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Fanfiction

Slytherin Hearts - Entschlüsselt

von SaphiraMalfoy

Anmerkung: In diesem Kapitel kläre ich endlich darüber auf, weshalb und wie es überhaupt zu Saphiras Essstörung kam. Das ganze ist mir mehr oder minder schwer gefallen. Im Grunde genommen existiert all dies bereits seit Ewigkeiten, da meine Version der Geschichte mit einer ausführlichen Schilderung der hier zusammengefassten Ereignisse beginnt. Für die Online-Version jedoch habe ich eine andere Aufteilung gewählt. Die Gründe dafür werde ich so bald als möglich in meinem FAQ darlegen.
Ich habe versucht, wirklich bei der Frage nach dem Warum zu bleiben und jegliche möglicherweise triggernden oder „anleitenden“ Punkte herauszunehmen.


(Dieses Kapitel enthält eine kurze Erinnerungsszene, die es in dieser Form schon einmal aus Dracos Perspektive im Kapitel Der Anfang vom Ende? gab. Saphiras Sicht wirft hier noch einmal ein anderes Licht auf die Szene und erklärt einiges, was besonders im fünften Jahr in der Beziehung der beiden unklar war.)

___________________________________


„Neun?“, wiederholte Mrs. Hunter leicht schockiert und gleichsam beeindruckt von so viel Ehrlichkeit seitens der jungen Patientin. „Wie alt - oder besser gesagt jung - waren Sie, als das angefangen hat, wenn Sie mir diese Frage gestatten.“
„Acht“, antwortete Saphira tonlos und starrte ins Leere. Obgleich sie diese Erinnerung etliche Jahre verdrängt und in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses verbannt hatte, zogen die Bilder vor ihrem geistigen Auge auf, als wäre es gestern gewesen …


„Wie kommt man in solch einem jungen Alter auf die Idee, sich so etwas anzutun?“, fragte die Heilerin vorsichtig, nachdem Saphira eine Weile geschwiegen hatte.
Eine ehemalige Schulkameradin Kara Hunters hatte ihre Ausbildung im Kinderklinikum in Exeter absolviert, wo es eine Station für unter vierzehnjährige Kinder mit psychischen Dysfunktionen gab, daher wusste Kara, dass das Einstiegsalter der Anorektikerinnen in den vergangenen Jahren erschreckend gesunken war. Doch sich absichtlich zu übergeben war ein so gravierender Akt der Selbstverletzung … Dem eigenen Körper auf derart brutale Weise Gewalt zuzufügen, war ein Schritt, den sie bisher nur bei älteren Mädchen oder Frauen beobachtet hatte. Oftmals resultierte dies aus der Magersucht, wenn die Heißhungerattacken zunahmen, der ausgezehrte Körper gegen die Todessehnsucht des Geistes aufbegehrte und sich zur Wehr setzte, den Nährstoffmangel durch übermäßiges Essen auszugleichen suchte. Ein Verlust der geliebten Kontrolle der Magersüchtigen, welche sie durch das Übergeben zurückerlangen wollten.
Natürlich gab es auch Bulimikerinnen, die zuvor nicht magersüchtig gewesen waren, doch im Alter von acht Jahren einen solchen Einfall zu haben …

„Die Erklärung liegt dermaßen weit von allem entfernt, was ich und jeder andere heutzutage damit verbindet, dass ich es selbst kaum in Worte fassen kann“, seufzte Saphira, spürte ihr Unbehagen jedoch mit jedem Wort schwinden. Aus unerfindlichen Gründen tat es gut, darüber zu sprechen, obgleich sie sich nicht gerne daran erinnerte. Jahrelang hatte sie sich davor gefürchtet, bei ihrem letzten Aufenthalt vehement verdrängt, wie es dazu gekommen war, und sich felsenfest geschworen, dies niemals zu offenbaren; doch nun … nun waren ihre Ängste wie fortgewischt und sie fühlte sich von einem bislang ungekannten Drang befallen, sich jemandem mitzuteilen. Einerseits, um selbst zu begreifen, was geschehen war; andererseits, weil Augustus` harsche Worte etwas in ihr ausgelöst hatten. So schmerzhaft und demütigend diese Erkenntnis auch war: Er hatte Recht. Es war an der Zeit, eine endgültige Entscheidung für das Leben oder den Tod zu treffen. Und Saphira fürchtete den Tod mehr als das Leben. Sofern es nur eine winzige Chance für sie geben sollte, sich zu ihrem eigenen Glück zu verhelfen, so wollte sie diese nicht verstreichen lassen.
Wenn die vergangenen Tage sie eines gelehrt hatten, dann war es die bittere Tatsache, dass sie vor ihrer Vergangenheit nicht davonlaufen konnte. Der naheliegendste Schluss war also, sich dessen zu stellen, ganz von vorne zu beginnen und die Ursachen zu ergründen, um ihren Selbstzerstörungstrieb zu bekämpfen - oder wenigstens so weit einzudämmen, dass er nicht länger die Kontrolle über ihr Denken und Handeln besaß.

„Sie müssen nicht mit mir darüber sprechen, wenn Sie nicht möchten“, sagte Mrs. Hunter ruhig und noch immer lag weder Mitleid noch Abscheu in ihrer Stimme. Es war diese angenehm wertfreie Tonlage, das Vermeiden des Einbringens eigener Emotionen, die Saphira dazu veranlasste, der Heilerin zu vertrauen und sich ihr gegenüber nicht zu verschließen. Mrs. Hunter urteilte nicht, besaß keinerlei persönliche Bindung zu ihr und war stark und erfahren genug, sich nicht mit den Problemen der Patienten zu belasten. Sie wahrte Distanz und ließ Saphira die Freiheit, ganz bei ihren eigenen Empfindungen zu bleiben, ohne dabei Rücksicht auf die Gefühlslage ihres Gesprächspartners zu nehmen. Die junge Black fühlte sich ernst genommen, ohne darum zu fürchten, jemanden mit dem Gesagten zu verletzen oder allzu sehr in Sorge zu versetzen. Zwar hatte sich ihr Therapeut im vergangenen Jahr ähnlich verhalten, doch war Saphira damals nicht bereit gewesen, irgendetwas an ihrem Verhalten zu ändern, geschweige denn preiszugeben, was in ihrem Innern vor sich ging.

