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Fanfiction

Illusions of Friendship - Illusions of Friendship

von Dr. S

Die Sommerferien wieder zu Hause zu verbringen fühlte sich nach dem ersten Jahr in Hogwarts merkwürdig fremd an. Malfoy Manor war groß, düster und vor allen Dingen einsam. Der Trubel im Gemeinschaftsraum fehlte Draco besonders in den ersten Tagen, aber das würde sich bald ändern. Sein Vater hatte ihm versprochen, dass er mit ihm zu einem Charity-Quidditchspiel der Magpies gehen würde. Bei deren brutaler Spielweise würde auch bei einem öden Charity-Event keine Langeweile aufkommen.

Das Blondhaar perfekt gescheitelt und die Roben penibel gebügelt marschierte er stolz durch die Korridore. Die Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters stand offen, also klopfte Draco nur an den Rahmen, bevor er hineinlinste.

Lucius Malfoy stand am Fenster und band einer Eule einen viel zu schweren Brief an das Bein. Der sonst so stolze Vogel drehte sich um und plumpste ohne eigenes Zutun aus dem Fenster. Draco keuchte auf, sogar noch einmal irgendwie erleichtert, als das Federvieh sich wieder in sein Blickfeld hievte und davon flog.

„Ah, Draco“, grüßte Lucius ihn. Er wirkte gehetzt und stolperte fast über seine langen schwarzen Roben, die sich an einer der vielen Kisten verfingen, die in seinem Arbeitszimmer untergestellt waren. „So ein verfluchtes Chaos…“

Draco wunderten die Kisten auch. Er betrachtete eine näher. Sie war bis obenhin angehäuft mit obskuren Objekten. Draco konnte nicht widerstehen eines anzufassen.

Lucius schlug ihm auf die Hand, machte erst danach warnend: „Na, na, na.“

Draco rieb sich schmollend den roten Abdruck auf seinem Handrücken.

„Wir fassen nichts an, das uns nachher in fremde Paralleluniversen schicken könnte.“

„Echt?“ Draco grinste, und wenn das seine Neugierde hatte ersticken sollen, dann war das vollkommen daneben gegangen. Lucius schüttelte auch nur amüsiert den Kopf über Dracos Interesse, solange es mit den Augen bekundet wurde.

„Bei dem meisten Zeug weiß ich auch nicht, was es ist“, erklärte Lucius und lehnte sich neben Draco über die Kiste. Er griff einen Glasstab mit glitzerndem Staub darin und drehte ihn, bis ein Wirbel in allen möglichen Farben entstand. Schnaubend legte er ihn zurück. „Vieles ist schon ewig in Familienbesitz. Wir haben es alles im Keller verstaut.“

„Warum steht es hier?“, wollte Draco wissen.

„Nun, erst einmal möchte ich gerne wissen, was für magische Objekte mein Haus in die Luft jagen könnten“, sagte Lucius schmunzelnd. „Und dann scheint das Ministerium auch nichts Besseres zu tun zu haben, als in fremden Kellern herumzuschnüffeln… aber das soll dich nicht kümmern.“

Was es im Grunde auch nicht tat. Draco war viel zu gespannt auf das Spiel.

„Können wir dann los?“

Lucius‘ Gesicht verdunkelte sich. Er klopfte Draco auf die Schulter. „Gib mir noch zehn Minuten. Jemand aus dem Ministerium hat sich selbst eingeladen. Ein hohes Tier. Gerade in Anbetracht dieser Kisten sollte ich mich gutstellen.“

Draco verstand, dass gutstellen bloß eine Umschreibung für die Galleonen war, die gleich unter dem Esstisch den Besitzer wechseln würden. Er hoffte nur, dass das wirklich schnell ging, auch wenn Lucius nicht einmal einen Blick für sein Nicken übrig hatte.

„Und fass bitte nichts an, bis ich wieder da bin“, sagte er, bevor er Draco alleine in seinem Arbeitszimmer zurückließ.

Draco seufzte schwer, sah sich in dem Chaos von Kisten um und bemühte sich wirklich zu gehorchen. Er setzte sich hinter Lucius‘ Schreibtisch in den hohen Lehnstuhl. Die Uhr auf dem schweren Holztisch drehte er so, dass er sie nicht sehen musste. Leider half das nicht dabei, die langsam untergehende Sonne zu verdecken.

Lucius ließ sich mehr Zeit, als er zur Verfügung hatte.

Draco pustete Staubflusen vor sich her, beobachtete das Familienfoto auf Lucius‘ Schreibtisch, und versuchte die Kisten nicht anzustarren.

Als er dann endlich Schritte draußen im Flur hörte, war er stolz auf sich, dass er sich nicht in Versuchung hatte führen lassen. Enthusiastisch sprang er von dem Stuhl und lächelte – was ihm glatt wieder verging, als seine Mutter das Arbeitszimmer betrat.

Sie hatte einen mitleidigen Blick für ihn übrig, der eigentlich schon alles sagte. „Schatz, es tut mir so leid, aber dein Vater braucht noch ein bisschen.“

Draco verkniff sich einen schnippischen Kommentar, presste dabei aber so fest die Lippen aufeinander, dass Narcissa es sich nicht nehmen ließ oberflächlich Trost spenden zu wollen.

„Wenn es dir so wichtig ist, dann werde ich mit dir zu dem Spiel gehen.“

Es ging gar nicht so sehr um das Spiel, wie darum mit seinem Vater dort hinzugehen. Seine Mutter war noch dazu keine angenehme Begleitung für ein Quidditch-Spiel, verstand sie doch gerade einmal die Grundregeln und kam niemals umhin zu bemerken, wie überflüssig die Position des Suchers doch war. Auf so etwas konnte Draco gut und gerne verzichten.

„Ist schon gut. Ich warte noch“, sagte er und lächelte seine Mutter an, die ihm das zuerst nicht abkaufen wollte. Schließlich seufzte sie und wandte sich zum Gehen, aber nicht ohne den Kisten einen angewiderten Blick zu schenken.

Draco hatte das Interesse an ihnen komplett verloren. Er suchte einen Federkiel und schraubte das Tintenfass seines Vaters auf. Ein Pergament fand er allerdings nicht.

