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Fanfiction

Schattenland - Teil I: Welt aus Asche

von solvej

Willkommen, willkommen... das Theater ist nun offiziell eröffnet und wir haben uns hier zum ersten von vier Akten zusammengefunden.

@Lil: Du bist die Beste, falls ich dir das noch nicht gesagt hab. Und wenn doch, dann kann es auch bei der hunderdsten Wiederholung nicht schaden... :-*

@steinchen: Heh, wow, danke für das Kompliment!
Um die Wahrheit zu sagen war diese Story schon fertig, bevor ich V/U wieder aufgenommen habe - und sie war der einzige Grund dafür... Ist auch etwas ganz anderes diesmal. Hope you like it! :)

@Petz: Vielen Dank! Freu mich, dass es dir soweit gefällt und hoffe, dass dem so bleibt!

Nun denn, Vorhang auf...



___________________________________________



Teil I: Welt aus Asche


„Bei Merlin, was tust du denn hier, Harry?“

Starr vor Entsetzen ob der verheerenden Erkenntnis seines eigenen Todes hatte Harry nicht bemerkt, wie sich ihm hastige Schritte genähert hatten, sprunghaft, unregelmäßig, immer von einer Deckung zur nächsten huschend. Mit einem schnellen Ruck drehte er sich um.

Wäre es möglich gewesen, er war sich sicher, seine Augen hätten in diesem Moment Handtellergröße erreicht. Mit einer Mischung aus übergroßer Freude und Entsetzen – und Unglauben, weil er sich noch nicht sicher war, ob das vielleicht alles eine Wahnphantasie sein könnte – starrte er Sirius an, der jetzt die letzten Meter zu ihm überbrückte und Anstalten machte, ihn zu umarmen. Erschöpft und erleichtert nicht völlig allein zu sein, ließ Harry sich gegen den warmen, lebendig wirkenden Körper seines Paten sinken, dessen unruhiger Atem das Beruhigendste zu sein schien, das Harry seit langem gehört hatte.

Als Sirius seine kräftige Umarmung schließlich löste und Harry ihm endlich ins Gesicht blicken konnte, sah er zu seiner Verwunderung Tränen in Sirius Augenwinkeln. Sirius, der Held, der Unerschütterliche, auf dessen Stärke er sich immer verlassen hatte können, weinte. Auch Sirius schien das in diesem Augenblick bewusst zu werden und er blinzelte seine Tränen beiseite und wischte sich in einer schlecht getarnten Geste der Ratlosigkeit über das Gesicht, wobei die Feuchtigkeit dunkle Streifen auf der aschegefärbten Haut zurückließ, die wie Male der Verzweiflung zurückblieben.

„Wie...“, setzte er mit heiserer Stimme an, brauchte aber noch ein schwaches Räuspern, ehe er einen ganzen Satz zustande brachte. „Warum bist du hier, Harry, was ist passiert?“

Beschämt senkte Harry den Blick, als ihm bewusst wurde, weswegen Sirius so erschüttert war. Er zwang sich, die Fassung zu behalten und holte tief Luft, ehe er Sirius in die Augen sah und sagte: „Es ist alles gut. Es ist vorbei.“

„Du meinst, Voldemort...“

Harry nickte. „Vorbei.“

Er wusste nicht einmal, warum er sich dessen so sicher sein konnte, aber er war es. Irgendeine tiefe Überzeugung war in ihm, die ihm nicht nur sagte, dass er durch sein Verlieren gesiegt hatte, sondern auch, dass sie richtig war. Eine Sicherheit, die kaum mit etwas zu vergleichen war, außer vielleicht jenem Gefühl der Unfehlbarkeit, das ihn ergriffen hatte, als er Felix Felicis getrunken hatte.

Einige Sekunden noch sah Sirius ihm fest in die Augen, als würde er darin nach weiteren Antworten suchen, auf Fragen vielleicht, die er nie zu stellen gewagt hatte, bevor er seinen Blick über den grauen Horizont ohne Licht und ohne Dämmerung schweifen ließ. Wieder schien er nach den richtigen Worten zu suchen und entschied sich schließlich für: „Du siehst jung aus.“

Harry runzelte anstelle einer Antwort die Stirn. Denn Sirius sah verstörenderweise noch genauso aus wie das letzte Mal, als er ihn gesehen hatte, nur müder und schmutziger. Bei genauerer Betrachtung glaubte Harry sogar zu erkennen, dass er die gleiche Kleidung trug wie damals. Bloß, dass sie inzwischen grau und abgetragen war, die Säume ausgefranst und an seinem ehemals schwarzen Hemd fehlte der eine oder andere Knopf.

„Es gibt hier keine Zeit. Morgen, Abend, Winter, Sommer. Alles gleich.“ Sirius zuckte mit den Schultern, als wisse er auch nicht, was er davon halten sollte.

„Es sind zwei Jahre“, sagte Harry leise, während er Sirius Blick auswich, indem er auf die kleinen Büschel vertrockneten Grases zu seinen Füßen starrte. „Zwei Jahre, seit...“

Sirius nickte, ehe Harry den Satz beenden konnte, dieser führte ihn aber trotzdem nach einem kurzen Atemholen zu Ende. „Seit du hier bist.“ Plötzlich durchzuckte Harry ein jäher Gedanke: „Dumbledore!“ Er, der immer auf alles eine Antwort gehabt hatte. Wenn er hier war, dann würde er wissen, dass alles in Ordnung kommen würde. Irgendwie. Einen Weg aus dieser Ödnis finden.