„Ich möchte aber“, sagte die junge Black fest entschlossen. „Wenn ich nur wüsste, wo ich anfangen soll …“
„Vielleicht beginnen Sie einfach bei den äußeren Umständen. Was haben Sie gefühlt, woher kamen diese Gedanken, in welcher familiären Situation befanden Sie sich, falls Ihnen dies als Gedankenstütze helfen sollte.“

„Ich will niemandem die Schuld daran geben, aber ich fürchte, es könnte so klingen“, murmelte Saphira verunsichert und runzelte die Stirn.
„Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Erzählen Sie mir einfach, wie Sie die Situation empfunden haben, Objektivität wäre hier fehl am Platz und ich verspreche Ihnen: Nichts von dem, was Sie mir berichten, verlässt diesen Raum.“

Saphira nickte bedächtig und sann einen Moment über das Gesagte nach, ehe die Worte wie von alleine ihren Mund verließen, sie sich den Kummer der vergangen Jahre von der Seele redete und mit jedem vollendeten Satz befreiter fühlte.

Man konnte die Beziehung zwischen Cecilia Steel und ihrer Tochter wohl von Anfang an als kompliziert beschreiben. Oberflächlich betrachtet schienen sich ihre Persönlichkeiten in jeder erdenklichen Weise zu widersprechen. In Saphiras Augen war Cecilia stark und unabhängig, eine Frau, so unantastbar weit weg, die dennoch als unerreichbares Idealbild fungierte. Sie brauchte nichts und niemanden, um ihr Leben alleine regeln zu können. Mehr als fünfzehn Jahre waren nach Regulus` Tod vergangen, bis Cecilia es einem anderen Mann gestattet hatte, in ihr Leben zu treten, doch selbst gegenüber Barty bewahrte sie Distanz, behielt stetig die Oberhand in dieser Beziehung, zog sich zurück, wann immer sie ihr zu intensiv wurde, und tauschte unter den Blicken anderer nahezu keinerlei Zärtlichkeiten mit ihm aus. Harsch und spöttisch war ihr Umgangston mit ihm. Jede Geste ihrerseits schien sowohl Barty als auch jedem anderen Zuschauer zu verdeutlichen, dass Cecilia seine Anwesenheit zwar duldete, sich jedoch nicht von ihm abhängig machen würde, ihn niemals so nahe an sich heranließe, dass er fähig wäre, sie zu verletzen. Einerseits bereitete es ihrer Tochter ein diebisches Vergnügen, zu beobachten, wie Cecilia jemand anderen, den sie eigentlich lieben sollte, noch abweisender behandelte als Saphira. Vor allem jedoch erfreute sie sich daran, nun nicht mehr im Zentrum der Kritik ihrer Mutter zu stehen, denn diese Rolle meisterte Ariadne mit Bravur. Wann immer Cecilia sie maßregelte, ihr Manieren einzutrichtern versuchte, feixte Saphira hämisch in sich hinein und war von Stolz erfüllt, wenn Cecilia die junge Crouch dazu anhielt, sich ein Beispiel an ihr - Saphira - zu nehmen.
Andererseits verspürte sie eine unbezwingbare Eifersucht auf Ariadne, die inzwischen sämtliche Aufmerksamkeit bekam, die Saphira Zeit ihres Lebens innig herbeigesehnt wie gefürchtet hatte. Negative Zuwendung war immerhin besser als überhaupt keine und Aria scherte sich nicht einmal darum, was Cecilia von ihr hielt. Es war ihr schlichtweg egal. Sie verdiente die Beachtung, die man ihr zukommen ließ, gar nicht …

Aria war ebenso ungebunden und stark wie Cecilia, kam alleine zurecht und war Miss Steel somit möglicherweise ähnlicher als deren eigene Tochter. Dass dem in Wahrheit nicht so war, erkannte Saphira nicht, war zu geblendet von ihrem Neid auf diese Eigenschaft, welche ihre Mutter und Ariadne scheinbar miteinander teilten. Zu gerne wäre sie ihnen ebenbürtig, genauso selbstgenügsam und nicht so verdammt bedürftig, schwach, erbärmlich …
Saphira brauchte die Bestätigung, wollte hören, gezeigt bekommen, sichergehen, dass sie geliebt wurde, jemandem wichtig war und kein bedeutungsloser und austauschbarer Gegenstand. Doch mit einer Mutter, die eben dies nicht verstand (oder viel eher nicht verstehen, nicht wahrhaben wollte) blieb dieses Verlangen ungestillt, weshalb Saphira dazu überging, es zu negieren, dagegen anzukämpfen und sich ein Beispiel an Cecilia zu nehmen. Auch Saphira wollte für sich selbst sorgen können, von nichts und niemandem abhängig sein, keine Bindungen eingehen, die ihr das Gegenteil bewiesen, sie verletzlich machten. Aber diese Rechnung ging nicht auf, denn der Wunsch nach Aufmerksamkeit und ehrlicher Zuneigung war stärker als ihre Gegenwehr.

„Ich habe mich immer bemüht, in die Gesellschaft hineinzupassen, nirgendwo anzuecken und meine Mutter stolz zu machen, aber so sehr ich mich auch anstrengte … ich war nie gut genug. Aber es ist wirklich nicht ihre Schuld, ich … ich kann das einfach nicht. Wahrscheinlich habe ich mich deshalb heimlich über das Verbot hinweggesetzt, mich mit Tracey Davis anzufreunden. Sie ist die Tochter der Heilerin Miss Davis, falls Ihnen der Name etwas sagt.“
„Durchaus“, bestätigte Mrs. Hunter.