In einer Kiste lag ein Notizbuch. Dunkles Leder und metallene Schutzecken. Das Pergament der Seiten fühlte sich ungewohnt an, viel feiner und glatter. Auf den zweiten Blick war es sogar ein Taschenkalender, ein uralter Taschenkalender. Aber er würde seinen Zweck schon erfüllen.

Draco schlug eine Seite auf und setzte die Feder an.

„Vater“, schrieb er und murmelte dabei leise vor sich hin, „es ist überhaupt nicht schlimm, dass du mich versetzt hast. Immerhin gibt es wöchentlich irgendwelche unnötigen Charity-Veranstaltungen, bei denen ich mich leider nur langweilen werde. Ein Quidditchspiel wäre eine angenehme Abwechslung gewesen – vor allem, weil wir uns monatelang nicht gesehen haben. Aber da dir ja alles außer mir wichtig ist…“

Draco knallte die Feder auf das Pergament und ließ sich wütend zurück auf den Stuhl fallen. Er hatte tiefe Kratzer auf dem Pergament hinterlassen und seine Schrift war ganz krakelig geworden. So enttäuscht war er nicht mehr gewesen, seit Dobby ihn vom Bahnhof abgeholt hatte.

Seinem Vater eine Nachricht dazulassen, war sowieso eine schlechte Idee gewesen. Lucius scherte sich sicherlich gar nicht darum, wenn Draco jetzt einfach ging.

Er wollte den Kalender zuklappen, als ihm die viel zu verschnörkelte Schrift ins Auge sprang. Die gehörte ihm nicht. Fasziniert lehnte Draco sich über den Taschenkalender.

„Wenn du wütend auf deinen Vater bist, dann solltest du es ihm sagen, anstatt es aufzuschreiben.“

Ein besserwissirischer Taschenkalender, genau was er jetzt gebraucht hatte.

„Ich bin nicht wütend“, schrieb er zurück. „Mein Vater ist ein vielbeschäftigter Mann. Seinetwegen krieg ich alles, was ich will, und das wann immer ich will.“

„Wie oft hat er dir das gesagt, wenn er dich wiedermal sitzengelassen hat?“

Ein fieser, besserwissirischer Taschenkalender. Draco wollte das Buch zuklappen und endlich gehen, als ein neuer Satz erschien.

„Wie heißt du?“

Draco sah sich um. Die Tür stand immer noch offen, aber von draußen kam kein Geräusch ins Arbeitszimmer herein. Sein Vater hatte ihm verboten, die Kisten anzufassen. Noch konnte er den Kalender einfach wieder dorthin zurücklegen, wo er ihn herhatte. Andererseits hatte sein Vater es gar nicht verdient, dass man auf ihn hörte.

Also schrieb Draco seinen Namen in den Kalender.

„Draco, das ist ein stolzer Name.“

Draco lächelte. Vielleicht war dieser Kalender doch nicht ganz so fies, wie er gedacht hatte.

Er setzte die Feder erneut an. „Normalerweise lacht man über meinen Namen. Besonders diese grässlichen Muggel-Kinder.“ Gerade, als sich darauf eine Antwort bildete, schrieb Draco dazwischen. „Hast du einen Namen?“

„Mein Name ist Tom Riddle.“

Draco runzelte nachdenklich die Stirn. Tinte tropfte auf den Kalender, als er sich zu erinnern versuchte, ob er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Irgendwie kam er ihm bekannt vor.

„Verrätst du mir, wie du an mein Tagebuch gekommen bist?“

„Das soll ein Tagebuch sein? Du steckst in einem dämlichen Kalender. Mach dich nicht größer, als du bist.“ Draco strich den Satz durch, der in dem Kalender erscheinen wollte. Er hatte nicht fies sein wollen. „Du bist in den Sachen von meinem Vater eingestaubt. Lucius Malfoy. Verrätst du mir, wie er an dein Tagebuch gekommen ist?“

Eine Weile kam keine Antwort, dann drangen neue Worte auf das gelbliche Papier. „Ich weiß es nicht. Ich bin nur eine Ansammlung von Erinnerungen, die ich festgehalten habe, als ich sechzehn war.“

Draco schnaubte. Er glaubte, dass dieses Ding ganz genau wusste, was es in einer alten Kiste bei seinem Vater machte. Wenn der Kalender im Keller gelegen hatte, dann war er höchstwahrscheinlich angehäuft mit schwarzer Magie. Vielleicht würde Draco ihm ein paar Geheimnisse entlocken können.

„Ich weiß aber, dass dein Vater seinen Job nicht sehr gut macht. Sonst hätte er dich nicht sitzenlassen.“

Draco zögerte, bevor er die Feder ansetzte. „Ich bin nicht sauer auf ihn. Normalerweise will ich sowieso nicht auf Charity-Veranstaltungen gehen. Aber es war ein Quidditchspiel. Und wir haben uns so lange nicht gesehen. Die Ferien haben gerade erst angefangen. Ich dachte, er würde sich freuen, wenn wir etwas zusammen unternehmen.“

Toms Antwort kam innerhalb eines Blinzelns. „Du gehst nach Hogwarts?“

„Ja. Mein erstes Jahr.“

Gerade wollte Draco erzählen, wie dämlich er den Großteil seiner Zeit auf dieser Schule gefunden hatte – besonders diese bescheuerte Brillenschlange und ihre Freunde – da fragte Tom ihn genau das. „Erzähl mir davon.“

Draco tat nichts lieber, als dieser doch sehr verlangenden Bitte nachzukommen. Er redete gerne über Hogwarts, seinen Eltern nach sogar zu viel, also war er froh, dass jemand ihn einmal so viel reden ließ, wie er wollte.

Er erzählte von seinem Haus, Slytherin, seinem Hauslehrer Snape, der zwar keinen Schönheitspreis bekam, aber wenigstens nicht voreingenommen war, und natürlich konnte er dann nicht Harry Potter auslassen. Die vernarbte Brillenschlange, der alles in den Schoß gelegt wurde, die Quidditch spielen durfte und mit Regelübertretungen davon kam, für die man normale Schüler von der Schule geworfen hätte.

