von käfer
Ob sich die Geschmacksverirrung von Maggies Mutter wieder verliert, wird sich in den nächsten Kapiteln zeigen. Jetzt gibt es erstmal - wie die Kapitelüberschrift schon sagt - Antworten auf ein paar Fragen. Es wird sowieso Zeit, dass ein gewisser Albus wieder mal seinen Senf zu meiner Geschichte dazugibt...
Maggie und Lyzette
Professor Fairbanks gab den Zweitklässlern eine umfangreiche Hausaufgabe auf: Sie sollten über eine Persönlichkeit der magischen Geschichte, die nicht in den Lehrbüchern des ersten und zweiten Schuljahres erwähnt war, einen Aufsatz schreiben und einen Vortrag vorbereiten.
Maggie und Lyzette sahen sich an. „Ich schreibe über Voldemort“, sagten sie gleichzeitig. Aber diesmal gestattete der Pharao keine Gemeinschaftsarbeit. Maggie lenkte ein: „Na gut, da schreibe ich eben über Harry Potter. Da ergänzen sich unsere Arbeiten.“
Lyzette fragte: „Kannst du mir bitte das Buch über Snape borgen? Da stand doch einiges drin.“
„Selbstverständlich. Und mein Notizbuch kannst du auch benutzen, was dort drinsteht, haben wir ja gemeinsam herausgefunden.“
Und schon machten sich die Mädchen an die Arbeit, wälzten Bücher, klickten sich durch Datenbanken, blätterten in alten Zeitungen. Nach drei Tagen, abends in ihrem Zimmer, sagte Maggie: „Was meinst du, können wir es wagen, wieder mal nachts rauszugehen? Es drängt mich immer mehr, dem alten Dumbledore ein paar Fragen zu stellen.“
„Mich auch. Gehen wir gleich heute.“ Lyzette sprang auf, es war beschlossene Sache. Sie bereiteten sich sorgfältig vor, zogen die engen Gymnastikanzüge an und Lyzette versah die Sohlen der Turnschuhe mit einem zusätzlichen Schleichzauber. Noch aufmerksamer und vorsichtiger als früher schlichen sie durch die Gänge, benutzten Wege, die sonst keiner benutzte, hielten öfter an, um zu lauschen. Aber es war so still in der Schule wie nie zuvor. Ungehört und ungesehen gelangten sie zu dem Turmzimmer und stimmten im Flüsterton den Geisterruf an.
„Ich habe schon befürchtet, ihr zwei hättet mich vergessen“, kam vorwurfsvoll-vergnügt die Stimme des Geistes aus einer Ecke, bevor die durchsichtige Gestalt selbst erschien.
„Nein, nein, wir haben Sie nicht vergessen“, versicherte Lyzette. Maggie ergänzte: „Professor Lupin hat herausbekommen, dass wir Desillusionierungszauber beherrschen. Da haben wir uns eine Weile nicht mehr ´rausgetraut.“
„Aha. Wobei habt ihr euch denn erwischen lassen?“
Maggie druckste herum. „Ich hab´s zu Hause meinen Brüdern vorgeführt.“
„Ts, ts, ts.“ Mit gespieltem Vorwurf schüttelte der Geist den Kopf. Eine peinliche Pause entstand. Lyzette fragte als erstes: „Sir, können Sie uns vielleicht ein bisschen über Lord Voldemort, ich meine, über Tom Riddle, erzählen?“
„Und über Harry Potter?“, ergänzte Maggie. „Wir müssen nämlich Aufsätze über Persönlichkeiten schreiben, die nicht in unseren Lehrbüchern erwähnt werden. Außerdem möchte ich gerne noch etwas über Severus Snape wissen.“
„So, so, so.“ Der Geist schnalzte mit der Zunge. „Und ihr meint, ich kann euch alles erzählen?“
Die Mädchen nickten.
„Und was schreibt ihr dann in die Quellenangabe? - ´Gehört von Albus, dem Geist´? – Das geht nicht, ich will nicht in die Tüte.“
Maggie und Lyzette schauten sich betreten an. Daran hatten sie gar nicht gedacht. Professor Fairbanks verlangte, dass an das Ende der Aufsätze ein vollständiges Quellenverzeichnis angehängt wurde. Geister gab es in Hogwarts offiziell nicht mehr; sie würden jede Menge Ärger verursachen, wenn sie Dumbledore als Quelle angaben.