„Tracey ist der wohl ehrlichste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und hat mir stets ins Gesicht gesagt, was ihr an mir nicht passt, aber wenn sie erwähnte, dass sie mich mag - und sei es nur beiläufig - dann wusste ich, es ist aufrichtig gemeint. Sie war die Erste, der ich in diesem Punkt wahrhaft bedingungslos vertraut habe - und dieses Gefühl macht süchtig. Ich wollte und brauchte gar keine anderen Freundinnen mehr, solange ich nur Tracey hatte und sie immer für mich da war. Früher, bevor ich eingeschult wurde und Tracey kennenlernte, war Pansy Parkinson sozusagen meine beste Freundin, aber unser Verhältnis war in keinster Weise mit meiner Freundschaft zu Tracey zu vergleichen. Ihre Komplimente waren oberflächlich, ließen stets erahnen, dass sie kaum der Wahrheit entsprachen, sondern viel eher einem bestimmten Zweck dienten. Aber wie könnte ich ihr einen Vorwurf machen? Ich selbst habe sie in diesem Punkt vermutlich fast übertroffen. Sogar als ich mich auf eine Beziehung zu Draco einließ, obwohl ich wusste, dass Pansy einige Zeit länger in ihn verliebt war als ich, hat sie mir nicht offen gesagt, was sie von meinem Verhalten ihr gegenüber hält. Ich nehme an, diese Blöße wollte sie sich nicht geben, denn einzugestehen, wie sehr es sie verletzt hat, wäre nichts weiter als ein gefundenes Fressen für Lästereien und Tratsch gewesen. Sie distanzierte sich, gab mir unterschwellig zu verstehen, dass wir keine Freundinnen mehr sind, aber es wäre ihr nicht im Traum in den Sinn gekommen, eine peinliche Szene zu machen. So sind wir erzogen worden. Ehrliche Zuneigung oder wahre Gefühlsregungen offen darzulegen ist inakzeptabel. Man ist entzückt, findet Dinge ganz reizend oder sie tangieren einen nicht. Womöglich empört man sich über das ein oder andere Thema, doch all dies ist und bleibt oberflächlich und gesellschaftsfähig. Genauso verhalte auch ich mich, aber ich kann es nicht ertragen, von der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Diese verlogene Heuchelei macht mich krank. Ich brauche echte Menschen um mich herum, die mir echte Emotionen zeigen und mich wirklich für das mögen, was ich bin, und nicht weil ich ihnen etwas vorspiele.“ Erschrocken über ihre offene Kritik an den Reinblütern hielt Saphira einen Moment inne, ehe sie die Schultern zuckte und murmelte:
„Ich bin nicht dafür geschaffen, passe dort nicht hinein. Ich passe nirgends wirklich hin. Draco ist … Draco war der perfekte Mittelweg - und bei Salazar, was auch immer ich tue, ich komme nicht von ihm los. Aber ich glaube, ich will ihn nicht zurück.“

„Draco Malfoy ist Ihr Exfreund, richtig?“, erkundigte sich die Heilerin und Saphira nickte seufzend.
„Haben Sie mit ihm jemals über Ihre Probleme gesprochen? Damit meine ich nicht alleine das Essen, sondern viel eher die Umstände, von denen Sie mir gerade berichtet haben.“
„Mehr oder weniger“, murmelte Saphira und legte die Stirn in nachdenkliche Falten. „Über das Essen nie. Jedenfalls habe ich mich nicht dazu geäußert und er hat auch nicht wirklich danach gefragt. Über alles andere haben wir uns ab und an gezankt. Er kennt meine Ansichten teilweise. Zwar versteht er sie nicht, aber er hat sie toleriert, und damit war er der Einzige. Ich bezweifle, dass er je begriffen hat, was anderweitig in mir vorging, doch als wir jünger waren hat er es vielleicht unbewusst gespürt. Damals wirkte er manchmal … aufmerksamer. Wir sind zusammen aufgewachsen, wissen Sie …“

Saphira versuchte sich zu entsinnen, wie ihr Verhältnis gewesen war. Hatte sie ihm vertraut? Mehr als anderen, aber dennoch … nie zur Gänze, woran er vermutlich selbst die Schuld trug. Unwillkürlich kam ihr eine Begebenheit in den Sinn, die Erinnerung an eine Situation, die sie nie ganz verstanden und welche ihr eine Heidenangst eingejagt, sie dazu veranlasst hatte, Abstand von Draco zu nehmen.

*

Eines schönen Sommertages, als Draco und Saphira etwa neun oder zehn Jahre alt gewesen waren, stibitzte der junge Malfoy trotz des ausdrücklichen Verbots seiner Mutter eine Dose mit Keksen vom Regal und verzehrte diese unter Saphiras wachsamen Blicken heimlich in der Abstellkammer.
„Du wirst gewaltigen Ärger kriegen“, mahnte sie ihn und schüttelte abwehrend den Kopf, als Draco ihr mit schokoladenverschmierten Händen einen bereits angebissenen Keks unter die Nase hielt.
„Iss!“, verlangte er, doch Saphira widerstand dem Drang, dieser Aufforderung nachzukommen, vehement. Viel zu häufig stopfte sie sich zu Hause selbst mit diversen Leckereien voll, um anschließend … Das Risiko durfte sie hier nicht eingehen, nicht auch noch in einem anderen Haus, wo man sie viel eher dabei erwischen könnte. Welch eine Peinlichkeit wäre es, wenn die Malfoys sie in einer derartigen Lage vorfänden. Und vor Dracos Augen die Beherrschung zu verlieren … undenkbar, aber riskant wahrscheinlich.
„Bitte, iss“, wiederholte der Blonde hartnäckig, aber Saphira wusste nicht, ob sie stark genug war, es nach einem Keks gut sein zu lassen. Panik wallte in ihr auf, denn nach einigen Tagen bei den Malfoys, in denen sie das Essen unter verschiedenen Vorwänden beinahe zur Gänze gemieden hatte, war das Verlangen danach, sich hemmungslos vollzustopfen, beinahe unerträglich geworden.
„Aber du verhungerst. Ich will nicht, dass du verhungerst, Phibs!“, quengelte der Zehnjährige, woraufhin Saphira nervös auflachte. Hatte er sie tatsächlich so genau beobachtet und bemerkt, wie wenig sie zu sich nahm? Wusste er womöglich mehr, als ihr lieb war? Seine Aussage versetzte die junge Black in Alarmbereitschaft. Draco durfte nichts davon erfahren!
„Wenn du keinen nimmst, dann esse ich alle Kekse auf und sage, dass du es warst!“, drohte er trotzig und hielt ihr das Plätzchen noch immer vor das schockstarre Gesicht.
„Dann rate ich dir, vorher die Hände zu waschen und die Zähne zu putzen, sonst verrätst du dich selbst“, kicherte Saphira betont lässig und darum bemüht, sich ihre Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Um ihn zu besänftigen und damit er endlich von diesem Thema abließ, biss sie dennoch ein winziges Stück von dem Gebäck in seiner klebrigen Hand ab und schluckte dieses schnell herunter, damit der unbestreitbar köstliche Geschmack sie nicht zu einer Dummheit verführte.

