von käfer
Vorab: @sahdow und selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Lass´ gefälligst meinen Bösewicht in Ruhe! Den brauche ich doch noch für den Fortgang meiner FF!!!
Zur Abwechslung begleiten wir mal Lyzette in die Sommerferien; Maggie verlebt eine öde und triste Zeit, mit deren Beschreibung ich niemanden langweilen möchte.
Lyzette
Am nächsten Vormittag war Lyzette mit ihren Freundinnen aus der Nachbarschaft verabredet. Seit sie alle auf irgendwelche Internatsschulen gingen, trafen sie sich immer am ersten Ferienvormittag auf einer Lichtung, die sich genau dort befand, wo die Grundstücke ihrer Väter aneinanderstießen.
Lyzette war ein ganzes Stück zu früh da und setzte sich auf einen großen Stein. Plötzlich raschelte es vor ihr im Gras, eine große Kreuzotter reckte ihren Kopf in die Höhe und sagte: „Du versperrsssst den Eingang zu meiner Höhle.“
Rasch nahm Lyzette ihre Füße hoch und antwortete: „Oh! Ich bitte um Verzeihung, ich wusste nicht, dass du hier wohnst.“
„Keine Urssssache“, erwiderte die Schlange. „Im übrigen würde ich dir nicht empfehlen, im Waldssssee zu baden. Darin liegt eine tote Kuh.“
Lyzette hörte noch ein leises „Tschüssssi“, dann glitt die Schlange in ein Loch unter dem Stein und war nicht mehr zu sehen.
Erst viel später am Abend, als Lyzette längst im Bett lag, fiel ihr wieder ein, dass an diesem Tag etwas Ungewöhnliches geschehen war: sie hatte mit einer Schlange gesprochen. Genauer: die Kreuzotter hatte sie angesprochen.
Lyzette sprang hoch, schrieb einen Brief an Maggie und schickte noch in der Nacht ihren Postuhu auf die Reise.
Es dauerte eine ganze Woche, ehe King zu Tode erschöpft zurückkam. Maggie war anscheinend in Berlin und hatte heimlich mit ihrem Onkel Henry telefoniert, um Lyzettes Fragen zu beantworten.
„… Die Gabe, mit Schlangen zu sprechen, ist sehr selten und wird meist Schwarzmagiern nachgesagt. Allerdings weiß man bestimmt nicht von allen Parselmündern, denn niemand macht diese Fähigkeit gern öffentlich.“
Mehr hatte Maggie nicht geschrieben, das Blatt war zum großen Teil leer. Lyzette wunderte sich darüber, Maggie war doch sonst eher mitteilsam. Da fiel ihr auf, dass einige Buchstaben grünlich schimmerten. „Zitron – saf“ buchstabierte Lyzette mühsam. Sie flitzte in die Küche, presste eine Zitrone aus, träufelte den Saft über den weißen Teil des Briefes und hielt ihn über eine Kerze.
Aha. Maggie hatte doch noch mehr geschrieben. Sie befürchtete, dass die Mutter ihre Briefe kontrollierte und hatte deshalb auf den alten Trick zurückgegriffen.
„…Dauernd gibt es Zoff wegen der Klamotten….Mum kann nicht verstehen, dass ich keine Lust mehr habe, Achter- und Geisterbahn zu fahren und dass je ein Foto mit Minni, Mickey, Goofy und den anderen Disney-Figuren reicht….