„Ja?“, fragte Sirius nach, indem er beide Augenbrauen hochzog.

„Ist er hier? Ich muss mit ihm reden, sofort! Wie groß ist das hier? Er muss doch irgendwo...“ Harry hielt in seinem Redefluss inne, als er sah, wie Sirius’ Miene versteinerte. „Was ist los?“

„Er ist nicht hier.“ Keine Emotion lag in der Stimme seines Paten, er wirkte wie vom Blitz getroffen.

Die Erkenntnis kroch Harry wie tausend winzige Spinnenbeine den Rücken hoch. „Er... du wusstest das nicht? Aber...“

„Nicht alle kommen hier her, denke ich. Nicht alle bleiben.“ Sirius seufzte tief und ließ seinen schweren Blick aus dunkel umschatteten Augen über den wolkenschweren Himmel schweifen, der selbst hinter der dichten Wolkenschicht sternenlos war und es auch immer sein würde. „Niemand bleibt, über kurz oder lang.“

„Aber warum bist du–“

Harry kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu vollenden, weil Sirius, dessen Blick nie irgendwo länger als ein paar Sekunden verharrte, hinter ihm etwas entdeckt zu haben schien und ihn scharf zur Seite riss. Hektisch wandte Harry sich um, versuchte zu sehen, was Sirius sah, konnte aber nichts entdecken, außer Staub und Trostlosigkeit und noch mehr Staub.

„Lauf!“, schrie Sirius und rannte auch schon in Richtung der Ruinen, ehe er sich umwandte, weil er merkte, dass Harry ihm nicht folgte. „Schnell, wenn du nicht willst, dass alles noch schlimmer wird!“, rief er noch einmal, drängender, und die Panik, die in seinen Augen glänzte, brachte Harry endlich dazu, sich aus seiner Starre zu lösen. Kaum dass er sich bewegte, spürte er etwas, ein saugendes Gefühl, wie sumpfiger Boden unter seinen Füßen, obwohl der Untergrund trocken und rissig war, und jenes Gefühl zog sich wie klebriger Sirup über seinen ganzen Körper und wollte ihn zurückhalten, jetzt da er hinter Sirius her lief, als ginge es um sein Leben, das er doch schon verloren hatte. Sein Atem ging keuchend und Blut pulsierte in seiner Schläfe, wo die noch frische Wunde lag, und er dachte, sein Kopf würde jeden Moment zerspringen, aber er lief weiter, weiter, Staub und Asche in seiner Lunge, seinen Augen. Sein Blick war verschwommen und er stolperte, verlangsamte nur für einen Moment seine Schritte und spürte schon wieder das klebrige Ziehen in die entgegengesetzte Richtung, als würde er gegen ein Gummiband laufen. Er riss sich erneut los, warf einen schnellen Blick über die Schulter und konnte immer noch nichts sehen, weil der Schmutz unter seinen Lidern ihm die Sicht nahm. Der scharfe Luftzug und die Anstrengung trieben ihm Tränen in die Augen, welche die Asche herauswuschen und für einen Moment konnte er wieder klar sehen. Diesen nutzte er, um nochmals nach hinten zu blicken, ohne aber den Verfolger ausmachen zu können. Höchstens war da etwas in der Luft gewesen, oder war es überhaupt nur Luft, die an einigen Stellen etwas... dichter wirkte, als woanders? Aber Harry konnte nicht mehr denken, weil sein Körper jeglichen Sauerstoff zum Rennen brauchte, den er aus der ascheschweren Luft herausfiltern konnte.

Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es ihm schien, spürte er, wie das ziehende Gefühl um seinen Körper nachließ und, weitere gefühlte Stunden später, schließlich ganz verschwand. Sirius trabte noch eine Weile weiter, bis er sich allem Anschein nach sicher fühlte und ließ sich schließlich auf einen Flecken Gras fallen, dem man beinahe noch ansehen konnte, dass er einmal grün gewesen sein mochte. Harry tat es ihm gleich und mehrere Minuten lagen sie einfach auf dem Rücken, keuchend, ohne zu sprechen, bis sich der Puls wieder beruhigt und die Atmung normalisiert hatte.

„Was... zur Hölle... war das?“

Sirius blieb ihm eine Erklärung schuldig. Wieder vergingen Minuten in Stille, während sie beide in die Wolken starrten, die sich auftürmten, ineinander wanden, als würden sie jeden Augenblick brechen, um das Ödland darunter durch ihre Wassermassen in ein fruchtbares Paradies zu verwandeln. „Es regnet nie“, sagte Sirius wie zur Antwort. „Es gibt hinter der Stadt so eine Art Brunnen, da kannst du versuchen dich zu waschen, obwohl es nichts bringen wird, das Wasser ist schmutziger als du es jetzt bist. Und trinken, wenn du unbedingt möchtest.“

Wie auf ein Stichwort hin merkte Harry, dass seine Kehle so trocken war wie Schleifpapier und jedes Schlucken so weh tat, als würde er ein Stück Stacheldraht herunterwürgen.