„Ich kann machen, dass du mir gehorchst!“, lachte Draco triumphierend, was Saphira - die fast geglaubt hatte, ihr Spielgefährte sorgte sich ernsthaft um sie - sehr verletzte. Nein, ihm konnte man wahrlich kein Vertrauen schenken, er hatte nichts bemerkt, nicht das Geringste. Alles, was er beabsichtigte, war sie zu ärgern.
„Ich dachte, du hast Angst, dass ich verhungere“, zischte sie wütend und versuchte ihm nicht zu zeigen, dass er ihr wehgetan hatte.
„Hab ich auch. Ich hab dich lieb, Phibs“, beteuerte der Junge und schlang plötzlich seine Arme um ihren Körper, was Saphira dazu veranlasste, ihre Haltung augenblicklich zu versteifen.
„Lass das“, fauchte sie und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden.
„Ich lasse dich erst los, wenn du sagst, dass du mich auch lieb hast“, meinte er energisch und hielt sie weiterhin fest.
„Du machst mein Kleid schmutzig“, beschwerte die junge Black sich, da Dracos Finger voller Schokolade waren, welche vermutlich fürchterliche Flecken auf dem hellen Stoff hinterlassen würde. Dann sähe es in der Tat so aus, als hätte sie selbst sich aktiv am Keksdiebstahl beteiligt.
„Sag, dass du mich lieb hast“, forderte Draco sturköpfig und allmählich ließ ihre Anspannung nach. Vielleicht war sie zu streng mit ihm. So war er eben und eigentlich mochte Saphira ihn trotz allem sehr gerne. Dennoch war die Gefahr zu hoch, dass er tatsächlich bemerkte, was in ihr vorging. In Zukunft würde sie Abstand von ihm nehmen müssen, durfte nicht zulassen, dass er etwas erfuhr. Dennoch flüsterte sie nach einer Weile sehr leise:
„Ich hab dich auch lieb, Draco“, und erwiderte seine Umarmung kurz, aber ehrlich.

*

„Ich gebe gerne vor, Essen zu verabscheuen, mich davor zu ekeln … aber das ist gelogen. Ich liebe Lebensmittel. Am liebsten würde ich mich den ganzen Tag lang mit nichts anderem beschäftigen“, murmelte Saphira zusammenhanglos und drängte die Erinnerung an Draco aus ihrem Bewusstsein.
„Das ist nichts Ungewöhnliches für Personen mit Ihrem Krankheitsbild“, antwortete die Heilerin und die Blonde nickte seufzend.
„Ich weiß, das hat Augustus auch gesagt.“
Wie bei Salazar war sie nun eigentlich wieder auf Draco gekommen? Hatte sie nicht ursprünglich vorgehabt, über etwas ganz anderes zu sprechen?
„Tut mir leid, ich habe etwas wirr geredet und das Thema verfehlt“, sagte Saphira und besann sich auf den Grund dieser Konversation.
„Das sehe ich nicht so“, widersprach die Heilerin. „All dies sind mit Sicherheit Faktoren, die Anteil an der Entwicklung Ihrer Essstörung hatten.“
„Nun … ich versuche es noch einmal“, begann Saphira, atmete tief durch und fühlte sich inzwischen sicher genug, die ganze Geschichte zu erzählen.

„Seitdem ich denken kann ist das Verhältnis zu meiner Mutter distanziert, fast schon unterkühlt. Dies ist in reinblütigen Familien nicht ungewöhnlich. Die Kinder werden zumeist streng erzogen, es existieren klare Regeln und eine Verhaltensetikette, an die man sich zu halten hat. Im Grunde genommen ist es nicht schwer, den Vorgaben der Eltern zu entsprechen, da man ganz genau weiß, was man zu tun und zu lassen hat, aber ich … ich war und bin zu schwach, mich dem zu fügen, und gleichzeitig zu unselbstständig, aufmerksamkeitsgierig und bedürftig, um mich dem konsequent zu widersetzen. Was andere Menschen, insbesondere diejenigen, die mir am Herzen liegen, über mich denken, ob sie mich gern haben und ich ihnen wertvoll bin, ist mir viel zu wichtig. Es definiert mich, ist mein Fundament, mein Halt, meine Sicherheit. Liebevolle Aufmerksamkeit und Zuwendung von meiner Mutter zu erlangen war … kompliziert. Je mehr ich darum gebuhlt habe, desto weniger gestand sie mir jene zu, doch eines Tages lernte ich durch einen dummen Zufall, wie ich sie dazu bringen konnte, sich intensiv mit mir zu befassen.“

Hinter dem Anwesen der Steels, durch eine hohe Hecke geschützt vor den Blicken neugieriger Muggel, befand sich ein Gemüse- und Kräutergarten, welchen die Hauselfen bewirtschafteten und in dem sowohl der Großteil ihrer Lebensmittel angepflanzt wurde als auch diverse Zaubertrankzutaten für den Hausgebrauch. Saphira war es verboten, diesen Teil des Geländes zu betreten, doch gelangweilt und wissbegierig wie das achtjährige Kind war, setzte es sich über die Anweisung seiner Mutter hinweg, erfreute sich an den Himbeersträuchern und den unbekannten leuchtend gelben Beeren direkt daneben, welche so herrlich süß schmeckten … jedoch hochgradig giftig waren.