Das schlimmste ist: ihr neuer Macker ist kein anderer als Arthur Potter; sie hat ihn total eingewickelt und war stinksauer, weil ich nicht Daddy zu ihm sagen will. Glücklicherweise besteht Potter nicht darauf…“
Lyzette erzählte ihrer Mutter beim Truhen-Auspacken von dem Brief. „Ich lade Maggie ein, damit sie von ihrer Mutter fortkommt.“
Zu ihrer Überraschung erwiderte die Mutter: „Ich habe das schon versucht. Bei Mrs. Duncan beißt man auf Granit, sie besteht darauf, dass Maggie mit ihr Urlaub macht. – Hier, zieh das mal an, darin siehst du bestimmt aus wie eine Lady alten Stils!“
Emily Hamilton hielt grinsend ein uraltes seidenes Ballkleid hoch. Lyzette verschwand in ihrer Bodenkammer und versuchte vergebens, das Monstrum überzuziehen. Als sie nach einer Viertelstunde zurückkam, hielt ihre Mutter ein Bündel Papiere in der Hand. „Das sind ja alte Urkunden!“
Lyzette schaute ihr über die Schulter. Ein Name fiel ihr auf, der ihr irgendwie bekannt vorkam: „Tom Vorlost Riddle“. Lyzette grübelte, während sie alte Schals, getragene Lederhandschuhe und seidene Strümpfe stapelte. „Voldemort!“, rief sie plötzlich, „Tom Vorlost Riddle war sein richtiger Name. Ob der einen Namensvetter gehabt hat?“
Die Mutter schaute sie verständnislos an. Lyzette erklärte: „Im zwanzigsten Jahrhundert gab es einen Schwarzen Magier, der so richtig Angst und Schrecken verbreitet hat. Er nannte sich selber Lord Voldemort, aber sein richtiger Name war Tom Vorlost Riddle. Er war ein Halbblut, ist in einem Waisenhaus ohne Liebe aufgewachsen und später richtig böse geworden. Wir haben in Hogwarts bisschen was über ihn gelernt. Voldemort ist der, den Harry Potter besiegt hat, du weißt schon…“
„Das sind doch alles Kleider von Dads Ururgroßmutter. Ich glaube kaum, dass die etwas mit diesem schwarzen Magier zu tun hatte.“
Lyzette machte sich so ihre Gedanken. Viele Familien, die ´Riddle´ hießen, hatte es in Großbritannien nie gegeben. Sie hatte für ein Geschichtsprojekt den Stammbaum jenes Tom Riddle senior, der der Muggelvater von Voldemort war, recherchiert. Die Riddles in Little Hangleton waren die Letzten gewesen…
Wenig später war die halbe Familie dabei, die Papiere auf einem großen Tisch auszubreiten. Es waren alte Aktien, Besitzurkunden, ein Erbschein. Irgendwo dazwischen lag das Dokument, auf dem Lyzette den Namen Riddle gelesen hatte. Es war ein Totenschein, als Todesursache war Herzversagen angegeben. Danach kam eine Urkunde, die bescheinigte, dass Constance Weatherby und Tom Vorlost Riddle am 24. Oktober 1949 den Bund fürs Leben geschlossen hatten. Sollte es tatsächlich noch jemanden gegeben haben, der diesen ungewöhnlichen zweiten Vornamen trug? Oder hatte Voldemort heimlich geheiratet und dann seiner Muggelfrau seinen Tod vorgetäuscht?
„Meine Ururgroßmutter hatte wohl viel Pech mit ihren Ehemännern“, sagte der Vater. „Hier sind noch eine Eheurkunde und eine Sterbeurkunde.“ Er legte die Papiere neben die anderen. Lyzette stutzte. Die beiden Trauscheine wiesen die gleiche Handschrift und Unterschrift auf und die beiden Sterbeurkunden auch – und die Todesursache war dieselbe. Lyzette hielt die Blätter gegen das Licht. „Guckt euch das an! Hier sieht´s aus, als hätte jemand radiert! Da, beim Namen und dort, beim Datum! Was bedeutet das?“
Der Vater untersuchte die Urkunden mit der Lupe und kratzte sich am Kinn. „Das ist in der Tat merkwürdig. Die Urkunden mit dem Namen Jonathan Weatherby sind jeweils die erste Ausfertigung, die mit dem Namen Riddle die zweite.“
„Warum hieß die Witwe später Weatherby und nicht Riddle?“, rief Lyzette dazwischen.
„Hier gibt es einige Ungereimtheiten“, meinte die Mutter nachdenklich.
„Ich lasse diese Dokumente mal auf Echtheit überprüfen“, versprach der Vater. „In den jeweiligen Standesämtern müssten eigentlich noch Kopien der Urkunden zu finden sein.“
Wie nicht anders erwartet, erwiesen sich die Urkunden mit Riddles Namen als plumpe Fälschung.
Wenn Lyzette nicht gerade fieberhaft zwischen alten Kleidern und Nippsachen nach weiteren Hinweisen suchte, verfiel sie in dumpfes Grübeln. Sollte sie wirklich eine Nachfahrin dieses Voldemort sein? Nirgendwo war zu lesen gewesen, dass der sich jemals für Frauen interessiert hätte; in einem Aufsatz war sogar die Rede davon gewesen, dass er möglicherweise geschlechtslos war. Andererseits war da Lyzettes auffallende Ähnlichkeit mit Esmeralda Slytherin und ihre Fähigkeit, mit Schlangen zu sprechen. Von Voldemort wusste man, dass er ein Parselmund gewesen war… Würde Lyzette auch so herrschsüchtig und böse werden wie Voldemort? Sie hatte dasselbe Blut in den Adern, Slytherin-Blut…
Warum hatte Constance Weatherby die Urkunden gefälscht? Darüber rätselten Lyzette und ihre Eltern am meisten. Lyzette hatte die Daten in die richtige zeitliche Reihenfolge gebracht: Der Trauschein datierte reichlich neun Monate vor der Geburt ihrer Tochter, der Totenschein vier Monate nach dem Trauschein.