„Aber du musst nicht“, setzte Sirius mit einem kurzen Seitenblick hinzu. „Du wirst dich daran gewöhnen.“

***


Harry trottete einige Schritte hinter Sirius her, der immer noch wachsam auf eine Ansammlung von Ruinen zusteuerte, die er vorher als „die Stadt“ bezeichnet hatte. Zu viel ging ihm jetzt im Kopf herum. Warum waren nicht alle hier? Warum dann er? Wohin gingen jene, die einmal hier gewesen waren? Es ergab alles keinen Sinn. Und wovor waren sie weggelaufen?

„So“, sagte Sirius, wahrscheinlich weil er etwas wie „Willkommen“ für solch einen Ort als unangemessen erachtet hatte. Es war ein Haus und zumindest noch als solches erkennbar, obwohl das Dach fehlte und die Balken wie dunkle Gerippe vor dem Wolkenhimmel standen. Vor die Fenster waren Bretter genagelt, von denen manche schon wieder morsch geworden und abgefallen oder heruntergerissen waren. Sirius hob die Tür, die keine Scharniere mehr hatte, zur Seite und ließ Harry den Vortritt. Hinter sich stellte er die Tür wieder an ihren Platz zurück und Harry wurde von jäher Dunkelheit umfangen. Hier und da tanzten Staubflocken in den Lichtstreifen, die durch die vernagelten Fenster fielen. Unter seinen Füßen knirschte der Boden.

„Einfach geradeaus“, sagte Sirius und wies auf einen Durchgang, der statt einer Tür mit bunten Plastikstreifen verhängt war, die aussahen, als wären sie aus Einkaufstüten geschnitten worden.

Zögernd schob Harry sie mit einer Hand zur Seite und dahinter offenbarte sich ein kärglich eingerichteter Raum mit einem Tisch, drei Stühlen, von denen einem ein Bein fehlte, einer Art Bank an der rückwärtigen Seite und einem Regal, in dem allerlei Gerümpel lag – leere Blechdosen, verbogene Löffel, ein paar Steine, ein fleckiges Tuch. Die beiden intakten Stühle waren von einer blonden, kurzhaarigen Frau und einem kräftigen Mann mit Schnurrbart besetzt, beide noch jung, jedoch lag in ihren Blicken ein Alter, das weit über ihr körperliches hinausging. Sie hatten einander die Köpfe zugeneigt und führten anscheinend ein rasches, geflüstertes Gespräch, von dem Harry kein Wort verstehen konnte.

Als sie das leise Rascheln des Türvorhangs hörten, sahen sie gleichzeitig auf und Erleichterung machte sich auf ihren Gesichtern breit.

„Sirius! Endlich!“, stieß die Frau hervor und sprang auf. Wie einen Rock trug sie eine Art Sack, der mit einem Stück Stoff in der Taille zusammengehalten wurde. Darüber ein löchriges Sweatshirt, das ihr viel zu groß war und irgendwann einmal rot gewesen sein musste. Schuhe hatte sie keine. Bis über ihre Knöchel hinaus waren ihre Füße staubverkrustet und grau.

„Was ist passiert?“, fragte nun der Mann mit einem besorgten Stirnrunzeln. Seine Kleidung befand sich in ähnlichem Zustand wie die der Frau, allerdings trug er noch zerfledderte Lederschuhe an den Füßen.

Sirius schnaubte. „Das Übliche“, und fügte dann an Harry gewandt hinzu: „Man kann nie wissen, wie viel Zeit für einen anderen in der Zwischenzeit vergangen ist, wenn es kein heute und kein morgen gibt.“ Dann nickte er in Richtung der beiden anderen und erklärte: „Das sind Alice und Frank. Und das hier – das ist Harry.“

Ein kurzes Schweigen entstand, wärend alle sich betreten musterten, bis die Frau namens Alice schließlich einen Vorstoß machte und sagte: „Tja, was man in so einer Situation am Besten sagt, lernt man wohl nie“, und ein bisschen gezwungen lachte, wofür Harry ihr trotzdem unglaublich dankbar war. Frank reichte ihm schweigend die Hand.

Nur für einen kurzen Moment blitzte in Harrys Erinnerung ein Bild auf, das aber eine Gedankenlänge später schon wieder verschwunden war. Er blieb mit einem leisen Schleier der Verwunderung zurück und suchte in Franks Augen, der ihn immer noch ernst musterte, nach einem Anhaltspunkt. Und langsam dämmert es Harry, was er wohl vom ersten Augenblick an erkannt, aber unterbewusst so weit von sich geschoben hatte, dass er sich sein Wissen nicht eingestehen musste. Er kannte diese Augen. Diesen Zug um Alice’ Mund, wenn sie lächelte. Die Farbe ihrer Haare...

Nevilles Haare.

Ihm gegenüber standen Frank und Alice Longbottom. Mühsam schluckte Harry, während er versuchte, sein Entsetzen nicht allzu offen zu zeigen. Der Raum schien mit einem Mal immer kleiner um ihn zu werden und das Atmen fiel ihm schwer. Die Stimmen der anderen schienen ihm nur noch als Echos aus weiter Ferne zu kommen. „Ich muss nur kurz...“, stammelte er und kämpfte sich schon nach draußen, durch den Plastikvorhang, der ihn wie ein Spinnennetz einfangen wollte, den düsteren, fensterlosen Vorraum und hinaus durch die angellose Tür, die polternd zu Boden fiel.