Erst in der Nacht zeigte das nicht für den Verzehr geeignete Obst seine scheußliche Wirkung, sodass Saphira keinerlei Zusammenhang zwischen ihrem Unwohlsein und dem Ausflug in den Garten herstellte.
Es passierte ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Am Abend war es ihr noch gut gegangen, doch mit einem Mal schreckte sie aus dem Schlaf auf, schweißgebadet und am ganzen Leib zitternd wie Espenlaub. Ein fürchterlicher Schmerz breitete sich in ihrem Fuß aus, zog sich über ihre Unterschenkel hinauf und wurde mit jeder Sekunde unerträglicher, ihre Muskeln verkrampften und in ihren Ohren rauschte es, sodass sie ihr eigenes Schreien nur ganz leise wie aus einem schlecht eingestellten Radio vernahm. Mühsam richtete Saphira sich auf, als ihr Magen sich ruckartig zusammenzog, und begann zu würgen.

Von den markerschütternden Schreien ihres Kindes geweckt eilte Cecilia, in einen Morgenmantel gehüllt, in Saphiras Schlafzimmer.
„Was bei Salazar -“, zischte sie verschlafen und blieb für den Bruchteil einer Sekunde wie vom Donner gerührt stehen, als sie ihre Tochter erblickte, die sich von Krämpfen geschüttelt am Boden wand und um Atem rang.
„Saphira“, stieß sie erschrocken aus und durchquerte das Zimmer mit großen Schritten, um sich neben die Achtjährige zu knien. Cecilia packte sie bei den Schultern und richtete sie auf, sodass Saphira sich gegen ihre Schulter lehnte und an ihrer Mutter festklammerte, um nicht augenblicklich wieder zusammenzubrechen.
„Was ist passiert?“, fragte die Ältere und drückte das weinende Mädchen fest an sich, strich behutsam über seine Haare, die schweißnass an der eiskalten Stirn klebten.
„E-es tut weh, es tut so weh, Mum“, schluchzte Saphira und konnte die Augen kaum offenhalten, so schwindelig war ihr.
„Was tut weh? Was hast du?“, hakte Cecilia weiter nach, doch ihre Tochter schüttelte nur heftig den Kopf und keuchte: „Mir ist übel!“
„Komm her“, forderte ihre Mutter sie mit besorgter Stimme auf, half ihr auf die wackligen Beine und brachte sie halb stützend, halb tragend in das angrenzende Badezimmer. Vor der Toilette setzte Cecilia sie ab und sagte in bemüht ruhigem Tonfall: „Halt den Kopf oben und versuch nicht zu husten oder das Bewusstsein zu verlieren; verschluck dich nicht. Ich bin sofort wieder da.“

Doch keiner der Heiltränke, die sie im Haus hatte, bewirkte etwas.
Da es Saphira selbst eine Stunde später keinen Deut besser ging, apparierte Miss Steel mit ihr in die Kinderklinik in Exeter, in welchem die junge Black mehrere Wochen zubrachte, während denen Cecilia ihr tagsüber nur von der Seite wich, um den Heilern nach jeder falschen Diagnose fast an die Gurgel zu springen und ihnen zu erklären, wie sie ihren Beruf richtig auszuüben hatten.
Problematischerweise hatte man eine Vergiftung zunächst nicht in Betracht gezogen, da sowohl Cecilia als auch Saphira diese Möglichkeit ausschlossen. Als man den Fehler schließlich erkannte, war die Bekämpfung der fortgeschrittenen Vergiftungserscheinungen bedeutend schwieriger geworden.

Die meisten Symptome ließen sich weitestgehend eindämmen, nur ihr Magen rebellierte gegen jedwede Form von Nahrung. Kein Schluck Wasser, nicht einmal die Heiltränke konnte sie bei sich behalten, sodass man ihr einen Infusionsschlauch legte, durch welchen sie mit Flüssigkeit, Nährstoffen und Mitteln gegen die Krämpfe und Schmerzen versorgt wurde.
Zwar war Cecilia noch immer außer sich vor Zorn, dass die Heiler dermaßen lange benötigten, um die Krankheit ihrer Tochter zu diagnostizieren, doch da Saphira nicht länger ununterbrochen weinte und schrie, es ihr bis auf die anhaltende Übelkeit wesentlich besser ging, gab sie ihren Wachposten an deren Bett auf, bekundete ihre Zuneigung und Angst immer seltener und wurde binnen weniger Tage wieder fast genauso distanziert und emotionslos wie gewöhnlich.
Die junge Black konnte ihre Empfindungen nicht in Worte fassen, besaß noch nicht die Reife und den Intellekt, um zu begreifen, was sich zwischen ihnen abspielte, doch sie vermisste die liebevolle, fast übertrieben fürsorgliche Zuwendung ihrer Mutter sehnlichst und wollte Cecilia um jeden Preis dazu bringen, ihr noch einmal zu zeigen, dass Saphira ihr nicht egal war, dass sie ihr Kind liebte.

„Und als eine Heilerin abends die Infusion austauschte, wusste ich genau, was zu tun war“, murmelte Saphira in der Erinnerung versunken und warf einen flüchtigen Blick auf Mrs. Hunter, die ihren Ausführungen mit gerunzelter Stirn aufmerksam folgte.
„Ich verstehe selbst heute nicht viel davon, aber ich wusste, dass es mir wegen dieser Flüssigkeit besser ging und dies der Grund war, weshalb meine Mutter sich von mir abwandte. Deshalb durfte dieser Heiltrank meinen Körper nicht länger infiltrieren. Er musste weg. Also kippte ich ihn an die Blumen. Ich weiß nicht, wie oft es mir gelungen ist, dies hinter dem Rücken der Heiler zu tun, aber es reichte aus, um aufgrund dessen beinahe an Dehydration zu sterben. Im Nachhinein glaube ich, dass sie wussten oder zumindest ahnten, was ich getan hatte, aber da meine Mutter ohnehin ziemlich … einschüchternd sein kann und dem Krankenhaus bereits mit einer Klage gedroht hat, haben sie nicht gewagt, ihr diesen Verdacht mitzuteilen. Sie hätte ihnen vermutlich nicht geglaubt und es als schwache Ausrede für das Versagen der Heiltränke gedeutet. Und so kam ich mit meinem Plan durch. Ich meine … es war nie meine Absicht, mich wirklich in Gefahr zu bringen und womöglich zu sterben. Ich wollte lediglich krank genug sein, damit meine Mutter sich um mich sorgt. Nie habe ich sie aufgelöster gesehen als an diesem Tag - und es tat mir unendlich leid, ihr solchen Kummer zu bereiten, aber … in erster Linie habe ich dieses Gefühl genossen. Mir alleine galt all ihre Aufmerksamkeit und ihr harscher Umgangston mit dem Krankenhauspersonal war der Angst um mich zu schulden. Da wusste ich zum ersten Mal zweifelsfrei, dass sie mich wirklich liebt und ich verspürte … ich würde nicht so weit gehen, es Genugtuung zu nennen, aber Mutters Schmerz war meine größte Freude.“

Einen Moment lang schwieg Saphira, war entsetzt von ihren eigenen Worten und fürchtete noch immer darum, Mrs. Hunter könnte dieses Verhalten missbilligen, doch als sie es wagte, der schwangeren Frau in die Augen zu blicken, entdeckte sie darin nicht die erwartete Missachtung, sondern lediglich Überraschung und vielleicht einen Hauch Mitgefühl.
„Langsam verstehe ich, was Sie meinten, als Sie mir sagten, der Ursprung Ihrer Probleme habe wenig mit dem Essen an sich zu tun“, meinte die Heilerin. „Erzählen Sie ruhig weiter, wenn Sie mögen.“
Erleichtert nickte Saphira und atmete tief durch, ehe sie auf den entscheidenden Wendepunkt ihrer Ausführungen zu sprechen kam.

„Natürlich fanden die Heiler irgendwann heraus, dass es sich doch um eine Vergiftung handelte, entwickelten ein Gegenmittel und schließlich durfte ich zurück nach Hause. Fortan war wieder alles beim Alten. Jedenfalls fast. Mein Ausflug in den Gemüsegarten kostete zwei Hauselfen das Leben, da Mum noch immer recht … wütend war. Außerdem legte sie einen Schutzbann über die Begrenzung der Anbaufläche, sodass nur noch die Elfen und sie selbst diesen Bereich betreten konnten. Einige Zeit zehrte ich von den … schönen Erinnerungen, doch irgendwann sehnte ich mich danach, meine Mutter noch einmal genau so zu erleben und das nicht nur in meiner Phantasie, sondern in Wirklichkeit. Aber ich wusste nicht, wie ich sie dazu bringen sollte, denn in Lebensgefahr wollte ich mich eigentlich nicht begeben, sie lediglich daran erinnern, den Anschein erwecken durch eine Kleinigkeit, einen Trick … Alles hatte damit angefangen, dass ich mich übergeben musste, nur wie stellte ich das an, ohne krank zu sein? Dann entdeckte ich das Brechmittel im Badezimmerschrank … Und plötzlich wurde mir die Angelegenheit so einfach gemacht.“

Eine Zeit lang funktionierte diese Strategie vortrefflich.
Zwar gab Saphira lediglich vor, die Grippe zu haben und diverse Lebensmittel nicht zu vertragen, doch da sich diese Vorfälle zunehmend häuften, sorgte Cecilia sich dennoch und schleppte ihr Kind von einem Spezialisten zum anderen, ohne ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erhalten. Lange hatte die Flasche mit dem Trank, der ihr das Übergeben erleichterte, nicht gehalten und so musste die junge Black einige Zeit lang üben, sich der Nahrung ohne dieses Hilfsmittel zu entledigen. Als sie den Dreh erstmal raus hatte, war es leicht. Zunächst waren die Mengen, welche die junge Black gezielt zu sich nahm, bevor sie sich den Finger in den Hals steckte, vergleichsweise klein, dienten nur dem Zweck, doch ohne dass sie sich bewusst dazu entschloss, wurden die Portionen größer, die Auswahl der Lebensmittel ungesünder, süßer, fettiger, schmackhafter und immer wichtiger. Die Beschäftigung mit dem Essen wurde zu einer ihrer liebsten. Es beruhigte und lenkte ab, vertrieb Langeweile und Einsamkeit.
Dieses Verhalten schlich sich ein, wurde zur regelmäßigen Gewohnheit und immer häufiger heimlich ausgeübt, diente nicht länger dem bloßen Ziel, Aufmerksamkeit zu erlangen, sondern wurde zum Selbstläufer, zur Sucht.

Irgendwann entdeckte Cecilia das Fehlen des Brechmittels und erkannte, dass Saphira nicht körperlich krank, sondern lediglich auf ihre Zuwendung aus war, doch anstatt mit ihrer Tochter darüber zu sprechen, wurde sie wütend und verschloss den Arzneischrank fortan sorgfältig. Doch Saphira hatte längst gelernt, dass sie keinen Trank brauchte, um sich zu erbrechen, und auch, dass das Übergeben noch mehr mit sich brachte, als bloß die Besorgnis ihrer Mutter.
Es war zum Allheilmittel gegen Kummer und Sorgen geworden, ein Zeitvertreib, eine Ablenkung von der trübsinnigen Realität.
Und obwohl Saphira nun sorgsam darauf achtete, ihr Geheimnis zu wahren und vor ihrer Umwelt zu schützen, hörte sie nicht damit auf.

Die Hauselfen erfreuten sich daran, dem Kind köstliche Speisen zuzubereiten, sahen Bestätigung ihrer Kochkünste in Saphiras Wunsch nach immer mehr. Was die Jüngste der Blacks in Wahrheit damit anstellte, ahnten die armen Geschöpfe nicht.
Die Empfindungen, welche ihr die Fressanfälle und die anschließende „Reinigung“ ihres Körpers verschafften, waren euphorisierend, geradezu berauschend und obgleich sie keinen anderen Menschen mehr damit manipulieren konnte, empfand Saphira ein unbeschreibliches Gefühl der Macht. Dies war ihr Geheimnis, an welchem sie niemanden teilhaben ließ. Dieses Vergehen am eigenen Körper gehörte einzig und alleine ihr und keine Menschenseele war fähig, ihr dies zu nehmen, sich einzumischen. Darüber entschied nur sie.

Nach einer Weile spürte Saphira jedoch unweigerlich die physischen Folgen ihres Handelns. Egal wie lange sie schlief, sie war stets müde, schnell erschöpft, fühlte sich niedergeschlagen und lustlos; oftmals quälten Kopf- und Gliederschmerzen die junge Hexe, von ihrem Magen und dem unerträglichen Sodbrennen ganz zu schweigen. Auch ihre Zähne begannen allmählich empfindlicher zu werden, vertrugen keine zu warmen, kalten oder zuckerhaltigen Speisen mehr.
All dies wurde so lange ignoriert, bis sie eines Tages zum ersten Mal Blut spuckte. Eine Heidenangst überfiel das junge Mädchen und obwohl sie beim Zähneputzen feststellte, dass es sich lediglich um eine Zahnfleischverletzung handelte, saß der Schock tief. Ihr natürlicher Selbsterhaltungstrieb und die Angst vor möglichen Konsequenzen wurden immer lauter, plagten sie mit Alpträumen, in denen sie ihre Eingeweide erbrach, ihre Zähne allesamt ausfielen … Doch hatte Saphira nicht begriffen, was sie sich eigentlich antat, wusste kein Wort dafür, keine Erklärung, konnte sich niemandem mitteilen und Hilfe suchen, denn die natürlichste Reaktion jeder Person, die sie kannte, auf eine derartige Schilderung wäre ein angewidertes „Lass es einfach bleiben“, gewesen. Wie gerne hätte sie sich selbst diesen Ratschlag erteilt. Aber so einfach es war nicht.
In ihrer Verzweiflung versuchte sie vergeblich, sich selbst zu helfen. Eine Unternehmung, die nicht von sonderlichem Erfolg gekrönt war, sie nur noch tiefer in die Krankheit hineinstürzte und eine weitere Tür öffnete, hinter welcher der Tod in ebenso verführerischer Tarnung auf sie lauerte.

„Also beschloss ich, eher zu verhungern, als noch einmal absichtlich zu kotzen“, sagte Saphira und wunderte sich noch immer, wie leicht ihr all dies plötzlich über die Lippen kam, war selbst erstaunt von dem, was sie berichtete, da sie diese Erinnerungen über Jahre hinweg nahezu erfolgreich verdrängt hatte.
„Fortan aß ich bedeutend weniger, doch das Verlangen holte mich immer wieder ein. Manchmal schaffte ich es durch zwei ganze Monate, ohne mich zu übergeben, doch irgendwann ließ sich der Drang danach nicht mehr unterdrücken. Schlagartig überfiel es mich, sodass ich nicht selten mehrmals die Woche, gar mehrmals am Tag vor der Kloschüssel hockte. Und manchmal, wenn ich meine Schwäche und Disziplinlosigkeit besonders verabscheute, erbrach ich auch gewöhnliche Mahlzeiten - und sei es nur eine trockene Scheibe Toast. Es hat sich langsam eingeschlichen, entwickelt … und da ich die Bulimie so sehr fürchtete, hat mich das Essen an sich geängstigt und ich habe es gemieden, gehungert, um nicht maßlos zu werden. Deshalb war ich schon immer … dünn. Irgendwann ist mir natürlich aufgefallen, dass ich nicht aussehe wie die anderen Mädchen, und zugegebenermaßen hat es mir gefallen, in gewisser Hinsicht anders zu sein, eben nicht normalgewichtig. Trotzdem würde ich mich nicht als klassische Magersüchtige bezeichnen, denn mein eigentlicher Beweggrund war und ist weit von dem bloßen Wunsch entfernt, abzunehmen. Mein Verhalten hing nur bedingt von äußeren Faktoren ab. Niemand hat mich dick genannt, keiner hat mich dazu getrieben, mich so zu verhalten. Viel eher hat mein Umgang mit Lebensmitteln mein eigenes Betragen nach außen beeinflusst. Wann immer ich mich vom Essen abwandte, fühlte ich mich in sämtlichen Bereichen des Lebens stark und unabhängig, war nicht so leicht verletzlich und gleichzeitig befallen von einer irrationalen Panik vor jedweder Form der körperlichen oder emotionalen Zuwendung. In meinen bulimischen Phasen war ich leidenschaftlicher, gefühlsbetonter und impulsiv. So will ich nicht sein, das ist zu viel, so anstrengend, dass ich es kaum ertrage. Aber die Einsamkeit und Isolation, in welcher ich mich geistig während meiner Hungerphasen befand, ist ebenfalls kaum besser. Ich finde kein normales Maß. Ich weiß nicht wie.“

„Ich denke, dass Sie mit diesen Erkenntnissen bereits einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen sind“, meinte Mrs. Hunter, als Saphiras fragender Blick den ihren traf.
„Auch finde ich es beachtenswert, dass Sie die Gründe bei sich selbst gesucht und scheinbar erkannt haben. Zwar hatte Ihre Mutter einen nicht unwichtigen Anteil an dieser Entwicklung, jedoch würde auch ich nicht so weit gehen, ihr dies zum Vorwurf zu machen. Sicherlich hat sie einige Fehler begangen, allerdings ist sie sehr jung Mutter geworden, richtig?“
Saphira nickte knapp.
„Und auch wenn dies keine Entschuldigung sein soll, so haben Alleinerziehende es oft nicht leicht. Ob Sie mit ihr darüber sprechen wollen, bleibt Ihnen überlassen, denn dieses Thema ist unbestreitbar heikel und es wird schwer sein, Ihrer Mutter die ganze Geschichte zu erzählen, ohne dass sie sich beschuldigt fühlt. Wenn Sie möchten, können wir ein Gespräch arrangieren, das in einem geschützten Rahmen mit einem Vermittler stattfindet, aber wenn Ihnen das nicht recht ist, so gilt mein Versprechen noch immer: Ohne Ihr ausdrückliches Einverständnis werde ich mit niemandem - meinen Mann eingeschlossen - darüber reden“, versicherte die Heilerin ihr und nachdem Saphira kurz darüber nachgesonnen hatte, antwortete sie mit fester Stimme:
„Es ist in Ordnung. Sagen Sie es ihm ruhig. Vielleicht fällt es mir leichter, wenn ich nicht noch einmal von vorne beginnen muss. Ich habe lange genug verleugnet, Hilfe zu brauchen, aber das war ein Irrtum. Ich schätze, es ist endgültig Zeit, an mir zu arbeiten, und alleine habe ich keine Chance, wie ich mir oft genug bewiesen habe. Was meine Mutter angeht, so muss ich erst darüber schlafen. Diese Entscheidung kann ich jetzt noch nicht treffen.“