Lyzettes dunkle Ahnungen fanden ihre Bestätigung, als sie am letzten Ferientag vom Boden der letzten Truhe eine große Kassette zu Tage förderte, in der sich unter wertvollem Schmuck ein in blauen Samt gewickeltes Büchlein fand. Es war das Tagebuch von Constance Weatherby, ihrer Urururgroßmutter. Lyzette schloss sich damit in ihrem Zimmer ein und blätterte mit zitternden Händen, bis sie das entsprechende Datum fand. Mit den verblichenen, zittrigen, teilweise in Flecken – Tränen? – verschwommenen Buchstaben hatte Lyzette ziemliche Mühe, doch sie gab nicht auf. Stunde um Stunde saß sie da, versunken in das Leben von vor hundertfünfzig Jahren.
Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Constance Weatherby war nach einer kurzen, unglücklichen Ehe Witwe geworden und hatte sich bald darauf mit dem jungen, hübschen, höflichen Tom Riddle eingelassen. Tagelang hatte sie in ihrem Tagebuch von ihm geschwärmt, dann wurden die Eintragungen nachdenklicher. „Tom hat etwas Unheimliches an sich... Er ist so überlegen, erhaben, manchmal richtig arrogant. Er gebraucht merkwürdige Worte, die ich nicht kenne…“ Dennoch hatte sie ein einziges Mal nachgegeben, als er sie köperlich bedrängte. Tief gedemütigt von seiner Brutalität war sie zurückgeblieben und hatte bald darauf die Entdeckung machen müssen, dass sie ein Kind bekam. Doch dieser Tom Vorlost Riddle, von dem sie den vollen Namen nicht gewusst hätte, hätte sie nicht zufällig seinen Namenszug unter einem Schriftstück gesehen, war verschwunden.
„Würde nicht mein Vermögen an die Mutter von Jonathan Weatherby fallen, wenn ich mich umbrächte – ich würde es tun.“
Hier war wohl die Ursache für die Fälschungen zu suchen. Constance wollte verhindern, dass ihr Geld an die Familie des verhassten ersten Ehemannes fiel. So erfand sie eine zweite Ehe und ging damit auch der Schande aus dem Weg, ein uneheliches Kind in die Welt zu setzen.
Lyzette zitterte am ganzen Körper. Sie hatte ihre Magie vom gefährlichsten schwarzen Magier der letzten zweihundert Jahre geerbt. Sie hatte dessen böses Blut in sich – das Blut von Generationen von Schwarzmagiern. Sie sprach mit Schlangen. Würde sie bei so viel natürlicher Bosheit je in der Lage sein, ein normales Leben zu führen, ehrlich zu lachen, zu lieben?
Aber lag es nur am Zaubern? Auch unter den Muggeln gab es böse, finstere Gestalten…
Die Angst gaukelte ihr in der Nacht grausame Bilder vor. Als sie kurz in einen unruhigen Schlummer fiel, träumte sie, sie würde Maggie erwürgen…
Lyzette erwachte vom eigenen Schrei.
Türen flogen auf. Die Mutter, der Vater und hinter ihnen Jenny, das Hausmädchen, kamen gerannt. Die Mutter nahm Lyzette in ihre Arme. Schluchzend erzählte sie ihren grausigen Traum und sprach von ihren Befürchtungen.
Die Mutter tröstete sie: „Unsere Vorfahren sind uns vom Schicksal gegeben, unsere Entscheidungen nicht. Du wirst nicht zwangsläufig zum Tyrannen, nur weil einer deiner Vorfahren einer war. Es ist deine und nur deine Entscheidung, in welcher Art du auf andere zugehst.“
Lyzette fühlte sich zwar etwas beruhigt, doch Unsicherheit und Zweifel blieben.