Die Luft war so schwer von Asche, dass jeder Atemzug im Hals brannte, aber als er sich kraftlos gegen die bröckelnde Wand fallen ließ, glitt die bedrückende Enge des kleinen Hauses ein wenig von ihm ab.

Einige Minuten mochten vergangen sein, bevor Sirius ihm schließlich folgte. Schweigend richtete er die Tür wieder auf und lehnte sie in den Rahmen, um dann schließlich eine Weile neben ihm an die Wand gelehnt zu stehen, die Hände tief in den Taschen vergraben, den Blick starr auf den schwarzen Wald gerichtet, der sie statt eines Horizonts umfing.

„Mach dir nichts daraus. Das passiert anfangs öfter“, sagte Sirius schließlich. „Lagerkoller.“

Harry nickte nur und folgte Sirius, der sich, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, mit den Schultern von der Wand abgestoßen hatte und nun anscheinend ohne besonderes Ziel in die nächste Häuserschlucht eindrang.

„Warum sind sie hier?“, fragte Harry lange Zeit später, in der sie schweigend zwischen den Trümmern der gefallenen Stadt umhergestreift waren. Manchmal war es Harry gewesen, als hätte er von Ferne, hinter einem verbarrikadiertem Fenster oder in einem finsteren Hauseingang eine Bewegung, einen Menschen ausgemacht, aber bevor er sie genauer ins Auge fassen konnte, war die Bewegung auch schon wieder verschwunden, als sei sie nie da gewesen.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Sirius schließlich. „Sie waren schon hier, als ich... ankam. Und sie haben mich gefunden, so wie ich dich, wir kannten uns ja, von damals. Sie hatten keine Idee, dass so viel Zeit vergangen ist – auf der anderen Seite.“

„Aber“, Harry zögerte einen Moment, fand aber keine besseren Worte. Keine, die etwas weniger drastisch geklungen hätten. „Aber sie sind nicht tot.“

„Ja, das habe ich ihnen auch gesagt. Sie wussten es gar nicht.“ Sirius zuckte mit den Schultern und Harry sah ihn einen Augenblick lang entsetzt an. „Vielleicht ist das bloß noch eine Hülle, die drüben liegt und atmet. Und der Rest ist hier.“

„Aber warum –“ Harry unterbrach sich und biss sich auf die Unterlippe, die prompt wieder zu bluten begann.

Sirius sah ihn bedauernd von der Seite an. „Ich weiß es nicht. Menschen kommen und gehen. Ich weiß auch nicht wohin, oder warum, aber sie verschwinden, und ich glaube, dieses Verschwinden ist gut. Alles ist besser als das hier.“ Er lachte bitter und fuhr fort: „Gut möglich, dass manche im selben Moment verschwinden, in dem sie hier ankommen. Wie Dumbledore vielleicht. Aber ich kann es nicht sicher sagen. Wer gezwungen ist, hier zu sein –“, er suchte nach dem richtigen Wort, „– bleibt in dieser Stadt. Dahinter ist nichts. Ödland. Irgendwann der brennende Wald, und wenn du den durchquerst kommst du auf der gegenüberliegenden Seite wieder heraus, so heißt es.“ Ein weiteres Mal seufzte Sirius resigniert. „Das alles aussprechen zu müssen ist viel härter, als es einfach nur zu wissen.“

Verstohlen musterte Harry ihn von der Seite. Der Stolz der in seinem Blick gelodert hatte, war noch nicht ganz verschwunden, aber sein Gang, der aufrecht und kraftvoll gewesen war, wirkte müde und schleppend.

„Mad-Eye ist hier“, sagte Sirius unvermittelt. „Wir könnten vorbei schauen, wenn du möchtest.“

Harry war sich nicht ganz sicher, ob er wollte. Die Begegnung mit Frank und Alice hatte ihn genug verwirrt. Wo er bei Sirius noch beinahe Erleichterung verspürt hatte, weil er einen Vertrauten in dieser fremden und abweisenden Welt gefunden hatte, so war bei ihnen beiden nur Bedrückung und Entsetzen gewesen. Bei Mad-Eye würde es kaum besser sein, obwohl der immerhin –

Harry unterbrach seinen eigenen Gedanken. Immerhin was? Ein erfülltes Leben geführt hatte? Oder weil er wirklich tot war, im Gegensatz zu den beiden, deren Körper auf der anderen Seite in einem Krankenhausbett in St. Mungos lagen und regelmäßig von ihrem Sohn besucht wurden, der mit ihnen sprach und ihre Hände hielt, als könnten sie ihn noch verstehen? Harry spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg. Er stolperte und fiel auf alle Viere nieder, merkte am Rande, wie er sich die Hände aufschlug und Steine sich in seine Handflächen bohrten. Der Würgereiz nahm überhand, aber außer trockenem Husten und ein wenig grünlichem Schleim, den Harry angewidert ausspuckte, passierte nichts. Wenn man nicht aß, gab es auch nichts, das man hochwürgen konnte, fiel ihm ein.

Er setzte sich schwer atmend auf und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Sirius stand ein paar Meter weiter und sah sich argwöhnisch um, als würde er Wache halten.

Mit einem Finger kratzte Harry sich den Schmutz aus seiner blutigen Handfläche und automatisch griff er zu seiner Tasche, in der er immer seinen Zauberstab bei sich trug.