Gerade das schien Tom besonders zu interessieren. Es war, als hätte er die ganze Geschichte um den großen Harry Potter noch nie gehört, und Draco konnte sie ihm erzählen, wie er es für richtig hielt.

Er war noch mittendrin und hätte stundenlang weitererzählen können, als Schritte durch den Korridor hallten.

Draco seufzte. „Ich muss aufhören. Mein Vater kommt wieder. Leb wohl, Tom.“

„Oder auf Wiedersehen?“, fragte Tom noch, bevor Draco das Tagebuch zuschlug und zurück in die nächstbeste Kiste warf. Er setzte ein Lächeln auf und wartete so auf seinen Vater.

Lucius betrat das Arbeitszimmer. Er wirkte müde und erschöpft, was nicht gerade positive Auswirkungen auf seine Reaktion hatte, als er Draco bemerkte. „Was machst du hier?“

Draco hörte auf zu lächeln. „Du hattest versprochen mich mit auf das Charity-Spiel zu nehmen.“

Lucius‘ Stirnrunzeln glättete sich und er sah aus, als hätte er plötzlich eine große Portion Mitleid in seinem Herzen entdeckt. „Es tut mir leid, Draco. Ich habe ganz vergessen… Hat deine Mutter dir nicht Bescheid gesagt?“

„Sie hat gesagt, du würdest noch ein bisschen brauchen…“ Draco drehte den Kopf zum Fenster, wo die Sonne lange untergegangen war. Er hatte gar nicht gemerkt, dass es schon so spät geworden war. Sein Blick fiel auf das Tagebuch in der Kiste auf dem Schreibtisch. Das hatte er wohl Tom zu verdanken.

„Wir holen das nach“, versprach Lucius. „Jetzt ab ins Bett mit dir.“

~*~

Sie holten es nicht nach. Als Entschuldigung lud Lucius Dracos Freunde ein, aber Crabbe und Goyle erwiesen sich nicht als angenehme Gesellschaft, wenn man sie nicht herumscheuchen und auf andere hetzen konnte. Draco hetzte sie auf die Pfauen im Garten, was damit endete, dass Crabbe sich im Garten verlief und erst am Abend ganz verstört wieder auftauchte, diverse Federn von rachsüchtigen Pfauen an seinem Umhang klebend.

Narcissa schickte daraufhin beide wieder nach Hause, und Draco blieb alleine zurück.

Sein Zimmer kam ihm zu groß und zu leer vor, also ließ er sein gemütliches Bett zurück und bahnte sich den Weg durch die stockfinsteren Korridore. Lucius‘ Arbeitszimmer wurde mit jedem Tag leerer. Er sah die Kisten durch und räumte sie dann unter den Salon, andere wiederum in den Keller, damit das Ministerium – sollte es das Haus durchsuchen – harmlose Artefakte finden würde.

Auf dem Schreibtisch stand immer noch die Kiste mit dem Tagebuch. Draco schlich sich hinein und stahl sich auf Zehenspitzen zum Schreibtisch. Mit den Fingerspitzen angelte er das Tagebuch aus dem Durcheinander von Objekten – es würde schon keinem auffallen, wenn eins von unzähligen schwarzmagischen Dingen fehlte.

Er presste das Tagebuch an seine Brust, wahrscheinlich zu fest, denn die Luft wurde mit einem Mal aus seinen Lungen gepresst. Es war, als würde der Lederband sich durch seinen Schlafanzug brennen. Draco klammerte sich trotzdem an dem Buch fest und verschwand damit aus dem Arbeitszimmer.

Zurück in seinem Zimmer setzte er sich mit Feder und Tinte auf das Bett und schlug das Buch auf.

„Hallo, Tom“, schrieb er.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Hallo, Draco. Hat dein Vater dich wieder sitzenlassen?“

Draco wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Lucius hatte ihn nicht sitzenlassen und trotzdem hatte er nicht wie versprochen Zeit mit ihm verbracht. Darüber wollte er am liebsten gar nicht nachdenken.

„Ich hatte nur einen extrem langweiligen Tag.“

„Wenigstens sitzt du nicht in einem Muggel-Taschenkalender fest.“

Draco musste lachen. „Ja, das ist wahr. Wie ist es so?“

„Es ist voller Erinnerungen“, antwortete Tom. „Man kommt nicht vorwärts.“

„Klingt schrecklich.“ Draco tunkte seinen Federkiel in die Tinte, während er überlegte. Seine Schrift wurde dicker. „Kannst du nicht aus dem Kalender heraus?“

„Alleine nicht, nein.“ Die Wörter blieben einen Moment stehen, dann, gerade als Draco seine Feder ansetzte, kamen neue dazu. „Aber mit ein bisschen Hilfe…“

Draco zog seine Feder zurück. Schwarzmagischen Objekten sollte man nicht trauen. Aber Tom schien vertrauenswürdig zu sein. Und gerade deshalb sollte man ihm wahrscheinlich nicht trauen.

„Hast du deinen Zauberstab zur Hand?“

Draco sah auf den Nachttisch, wo das Weißdornholz seit rund einer Woche einstaubte. „Ich darf nicht zaubern“, schrieb er. „Es sind immer noch Ferien.“

„Keiner wird es bemerken. Die Spur sorgt nur dafür, dass der Ort registriert wird, an dem gezaubert wurde.“ Der nächste Satz klang fast gehässig. „Wenn du keine Regeln brechen möchtest, dann kann ich das natürlich verstehen.“

Draco schnappte sich seinen Zauberstab, ehe der letzte Buchstabe auf dem Pergament erschienen war. Er ließ sich nicht als feiges Muttersöhnchen bezeichnen.

„Was soll ich machen?“, fragte er.

Toms Schrift wirkte gehetzt und krakeliger als sonst. „Du musst eigentlich nichts Schlimmes machen. Drück einfach die Zauberstabspitze gegen die Seiten.“

Draco lugte noch einmal zur Tür, bevor er tat, was Tom von ihm wollte. Eine Weile geschah gar nichts. Dann spürte Draco ein prickelndes Gefühl in seinen Fingern und wie sich Hitze in seinem Handgelenk sammelte. An der Spitze seines Zauberstabes bildete sich ein leuchtender Punkt, der sich vom Holz löste und als fast greifbare Kugel in den Seiten verschwand.

Draco wartete neugierig, was als nächstes passieren würde. Dann wurde seine ganze Handfläche heiß, brannte schon unangenehm und das heftige Kribbeln ließ seine Finger zittern. Diesmal sammelte sich nicht nur ein Punkt an der Zauberstabspitze, sondern ein ganzer Lichtstrahl brach heraus, so hell, dass Draco mit zusammengekniffenen Augen den Kopf wegdrehte und immer noch das Licht spürte.

Als er die Augen wieder öffnete, fühlte er sich ein wenig schwindelig. Sein Zimmer schien noch dunkler; das Mondlicht verblasste neben dem längst vergangenen magischen Licht. Draco zündete das Licht auf seinem Nachttisch an.

„Hallo, Draco.“

Er fuhr herum und sah einen Jungen am Fußende seines Bettes sitzen. Er war ein paar Jahre älter als er, trug die Schuluniform von Hogwarts und ein Vertrauensschülerabzeichen. Das wohl erstaunlichste an ihm war aber, dass er komplett durchsichtig war. Nicht so, wie die Geister in Hogwarts, sondern dunkler, mit gräulichen Schattierungen, die unterschiedlich stark waren. Nur das Mondlicht schien nicht durch ihn zu dringen. Es wurde verschluckt.

„Du siehst ein bisschen blass um die Nase herum aus“, sagte Draco matt. Seine Stimme war trocken und belegt; er musste sich räuspern, um nicht mehr wie ein schläfriges Kind zu klingen.

Tom lächelte ihn an; ein geheimnisvolles Lächeln, hinter dessen Fassade man lieber nicht blicken wollte. Vor allem, wenn man dahinter die Umrisse seines Schreibtischs erkennen konnte.

„Und?“ Draco drehte gespannt den Zauberstab zwischen den Fingern. „Was machen wir jetzt?“

„Nun, ich denke, da du mir so einen großen Gefallen getan hast, könnte ich dir ein paar Geheimnisse verraten.“ Tom blickte auf den Zauberstab, den Draco aufgehört hatte unruhig zu drehen. „Oder ich zeige dir ein bisschen Magie, die dein Vater dir nie beigebracht hätte.“

Draco grinste zufrieden. Das hörte sich schon besser an.

~*~

Das Wetter war in der nächsten Woche phantastisch, und Dracos Laune stand dem in nichts nach. Sein wandelndes Tagebuch mochte vielleicht kein echter Mensch sein, aber es war angenehmere Gesellschaft als Crabbe und Goyle oder seine Eltern. Draußen im Garten wirkte Tom Riddle sogar manchmal wie ein echter Mensch. Je mehr Licht auf ihn fiel, desto fester schien seine Gestalt zu werden. Und mit jedem Mal, wenn er aus dem Tagebuch trat, schien diese Festigkeit haften zu bleiben.

„Wenn du so weitermachst, dann können wir Quidditch spielen“, sagte Draco, als er eines Nachmittags durch den gepflegten Garten marschierte, das Tagebuch unter seinen Arm geklemmt und Tom neben ihm herspazierend. „Spielst du Quidditch?“

„Sagen wir so, Besen gehörten nie zu meinen Lieblingsobjekten.“

„Hab ich mir gedacht. Wenn man die ganze Zeit einen statt seiner Wirbelsäule mit herumschleppt, dann will man nicht auch noch auf einem sitzen“, sagte Draco grinsend. Tom sah nicht besonders begeistert aus, aber Dracos entschuldigender Schulterklopfer ging glatt durch ihn durch. „Wirst du nochmal… fester?“

„Ich weiß es nicht. Ich bin nur ein Schatten.“ Tom Riddle zeigte desweilen einen Hang zu penetrant leidender Melodramatik. Verständlich, wenn man beachtete, dass er nicht mehr als ein Schatten war. Eine jämmerliche Existenz.

„Vielleicht kann ich dir nochmal helfen?“, schlug Draco vor.

Ein unheimlicher Schatten legte sich auf Toms Gesicht. Die Reflexion des Sonnenlichts ließ ihn manchmal wie einen psychopathischen Mörder aussehen.

„Das ist nicht nötig, Draco. Du hast schon so viel für mich getan“, sagte Tom, lächelte dann breit. „Auch wenn es mir gut tut die neue Welt kennenzulernen. Vielleicht könntest du mich mitnehmen. Nach Hogwarts.“

Draco war von dieser Idee alles andere als begeistert. „Du lebst in einem Tagebuch von vor fünfzig Jahren. Wenn ich das mitnehme, dann hält man mich für ein nostalgisches Mädchen.“

Tom sah enttäuscht aus. Die Hände hinter seinem Rücken gefaltet, drehte er sich um und schaute zum Horizont. Die untergehende Sonne tauchte die Landschaft in ein pathetisches Meer aus goldenen und rubinroten Strahlen.

„Ähm…“ Draco stellte sich neben ihn, versuchte für einen Moment im Sonnenuntergang das zu erkennen, was Tom so faszinierte. „Hör mal, du bist eine super Ablenkung von den Sommerferien. Aber wenn Hogwarts wieder anfängt, dann schlag ich dieses Buch zu und du kannst wieder glücklich in Erinnerungen schwelgen.“

Tom nickte, aber das Thema war für ihn wohl doch noch nicht abgeschlossen. „Ich verstehe…“

Draco schaute zwar fragend, bekam aber keine genauere Antwort. Er fasste nach Toms Schulter und glatt durch ihn hindurch – so bekam er wenigstens wieder Aufmerksamkeit.

„Ich hatte angenommen, wir seien Freunde, Draco“, sagte Tom. Er ließ den Kopf leicht hängen. Ein bemitleidenswerter Anblick.

Draco fühlte sich schlecht. Als Tom eine Hand auf seine Schulter legte, steigerte sich dieses Gefühl, dabei berührte Tom ihn nicht einmal wirklich.

„Sind wir doch…“ Draco presste sich eine Hand auf die Stirn, als sein Kopf schmerzhaft pochte. Unter seinen Fingern sah er zu Tom, dessen Grauschattierungen sich in dichtes Schwarz und Weiß verwandelt hatten. „Ich hab doch gesagt, dass ich helfen würde, wenn ich könnte.“

„Nimm mich mit“, bat Tom. „Nach Hogwarts.“

Draco stöhnte leise, anstatt zu antworten. Sein Magen drehte sich um, als hätte eine kleine Windhose ihn auf seinem Besen erwischt. „Ich muss mich… kurz setzen.“ Er drehte sich von Tom weg und schlurfte auf einen Baum zu, der ihm Schatten vor der untergehenden, trotzdem schrecklich heißen Sonne bot. Als er tief einatmete, ging es ihm auch schon viel besser.

Toms Schritte waren nahezu lautlos. Er stellte sich genau neben Draco, sah abwartend auf ihn herunter. Das Pochen in seinen Schläfen kehrte zurück, als Draco seinem Blick begegnete.

„Okay“, sagte Draco schließlich grinsend. „Aber wenn du jemals fest wirst, dann spielen wir mal zusammen Quidditch.“

Tom erwiderte sein Grinsen.

~*~

Das Wetter hatte sich verschlechtert. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben und wurde von lautstarkem Donnergrollen unterstützt, bis es schier unmöglich war, Schlaf zu finden. Dichte Wolken verschluckten jeden Sonnenstrahl, bis Draco nicht mehr wusste, wie spät es war.

Er stand trotzdem nicht auf. In den letzten Tagen fand er immer weniger Motivation in seinen müden Knochen um dann auch noch bei schlechtem Wetter draußen herumzulaufen. Dann konnte er auch drinnen bleiben und mit Tom reden. Dieses Blatt schien sich nämlich gewendet zu haben. Tom redete mehr und mehr, über seine Schulzeit, seine Erinnerungen und seine Zukunft, bis er schließlich sogar etwas Farbe bekam.

Wahrscheinlich waren seine Geschichten so langweilig, dass Draco deswegen ständig die Augen zufielen.

„Draco? Hey…“ Jemand streichelte über seine Wange. Das war definitiv nicht Tom. Schwerfällig löste Draco sich von seinem Kopfkissen und rollte sich auf den Rücken. Seine Mutter musterte ihn besorgt, legte dann ihren Handrücken auf Dracos Stirn. „Geht es dir nicht gut?“, fragte sie. „Wir haben dich den ganzen Tag nicht gesehen.“

„Ist euch nur nicht aufgefallen“, murmelte Draco.

Narcissa sah ihn bestürzt an, tastete erneut auf Dracos Stirn herum und suchte dort vergeblich nach Fieber. Draco schob ihre Hand weg.

„Lass mich.“ Er wollte sich wieder umdrehen, als Narcissa nach dem Tagebuch auf seinem Nachttisch griff. Draco fuhr hoch. Er riss das Buch aus Narcissas Händen. Mit starrem Blick drückte er das Buch an sich, damit es ihm ja niemand jemals wegnehmen konnte.

„Entschuldige, ich dachte, du würdest vielleicht etwas anderes zu lesen haben wollen…“

Draco schüttelte wortlos den Kopf. Er legte sich wieder hin, das Buch weiterhin fest umklammernd. Narcissa sah blass aus, ballte ihre zitternde Hand an der Brust zur Faust.

„Wenn du noch etwas brauchst –“

„Dann ruf ich Dobby. Wie immer.“ Draco beobachtete gleichgültig, wie seine Mutter sich kopfschüttelnd verabschiedete und ihn wieder allein ließ. Er legte sich wieder hin und fühlte sich, als würde er nach einem Marathon endlich in sein Bett fallen.

Von seinem Nachttisch griff er die Feder, tunkte sie in die Tinte und schlug das Buch auf. „Hallo, Tom.“

„Hallo, Draco.“ Die Stimme kam vom Fußende seines Bettes. Tom saß dort, farbenprächtiger als je zuvor, auch wenn seine Haare genauso schwarz wie seine Uniform geblieben waren. „Du siehst ein wenig blass um die Nase herum aus.“

„Du hast dafür ein bisschen Farbe abgekriegt“, meinte Draco leise.

Tom schüttelte den Kopf. „Das ist das Licht.“

Draco hatte nicht die Muße sich davon zu überzeugen. Er war nicht nur müde, sondern auch sauer.

„Meine Mutter war hier“, missbrauchte Draco sein lebendiges Tagebuch als Kummerkasten. „Wenn sie sich Sorgen macht, wieso mein Vater nicht? Er hat sich nicht blicken lassen, und er erinnert sich auch nicht daran, dass er mir seit Wochen ein Quidditchspiel schuldet.“

„Dein Vater weiß einfach nicht zu schätzen, was für einen tollen Sohn er hat“, sagte Tom lächelnd. Draco erwiderte das. Es fühlte sich gut an zu hören, dass das nicht seine Schuld war, aber nicht so gut, dass es ihm besser gehen würde. „Du solltest dir keinen Kopf um ihn machen. Das tut dir nicht gut.“

Dracos Lächeln knickte ein. Er lag zwar ganz ruhig auf der Seite, trotzdem begann alles sich zu drehen, als Tom genau wie zuvor Narcissa den Handrücken gegen Dracos Stirn presste. Noch verwirrender war allerdings der Druck, den Tom mit seiner Hand ausübte. Als wäre die durchscheinende, graue Gestalt nun wirklich menschlich.

Draco runzelte gegen Toms Hand die Stirn. Dann griff er das blasse, aber deutlich hautfarbene Handgelenk. Erstaunt blickte er Tom an, der weder überrascht noch triumphierend wirkte. Sein Gesichtsausdruck war gleichgültig und das Lächeln, das seine Mundwinkel langsam nach oben zog, jagte einen kalten Schauer über Dracos Rücken.

„Du bist fest“, sagte er, ohne sich von der erschreckenden Aura einschüchtern zu lassen. „Du schuldest mir ein Quidditchspiel.“

Toms Lächeln wurde sanfter. „In der Tat. Allerdings eignet das Wetter sich nicht gerade für meine ersten Besenstunden nach fünfzig Jahren in einem Gefängnis aus Papier.“

„Am Ende wirst du ganz matschig“, gluckste Draco. „Wie Pergament… Papier, was immer du eben bist.“

„Eine sehr plastische Erinnerung“, sagte Tom amüsiert. „Mehr nicht.“

Draco schüttelte den Kopf. Vielleicht wollte er sich nur einreden, dass Tom mehr als eine Erinnerung war. Tom war sein Freund; er musste echt sein.