Maggie
saß wie üblich lange vor der Abfahrt im Zug. Aus dem Nachbarabteil tönte die Stimme von Rosy Flint: „…die Northern Witches School zu einem Institut werden soll, in dem halb und ganz Muggelstämmigen alles beigebracht werden soll, was sie brauchen, um uns Reinblütern zu dienen.“
Maggie kam in den Sinn, wie klein das Häuflein in Hogwarts wäre, müssten alle die gehen, bei denen mindestens ein Eltern- oder Großelternteil Muggel war. Überhaupt, warum sollten sie anderen dienen MÜSSEN?
So lange Mutter und Vater noch zusammen in dem großen Haus gelebt hatten, hatten sie Köchin, Putzfrau und Gärtner gehabt. Aber die hatten sich freiwillig um die Stellung beworben und bekamen anständigen Lohn. Der Butler der Hamiltons verdiente so viel wie ein mittlerer Angestellter…
Mitten in diese Überlegungen hinein platzte Lyzette. Sie warf ihre Tasche auf den Sitz und zog mit einem Knall die Tür zu. Maggie sah hoch und erschrak. Lyzette sah bleich und eingefallen aus.
Schweigend umarmten sich die Freundinnen. Maggie half Lyzette, ihr Gepäck zu verstauen. Als sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte und auf dem Gang Ruhe eingekehrt war, sagte Maggie: „Du siehst furchtbar aus. Bist du krank?“
Lyzette seufzte: „Ich hab´ eine schreckliche Entdeckung gemacht und ein paar Nächte nicht geschlafen.“
„Was hast du entdeckt? Komm schon, erzähl´s mir, geteiltes Leid ist halbes Leid. – Muffliato!“
Lyzette hob fragend die Augenbrauen. Maggie erklärte: „Nebenan sitzt die Flint mit ihrem Gefolge.“
Was Lyzette zu berichten hatte, ließ Maggies Kinnlade herunterklappen. „Ich stamme von diesem Voldemort – Tom Riddle – ab. Meine Urahne hat ihn einmal rangelassen, dann ist er untergetaucht.“
„Wenn du von Riddle abstammst, ist dein Vorfahre Salazar Slytherin, einer der Schulgründer. Das räumt dir etliche Rechte ein, weißt du das?“
Lyzette ging nicht darauf ein. „Ich habe Angst, genauso böse zu werden wie Voldemort.“
„Quatsch!“, rief Maggie energisch. „Du und böse – also bitte! Du und dich über irgendwen erheben – das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen! Wir brechen die Regeln, halten uns nicht an Verbote – okay. Aber das machen andere auch. Oder hast du jemals das Bedürfnis gespürt, jemandem wehzutun?“
„Longbottom“, antwortete Lyzette wie aus der Pistole geschossen. „Ich habe seinen Willen beeinflusst.“
„Und WARUM hast du das getan? Nicht aus purem Eigennutz, soweit ich mich erinnere.“
Leise sagte Lyzette: „Aber ich habe es genossen.“
„Welcher Schüler würde es nicht genießen, dem verhasstesten aller Lehrer eins auszuwischen? Einfach so zum Spaß hättest du es selbst bei Longbottom nicht getan, oder?“
Lyzette presste minutenlang die Lippen aufeinander. Dann sagte sie: „Du hast zwar Recht, aber ich habe trotzdem Angst, dass ich irgendwann der Versuchung erliege, mich mit dunklen Dingen zu beschäftigen. Mit Schlangen sprechen kann ich schon.“
„Dieser Versuchung müssen wir alle uns irgendwann stellen. Es liegt ganz an dir und deinem wahren Willen, was du tust.“
Lyzette wirkte nicht so, als wäre sie überzeugt. Maggie überlegte, womit sie ihre Freundin ablenken könnte. „Moment mal! Hast du gerade gesagt, du kannst mit Schlangen sprechen?“
Lyzette nickte gequält.
„Wie macht man das? Wie geht die Schlangensprache?“
Behutsam versuchte Maggie, das Gespräch weg von Lyzettes Sorgen und hin zu angenehmeren Dingen zu lenken, doch Lyzette war nicht aufzuheitern, bis Maggie ihr das Versprechen abnahm, aufzupassen, dass sie nichts Böses tat.
Nun wäre auch Lyzettes Abstammung geklärt.
Wie es weitergeht mit J.L., Hogwarts und unseren beiden Mädels, erfahrt ihr in den nächsten Kapiteln...
Im Übrigen wird das "Verhältnis" Constanze Weatherby - Tom Riddle in "Tom R. und die Frauen" aus Riddles Sicht erzählt....
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel