von käfer
Im Gegensatz zu früher, wo die neuen Hogwartianer mehr oder weniger selbst dafür sorgen mussten, dass sie sich im Schloss zurechtfinden, dient der erste Tag dem Kennenlernen von Haus und Gelände...
Maggie und Lyzette
Voller Erwartungen sprangen die beiden Mädchen am nächsten Tag aus den Betten.
Lyzette stellte sich ans Fenster und bewunderte die Aussicht. Links war eine imposante Bergkette zu sehen, davor der riesige See. Rechts davon konnte man ein Stück Schlosspark mit der Zufahrt erkennen, und wenn man sich weit hinauslehnte, auch den Beginn des Verbotenen Waldes.
Maggie zog Lyzette vom Fenster weg. „Komm schon, wir müssen los. Die Aussicht kannst du noch sieben Jahre lang bewundern.“ Seufzend löste sich Lyzette vom Fenster. „Ist das schön hier. Daheim habe ich immer nur das Gartenhaus und die hohe Mauer vor den Augen, wenn ich hinausschaue. Das ist alles andere als inspirierend.“
Die Hauslehrer verteilten die Stundenpläne. Lyzette stieß einen kleinen Schrei aus. „INFORMATIK!“, rief sie, „wir haben auch Informatik? Und ich dachte, wenn ich an so einer altmodischen Hexenschule lerne, brauche ich keinen Computer mehr anzufassen!“
Eliza Sticky ihnen gegenüber lachte und schüttelte ihr weißblondes Haar. „Na, so altmodisch ist Hogwarts nun auch nicht. Ohne Computer geht es eben auch in Zaubererkreisen nicht mehr. Und so schlimm ist es nicht, eine Stunde pro Woche übersteht man schon.“
„Hast du was gegen Computer?“, fragte Maggie neugierig.
„Ich hasse die Dinger! Meine Brüder kennen nichts anderes als ihre Klimperkästen, man kann kein vernünftiges Wort mit ihnen reden.“
„Mit größeren Brüdern kann man als kleine Schwester selbst dann nicht reden, wenn sie nicht vor einem Bildschirm hocken. Ich für mein Teil finde Computer ganz nützlich, wenn man auf die Schnelle etwas wissen will.“
Lyzette gab auf. Außerdem verkündete Professor Lupin gerade, dass die Erstklässler keinen Unterricht hätten, sondern durch die Schule geführt würden.
Professor Houseman fiel die Aufgabe zu, die neuen Slytherins mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen.
„Das Schloss ist sehr weitläufig. Es wurde für die vierfache Zahl an Schülern und Lehrern gebaut. Deshalb steht einiges leer.
Bitte bleibt zusammen und folgt mir; später dürft ihr alleine auf Erkundungstour gehen.“
Maggie und Lyzette tauschten Blicke. Von dieser Erlaubnis würden sie reichlich Gebrauch machen.
Der Stellvertretende Schulleiter führte sie treppauf, treppab, links herum, rechts herum durch endlose Gänge. Maggie und Lyzette schauten umher und versuchten, sich alles zu merken. Hier und da fiel ihnen ein Seitengang oder eine schmale Treppe auf. Die würden sie später ausprobieren.
Es war später Vormittag, als sie endlich mit der Besichtigung des Hauses fertig waren. Nach einer kurzen Pause übernahm der Professor für Kräuterkunde, Jack Longbottom, die Klasse und führte sie nach draußen.
Das Quidditchfeld und den angrenzenden Sportplatz erwähnte er nur beiläufig, aber im Schlosspark blieb er ganz oft vor Stauden stehen und erklärte, um was für Pflanzen es sich handelte. Maggie verdrehte die Augen.
Sie durften ganz kurz in einige der Gewächshäuser schauen und Professor Longbottom achtete darauf, dass niemand etwas berührte. Schließlich zeigte er ihnen noch eine uralte, riesige Weide. „Diesem Baum kommt Ihr besser nicht zu nahe, wenn Euch Euer Leben lieb ist. Bleibt unbedingt, wo Ihr seid, ich zeige Euch, was ich meine.“ Damit schritt er auf die Weide zu und blieb stehen. Nach ein paar Sekunden neigte sich der Baum, seine Äste peitschten den Boden. Professor Longbottom sprang im letzten Augenblick aus der Reichweite der Äste. „Habt Ihr das gesehen? Dies ist ein magischer Baum, er duldet niemanden in seiner Nähe.“
„Gruselig“, meinte Lyzette und Maggie sagte: „Meine Tante behauptet, dass dieser Baum ein Geheimnis verbirgt.“
„Was denn?“, fragte Lyzette neugierig.
„Angeblich beginnt unter der Peitschenden Weide ein Geheimgang. Aber keiner ist nahe genug an den Stamm herangekommen, um nachzusehen.“
„Cool. Dann finden wir heraus, wo´s da hingeht.“
„Wie willst du das schaffen? Der Baum verprügelt jeden, der ihm zu nahe kommt.“
Lyzette hatte Maggies Antwort nicht gehört. Sie starrte das Schloss an. „…fünf, sechs, sieben. Da waren wir. Und darüber sind noch mal drei Reihen Dachfenster. Dort waren wir nicht. Was wohl da oben ist?“, fragte sie mehr sich selbst als Maggie. Doch die hatte ihren Blick ebenfalls von der Peitschenden Weide ab- und dem Schloss zugewandt. „Da – dort rechts, hast du gesehen? Da hat sich was bewegt!“
„Ich habe es auch gesehen, da war JEMAND“, flüsterte Lyzette.
„Ihr zwei Träumerinnen, mitkommen!“, rief Professor Longbottom und die Freundinnen rannten hinter den anderen her.
„…Wald heißt nicht umsonst der Verbotene Wald“, sagte der Professor gerade, als sie zur Gruppe aufschlossen. „Zwar gibt es jede Menge interessanter Gewächse darin, aber leider auch genügend überaus gefährliche Tiere und solche, die einfach nur ihre Ruhe brauchen.
Die Schwefelsümpfe hinter diesem harmlos erscheinenden Waldstück hier sind absolut tabu! Es gibt dort Morastlöcher, die ohne jegliche Vorwarnung giftige Dämpfe ausstoßen, außerdem leben dort Teufelsschlingen, die zu riesigen Würgeschlangen mutiert sind. Es gab schon etliche Unfälle dort drin und man vermutet, dass einige Leute, die spurlos verschwunden sind, da ihr Ende gefunden haben.“
„Jetzt muss er nur noch erzählen, dass es in den Sümpfen spukt“, raunte Lyzette. Maggie erwiderte: „Longbottom hat nicht übertrieben. Tante Sylvie war mal am Rand der Sümpfe und hat diese Schlangendinger gesehen. Geister gibt es dort nicht, die sind nur im Gebäude selber.“
Lyzette schüttelte ihre Locken. „Geister gibt es doch überhaupt nicht!“
„Wart´s ab!“, drohte Maggie.
Allmählich wurde Longbottoms Führung langweilig. Sowohl Lyzette als auch Maggie schielten immer wieder zum Schloss hinüber. Maggie begann, wieder vom Dachboden zu reden. „Hast du im siebten Stock irgendwo eine Treppe bemerkt, die weiter hoch führte? Ich würde sonst was dafür geben, mal da oben langzustromern. Ich LIEBE Dachböden.“
Lyzette lachte: „Ich auch. Zu Hause habe ich eine kleine Kammer ganz oben entdeckt – mit ganz viel altem Papierkram drin, Fotos, Urkunden und so. Und da habe ich immer gestöbert, wenn ich alleine daheim war. Unser halber Boden ist voll mit Zeug von den Vorfahren, Kleider, Möbel, Kochtöpfe und solcher Kram. Traumhaft, was man da alles finden kann.“
„Bei uns…“, begann Maggie, wurde aber von Lyzette unterbrochen, die ihr einen Ellenbogen in die Rippen stieß. „Guck mal dort, dieses Gebilde aus Efeu. Longbottom geht dran vorbei, ansonsten erklärt er doch alles, was pflanzlich ist.“
„Du hast Recht. Das ist so eckig, als ob da etwas Gebautes darunter wäre.“ Schon war sie zu Professor Longbottom gerannt und fragte: „Sir, was ist dort unter dem Efeu?“
Der Lehrer sah sie erstaunt an. „Ich habe keine Ahnung. Es ist einfacher, wilder Efeu, der dort wächst, völlig normal und uninteressant.“
„Aber darunter ist doch etwas, ein Gebäude oder so.“
„Ich habe keine Ahnung. Das war schon so, als ich hier Schüler war. Und das ist lange her.“
Maggie gesellte sich wieder zu Lyzette. „Das muss ich mir mal genauer ansehen. Longbottom hat angeblich keine Ahnung, was darunter ist.“
Lyzette protestierte: „Moment. Das Ding schauen wir uns gemeinsam an. Ich hab´s schließlich zuerst gesehen.“
Maggie lachte. „Schon gut. Wir zwei lüften die Geheimnisse gemeinsam. Das macht mehr Spaß als alleine.“
Nach einer weiteren halben Stunde pflanzenkundlicher Erklärungen, die längst an den Schülern vorbeirauschten, lieferte Longbottom die Gruppe in der Bibliothek ab. Maggie und Lyzette waren nicht die einzigen, die staunten, wie riesig die war. Die Regalreihen schienen endlos. Es gab eine extra Abteilung für Zeitungen und Zeitschriften. Madam Hastings erklärte stolz, dass man sämtliche Ausgaben des Tagespropheten sowie der Hexenwoche vom Tag des ersten Erscheinens an aufbewahrte, dazu den „Klitterer“ der letzten 40 Jahre. Lyzette und Maggie wechselten Blicke, hier ergaben sich unendliche Möglichkeiten zum Stöbern.
Völlig erschöpft kehrten die Mädchen in ihr Zimmer zurück. Sie warfen sich auf die Betten und begannen, den Tag auszuwerten. „Zu diesem Dings unter dem Efeu gehen wir am besten gleich, sobald Zeit dazu ist“, schlug Maggie vor. „Und dann wüsste ich wirklich gerne, wo der Zugang zum Dachboden ist.“
„Was hältst du davon, wenn wir das ganze Gebäude systematisch absuchen und alles aufzeichnen, so eine Art Lageplan?“
„Gute Idee, hier gibt´s so viele Treppen und Gänge, dass man sich unmöglich alles merken kann.“
Eine Stunde später hatte Maggie sich so weit erholt, dass sie sich wieder auf ihre Füße stellte und begann, ihre Sachen auszupacken. Dabei zeigte sie Lyzette ihre Lieblingskleider und tauschte bei der Gelegenheit ihre Schuluniform gegen ein schwarzes, fließendes Gewand. „Wenn Mum das wüsste, würde sie ausflippen. Sie kann den Fummel überhaupt nicht leiden, aber ich liebe es!“
Lyzette grinste. „Muss ja schlimm sein, vorgeschrieben zu bekommen, was man anziehen soll, vor allem, wenn einem die Klamotten nicht gefallen.“
„Ich fühle mich in dem Zeug, das Mum mir zumutet, einfach nicht wohl. Es ist, als ob ich nackt rumlaufen würde.“
„Weißt du, wie du aussiehst?“, fragte Lyzette mit schelmischem Unterton.
Maggie sah sie erstaunt an.
„Wie eine Hexe!“
Beide lachten.
„He, Lyzette, du solltest auch langsam auspacken“, mahnte Maggie, als sie mit ihren Sachen fast fertig war.
„Ach ja, hier gibt es keinen Butler, der einem das abnimmt“, stöhnte Lyzette und stemmte sich vom Bett hoch. Sie kramte in ihrem Schrankkoffer und klappte eine Staffelei auf. „Zum Malen brauche ich gutes Licht. Stört es dich, wenn ich das am Fenster deponiere?“
Maggie verneinte und betrachtete das Bild, das Lyzette an der Staffelei befestigte. Es war fast fertig und zeigte einen Sonnenaufgang an einer felsigen Küstenlandschaft. Bis auf die Sonne war alles in dunklen Farben gemalt, aber das Bild wirkte überhaupt nicht düster, sondern leuchtete irgendwie aus sich heraus.
„Das ist schön“, flüsterte Maggie. „Wo ist das?“
„In meinem Kopf“, erwiderte Lyzette, „ich male fast nur Traumlandschaften.“
Erst nachdem Lyzette ihren Malplatz fertig eingerichtet hatte, packte sie Schulbücher und Kleider aus. Ihre Freizeitkleidung bestand im wesentlichen aus Jeans und leuchtend bunten T-Shirts oder Blusen.
„Würde ich nie anziehen“, kommentierte Maggie die Modenschau.
Ihnen taten die Füße weh, deshalb verspürten sie heute kein Bedürfnis mehr, durch das Schloss zu streifen. Lyzette malte ihr Bild fertig, Maggie schrieb einen Brief an ihre Eltern und einen zweiten, viel längeren, an Tante Sylvie.
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