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Fanfiction

WoherWohin - Zorn

von käfer

Heften wir uns mal an Jacks Fersen und beobachten, wie sein so toll durchgeplanter Jahrestag weiter verläuft...


Jack Longbottom

war gleichermaßen ratlos und wütend. Müder Jubel seiner Mitarbeiter, kein Orden und nur vier Manufakturherren. Verflucht und zugenäht! Dabei hatte er alles so gut vorbereitet. Wer spuckte ihm da in die Suppe? Er musste dringend nachschauen, ob irgendwer irgendwelche Kommandos gegeben oder Zauber ausgeübt hatte.
Vier Stunden dürften reichen, Jack brauchte seine Zeit noch für andere Sachen. Halb neun sollten sich die Mitarbeiter zum Spalier aufstellen, wahrscheinlich genügte es, wenn er kurz vorher unten ankam. Blieb nur das Problem mit der Sichtbarkeit. Er bekam keinen Desillusionierungszauber hin, eine Folge der Kombination von Gehirnklar und Magenrein. Also musste er auf den altbewährten Unsichtbarkeitstrank zurückgreifen, auch wenn der Magendrücken und Kopfbrummen verursachte. Ein ewiger Kreislauf.
Jack suchte die Toilette auf, die ausschließlich ihm, dem Zaubereiminister und dem Ersten Untersekretär zur Verfügung stand, schloss sich in seiner Kabine ein und schluckte den Trank.
Als er in Unterhose und Socken dastand, klappten Türen, raschelte Stoff, dann ließ sich jemand mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Sitz in Scrimgeours Kabine fallen. Der Jemand furzte laut und lange, Gestank machte sich breit. Jack drückte sich an die Wand und hielt still.
Ein weiterer Furz und platschende Geräusche folgten. Der Jemand stöhnte, furzte und platschte weiter. Es stank bestialisch. Jack musste gegen aufsteigende Übelkeit ankämpfen. Er durfte jetzt hier nicht entdeckt werden, weil er gleichzeitig durch die Winkelgasse schritt. Lautlos würgte er und verfluchte seine Idee, sich ausgerechnet hier in der Toilette unsichtbar zu machen.
„Was hat der mir bloß gegeben?!“, schnaufte der Mann nebenan. Das war doch Steve Cattermole!
Zu Jacks Übelkeit gesellte sich eine Portion Zorn, weil Cattermole nicht aufs Gästeklo gegangen war, wie es sich gehörte, sondern hier die Luft verpestete.
Der Brechreiz wurde unerträglich. Kaum war Cattermole draußen, drängte Jacks Mageninhalt mit aller Macht ins Freie. Der Geruch verursachte neue Übelkeitswellen; Jack spuckte grünen Schleim und wurde wieder sichtbar. Sein ganzer Körper bebte, Bauch und Schenkel schwabbelten, Knie und Hirn versagten ihre Dienste.
Als er wieder zu sich kam, war es fünf Minuten vor Neun. Jack fluchte. Wenn er sehen wollte, was es im Atrium zu sehen gab, musste er wieder den Zeitumkehrer drehen. Noch einmal Unsichtbarkeits-Trank zu schlucken wagte er nicht, in seinem Magen brannte ein Höllenfeuer.
Einen Tarnumhang müsste man haben! Das wäre die Lösung für all seine Probleme mit der Unsichtbarkeit. Die Potters besaßen so ein Ding, das wusste Jack. Er hatte mehrere Hausdurchsuchungen bei ihnen machen lassen, ergebnislos. Vielleicht hätte er selber nachsehen sollen; ganz bestimmt hätte er gefunden, was es zu finden gab.
Verärgert klatschte er sich die flache Hand auf die Stirn. In der Asservatenkammer lagen doch solche Umhänge! Er brauchte nur hinzugehen und zuzugreifen! Wie dumm war er nur, er, der mächtigste Zauberer Großbritanniens?
Jetzt waren alle unten im Atrium und standen Spalier, keiner konnte ihn sehen und auf dumme Gedanken kommen. Doch ehe er ging, würde Jack in seinem Büro einen Schluck Magenrein nehmen und eins der bereitliegenden Schnittchen essen. Das merkte niemand, vorhin war es ihm auch nicht aufgefallen.
Wer rannte jetzt noch über den Korridor, kurz vor Neun? Ah, Denver. Wenn er sich recht erinnerte, war Denver erst auf seinen Platz im Spalier gehuscht, als Jack schon begonnen hatte, hindurchzuschreiten. Und er hatte sich vorgenommen, Denver zu fragen, weshalb er zu spät kam.