Sie war leer.

„Sirius!“ Panisch sprang Harry auf und rannte zu seinem Paten hinüber, der sich erschrocken umgewandt hatte. „Der Zauberstab ist weg, ich muss ihn verloren haben, er ist... er muss noch da sein, wo ich angekommen bin, wir müssen –“ Atemlos rang er nach den richtigen Worten, um Sirius den Ernst der Lage klar zu machen, weil jener nach dem ersten kurzen Schreckmoment wieder in seine ruhige Wachsamkeit zurückgekehrt war.

Nun legte er Harry beide Hände auf die Schultern und sah ihn durchdringend an. „Nutzlos.“

„Ich – was? Aber es geht um meinen Zauberstab!“, wiederholte Harry deutlich, als hätte Sirius ihn vielleicht falsch verstanden und von seiner Zahnbürste gesprochen.

„Du kannst hier nichts damit anfangen, außer du willst jemandem damit ins Auge stechen“, sagte Sirius. „Aber warum solltest du?“

Diese Nachricht schmetterte Harry so nieder, dass ihm erneut die Beine versagen wollten. Bevor es so weit kam setzte sich Harry einfach auf den Boden, und lehnte sich einen Moment gegen einen würfelförmigen Betonklotz, der herumlag und keinem offenkundigen Zweck zu dienen schien – wahrscheinlich auch gar keinen hatte. Was hatte hier auch schon einen Zweck?

Erschöpft ließ Harry seinen Kopf nach hinten sinken und schloss einige Herzschläge lang seine Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er Malfoy, der ein Stück weiter über die Straße stolzierte, als würde sie ihm gehören und diese Miene präsentierte, die sagen wollte „Ich trage das Leid der ganzen Welt auf meinen Schultern und hasse sie dafür.“

Harry schnappte nach Luft. „War das... Malfoy?“ Es hätte alles sein können. Ein Schreckgespenst, eine Halluzination, eine Heimsuchung. Wenn Sirius es nur nicht gesehen hätte.

„Der ist seit einiger Zeit hier. Noch nicht so lange, wenn du mich fragst, aber wer kann das schon sagen.“

„Wieso...?“ Harry hatte nicht mehr die nötige Kraft, um die Frage zuende zu führen, aber Sirius verstand auch so.

„Er spricht mit niemandem. Keiner weiß es.“

Lange noch starrte Harry auf den Punkt in der Häuserflucht, an dem Draco wieder verschwunden war, wie das Phantom, für das er ihn zunächst gehalten hatte.

***


Später, als Harry glaubte es verkraften zu können, saßen sie wieder im Haus, sprachen, immer leise, als hätten sie Angst, von irgendjemandem belauscht werden zu können. Alice hatte sich in einem Nebenzimmer auf ein paar ausgebreitete Lumpen gelegt, um „zu ruhen“, wie sie es formulierte, weil schlafen wäre ein zu beschönigender Ausdruck gewesen.

Frank und Sirius saßen am Tisch, Frank reglos und statuenhaft, während Sirius auf dem dreibeinigen Stuhl schaukelte, und Harry stumm auf der Bank in der Zimmerecke lag. Er war halb in Gedanken versunken, halb lauschte er dem Gespräch der beiden Männer, aus dem er sich keinen Sinn zusammenreimen konnte.

„Was macht ihr eigentlich hier?“, fragte er schließlich mitten in das Gespräch herein und die beiden hielten inne, musterten ihn beinahe argwöhnisch. „Ich meine... ihr müsst nicht essen, nicht trinken...“ Harry wartete auf ein bestätigendes Nicken, das nicht kam, stattdessen nur ein leicht ungeduldiges Rucken mit dem Kopf, das ihn aufforderte, zum Punkt zu kommen. „Wartet ihr einfach auf...“

„Den nächsten Tod?“ Sirius verzog den Mund in dem Versuch sich seine Frustration nicht anmerken zu lassen. Überflüssig zu sagen, dass es ihm nicht gelang.

Obwohl er wusste, dass es darauf keine Antwort gab, und die natürliche Reaktion gewesen wäre, betreten zu Boden zu sehen oder das Thema zu wechseln, konnte Harry nicht anders, als Sirius in die Augen zu sehen – nur für einen Sekundenbruchteil, länger ertrug er dessen schwermütigen Blick nicht – erwiderte er, die Stimme so gefasst er konnte: „Ja.“

Während Frank auf seine gefalteten Hände starrte, die auf dem Tisch vor ihm lagen, weil er es offenbar als Sirius’ Verpflichtung oder Freiheit ansah, den Neuankömmling aufzuklären, seufzte jener tief und lehnte sich schicksalsergeben zurück. „Ich war nicht zufällig dort draußen, wo ich dich aufgelesen habe.“ Er verstummte einen Moment und Harry hatte das Gefühl, er würde auf einen Einwand warten, eine Frage, von der er nicht wusste, wie er sie zu stellen hatte. Nachdem Sirius’ Blick unruhig über Harrys Gesicht gehuscht war, fuhr er schließlich fort: „Ich war auf der Suche nach... niemand bestimmtem. Leuten wie dir, die hier ankommen und verwirrt sind, nicht wissen, wo sie sind. Nicht allen ist klar, dass sie tot sind. Es geht oft so schnell. Alles Zauberer.“ Erneut hielt er inne und sah Harry an, diesmal hart und direkt, ohne ein Flackern in seinem Blick. „Niemand, der eines natürlichen Todes gestorben ist.“

Harrys nächster Herzschlag schien auszusetzen und für einen Moment lang stand alles still, soweit das möglich war an einem Ort, an dem es keine Zeit gab. Er konnte nicht anders, als wieder Frank Longbottom anzustarren, dessen Schultern so gebeugt waren, als würde er die unsichtbare Last tausend verlorener Leben mit sich herumtragen, nicht tot, nicht lebendig, gefangen an diesem Ort, an dem es kein Vor und kein Zurück mehr gab.