„Da werden wir wohl doch auf das bisschen angewiesen sein, was wir in der Bibliothek ausgraben können“, sagte Lyzette mit mutlos hängendem Kopf.
„Ich schreibe noch mal an Arthur Potter“, sagte Maggie langsam. „Vielleicht hat er meinen Brief gar nicht bekommen oder einfach vergessen.“
Der Geist schmunzelte vor sich hin. „Ihr kriegt schon genug zusammen für Eure Aufsätze, da bin ich sicher. Ich könnte euch einiges erzählen, das ist wahr. Und ich werde es euch erzählen, aber nicht, bevor ihr eure Vorträge gehalten habt. So einfach mache ich es euch nicht.“
„Professor Dumbledore“, sagte Maggie hastig, „Sir, könnten Sie mir wenigstens ein paar Fragen über Severus Snape beantworten?“
Der Geist fuhr auf Maggie zu, seine kühle Gestalt hielt unmittelbar vor ihr an. „Du hast nicht zufällig deine Meinung geändert und willst jetzt über Severus schreiben?“
„Nein“, erwiderte Maggie, obwohl sie einen Moment lang mit dem Gedanken gespielt hatte. „Nein, es gibt schon eine Biografie über Severus Snape, und nur diese eine Quelle. Ich will keine Zusammenfassung des Buches schreiben, dafür gibt Fairbanks bestenfalls eine vier.“
Der Geist machte es sich in dem alten Sessel bequem, Maggie und Lyzette hockten auf dem Bett.
„Dann frag mal, mal sehen, ob ich antworten kann.“
„Wie war Severus so als Schüler?“, begann Maggie zögernd. „Ich meine, ich weiß, dass er gute Noten hatte, aber wie war er sonst? Hat er sich mit den anderen gut verstanden? Hatte er viele Freunde? Was haben sie in der Freizeit gemacht? Und so was eben.“
„Wissen eure Lehrer, was ihr macht, wenn ihr nicht im Klassenzimmer sitzt, hm?“
Den Gesichtsausdruck der beiden Mädchen müsste man so beschreiben: Sie schauten Dumbledore an, als wäre ihnen ein Geist erschienen.
„N-nein“, sagte Lyzette zögernd. „Niemand weiß, was wir in unseren Zimmern machen.“
„Meinst du, damals war das anders?“, fragte Dumbledore ernsthaft. „Damals war es eher so, dass sich die Lehrer kaum um anderes als den Unterricht gekümmert haben. Für Ordnung und Disziplin waren die Vertrauensschüler zuständig. So was wie Arbeitsgemeinschaften und Hauslehrersprechstunden gab es nicht.“
Maggie seufzte resigniert.
Dumbledore sah sie über seine Brille hinweg an. „Ausnahmen bestätigen die Regel. Ein gewisser Albus Dumbledore hat immer mal den einen oder anderen Schüler besonders beobachtet. Severus Snape war so ein Kandidat.“
„Tom Riddle auch?“, fragte Lyzette schnell.
„So kriegst du mich nicht rum.“ Dumbledore schmunzelte. „Ja, auch Riddle habe ich beobachtet. Aber wir waren bei Severus. Der ist mir zum einen aufgefallen, weil ich seine Mutter kannte, und zum anderen, weil er auffallend blass war, und zum dritten, weil er von Anfang an recht freigiebig Flüche verteilt hat. Und zwar Flüche gehobener Art, wenn ihr versteht, was ich meine. Severus konnte schon nach einer Woche in Hogwarts besser mit dem Zauberstab umgehen als manch anderer in der letzten Klasse. Er war ein Naturtalent.“
Der Blick des Geistes wanderte zwischen Maggie und Lyzette hin und her. Wie zu sich selber sprach er weiter: „Freunde? Nun, wenn man Lucius Malfoy als Freund bezeichnen wollte, dann hatte er einen. Slytherins waren nie sehr gesellig, es war immer eher so, dass es ein paar Cliquen gab mit einem Anführer und Gefolge. Sagen wir, Malfoy war der König und Severus erster Minister. Später hat er die Clique angeführt. Lily Evans? Er hat sie geliebt, das hat er mir später gestanden. Aber was zwischen den beiden wirklich gewesen ist, körperlich oder nicht – ich weiß es nicht.“
Maggie schluckte und stellte die Frage, die ihr am meisten am Herzen lag: „Wie ist er dazu gekommen, sich mit Schwarzer Magie zu beschäftigen?“
„Siehst du, das ist genau die Frage, die ich nicht beantworten kann. Vielleicht hat Lucius ihm etwas gezeigt, und er hat Gefallen daran gefunden. Aber das ist wahrscheinlich zu einfach.