Der beste der drei Tarnumhänge war gerade so gut wie ein mittelmäßiger Desillusionierungszauber. Jack sah seine Umrisse deutlich im Spiegel, aber es war besser als gar nichts.
Diesmal drehte er das Stundenglas fünf Mal; noch einmal wollte er Cattermoles Scheißerei nicht anhören.
Jack lief im Zaubereiministerium herum und wunderte sich. Von überallher war Lärm zu hören, Schritte, Schimpfen, Zaubersprüche. Es roch merkwürdig, nach Klo und hier und da angesengt. Je tiefer er kam, desto mehr Leute rannten herum. Schließlich blieb Jack an die Wand gedrückt stehen. Er wäre beinahe mit Gordon Denver zusammengestoßen, der, den Zauberstab in der Hand, aus dem Untergeschoss kam. „Im Ratssaal steht das Wasser knöchelhoch! Da muss irgendwo ein Rohrbruch sein! Drei Leute runter und ganz schnell aufräumen!“, kommandierte er und drei niedere Bedienstete der Zaubereizentralverwaltung rasten im Laufschritt los.
Jack schlich in eine stille Ecke und zog sein Notizbuch heraus. Dieser Vorfall musste genauestens untersucht werden, er würde sich selbst die Aufzeichnungen der Überwachung anschauen. Allein und ohne dass es einer merkte.
Irgendwer sabotierte die Arbeit des Zaubereiministeriums. Seine Arbeit. Und das nahm Jack sehr übel.

Zu seinem Verdruss fiel Jack nichts Verdächtiges auf. Die Leute waren müde, weil sie nicht geschlafen hatten und die halbe Nacht herumgerannt waren. Denver war erst kurz vor knapp im Atrium aufgetaucht, weil der Zaubereiminister verschlafen hatte. Einen Orden durfte Scrimgeour nicht mehr verleihen, seit auf Jacks Betreiben hin das entsprechende Gesetz geändert worden war. Orden zu vergeben, war einzig und allein dem Magierpräsidenten vorbehalten, nur durfte er sich nicht selbst auszeichnen. So was Blödes aber auch!

Der Rest des Tages war nicht dazu angetan, Jacks Zorn zu dämpfen. Das Mittagessen war viel zu schwer und viel zu reichlich. Jack musste die doppelte Dosis Magenrein nehmen, um die schlimmsten Folgen zu verhindern. Noch am Esstisch schrieb er die Kündigung für den Koch.
Der Masseur schickte einen Vertreter, der behauptete, der Rücken des Magierpräsidenten sei eine einzige Verspannung, und heftig knetete statt sanft zu streichen. Jack diktierte seiner Feder einen bitterbösen Brief an das Massagestudio und beauftragte seinen Privatsekretär damit, ein neues zu suchen.

Nach einem Mittagsschläfchen fühlte sich der Magierpräsident endlich wohl genug, um vors Volk zu treten.
Das Zaubereiministerium verließ er durch einen eigens für ihn und diesen Tag geschaffenen Gang durch das Parlamentsgebäude, wo bereits die von zwei Hippogreifen gezogene goldene Kutsche wartete.
Ein paar Muggel gafften. Der Magierpräsident zupfte seine Revers gerade und schritt gemessen zur Kutsche. Ein paar Touristen griffen zu ihren Kameras und knipsten. Jack genoss es – bis er beim Einsteigen stolperte und alle lachten. Hastig gab er das Zeichen, die Kutsche setzte sich in Bewegung.
Wo blieb das jubelnde Volk? Ah, da hinten, am Anfang der Straße, dort standen sie. Nur: bis dahin kam er gar nicht. Der kleine Zug wurde von Muggelpolizisten angehalten. Der Hauptmann baute sich vor Jack auf und forderte die Genehmigung.
„Welche Genehmigung?“, fragte Jack konsterniert und stellte verärgert fest, dass er alleine war. Seine Leute hatten beim Anblick der Polizisten das Weite gesucht und beobachteten alles aus sicherer Entfernung.
„Wenn Sie mit so einem Ding durch London fahren wollen, brauchen Sie eine Erlaubnis der zuständigen Behörden und eine Polizeieskorte.“
„Eine Eskorte?“, schnaubte Jack, „die habe ich selber! Ich bin der Magierpräsident!“
„Der Magierpräsident?“ Auf dem Gesicht des Polizeihauptmanns erschien ein verstehendes Lächeln. „Wenn das so ist, Eure Eminenz!“
Jack fühlte sich geschmeichelt – bis ihm die Arme auf den Rücken gedreht wurden. Hastig apparierte er aus den Händen der Polizisten in das Zaubereiministerium, wo Gordon Denver weisungsgemäß wartete. „Denver, verschaffen Sie mir eines von den offenen Automobilen! Die Muggelpolizei mag meine goldene Kutsche nicht!“
Fünf endlose Minuten wanderte Jack in seinem Büro auf und ab, während Denver im Vorzimmer ins Rohr brüllte. „… oder soll ich Ihnen Beine machen?! … Für den Magierpräsidenten, natürlich! …. Sofort!...“
Endlich klopfte Denver an und meldete, der Wagen stehe bereit.
Jack rannte erneut durch das Parlamentsgebäude, kletterte in das Auto und befahl dem Fahrer, zu starten. Die Wartenden am Straßenrand, die Jack schon vorhin gesehen hatte, jubelten und winkten ihm zu. Er wies den Chauffeur an, die äußerste Fahrspur zu benutzen und langsam zu fahren, doch beides erwies sich als unmöglich. Die äußerste Fahrspur war die Busspur, nach wenigen Metern winkte sie eine Polizeistreife in die Mitte, wo sie bald zwischen Lastwagen eingekeilt waren. Dann blieben sie im Stau stecken, weil es an einer Kreuzung einen Unfall gegeben hatte.
Jack wurde es übel; glücklicherweise hatte er Magenrein dabei, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, die Flasche eingesteckt zu haben.

Mit über einer Stunde Verspätung kam Jack am Trafalgar Square an. Dort lauerte schon wieder ein Muggelpolizist, der ihm eine saftige Geldstrafe aufbrummen wollte wegen „ungenehmigten Befahrens einer Fußgängerzone mit einem Automobil“. Jack hatte die Nase voll von diesen aufdringlichen Leuten. Er riss seinen Zauberstab heraus, brüllte: „Amnesia!“ und ließ den Chauffeur weiterfahren.
Auf dem Platz selbst fand er statt der erhofften jubelnden Menschenmenge einen zerknirscht wirkenden Gordon Denver vor. „Ich bitte um Verzeihung, Eure Eminenz, die Leute sind gegangen.“
„Gegangen?“, schrie Jack, „Wieso gegangen?“
„Sie haben hier auf Euch gewartet, Eminenz, aber dann kam Muggelpolizei und hat alle auseinandergetrieben. Eine solche Veranstaltung müsse genehmigt werden.“
„Konnten die sich nicht gebührend mit dem Zauberstab wehren?“
„Mit Verlaub, Eure Eminenz, Paragraph zwo des Geheimhaltungsgesetzes in der aktuell gültigen Fassung besagt, dass im Beisein von Muggeln nicht gezaubert werden darf und Paragraph vier des Magischen Kodex lautet: ´Es ist verboten, der Staatsmacht der Muggel mit magischer Gewalt entgegenzutreten.´ Die Leute hatten einfach Angst.“
Jack wusste für einen Augenblick nicht, was er sagen sollte. „Und die Zaubereiminister?“
„Warten im Ministerium auf Eure Eminenz.“
Jack bekam einen Magenkrampf. „Wie- wieviele sind es?“
„Drei, Eure Eminenz.“
„Nur drei? Sabotage!“, keuchte Jack. Ihm wurde schwindlig.
„Das glaube ich nicht“, hörte Jack Denvers Stimme wie durch Watte. „Morgen beginnt in Genf das Jährliche Gipfeltreffen der Zaubereiminister, die meisten haben abgesagt.“
„Denver! Warum weiß ich davon nichts?“ Jack war überzeugt, dass der Erste Untersekretär ihm die Absagen unterschlagen hatte.
„Die Schreiben lagen alle in der Postmappe für Eure Eminenz.“
Jack hob den Zauberstab, um mit Gordon Denver kurzen Prozess zu machen, doch der Fluch ging vorbei. Die Welt drehte sich um Jack, etwas Graues kam auf ihn zu, traf ihn am Kopf und beförderte ihn in einen endlosen schwarzen Tunnel.
Irgendwann fiel er aus dem Tunnel wieder heraus und fand sich auf der Liege in seinem Büro wieder. Philip Bloxam und Gordon Denver beugten sich über ihn.
Bloxam flößte ihm einen Trank ein, der die rasenden Kopfschmerzen beseitigen sollte, aber es war kein Gehirnklar. Mit dem Schwinden der Kopfschmerzen setzte das Erinnerungsvermögen wieder ein.
Was für ein schmachvoller Tag! Hatte Denver ihn sabotiert? Jack griff in die Schublade, in die er die Antwortschreiben der Zaubereiministerien gelegt hatte. Ungelesen, er war davon ausgegangen, dass sie alle kommen würden.
Die Magenschmerzen kamen wieder.
Jack nahm eine doppelte Dosis Magenrein, drehte den Zeitumkehrer und zog den Tarnumhang über.
Obwohl er sich den Nachmittag dreimal anschaute, konnte er nichts feststellen, was darauf hinwies, dass Gordon Denver oder irgendein anderer Zauberer daran schuld war, dass alles verdorben wurde. Die Muggelpolizei war einfach überall. Jack beobachtete, dass ein Streifenpolizist zu seinem Funkgerät griff, als Jack gerade das Parlamentsgebäude verließ. In ganz London wimmelte es nur so von Polizeiautos, so dass es wohl Zufall war, das eines gerade dort entlang fuhr, wo auch Jack entlang wollte. Die Spalier stehenden Zauberer wurden ermahnt und weggeschickt und am Trafalgar Square waren gar Wasserwerfer aufgefahren. Gordon Denver hatte die Leute aufgefordert, zum Haupteingang des Zaubereiministeriums zu gehen und dort auf den Magierpräsidenten zu warten. Anscheinend traf den Ersten Untersekretär wirklich keine Schuld an dem Dilemma.

In der Nacht versuchte Jack, die Aufzeichnungen der Überwachungskameras anzusehen, aber er kam mit der Technik nicht zurecht und musste unverrichteter Dinge wieder gehen.
Wütend, mit brummendem Kopf und krampfendem Magen kam er daheim an. Er badete, hörte seine Lieblingsmusik, ließ sich seine Leibspeisen bringen, aber es half nichts. Er war wütend, wütend, wütend. Wütend auf sein Volk, wütend auf die Muggel, wütend auf alle.
Wie ein Tiger im Käfig schritt er auf und ab. Es musste sich etwas ändern!
Schließlich goss Jack sich ein großes Glas Whisky ein, nahm Notizbuch und Stift und setzte sich an den Schreibtisch.


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