte sich frei, drehte sich wie ein schwach angestupster Kreisel um und taumelte gegen Draco. Auch der zog ihm den Pullover hoch.

„Hast du dir überall die Haut so heruntergeschrubbt, du eitle Socke?“ Wenn er ihn nicht ansehen musste, hatte Draco seinen alten Biss sofort wieder auf der Zunge. „Ich krieg das wieder hin, vorausgesetzt du bleibst länger als eine Viertelstunde still.“

„Vielleicht sollte Sirius lieber ins St. Mungos gehen“, sagte Remus. Er warf Draco dabei diese Art Lächeln zu, die beruhigen sollte, aber genau das Gegenteil erreichte. „Ein Profi muss sich das ansehen, nichts für ungut.“

Draco rollte Sirius‘ Pullover wieder runter. „Wollen Sie meinen Rücken mal sehen? Oder Bill Weasleys Gesicht? Das hat ein Profi verbockt.“

„Ich bin okay“, versicherte Sirius.

„Nun, das Ergebnis hier dürfte nicht für dich sprechen“, ignorierte Remus ihn einfach.

„Remus“, warnte Sirius. Draco hätte sich nicht besser um ihn kümmern können. Er hatte ein Händchen für diese Heiltränke und –zauber. Kaum eine Fluchnarbe war auf seinem Körper zurückgeblieben, auch nach den heftigsten Attacken.

„Ich möchte nur, dass es dir gut geht, Tatze. Ein Teenager kann dir nicht die Pflege geben, die du im Moment nötig hast.“

„Pflege?“, wiederholte Sirius. Heiße Flecken der Wut brachten seine Wangen zum Glühen. Er kannte Remus‘ vorwurfsvollen Unterton in- und auswendig. Sein sanftes Lächeln täuschte ihn niemals. „Ich muss nicht gepflegt werden. Bin ich eine Scheißzimmerpflanze, oder was?“

Remus hob zur Entschuldigung beide Hände. „Natürlich nicht. Du solltest dich trotzdem ausruhen.“

„Ein Zug mit hunderten Schülern ist verschwunden. Wir haben nicht einmal Zeit zu diskutieren! Selbst wenn du dich überwinden könntest, das vor Draco zu tun…“

„Da hast du allerdings Recht…“ Remus schaute auf seine Uhr, die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen. „Snape sollte inzwischen bei Dumbledore sein.“

„Du hast Snape geschickt? Ausgerechnet Snape?!“

„Nicht das schon wieder…“

Sirius schwankte bei dem Versuch vorzutreten. Er griff an Remus‘ Kragen vorbei, packte ihn zur Ablenkung an der Schulter. „Wieso glaubst du mir nicht?“

Ganz sanft, als würde er einen wütenden Knuddelmuff streicheln, zog Remus Sirius‘ Hand weg. „Ich muss den anderen Bescheid sagen. Vielleicht sollten Ron und Draco erstmal hierbleiben. Wir reden später.“

„Ich kann helfen.“

„Nein, Sirius, kannst du nicht“, sagte Remus scharf. „Mit den Verletzungen bist du bloß eine Belastung.“

„Eine Belastung? Ich bin einen scheißlangen Monat in einem dreckigen Loch verrottet! Entschuldige bitte, dass ich keine Salti schlage!“, schrie er Remus nach, der ohne ein weiteres Wort, nur knapp winkend, aus der Küche verschwand.

Sirius schnappte einige Male nach Luft, bevor er Remus nachsetzte. Er würde sich nicht so abspeisen lassen. Er war lange genug unwichtig gewesen. Ballast. Nie wieder hatte er es soweit kommen lassen wollen.

Jetzt stolperte er auf dem Weg nach oben über eine winzige Unebenheit auf den Treppen. Von ihm war nichts übrig, als ein schwacher, alter Mann, der sich die Lippen an den Stufen aufschlug. Sirius spuckte Blut auf den Teppich.

Er musste sich aufhelfen lassen, ausgerechnet von Draco. Kein noch so mickriger Rest seiner Würde war ihm geblieben. Er war Ballast.

„Lass mich.“ Sirius stieß mit dem Ellenbogen hinter sich, schob Draco weg und stemmte sich hoch. Schwankend wie in einem Boot auf hoher See kehrte er in die Küche zurück. Mit dem Ärmel wischte er sich Blut vom Mundwinkel. Die Unterstützung des Stuhls hatten seine schweren Beine bitter nötig. Er ließ den Kopf hängen. Seine Hände lagen unnütz in seinem Schoß. Er wusste nicht, was er mit ihnen machen sollte. Unter seinen Nägeln war immer noch Dreck.

Draco drängte sich zwischen seine Beinen, die Hände in Sirius‘ uralten Pullover vergraben. „Zieh den aus“, murmelte er. „Wo hast du das alte Teil überhaupt ausgegraben?“

Sirius löste Dracos Finger. Er schob ihn so abweisend er konnte weg und zog sich den weiten Pulli über den Kopf. Die Arme zu heben hatte ihn selten so viel Kraft gekostet. Seine Muskeln wehrten sich noch heftiger, als eben noch beim Anziehen. Draco hatte sich nicht weit genug vertreiben lassen, um ihm nicht zu helfen. Sirius nahm schnell die Arme herunter und verschränkte sie fest im Pullover steckend vor seiner Brust.

Draco biss sich auf die Lippe. Jetzt verkniff er sich sogar schon seine bissigen Kommentare, so bemitleidenswert sah Sirius aus. Er löste Sirius‘ Verbände stumm.

„Alter“, keuchte Ron. Er war simultan fasziniert und angewidert von Sirius‘ Rücken, was seinem zerknautschten Gesicht nicht unbedingt schmeichelte. „Das sieht schmerzhaft aus. Sind das… Buchstaben?“

„Eine liebevolle Nachricht meiner Cousine“, presste Sirius hervor. Bellatrix alleine konnte schon so einen Schaden anrichten. Alle Todesser zusammen würden ihren Spaß mit den Schülern haben, einige davon noch Erstklässler, die keinerlei Erfahrung mit Magie hatten. Und er konnte nicht helfen.

Draco trug irgendeine kühlende Salbe auf die Wunden auf. Die pulsierende Hitze um die Ränder verebbte. Sirius erlaubte sich einen Moment die Augen zu schließen. Dann kamen die Bandagen. Draco wickelte sie per Hand stramm um Sirius‘ Oberkörper.

„Er hat’s mir gesagt“, murmelte Sirius. „Voldemort… Junior hat vom Hogwarts-Express gesprochen. Ich hätte das ernster nehmen sollen.“

„Du hättest nichts tun können“, sagte Ron.

Draco schaute ihm immer noch nicht wirklich in die Augen. Er zuckte sogar vor Sirius‘ Hand zurück, als er ihm einen Trank gegen die Schmerzen gab. Sirius nahm den Trank nicht. Er zog sich den Pullover wieder über.

„So eine große Aktion muss geplant werden“, sagte er mehr zu sich selbst. „Snape hätte davon wissen müssen. Er weiß davon, da bin ich mir sicher. Wieso hat er nichts gesagt?“

„Vielleicht hat Voldemort ihn durchschaut? Also, Voldemort Junior“, schlug Ron vor.

Draco setzte sich zurück neben Sirius. „Du wolltest über Professor Snape reden, nicht wahr?“

Sirius war sich da nicht mehr so sicher. Remus, sein ältester Freund, derjenige, der ihn am besten kennen sollte, glaubte ihm nicht, dass Snape ihn hintergangen hatte. Draco kannte Snape länger. Er vertraute Snape, irgendwie und vielleicht sogar mehr als jedem anderen. Alles Wanken im vergangenen Jahr hätte er während des letzten Monats, der sich wie ein halbes Leben angefühlt hatte, sicher in Ordnung bringen können. Das jedenfalls hatte Snape ihm angedroht.

„Ich kann nicht“, sagte Sirius heiser, „hier sitzen und reden, während irgendwo da draußen Kinder in Gefahr sind. Wir hätten sofort losgehen müssen. Mittlerweile könnten sie überall sein und wir haben keinen Anhaltspunkt.“

„Außer…“ Ron schaute rüber zur Tür, die in den Weinkeller herunterführte. „Du hast gesagt, so eine Aktion muss länger geplant werden. Es könnte gut möglich sein, dass er davon weiß.“

Sirius konnte Ron nicht ganz folgen.

„Oh, Ronald“, säuselte Draco gespielt beeindruckt. „Du willst doch nicht ohne Erlaubnis da runter. Lupin wäre entsetzt.“

„Genau genommen hat er nur dir verboten in den Weinkeller zu gehen.“ Ron äffte Dracos blasierte Redensweise nach: „Obwohl er bessere Gesellschaft als ein abgehalfterter Werwolf und ein halbes Dutzend Wiesel wäre.“

Draco lachte gekünstelt.

„Kann mich mal jemand aufklären?“, bat Sirius. Die beiden blickten ihn an, als hätten sie vollkommen vergessen, dass ihm ein Monat fehlte. Er kannte sich in seinem eigenen Haus nicht mehr aus. Vorbei die Zeiten, in denen er den Weg vorbei an beißenden Kleiderbügeln gekannt hatte.

Ron nahm sich seiner an. „Rodolphus Lestrange ist da unten eingesperrt. Seine Freunde haben ihn vergessen, als du verschwunden bist, und bisher wollten sie ihn auch nicht wieder. Besonders nützlich ist er nicht, soweit ich gehört hab, schweigt wie ein Grab.“

„Außer, wenn es darum geht, dich psychisch fertig zu machen“, fügte Draco hinzu, ein Grinsen auf den Lippen, als gefiele ihm diese Vorstellung. „Die Schlampe hat er zum Heulen gebracht und Kreacher hängt an seinen Lippen, wahrscheinlich auch jetzt.“

Sirius rappelte sich auf. Jedes Mal fiel es ihm schwerer, anstatt leichter. Seine Beine fühlten sich an, als hätte man Steine an ihn gekettet. Müdigkeit, vermutete er. Für Müdigkeit hatte er keine Zeit. Viel zu viele Jahre hatte er schon verschwendet.

„Ich rede mit ihm“, sagte Sirius. „Was für ein Gastgeber wäre ich, wenn ich nicht Hallo sagen würde?“

Draco folgte ihm zur Tür. „Soll ich mitkommen?“

„Ich dachte, du darfst dort nicht runter? Remus wäre entsetzt.“ Sirius grinste Draco an, wenigstens für den Augenblick, in dem Draco vergaß, dass er sich für zwei Silben schämte. „Ich geh da unten schon nicht drauf. Dauert nicht lange.“

Draco nickte der Wand zu. Sirius würde mit ihm reden müssen, ausgerechnet über das, was er sich für einen Moment hatte aufheben wollen, wenn er Draco wenigstens umarmen konnte. Lange hielt er es aber nicht aus der Einzige zu sein, den Draco nicht ansehen konnte.

Unsicher auf den Füßen stieg Sirius die steile Holztreppe in den Weinkeller herunter. Es war dunkel hier unten, keine Fenster, so wie im Keller der Malfoys. Eine einzige Laterne, gefüllt mit einem warmen Licht, stand auf einer Holzkiste vor den Gittern, die die alten Fässer abtrennten. Auf jeder Seite des Kellers gab es so eine abgeschirmte Reihe, damit kleine, ungezogene Blacks nicht an den Alkohol kamen – bis sie entdeckten, dass man Schlösser mit einem geborgten Zauberstab ganz leicht öffnen konnte. Auf der restlichen steinernen Fläche stapelten sich Kisten mit Vorräten.

Im rechten Abteil mit Weinfässern saß Rodolphus auf dem Boden. Auf der anderen Seite der Gitter hockte Kreacher und murmelte einen unvollständigen Satz, den Sirius nicht in Zusammenhang bringen konnte. Beim Anblick seines Meisters verstummte Kreacher sowieso.

„In dein Nest“, bellte Sirius. Kreacher verbeugte sich tief, schnippte mit den Fingern und hielt im nächsten Moment ein Tablett mit leeren Tellern in den Händen. Rodolphus‘ Verpflegung, wie es schien, war weitaus besser als die von Sirius. Er hatte sogar Decken und Kissen in seiner Zelle.

Rodolphus ließ sich die ersten Worte nicht nehmen: „Ich hatte mich schon gefragt, ob du dich jemals zu mir bequemst.“

„Hatte ziemlich viel zu tun. Verwandtenbesuche, du weißt schon.“

„Ich konnte es mir denken.“ Je näher Sirius kam, desto deutlicher konnte er Rodolphus‘ Gesicht im Schein der Laterne erkennen. Er sah nicht gesund aus, hatte das schon vor vielen Jahren in Askaban eingebüßt, blass und mit eingefallenen Wangen, unrasiert. Sein Haar wucherte in alle Richtungen. Jemand hatte ihm Roben zum Wechseln gegeben oder seine alten gewaschen.

Sirius rieb sich imaginären Schmutz von den Armen. Er zog sich eine Holzkiste an das Gitter heran und setzte sich. Seine Beine dankten es ihm mit einem rhythmischen Pulsieren in den geschundenen Venen.

„Wie ich seh, kümmert man sich gut um dich…“ Dieser bittere Ton verriet mehr, als Sirius eingeplant hatte.

Rodolphus hatte andere schon immer gut einschätzen können. Er erlaubte sich ein Schmunzeln. „Du siehst schrecklich aus, Sirius. Besuche bei der Verwandtschaft haben dich schon immer… angestrengt.“

„War eine anstrengende Nacht, ja.“ Sirius musste sich zu dem Gähnen nicht einmal zwingen. Es lauerte schon eine Weile zwischen seinen Kiefern.

„Wie ich meine Frau kenne, hätte ich auf viele anstrengende Nächte getippt“, sagte Rodolphus. Er zuckte dabei nicht mit der Wimper. „Oh, Sirius, sicher hast du es dir schwerer gemacht, als es hätte sein müssen. Möchte ich wissen, wie du nach Hause gekommen bist?“

„Durch die Tür.“

„Amüsant“, kommentierte Rodolphus ohne einen Funken Emotion in der Stimme. „Spielst du noch immer gerne Spielchen? Ich weiß, dass deine Freunde dich aufgegeben hatten. Dein kleiner Junge war oft hier unten bei mir. Harry Potter, so unerreichbar nah. Er war so voller Zorn. Irgendwie verständlich, wenn man eine Todeseule für alle geliebten Menschen ist, hm?“

„Wie du siehst, sitze ich quicklebendig vor dir“, gab Sirius zurück. Er spürte seine Geduldsfäden jetzt schon reißen. „Entschuldige meine Unhöflichkeit, übrigens. Ich hätte dir etwas mitbringen sollen. Konfekt, Zigarren… die Zeitung. Man sollte stets auf dem neusten Stand sein, was Politik und Wirtschaft angeht.“

„Doch ein Ratschlag deines Vaters, den du beherzigt hast?“ Rodolphus bedeutete ihm fortzufahren. „Ich hoffe, du hast etwas Interessantes für mich.“

„Hm, ja, wo fange ich da an… Wie wäre es mit einem Zug, der sich in Luft auflöst?“

„Wirklich? Äußerst sonderbar. Ein ganzer Zug kann doch nicht spurlos verschwinden.“

Sirius beugte sich vor. Er suchte in Rodolphus‘ toten Augen nach dem Lichtreflex, der ihn verraten würde. „Spurlos nicht, nein. Ein mächtiger Camouflage-Zauber dürfte es aber so aussehen lassen.“

Rodolphus nickte, wie ein Lehrer, der seinen Lieblingsschüler unauffällig loben wollte. „Mit solchen Zaubern kennst du dich aus. Warst du nicht einer der brillantesten Störenfriede, die Hogwarts je gesehen hat? Du und dein kleiner Freund, ihr hättet auch gerne einmal einen Zug verschwinden lassen.“

Ja, das hätte James tatsächlich gefallen. Zumindest in einer gewissen Phase ihres Lebens. „Ich bezweifele, dass es um Vergnügen oder… den Zug ging. Der Inhalt ist viel interessanter.“

„Neuerdings gibst du etwas auf Inhalt? Durchaus interessant. Nach allem, was ich gehört habe, bist du mehr auf Hüllen fixiert.“ Rodolphus gönnte sich ein Lächeln, aber es erreichte nicht seine Augen. Sie blieben dunkel, leer, als hätte ein Dementor ihm schon längst einen Kuss gegeben. „Dein Werwolf-Freund ist auch hier unten zu hören. Er hält nicht viel von deinen… Neigungen.“

Nach allem, was heute zwischen Remus und ihm gewesen war, hatte Sirius Schwierigkeiten diesen Kommentar abzublocken.

„Mein Neffe“, fuhr Rodolphus fort, „ist nie zu mir gekommen. Der Werwolf misstraut ihm. Er denkt, der einzige Grund, warum Draco sich in diesem Haus aufhält, bist du. Eine Teenager-Schwärmerei nennt er es. Ohne dich würde nicht mehr als eine tickende Zeitbombe für mein Schloss bleiben.“

„Und doch sitzt du immer noch hier drin.“ Sirius zuckte die Schultern. „So spielt das Leben…“

„Draco ist nicht dumm“, sagte Rodolphus. Seine Stimme konnte noch eisiger werden und das kleine Lächeln um seine Mundwinkel half tatsächlich dabei. „Er weiß, dass ich, sollte ich einen Fuß hier raussetzen, seinem Dasein ein Ende setze.“ Rodolphus beugte sich vor, presste sein bleiches Gesicht gegen die Gitterstäbe. „Wir wissen beide, dass das nur eine Frage der Zeit ist.“

„Du kommst hier nicht raus.“

Rodolphus lächelte weiter. Sirius‘ Nackenhaare stellten sich auf. Ihm war, als würde die Verletzung auf seinem Rücken prickeln.

„Ich werde nicht zulassen, dass du oder irgendwer Draco auch nur ein Haar krümmt“, sagte Sirius.

„Allerliebst. Wirklich allerliebst. Es scheint in der Natur von Helden zu liegen unschuldigen Wesen kein Haar krümmen zu wollen, egal wie groß der Verlust für sie selbst sein mag“, antwortete Rodolphus.

Jetzt erlaubte Sirius sich ein Grinsen. „Dankeschön.“

Rodolphus zog sich in die Schatten zurück, ehe sich die Verwirrung auf seinem Gesicht ausbreiten konnte. Sirius hatte, weswegen er gekommen war, und verließ den Weinkeller so schnell ihn seine schweren Beine trugen.

Am Küchentisch zankten Draco und Ron sich über irgendeine Lappalie. Ihr gemeinsames Abenteuer schien allerdings die Schärfe aus den Worten genommen zu haben. Bei Sirius‘ Anblick verstummten sie.

„Ich glaube, Voldemort will die Schüler in seine Reihen kriegen“, erklärte Sirius. „Niemand kämpft gegen Kinder. Das ist die perfekte Waffe gegen uns.“

„Keiner würde Voldemort freiwillig…“ Ron schluckte den letzten Teil des Satzes herunter. Er warf einen Seitenblick zu Draco. „Ja, gut, aber nicht jeder würde. Hermine oder meine Schwester niemals. Was wird aus ihnen?“ Er traute sich offensichtlich nicht auszusprechen, was am offensichtlichsten war.

Sirius hatte eine andere Vermutung. „Sowas muss nicht freiwillig geschehen.“

„Eine Marionetten-Armee?“, fragte Draco. Er sah aus, als versuche er den Teil von sich zu unterdrücken, der diese Idee bewunderte.

„Es ist eine gute Idee“, sagte Sirius. „Wenn er die Schüler unter den Imperius-Fluch stellt, kann er sogar elfjährige Kinder auf seinem Niveau kämpfen lassen. Wir könnten nicht viel ausrichten. Nicht gegen Kinder.“

Er wusste, an wen Draco jetzt dachte. Die Schülerin, Laura Madley, die wegen Voldemorts Imperius-Fluch umgekommen war. Draco gab sich ständig die Schuld daran. Elfjährige Kinder, die einen Muggel nach dem anderen auf einem sinnlosen Kreuzzug töteten, würden niemals über so ein Trauma hinwegkommen.

„Wir müssen den Ordensmitgliedern Bescheid sagen. Am besten Dumbledore persönlich“, rief Ron aus und sprang so schwungvoll auf, dass sein Stuhl umfiel.

„Ist zu spät.“ Sirius warf auf dem Weg zurück zu seinem Platz einen Blick in die Zeitung. „Wenn das stimmen würde, wären alle Schüler längst über alle Berge. Die veröffentlichen keinen Artikel, damit wir noch etwas tun können. Das ist eher eine… Ankündigung.“

Ron, inzwischen blasser als Draco, stand auf. „Ich geh mal nach meiner Mutter sehen…“ Oder er redete sich raus, um seinen Kopf in einen Kamin zu stecken, durch den er niemanden erreichen würde, weil alle auf der Suche nach einem verschwundenen Zug waren.

Sirius vergrub das Gesicht in den Händen. Die Dunkelheit linderte seine Kopfschmerzen nicht.

„Black?“ Draco zog seine Hände mühselig auseinander, wie einen schwer zu öffnenden Vorhang. „Komm schon. Eben wolltest du noch blindlings irgendwo ins schottische Hochland stürmen und jetzt ist es zu spät? Ich muss nicht fragen, ob es dir gut geht.“

„Ich wusste, dass er etwas mit dem Hogwarts-Express vorhat“, sagte Sirius. „Er hat’s mir gesagt. Ich hätte nicht rumsitzen und das für leere Drohungen halten sollen.“

Draco schob seine Hände in Sirius‘, streichelte seine Handkanten. Er öffnete den Mund, schien mittendrin zu merken, was seine Finger taten und zuckte zurück.

Sirius hielt ihn fest. „Bleibt das jetzt so?“

„Was meinst du?“

„Du siehst mir nicht in die Augen. Du redest kaum mit mir. Draco, noch eine Stunde davon ertrag ich nicht.“

„Entschuldige…“

Sirius packte Dracos Kinn und hob es hoch. „Du hast keinen Grund dich zu entschuldigen, okay? Es war ein schlechter Moment. Für mich. Ich kann dich nicht mal in den Arm nehmen, ohne behandelt zu werden, als würde ich zerbrechen. Dabei möchte ich eigentlich genau das. Gut… genau genommen möchte ich dich herumwerfen können und die ganze Nacht im Arm halten.“

Draco gluckste zwar, verzog die Mundwinkel aber nach unten.

Sirius folgte dem Bogen von Dracos Lippen mit dem Daumen. „Du weißt schon“, murmelte er schulterzuckend. „Entschuldige dich einfach nicht, okay?“

Je länger Draco ihn ansah, umso heißer wurde das Fleisch unter Sirius‘ Fingern. „Entschuldige“, sagte er mit der nötigen Prise Sarkasmus.

Sirius grinste. „Schon besser.“ Er zögerte, versuchte sich von seinem Herzklopfen abzulenken und fragte sich gleich darauf wieso überhaupt. Sirius zog Draco an sich heran und küsste ihn.

Er hatte vergessen wie süß Dracos Lippen schmeckten, wie süchtig sie machten. Eine Hand schob er in Dracos Haar, ließ die andere auf seiner Wange und küsste ihn tiefer, gieriger, als versuche er ihn zu verschlingen.

Draco packte die Vorderseite von Sirius‘ Pullover. Seine andere Hand wanderte unentschlossen auf- und abwärts, ehe er die Suche nach einem unverletzten Stück Fleisch aufgab. Mit Zunge und Körper schob er sich vorwärts, dicht an Sirius heran, und küsste ihn mit allem, was er hatte.

Sein Herz pochte bis in seine Ohren. Alles, was er an Blut noch hatte, brannte sich wie Feuer durch seinen Körper. Er glaubte, jemanden seinen Namen rufen zu hören, und wollte wie ein verschlafenes Kind um noch zehn Minuten bitten.

„Sirius? Sirius!“ Aber da rief wirklich jemand seinen Namen. „Siri – oh.“

Sie lösten sich voneinander, brachen auseinander, als hätten sie sich an ihren Lippen verbrannt. Im Türrahmen der Küche stand Harry. Er blickte von Draco zu Sirius, hochrot im Gesicht, schüttelte den Kopf. Dann stürzte er los und warf sich Sirius um den Hals.


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