Von Schwarzer Magie geht eine gewisse Verlockung aus. Sie verspricht Macht, Einfluss, Reichtum. Vor allem aber Macht, sich über andere zu erheben. Vielleicht war es das. Sicher war es das. Aber auch das, was man heutzutage Gruppenzwang nennen würde. Severus war ein Halbblut unter lauter Reinblütigen. Schon nach ein paar Wochen kam er zu mir und hat mich gebeten, ihn in ein anderes Haus zu schicken. Aber das geht nicht. Was Gryffindors Hut spricht, ist unabänderlich. Also hat er mitgemacht. Vielleicht war es das. Vielleicht alles zusammen. Vielleicht etwas ganz anderes. Zu viele vielleichts…“
In Gedanken versunken verstummte der Geist, der in der völligen Dunkelheit der Turmkammer sehr körperlich wirkte.
Lyzette stellte die nächste Frage: „Und was war mit Voldemort? Wie sind dessen Ideen nach Hogwarts gekommen? Wie hat er hier Anhänger geworben? Wann hat Snape sich ihm angeschlossen?“
Dumbledore drohte Lyzette mit dem erhobenen Zeigefinger. „Reine Mundpropaganda. Die Anhänger für Voldemort hat zuerst Lucius Malfoy geworben – ohne dass wir Lehrer etwas gemerkt haben. Wann Severus das Dunkle Mal erhalten hat, weiß ich nicht, aber es muss bald nach dem Schulabschluss gewesen sein.“
„Am Abend danach“, sagte Maggie leise.
„Sir, wie ist es eigentlich zu erklären, dass meine Tante, die außer mir die einzige Hexe in der Familie ist, in Hufflepuff war? In ihren Adern fließt doch auch das Blut von Severus Snape, eigentlich sogar noch mehr als bei mir. Ich habe so viel von ihm geerbt, Tante Sylvie gar nichts.“
„Wenn man das erklären könnte, wäre man ein paar Schritte weiter in der Erklärung der Magie. Ihr habt ja nicht nur Severus Snape als magischen Vorfahren, wer weiß, wem deine Tante nachgeraten ist.“
„Woher weiß der Sprechende Hut eigentlich, wer in welches Haus muss?“
„Dieses Geheimnis hat Godric Gryffindor mit in sein Grab genommen. Es hat etwas mit dem Charakter des Menschen zu tun, mit der Aura, die ihn umgibt.“
„Bitte lachen Sie mich nicht aus, wenn ich die nächste Frage stelle“, sagte Maggie.
Der Geist bat sie mit einer Handbewegung, zu sprechen.
„Gibt es so etwas wie eine Wiedergeburt?“
„Du meinst“, fragte Dumbledore, „du meinst, dass die Seele eines Verstorbenen, zum Beispiel Severus Snapes Seele, in einem anderen Menschen, zum Beispiel in Maggie Duncan, wieder aufersteht?“
Maggie nickte.
„Manche sagen ´natürlich gibt es das´, andere halten es für gänzlich unmöglich. Die Wahrheit wird wohl in der Mitte liegen.“
Es herrsche Totenstille.
„Du wirst nicht töten, wenn du nicht töten willst“, sagte Dumbledore leise. „Es sind die Entscheidungen, die einen Menschen zu dem machen, was er ist.“
Ganz plötzlich schoss der Geist in die Höhe. „Es wird allerhöchste Zeit für euch, ins Bett zu gehen.“
„Gestatten sie mir noch eine einzige Frage, Sir?“ Maggie sah erwartungsvoll zur Decke, wo Dumbledore kopfunter hing, die Füße in den Balken.
„Nur eine, und nur, wenn die Antwort kurz ist.“
„Kann es sein, dass Tom Riddle Nachkommen hat?“
„Es ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.“
Maggie und Lyzette saßen in vollkommener Dunkelheit, der Geist war verschwunden.
Albus, der Geist
Seltsame Gedanken haben die beiden Mädels in ihren hübschen Köpfen! Sie beschäftigen sich ernsthaft mit Dingen, an die manch Erwachsener Zeit seines Lebens keinen einzigen Gedanken verschwendet. Dass Miss Langnase befürchtet, wie Severus auf die Dunkle Seite gezogen zu werden, ist verständlich. Sie hat so viel von ihm… Wenn ich nur an die funkelnden Augen denke, wenn sie wütend ist! Und sie ist mindestens so oft wütend, wie Severus seinerzeit wütend war… Wenn ich sie so sehe, könnte ich glatt an die Wiedergeburt glauben. Wer weiß, noch ist längst nicht alles erforscht.