„Aber...“, Harry zögerte. Der Gedanke hinter diesem Auflesen der Gestrandeten schien ihm eher nobel als bedrohend und er verstand nicht, warum es Sirius so schwer fiel, darüber zu sprechen. Natürlich war es keine schöne Aufgabe, Menschen mitzuteilen, dass sie gerade gestorben waren und sie auf unbestimmte Zeit an einem Ort festsaßen, der so weit von Himmel und Hölle entfernt lag, dass man sogar die Hoffnung darauf vergaß. Jedoch...

Langsam hob er den Kopf und sagte mit plötzlich trockenem Mund: „Irgendwas war da draußen... Irgendein Wesen...“

Sirius sah zur Seite und Frank krallte seine Finger noch fester ineinander. „Es sind keine Wesen“, sagte er scharf, die Stimme heiser und die Kiefer verkrampft.

„Wir haben keinen Namen für sie. Selbst sie Schemen oder Geister zu nennen scheint zu viel“, fügte Sirius ernst hinzu.

Entgegen seinem Gefühl, dass er bald alles dafür geben würde, die unweigerlich folgenden Informationen wieder vergessen zu können, fragte Harry nach: „Was sind sie?“

Sirius zuckte mit den Schultern. „Am ehesten könntest du sie wohl mit Dementoren vergleichen. Aber auf ihre Art subtiler. Und schrecklicher.“

Die Tatsache, dass ein Dementor bislang den größtmöglichen Schrecken dargestellte hatte, den Harry sich vorstellen konnte, und das hier noch schlimmer sein sollte, jagte ihm einen kalten Schauer das Rückgrat hinab.

„Sie kommen nicht hier her. Nicht in die Stadt“, setzte Sirius wie zur Beruhigung hinzu, obwohl es dafür längst zu spät war. „Aber aus irgendeinem Grund kommen alle in der Einöde an und wissen nicht, in welcher Gefahr sie sich befinden. Und wenn sie es merken, ist es schon zu spät. Du hast gesehen, was passiert.“ Sirius sah Harry ernst in die Augen. „Deswegen versuchen wir sie zu finden, bevor die anderen sie finden.“

Nun verstand Harry die Gefahr, in die Sirius sich regelmäßig begab, Franks und Alice’ Besorgnis, das Unbehagen, das knappe Entkommen. Bis auf eines. „Aber was passiert? Ich meine, wenn sie dich bekommen.“

Sirius warf einen raschen Seitenblick auf Frank, dessen wenige Farbe, die er noch im Gesicht hatte, mit einem Schlag entwich. „Ich selbst habe es noch nicht miterlebt. Aber Frank...“ Er zögerte noch fortzufahren, aber bevor er zu einer Entscheidung gekommen war, erhob Frank sich langsam, so als wäre höchste Konzentration dafür notwendig, und verließ den Raum mit langsamen Schritten, von denen jeder mit solchen Anspannung und mit Bedacht getan wurde, wie der einfache Prozess des Aufstehens ihn schon gekostet hatte.

Nachdem das Geräusch der sich öffnenden und wieder schließenden Vordertür verklungen war, erklärte Sirius: „Er gibt sich die Schuld. Immer wenn er jemanden verliert. Dabei kann er nichts dafür, eher noch wären alle von Vornherein verloren, wenn wir nicht die Gefahr auf uns nehmen würden, um ein paar zu retten. Wobei, retten –“, er lachte rau auf. „Würdest du das hier als Rettung bezeichnen?“

Wieder fehlten Harry die Worte. Das dumpf pochende Gefühl, dass ihn über ein Jahr lang begleitet hatte tauchte wieder in ihm auf, jenes Gefühl, das er Frank Longbottom so gut nachempfinden konnte. Mal rasend wie ein Feuer in seiner Brust, das ihn von innen heraus zerreißen wollte, mal eine über allem dumpf schwelende Übelkeit, die sich in seiner Magengegend festgesetzt hatte, mal pulsierende Kopfschmerzen, als hätte man ihm dieses eine Wort mit glühendem Metall direkt ins Gehirn gebrannt – Schuld. Er hatte sich so lange schuldig an Sirius’ Tod gefühlt und nur durch die Zeit und die unzähligen Worte, die ihm das Gegenteil wieder und wieder eingebläut hatten, war das Gefühl langsam abgeklungen. Verebbt wie das wütende Meer, das sich nach einer Flut langsam wieder zurückzieht, obwohl manchmal noch eine Welle ausschlägt und alles für einen Moment wieder zurückbringt, lähmend, gnadenlos.