Ein Blitz zuckte über den düsteren Himmel, genau dann, als die Tür erneut geöffnet wurde.

Lucius kam herein. Sein Blick lag nur für den Bruchteil einer Sekunde auf Draco, dann richtete er sich auf Tom. Lucius‘ Augen schwollen vor Entsetzen an.

„Was hast du getan, Draco?“ Lucius wollte auf ihn zustürmen, blieb aber wie angewurzelt stehen, als Tom sich aufrichtete. Seine feste Gestalt wirkte weitaus imposanter, als der graue Schatten von Erinnerungen. „Das Tagebuch. Deine Mutter sagte mir, dass du es hast. Gib es mir.“

„Nein.“ Draco zog seine Decke über das Tagebuch, hielt es darunter wieder dicht an seine Brust gepresst. „Wieso sollte ich? Dieser bescheuerte Kalender beschäftigt sich wenigstens mit mir. Ich mach ihn schon nicht kaputt.“

„Ich befürchte eher, dass er dich kaputt macht.“ Lucius streckte bittend die Hand aus, aber Draco blieb stur.

Tom ging auf Lucius zu. Seine Nähe verstörte Lucius so sehr, dass er immer wieder in Richtung der Tür sah, als wolle er am liebsten sofort aus dem Zimmer stürmen.

„Hallo, Lucius“, sagte Tom und streckte lächelnd die Hand aus. Als Lucius sie nicht schütteln wollte, griff er sie demonstrativ, drückte dank seiner neuen Festigkeit sogar zu. „Ich bin enttäuscht, dass du denkst, ich sei ein schlechter Freund für deinen Sohn.“

Lucius sah wie gebannt auf die feste Hand. „Das ist unmöglich.“

„Wie du siehst, tut die Gesellschaft deines Sohns mir gut.“ Tom lächelte breiter, als Lucius hörbar schluckte. „Und ich tue ihm sicherlich auch gut. Das kann dich doch nicht stören.“

Lucius schüttelte den Kopf. Draco hatte seinen Vater noch nie so unterwürfig gesehen.

„Ich… Draco, ich möchte, dass du zum Abendessen aus deinem Zimmer kommst. Haben wir uns verstanden?“ Lucius wartete Dracos Nicken wieder einmal nicht ab, aber diesmal schien es nicht daran zu liegen, dass er es voraussetzte, sondern daran, dass er so schnell wie möglich aus dem Zimmer wollte.

Draco wurde von seiner Neugierde in eine aufrechte Position getrieben. „Weißt du wirklich nicht, wie mein Vater an dein Tagebuch gekommen ist?“

Tom drehte sich zu ihm. Er lächelte noch immer und legte betont unschuldig den Kopf auf die Seite. „Tut mir leid, nein.“

Draco fühlte dennoch einen Keim Misstrauen in seinem Magen sprießen.

~*~

Am Abend drangen die Stimmen von seinen Eltern bis in die Eingangshalle hinaus. Draco zog erschöpft die Füße nach, schlurfte die Treppen herunter und so langsam in Richtung Salon, dass er nicht anders konnte, als ein paar Gesprächsfetzen mitzubekommen.

„Du kannst ihm das doch nicht ernsthaft zumuten, Lucius“, echauffierte Narcissa sich in einer zischenden Stimme. „Dieses Tagebuch macht ihn krank, das hast du doch gesehen.“

„Aber es ist sein Tagebuch“, antwortete Lucius. „Verstehst du nicht, was das bedeutet? Er könnte zurückkommen. Ich habe ihn berührt. Er war richtig fest. Wir können uns diese Gelegenheit doch nicht entgehen lassen, Narcissa! Überleg dir, was es für uns bedeuten würde.“

„Ich denke daran, was das für meinen Sohn bedeutet.“

Lucius überging diesen Einwand seiner Frau einfach. Seine Stimme zitterte vor Aufregung. „Vielleicht hat er mir den Kalender genau deswegen gegeben. Ein Teil von ihm streckt in den Seiten, und wir können ihn daraus… extrahieren. Das müssen wir einfach versuchen.“

„Nein“, sagte Narcissa eindringlich. „Nicht, wenn er dafür meinen Sohn krank macht.“

Draco lehnte sich stirnrunzelnd gegen die Salontüren. Er war nicht krank. Er fühlte sich müde und schlapp, aber er hatte kein Fieber. Seine Mutter interpretierte viel zu viel in seine schlechte Laune hinein.

„Lucius, er laugt ihn aus. Merkst du das nicht? Hast du ihn nicht gesehen?“

Dracos Stirnrunzeln wurde tiefer. Er konnte nicht glauben, dass seine Erschöpfung mit Tom zusammenhängen sollte. Andererseits erschien es verstörend logisch. Je fester Tom geworden war, desto müder hatte Draco sich gefühlt. Er schluckte. Wenn Lucius davon sprach, dass Tom aus dem Tagebuch heraustreten konnte, was würde das dann für ihn bedeuten?

Draco drehte sich um und bewegte sich schleppend die Treppen hoch, zurück zu seinem Zimmer. Er sollte Tom fragen – und dafür würde er definitiv wieder eine unzureichende Antwort bekommen. Es war typisch für schwarzmagische Objekte, dass sie einen an der Nase herumführten, warum sollte das bei einem Tagebuch anders sein?

Draco betrat sein Zimmer und erspähte das Tagebuch auf seinem Schreibtisch. Er setzte sich davor und griff seine Feder.

Wie formulierte man aber so etwas, ohne paranoid zu klingen?

„Hallo, Draco.“

Draco fuhr erschrocken herum. Tom stand direkt hinter ihm, die dunklen Augen auf das Tagebuch gerichtet.

„Wolltest du mit mir reden?“

Draco klappte das Buch wieder zu. „Du hast mich erschreckt.“

Tom lächelte ihn entschuldigend an.

„Wieso bist du nicht in dem Buch?“

Toms Lächeln verschwand. „Sollte ich? Wirst du mir überdrüssig?“

„Quatsch.“ Draco fühlte sich zunehmend unwohler unter dem starren Blick. „Wir sind doch Freunde.“

Tom nickte langsam. Er musterte Draco ganz genau, als versuche er durch seine Augen in seine Seele zu sehen und dort zu erkennen, was Draco beunruhigte.

„Freunde nutzen sich doch nicht aus, oder?“, fragte Draco vorsichtig nach.

„Du meinst, sie schlagen einen nicht auf wie ein Buch, und sobald sie interessantere Dinge gefunden haben, legen sie dich zum Einstauben in die Ecke?“ Tom sah immer noch freundlich aus; ein charmanter junger Mann, dem man nichts Böses zutraute. Genau das machte Draco stutziger als Toms Worte.

„Äh… nein… Ich hab dir ja versprochen, dass ich dich mitnehme“, murmelte Draco so schnell, dass man ihn wohl nur schwer verstand. „Ich muss jetzt aber wieder runter zum Abendessen.“ Er schnappte sich das Tagebuch vom Schreibtisch und rauschte an Tom vorbei, der wie angewurzelt auf der Stelle stehenblieb.

Draco behielt ihn fest im Auge, bis er die Tür erreicht hatte. Als er sich zu ihr umdrehte, stand Tom genau vor ihm und blockierte den Weg.

„Mit dem Tagebuch?“, fragte er sichtlich verwirrt.

Draco grub die Finger in das schwarze Leder des Kalenders.

„Du versuchst doch nicht mich loszuwerden, oder?“ Tom streckte die Hand nach dem Tagebuch aus, konnte es aber nicht berühren, da Draco es unter seinen Fingern wegzog. Draco presste das Buch so dicht an sich, dass Tom wieder lächelte. „Das würdest du deinem einzigen Freund niemals antun, nicht wahr?“

Draco lachte spöttisch auf. „Ich habe mehr als einen Freund.“

„Ja, natürlich.“ Die Hände hinter seinem Rücken verschränkend schaute Tom über Draco hinweg aus dem Fenster. Unter der dichten Wolkendecke brach das feuerrote Licht der untergehenden Sonne hervor. „Deine Freunde, Crabbe und Goyle, die du herumkommandierst, wie man es eben mit Freunden macht. Oder dein Vater, der sich wahrscheinlich erst für dich interessieren wird, wenn du fünfundzwanzig bist.“

Draco klammerte sich haltsuchend an das Tagebuch. Sein Blick wurde von einem unbekannten Gewicht nach unten gezogen und fixierte sich auf den Boden.

„Ich bin dein einziger Freund, Draco. Der Einzige, der dir zuhört.“ Tom stupste gegen Dracos Kinn, hob es so wieder an. „Das willst du nicht wirklich aufgeben, oder?“

Draco schüttelte den Kopf.

„Oh, du siehst müde aus“, sagte Tom plötzlich ehrlich mitfühlend. „Vielleicht solltest du dich lieber hinlegen, anstatt zu essen.“

„Wenn man müde ist, kommen einem komische Gedanken“, murmelte Draco nickend.

„Ganz genau…“ Tom fasste ihn an den Schultern und schob ihn sanft, aber bestimmt zu seinem Bett. Draco legte sich hin, fühlte sich schwer wie ein Stein, und war innerhalb weniger Sekunden eingeschlafen. Mit dem Tagebuch noch in seinen Armen und Toms Hand auf seiner Schulter.

~*~

Mitten in der Nacht wachte Draco auf. Es stürmte draußen so heftig, dass die Fensterscheiben im Rahmen knarrten. Regen schlug mit erschreckender Kraft gegen das Glas und das gelegentliche Aufleuchten der Blitze tauchte sein Zimmer in ein unheimliches weiß-gelbes Licht.

Draco setzte sich auf. Das Tagebuch fiel aus seinen Händen auf die Matratze. Draco sah sich nach irgendeiner Person in seinem Zimmer um, entdeckte aber niemanden. Er wollte aus dem Bett steigen, aber seine Beine waren wie mit Blei gefüllt. Dracos Oberkörper zog nach und sehnte sich nach dem Kissen seiner Oberschenkel. Zusammengekauert hockte er auf seiner Bettkante und ließ seine Augen zufallen.

Draco wusste nicht, was es war, aber er glaubte nicht daran, dass der Blitz ihn plötzlich hochfahren ließ. Er versuchte das Bild seiner Erbärmlichkeit abzuschütteln und schnappte sich das Tagebuch. Er musste es loswerden. Es war nicht gut für ihn. Begleitet von einem ohrenbetäubenden Donnergrollen stolperte er aus seinem Zimmer in den dunklen Korridor.

„Hallo, Draco.“

Draco schreckte zusammen und fuhr herum. Tom stand wieder genau hinter ihm, aber diesmal war von einem Lächeln keine Spur zu erkennen.

„Wo willst du denn hin?“

„Auf die Toilette“, sagte Draco, drehte sich um und hastete vorwärts. Seine Beine trugen ihn kaum, als wären seine Knie mit Gummi ausgetauscht worden. Das Ende des Korridors kam trotzdem immer näher, schnell genug, um ihn anzuspornen.

Er schlitterte um die Ecke. Tom wartete schon auf ihn.

„Ich denke nicht“, zischte er warnend.

„Lass mich vorbei.“ Draco rammte Tom mit der Schulter aus dem Weg und geriet dadurch selbst ins Taumeln. Er schürfte sich den Ellenbogen an der harten Steinwand auf, als er sein Tempo trotz Gleichgewichtsverlust nicht verlangsamen wollte.

Direkt vor ihm tauchte eine Wolke aus schwarzem Rauch auf, wand sich aus dem Boden spiralförmig nach oben. Tom trat aus ihr hervor. Er versperrte Draco erneut den Weg.

„Hast du vergessen, dass wir Freunde sind?“

Draco rauschte an Tom vorbei. Er versuchte ihn zu ignorieren, aber hinter der nächsten Ecke wartete Tom schon wieder auf ihn. Draco blieb abrupt stehen und schmiss das Tagebuch auf den Boden.

„Lass mich in Ruhe“, hatte er schreien wollen, aber seine Stimme war nicht zu mehr als einem Krächzen im Stande.

Toms Blick war steinhart. „Kein Wunder, dass du keine Freunde hast. Sobald man dir nicht mehr nützlich ist, wirfst du jeden weg.“

Draco reckte das Kinn, versuchte sich nicht einschüchtern zu lassen. „Du machst es doch nicht besser. Ich bin doch nur dein Freund, solange ich dir helfe aus diesem Ding rauszukommen!“ Er deutete auf das Tagebuch am Boden. „Glaubst du, ich bin blöd? Glaubst du, ich hab’s so nötig mich nicht alleine zu fühlen?“

Tom nickte.

Draco schnaubte und schüttelte abwehrend den Kopf.

„Sonst hättest du mich schon längst entsorgt“, sagte Tom in einem arroganten Tonfall. „Du bist ein verzogenes, reiches Kind, das einsam genug ist, um immer wieder zu einem uralten Buch zurückzukriechen.“

Stumm senkte Draco den Blick, richtete ihn auf den Taschenkalender. Tom hatte Recht. Die letzten Wochen seiner Ferien wären eine Qual gewesen, hätte er nicht die Gesellschaft eines blöden Buches gehabt. Er brauchte das. Er brauchte wenigstens die Illusion, dass er jemanden hatte, der sich um ihn kümmerte.

Draco bückte sich, um das Tagebuch aufzuheben. Als seine Fingerspitzen es berührten, kämpfte er erneut mit einer plötzlichen Schwere in seinem Oberkörper. Sie zog ihn herunter und er sackte auf den Boden. Er würde sich einfach nur kurz ausruhen.

Tom legte die Hand auf seine Stirn. „Schlaf“, sagte er leise. „Wenn du morgen aufwachst, wird alles vorbei sein.“

Dracos Finger schlossen sich ein letztes Mal um den alten Ledereinband, bevor es aus seiner Umarmung gezogen wurde.

„Nein!“, schrie Tom zornig.

Draco hob den Kopf wieder. Vor ihm stand sein Vater. Den Zauberstab in der einen Hand, in der anderen das Tagebuch. Lucius musterte es kurz und steckte es dann in die Tasche seines Morgenmantels.

„Gib es ihm wieder“, befahl Tom mit scharfer Stimme. „Ich bin so kurz davor.“

„Nein“, antwortete Lucius nicht minder vehement, schenkte Draco aber keinen Blick. Immerhin saß er auch wie ein Häufchen Elend auf dem Boden. Mit so etwas wollte man nichts zu tun haben. „Mein Sohn wird da nicht mit hineingezogen. Wenn du aus dem Tagebuch willst, dann werde ich eine andere Möglichkeit finden.“

Tom sah alles andere als begeistert aus. Draco dagegen musste unweigerlich lächeln, dann fielen ihm aber endgültig die Augen zu.

~*~

Vogelzwitschern weckte ihn. Durch die offenen Fenster wehte der Wind die frische Luft nach dem Regen herein. Draco atmete tief ein und rollte sich auf die Seite, kuschelte sich unter seine Decke.

Er fühlte sich so leicht wie seit Wochen nicht mehr. Zur Abwechslung war er auch wieder einmal ausgeruht. Seine Augen wollten nicht mehr lange geschlossen bleiben und er stellte sich dem Sonnenlicht, das den Raum durchflutete.

„Guten Morgen“, grüßte ihn eine Stimme. Sein Vater saß an seiner Bettkante und stand jetzt auf. Einen Moment lang schien er zu überlegen, ob Draco seine Hilfe brauchte, um sich aufzusetzen, dann lächelte er, als Draco das alleine tat und sich ausgiebig streckte. „Ich hoffe, du hast nicht vor noch einen weiteren Tag deines Lebens zu verschlafen.“

Draco rieb sich den Schlaf aus den Augen. Alles in seinem Blickfeld wirkte heller, strahlender und farbenprächtiger, als hätte er in letzter Zeit alles durch einen dichten Grauschleier gesehen.

Ruckartig drehte er den Kopf herum, suchte auf seinem Nachttisch nach dem Tagebuch – ohne Erfolg. Er wollte nachfragen, aber als er seinem Vater ins Gesicht sah, wurde er plötzlich unsicher. Man fragte nicht nach dem Buch, das versucht hatte einen… ja, was eigentlich? Es hatte ihn ein wenig paranoid gemacht.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Lucius.

Draco nickte. „Gut.“

Lucius lächelte zufrieden. „Dann erwarte ich, dass du dich anziehst. Wir haben ein Quidditchspiel nachzuholen.“

„Wirklich?“ Draco versuchte gar nicht, sich sein Strahlen zu verkneifen.

Lucius hob die Schultern, als würde das breite Lächeln ihn nicht blenden. „Es ist zwar nur ein reguläres Saisonspiel, aber nun gut. Diese Charity-Veranstaltungen sind für junge Leute sowieso immer äußerst öde.“

Draco schlug die Decke beiseite und sprang regelrecht auf. Sein Vater konnte sich bei so viel Enthusiasmus ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Lass dir ruhig Zeit“, meinte Lucius.

Draco schüttelte den Kopf. „Ich bin in zehn Minuten fertig. Und wenn ich zehn Minuten sage, dann mein ich das auch so.“

Lucius hob entschuldigend eine Hand und zog sich aus Dracos Zimmer zurück. Draco grinste auch noch die geschlossene Tür an.

Vielleicht war das nur ein kurzer Sinneswandel seines Vaters, aber damit konnte er leben. Damit konnte er sogar besser leben, als mit einem mörderischen Tagebuch.

~*~

Am letzten Ferientag stahl Draco sich in das Arbeitszimmer seines Vaters. Die Kisten waren fort und die alte Ordnung wiederhergestellt. Er durchsuchte dennoch jeden Winkel, zog jede Schublade auf und durchwühlte die vielen Pergamentrollen auf der Suche nach dem in schwarzes Leder gebundenen Taschenkalender.

Er fand nichts.

Enttäuscht ließ er sich in den Lehnstuhl hinter dem Schreibtisch fallen.

Tom Riddles Tagebuch war fort, ganz so, als hätte es nie existiert. Und Draco fühlte sich wieder allein.


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