Aber was zum Kuckuck sollte die Frage, ob Tom Riddle Nachkommen gehabt hat? Allerdings – wenn ich mir Löckchen so neben Esmeralda Slytherin vorstelle, da gibt es schon eine gewisse Ähnlichkeit. Maggie ist das wohl aufgefallen, aber es muss nichts bedeuten.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Tom Riddle etwas mit einer Frau anzufangen wusste. Aber ich habe mich so oft im Leben geirrt, da kommt es auf einen Irrtum mehr oder weniger nicht an.
Worin ich mich bestimmt nicht irre, ist das, wonach Lydia sucht. Sie starrt oft genug auf die Stelle an der Bürowand. Ich weiß, dass Minerva das Sprechende Porträt von Severus abgenommen hat, aber ich weiß nicht, wohin sie es getan hat. Wenn ich es wüsste, hätte ich es Lydia längst gesagt.
Lydia Lupin
Fleur Krum war immer noch krank, ihr Zustand besserte sich nicht. Seit Ted ihre Behandlung übernommen hatte, kündete stumpfes graues Haar davon, dass er große Sorgen hatte. Nur für kurze Zeit nahm es jenen leuchtend blauen Ton an, der freudige Erregung bedeutete. Das war, als das jüngste Enkelkind der Lupins geboren wurde. Damit waren Ted und Lydia in der magischen Gemeinschaft Großbritanniens das Paar mit den meisten Enkeln. Eine Reporterin der „Hexenwoche“ kreuzte auf, interviewte die ganze Familie und machte Fotos. „Mindestens drei Seiten kriege ich für die Story“, frohlockte Ricarda Kimmkorn, aber der Beitrag erschien nicht. Lydia wunderte sich nicht weiter darüber; sie wusste, wer das Sagen in der Zeitschrift hatte.
Als Teds Gesicht so grau wurde wie sein Haar und er sich in jeder freien Minute in der Verbotenen Abteilung der Hogwarts-Bibliothek verschanzte, fand Lydia, dass es allerhöchste Zeit war, zu handeln.
Sie kaufte eine dichte, blühende Topfpflanze, versteckte einen Papageienstein darin und besuchte Mrs. Krum im St. Mungo´s. „Das ist ja nett, dass Sie ihr etwas mitbringen, aber die Patientin nimmt nichts wahr“, sagte die Krankenschwester.
„Wissen Sie das so genau?“, erwiderte Lydia. „Vielleicht bekommt sie ja alles mit und kann nur nicht darauf reagieren. Ich habe von solchen Fällen gelesen.“
Noch während Lydia sprach, entstand Unruhe draußen auf dem Gang; eilige Schritte und Rufe waren zu hören. Im Kittel der Krankenschwester piepste etwas. „Ein Notfall“, sagte sie, „ich muss weg. Bitte bleiben Sie nicht länger als zehn Minuten.“
Lydia lächelte in sich hinein. So lange würde sie nicht brauchen für das, was sie vorhatte. Severus Snape hatte seine Pflegetochter nicht nur in die Geheimnisse der Tränkebrauerei eingeweiht…
Lydia setzte sich auf die Bettkante und legte ihre Fingerspitzen auf die Schläfen der starr daliegenden Fleur Krum. Sie konzentrierte sich und ließ die Kraft fließen.
Nach sieben Minuten verließ Lydia Lupin das Krankenzimmer mit besorgtem Gesichtsausdruck.
Wenige Minuten später eilte sie durch die Gänge der Hogwarts-Schule, ohne nach links und rechts zu sehen. Sie ging geradewegs in die Bibliothek, schob das Buch beiseite, in dem Ted gerade las und sagte: „Hör mir mal gut zu!“
Ted Lupin wusste genau, dass es sehr ernst war, wenn seine Frau in diesem Ton mit ihm sprach, und lauschte. Vor Verwunderung wurden seine Augen riesig groß und die Haare, die den violetten Schimmer des Entsetzens annahmen, stellten sich auf. „Das beherrsche ich nicht. Woher kannst du so was?“, fragte er, nachdem Lydia geendet hatte.
„Severus hat es mir beigebracht,“ antwortete sie schlicht. „Aber ich konnte die Blockade nicht brechen, das ist für einen allein zu gefährlich.“
„Nicht nur das. Keiner von uns hat Übung in solchen Dingen. Ich muss mich erst mal kundig machen, wer das beherrschen könnte. Ich selber habe es in der Ausbildung nur theoretisch dran gehabt; solche Art von Schwarzer Magie gibt es doch gar nicht mehr.“
„Doch. Siehe Fleur Krum“, sagte Lydia ärgerlich. Warum verschlossen nur alle ihre Augen vor dem, was offensichtlich war? Lydia hatte schon lange das Gefühl, dass sich die Geschichte wiederholte. Man hatte vergessen, dass es einen Lord Voldemort gegeben hatte, der die gesamte magische Gemeinschaft in Angst und Schrecken versetzt hatte. Man verdrängte, dass das schwarzmagische Wissen noch allgegenwärtig war, heimlich aufbewahrt und weitergegeben in verschiedenen Zaubererdynastien. Man suchte Ausreden, wenn die Reinheit des magischen Blutes beschworen wurde. Man schloss die Augen, wenn Schwarze Magie offensichtlich war, man glaubte nicht einmal das, was man sah. Sogar ihr eigener Mann tat das, dabei müsste er es doch besser wissen. Ted Lupin war der Patensohn von Harry Potter und der hatte ihm alles erzählt. Oder doch nicht? Lydia würde fragen, wenn Zeit dafür da war. Jetzt galt es erst einmal, Fleur Krum zu helfen und herauszufinden, wer der Verursacher der merkwürdigen Krankheit war. Lydia hatte zwar einen Verdacht, aber keinerlei Beweise.
Noch einmal ging Lydia ins St. Mungo´s. Wieder wurde sie von einer Krankenschwester begleitet. Das war ihr nur Recht, sie verwickelte die Pflegerin in ein Gespräch. „Bekommt Mrs. Krum viel Besuch?“ Lydia sah ihrem Gegenüber direkt in die Augen.
„Nein, überhaupt nicht. Nur ihr Mann kommt oft, manchmal sogar zwei Mal am Tag.“
Lydia intensivierte den Augenkontakt. „Und die Kinder?“
„Die leben am anderen Ende der Welt. Ich habe gehört, dass die Familie zerstritten sein soll.“
„Oh, das ist traurig. Sonst kommt wirklich niemand? Freunde, Kollegen?“
„Nicht das ich wüsste.“
Lydia hatte genug erfahren, sie brach den Augenkontakt ab. Indem sie vorgab, eine verwelkte Blüte abzuzupfen, holte sie den Papageienstein aus dem Blumentopf. Dann begab sie sich nach Hogwarts und schloss sich in ihrem privaten Arbeitszimmer ein.
Der Papageienstein gab nicht viel wieder, nur normale Klinikgeräusche. Igor Krum kam zwei Mal und sprach lange zu seiner Frau. Einmal kam er nur kurz und schwieg. Das, kombiniert mit dem, was sie von der Krankenschwester erfahren hatte, ließ Lydia die Stirn runzeln. „…manchmal sogar zweimal am Tag“, hatte die Krankenschwester gesagt und in ihren Erinnerungen hatte Lydia gesehen, dass Igor Krum mal als von Gram und Sorge gebeugter Mann kam, der lange am Bett seiner Frau saß, ihre Hände hielt und ihr von seinem Alltag erzählte, und manchmal schien es, dass er nur eine leidige Pflicht erfüllte.
Was, wenn dieser zweite Igor Krum in Wahrheit Jack Longbottom war? Was, wenn Longbottom Fleur Krum bei seinem ersten Besuch im Ministerium Widerstandslostrank eingeflößt hatte? Der verursachte ziemliche Übelkeit, die Symptome stimmten. Danach war Longbottom als Fremder getarnt hingegangen und hatte damit begonnen, Fleurs Gehirn zu manipulieren, das setzte er nun unter der Maske von Igor Krum fort. Man musste solche Manipulationen kontrollieren und von Zeit zu Zeit erneuern, das wusste Lydia von Severus. Der hatte so etwas beherrscht und sein Wissen an Lydia weitergegeben, warum sollte nicht auch ein Jack Longbottom davon wissen? Der war nicht zur Hälfte der Trottel, für den er sich ausgab.
Lydia ging ins Dokumentenarchiv und prüfte einige Unterlagen. Die Ergebnisse gaben ihren Vermutungen Recht. In relativ regelmäßigen Abständen hatte Anthony Fudge Baumschlangenhäute nachgeordert, ohne einen Verwendungsnachweis zu bringen. Während seiner Vernehmungen hatte er behauptet, nicht gewusst zu haben, wohin die Häute gekommen waren. Man hatte dem nicht allzu viel Bedeutung beigemessen, denn Fudge hatte nur das zugegeben, was man beweisen konnte.
Und die Flasche mit den Belladonnatropfen sowie das Glas mit den getrockneten Fliegenpilzlamellen waren bei der Inventur auch nicht aufzufinden gewesen. Beides gehörte in den Widerstandslostrank!
Wahrscheinlich hatte Fudge in den beiden Punkten doch die Wahrheit gesagt. In seinem Durcheinander war es ihm nicht aufgefallen, dass etwas gestohlen worden war.
Lydia war sich ganz sicher, dass der Zutatendieb Jack Longbottom war. Sie wusste, dass sie Recht hatte; sie wusste aber auch, dass es ihr nie gelingen würde, dies zu beweisen.
Albus Severus Potter bestätigte dies. Auch er betrachtete die politischen Entwicklungen der letzten Zeit mit Argwohn, als Sohn von Harry Potter hatte er als Kind daheim all das erfahren, was man heutzutage in der Öffentlichkeit verschwieg.
Maggie
Auf was Maggie kaum noch zu hoffen gewagt hatte, trat doch ein: Sie bekam Post von Arthur Potter. Es war schon fast kein Brief mehr, sondern ein kleines Päckchen, das eine ziemlich erschöpfte Eule an einem Samstagmorgen neben Maggies Frühstücksteller legte.
Arthur Potter bat um Entschuldigung dafür, dass es so lange gedauert hatte. Er habe Maggies Fragen ausführlich und genau beantworten wollen, und wo er selber nicht weiter wusste, hatte er Spezialisten gefragt. So versuchte ein Heram O´Connor auf zwei eng beschriebenen Seiten zu erklären, wie es kommen könnte, dass Maggie und ihre Tante die einzigen in ihrer Familie mit magischen Fähigkeiten waren und dann so verschieden aussahen. Die Weitergabe von äußerlichen Merkmalen und magischen Fähigkeiten in muggelgemischten Familien war kaum erforscht, weil sich keine Gesetzmäßigkeiten erkennen ließen.
„Wenn ich also nicht zufällig über einen magisch begabten Vorfahren stolpere, werde ich vielleicht nie herausfinden, von wem ich abstamme“, kommentierte Lyzette den Aufsatz.
Arthur Potter beruhigte Maggie hinsichtlich unabsichtlicher magischer Ausbrüche außerhalb der Schule. Solange sie nicht bewusst Zauber anwendete, würde es nicht bestraft werden und Stabbrechen sei die letzte und Höchststrafe und nur für Schwarzmagische Aktivitäten und notorische Wiederholungstäter vorgesehen.
Die Sommercamps für muggelstämmige Kinder beruhten auf einer Idee von Anne Person, ausgearbeitet und ins Leben gerufen von ihrem Mitarbeiter Thomas Finnigan, finanziert von einem „wohlwollenden Geldgeber“, der inkognito bleiben wollte. Maggie und Lyzette sahen sich an. „Wenn da mal nicht Longbottom dahintersteckt“, orakelte Lyzette, dabei funkelte sie Maggie unternehmungslustig an.
„Sei bloß vorsichtig!“, warnte Maggie.
Maggie brauchte den ganzen Tag, um den Brief zu lesen und Lyzette das wichtigste zu erzählen. Frohgemut saßen die beiden am Nachmittag über den Notizen für ihre Aufsätze; Arthur Potter hatte sowohl über Voldemort als auch über seinen Großvater Harry Potter einige Informationen geliefert.
Die einzige Frage, die selbst Albus Severus Potter, Arthurs Onkel und Leiter der Abteilung Inneres im Zaubereiministerium nicht beantworten konnte, war die, warum die Ereignisse um Lord Voldemort in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Unterricht nicht drankamen und auch sonst verschwiegen wurden.
PS: Ricarda Kimmkorn ist, wenn ich mich nicht irre, eine Urgroßnichte von Rita Kimmkorn; Thomas Finnigan ist der Enkel des uns bekannten Seamus F.
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