„Sirius, es –“, bevor Harry den angesetzten Satz zu Ende bringen konnte, drangen laute Stimmen zu ihnen herein und Sirius hob alarmiert den Kopf.

„...hast gefälligst dafür Verantwortung zu übernehmen!“, hörte man Franks Stimme sich ungewohnt laut erheben und dann Lärm wie von splitterndem Holz, in dem die ebenfalls wütend vorgebrachte Antwort unterging.

Alice kam ebenso aufgeschreckt wie Sirius aus dem Nebenzimmer gelaufen. Ihre Haare waren zerzaust und die Ringe unter ihren Augen noch tiefer, als wäre sie noch erschöpfter als zuvor. „Was ist los?“

Ohne ein Wort war Sirius schon aufgesprungen und zur Tür gelaufen, Alice auf seinen Fersen, und Harry folgte zögernd. Vielleicht war das ein Streit, der ihn nichts anging, etwas Privates. Aber andererseits war das ein Ort ohne Zeit und ohne Gesetze, und schlussendlich trieb ihn die Neugier nach draußen.

Gefühlte Stunden waren für Harry vergangen, seit er angekommen war, und sein Verstand sagte ihm, dass es längst Nacht sein müsse, aber der Himmel war noch im selben Zustand wie vorher, wolkenverhangen und grau. Ewiges Zwielicht. Frank stand gebeugt an der Hauswand, mit einer Hand auf das Brett unter einem vernagelten Fenster gestützt. „Es ist nichts“, sagte er. „Nur keine Aufregung.“

Einer plötzlichen Eingebung folgend hob Harry den Kopf und sah in die andere Richtung – vielleicht hatte ihn auch ein Geräusch aufgeschreckt, das er bewusst nicht wahrgenommen hatte – und sah eine Gestalt in einer schmalen, dunklen Gasse verschwinden. „Malfoy!“, zischte er durch zusammengebissene Zähne und rannte los. Als Sündenbock war er mehr als willkommen, der Wunsch zu schlagen und zu verletzen brannte unter Harrys Nägeln.

Er hörte noch, wie Alice ihm „Harry, nicht!“ nachrief, sah aber nicht mehr ihren erschrockenen Ausdruck und Sirius’ resigniertes Kopfschütteln. Und wie Frank ihr eine Hand auf den Arm legte, um sie wieder ins Haus zu führen, und wie sie mit einem letzten besorgten Blick die Tür hinter ihnen schloss.

***


Der Rhythmus seiner Schritte hallte dumpf zwischen den Hauswänden wider. Schatten und Dunkelheit, sonst nichts, Engpässe, eingestürzte Mauern. Harry war Malfoy oder dessen Phantombild in eine Seitengasse gefolgt, hatte ihn aber einen Sekundenbruchteil später aus den Augen verloren. Er war nach links verschwunden, aber Harry konnte die genaue Stelle nicht mehr ausmachen. Alles sah hier gleich aus – nackte Steinwände, aufgerissener Beton, rostig hervorstehende Metallstreben, morsches Holz. Ob Draco hinter einer Tür oder zwischen den Ruinen verschwunden war, schien unmöglich auszumachen. Harry blieb stehen, lief weiter, den erstbesten Weg den er fand, machte weit entfernt im Halbschatten eine Bewegung aus und lief darauf zu, folgte ihr, hörte ein Geräusch aus der anderen Richtung und nahm dessen Spur auf, sah flüchtig über die Schulter nach hinten, hatte keine Chance mehr, den Weg zurück zu finden.

Einige Zeit noch rannte er, das Blut pulsierte hinter seinen Schläfen wie eine ferne Buschtrommel, die ihn immer weiter antrieb, aber irgendwann verließ ihn auch das letzte bisschen Kraft, als das Adrenalin seine Wirkung verlor. Mit eisernem Willen trieb er sich zunächst noch zu einem müden Trott an, konnte jedoch allzu bald kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen und musste sich selbst ein müdes Schlurfen zugestehen, eine Hand stets an die nächste Mauer gestützt. Als er mit Sirius angekommen war, hatte er zwar nicht weiter darauf geachtet, aber die sogenannte Stadt war ihm nicht größer erschienen als eine zufällig hingewürfelte Anhäufung von einigen wenigen verfallenen Gebäuden, und nun schien es ihm unerklärlich, wie er sich so vollkommen und unwiderruflich hatte verirren können. Auch wurden die Wege nicht heller, erweiterten sich nicht plötzlich zu einem Platz, den er vielleicht wiedererkannt hätte, sondern schienen im Gegegenteil immer dunkler und enger zu werden, je angestrengter er suchte. Schlimmer noch, wo er zunächst noch die Anzeichen menschlicher Anwesenheit zu sehen geglaubt hatte, hinterließ ihr Fehlen jetzt ein unsichtbares schwarzes Loch, das jede Hoffnung erbarmungslos in sich einsog.

„Himmel oder Hölle, Potter?“, höhnte eine allzu vertraute Stimme direkt hinter ihm.

Harry fuhr herum. Malfoy stand im Obergeschoß eines halb-verfallenen Hauses auf einem eingestürzten Mauerfragment und hielt ein stümperhaft gefaltetes Blatt Papier in der Hand – vergilbt, brüchig – das er beinahe zärtlich betrachtete. Dann sah er auf, den provokanten Blick direkt auf Harry gerichtet: „Na?“

„Hölle“, sagte Harry tonlos.

Malfoy hob elegant eine Augenbraue und ließ das gefaltete Papiermaul aufschnappen. Mit gespielter Überraschung blickte er hinein, dann wieder zu Harry hinunter und erklärte gedehnt: „Leider falsch, Potter. In Ermangelung von Farben steht hier hellschwarz für Himmel, dunkelschwarz für Hölle, und wie du bestimmt erkennen kannst“, er wandte das geöffnete Papier Harry zu und ließ es zwei Mal zu und wieder auf schnappen, „ist das hier eindeutig hellschwarz. Du verlierst, Potter.“

Harry knurrte und wandte sich ab.

„Hey, stopp!“ Ein dumpfes Geräusch verriet, dass Malfoy von seiner Mauer gesprungen war. „Wie wär’s mit zwei von drei, Potter? Und wenn du gewinnst, bring ich dich zurück zu Tante Alice und Onkel Frankie“, säuselte er.

„Und wenn ich verliere?“, fragte Harry dumpf, der nicht wusste, warum er sich auf dieses Spiel einließ, aber wahrscheinlich, weil es ungefähr genauso gut war, wie hier umherzuirren und sich Dinge zu fragen, die man sich gar nicht fragen wollte.

„Oh, dann bringe ich dich auch zurück.“ Malfoy hielt einen Moment inne, um Harry Gelegenheit zu geben, sich ausgiebig zu ärgern, aber bevor die wütende Erwiderung kam, fuhr er fort: „Nur, dass ich dich dann etwas dafür von dir bekomme.“

„Nicht, dass es da viel zu holen gäbe“, bemerkte Harry zynisch und hob seine leeren Hände.

„Nur keine Sorge, ich finde da schon etwas.“ Malfoy wäre das schmierige Grinsen nicht einmal einer schweren Rohrzange aus seinem Gesicht zu wischen gewesen.

„Ich geh dann mal“, sagte Harry trocken und drehte sich wieder um.

Ehe er noch fünf Schritte hatte tun können, hörte er Malfoys Stimme in seinem Rücken, diesmal scharf und ernst. „Du wirst den Weg nicht finden, allein.“

„Sirius wird mich finden.“

„Ich würde mich nicht darauf verlassen.“

Harry hatte sich halb umgewandt und sah Malfoys gerunzelte Stirn, den leicht zur Seite geneigten Kopf und die grauen Augen, deren Ausdruck immer undeutbar blieb. Irgendetwas darin ließ ihn trotzdem innehalten.

Triumph machte sich auf Malfoys Lippen breit, als er Harrys Zögern bemerkte. „Wusste ich es doch!“, spottete er. „Aber wie es auch ausgeht, du kannst nur gewinnen.“

Verbissen kehrte Harry um und blieb in zwei Schritten Entfernung vor Malfoy stehen. „Ich weiß zwar nicht, was du damit erreichen willst, aber bitte...“

„Du wirst sehen“, sagte Malfoy, und etwas an diesem Satz ließ Harry leise schaudern. „Es steht eins zu null für mich“, erklärte Malfoy jetzt. „Der Fairness halber“ – das Wort „Fairness“ zog er in seinem Mund wie Kaugummi – „fragst du jetzt, und ich muss raten.“ Er reichte Harry das gefaltete Papier.

Als Harry es in den Händen hielt, hatte er endlich Gelegenheit es genauer zu betrachten. Es sah aus, wie eine herausgerissene Buchseite, nur dass die Wörter keinen Sinn ergaben und wirkten, wie willkürlich aneinander gereihte Buchstaben und Zeichen, als hätte jemand in einem heftigen Krampfanfall auf eine Schreibmaschine eingeschlagen, mit Händen, Füßen und wahrscheinlich auch der Stirn. Die Innenseiten waren mit Asche oder Ruß geschwärzt und sahen vollkommen gleich aus.

„Du musst fragen: Himmel oder Hölle“, erklärte Malfoy, als würde er mit einem begriffsstutzigen Kind sprechen.

„Himmel oder Hölle?“, fragte Harry, zu matt zum Streiten.

„Himmel!“, sagte Malfoy wie aus der Pistole geschossen.

Ohne auch nur hinzusehen öffnete Harry das Papier auf einer beliebigen Seite und sagte: „Falsch. Hölle.“

Malfoy seufzte tief und theatralisch. „Herrje. Eins zu eins.“

Übellaunig biss Harry seine Kiefer zusammen und wartete darauf, dass Malfoy die nächste bizarr-sinnlose Regel verkündete.

„Eigentlich“, sagte Malfoy in nachdenklichem Tonfall, „wäre ich jetzt wieder an der Reihe. Aber ich will ja mal nicht so sein...“ Er wedelte ungeduldig mit einer Hand – der linken – und setzte hinzu: „Jetzt mach schon, bringen wir es hinter uns!“

Harry kniff misstrauisch seine Augen zusammen, die bereits wieder starrten vor Asche, die sich auch schon schwer auf seinen Wimpern niedergelassen hatte, folgte jedoch Malfoys Anweisung, ehe jener es sich wieder anders überlegen konnte. „Himmel oder Hölle?“

„Himmel!“, sagte Malfoy vergnügt.

Harry öffnete diesmal die andere Seite. „Hölle.“


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