+

„Das wirst du nicht tun!“, herrschte Bellatrix ihre Schwester wutentbrannt an und stellte sich der Blonden in den Weg, die gerade im Begriff war, das Steel-Anwesen zu verlassen.
„Misch dich da nicht ein, Bella“, erwiderte Narzissa kühl. „Du kannst ohnehin nichts tun. Oder willst du etwa selbst ins St. Mungo spazieren und dich auf direktem Wege zurück nach Askaban verfrachten lassen?“
„Gib mir diesen Brief. Ich versuche ihn Cilia irgendwie zukommen zu lassen“, forderte Bellatrix harsch und machte noch immer keinerlei Anstalten, den Weg zur Tür freizugeben. „Und du bleibst gefälligst hier. Es ist nicht deine Entscheidung. Du hättest das überhaupt nicht lesen dürfen!“
„Das werde ich nicht tun“, entgegnete Narzissa kurz angebunden und verschränkte die Arme vor der Brust. „Saphira ist mit Sicherheit nicht umsonst wieder dort eingeliefert worden und ich möchte ihr die Wahl überlassen, ob sie Cecilia überhaupt davon berichtet. Ich will nicht, dass sie Weihnachten im Krankenhaus verbringen muss, und du kannst und wirst mich nicht davon abhalten, sie nach Hause zu holen.“

Cecilia und Barty waren im Auftrag des Dunklen Lords für einige Tage außer Landes und damit Ariadne nicht alleine blieb, hatte Cecilia den Malfoys angeboten, noch eine Weile zu bleiben. Narzissa wusste nicht, was genau die beiden taten, und ihre Schwester weigerte sich strikt, ihr darüber Auskunft zu erteilen.

„Ich dulde es nicht, dass du dich in Cecilias Angelegenheiten einmischst!“, herrschte Bellatrix sie an.
„Dulde, was immer dir beliebt, oder lass es bleiben. Du warst in den vergangenen Jahren nicht hier und hast kein Recht, dich in irgendeiner Weise in Saphiras Erziehung einzumischen.“
„Aber du hast das, ja?“, lachte Bellatrix boshaft auf. „Ich bezweifle, dass Cecilia dir für deine Intervention danken wird. Ich bin Saphiras Patentante, nicht du.“
„Ich diskutiere nicht länger darüber“, beendete Narzissa das Thema in scharfem Ton. „Wenn Cecilia bis morgen Abend nicht hier ist, appariere ich ins St. Mungo und bringe Saphira nach Hause.“

Am oberen Treppenabsatz stand Draco mit versteinerter Miene und lauschte auf jedes Wort der beiden Frauen. Zwar erfasste sein Verstand die oberflächliche Bedeutung ihrer Aussagen, doch konnte er noch nicht zur Gänze begreifen, dass dies tatsächlich geschehen war. Schon wieder. Eigentlich sollte es ihn dieses Mal nicht sonderlich überraschen, schließlich hatte er selbst noch vor wenigen Tagen einen vagen Einblick in ihre Gefühlslage erhalten ... Dennoch lastete die Neuigkeit schwer auf ihm, weckte Schuldgefühle, derer er sich nie bewusst gewesen war, und verdeutlichte ihm, wie dringend er ein klärendes Gespräch benötigte, ehe er sich vollends auf etwas anderes konzentrieren konnte.

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Kurzes Nachwort hierzu: Da es sich hierbei um ein Schlüsselkapitel handelt, das zu schreiben etwas heikel und nicht allzu einfach war, interessiert mich eure ehrliche Meinung hierzu ganz besonders.
Fandet ihr es nachvollziehbar? Habt ihr noch Fragen?
Oder ganz wichtig: Habt ihr etwas daran zu kritisieren? Wenn ja, was und weshalb. Keine falsche Nettigkeit, wenn etwas nicht gefällt, bitte ich darum, es zu erfahren. Umgekehrt natürlich auch, aber das dürfte sich wohl von alleine verstehen.
Ich habe hier ganz bewusst nicht das übliche Klischee (den Wunsch danach, dünn zu sein) bedient, was in dieser Geschichte allgemein sehr kurz kommt, da dies in meinen Augen kein „Grund“ ist, eine Essstörung zu bekommen. Es ist oftmals ein Auslöser, die Probleme liegen jedoch immer tiefer. Nicht jeder Mensch, der eine Diät macht, wird magersüchtig oder ähnliches. Bestimmte Voraussetzungen müssen schon zuvor vorhanden sein, damit dies passiert. Ich selbst habe auch einen gänzlich anderen Auslöser gewählt, denn das Offensichtliche entspricht nicht immer der Wahrheit. Manchmal muss man tiefer blicken, um die gesamte Geschichte zu begreifen. Ich hoffe inständig, es ist mir gelungen, dies hier in adäquater Weise darzustellen und bin sehr gespannt auf Lesermeinungen.

Kapitelvorschau: Eine ernsthafte Unterredung, ein wahrhaftiger Wendepunkt, Bellatrix in Action zusammen mit … einer weiteren Person, widersprüchliche Entschlüsse und ein Mutter-Tochter-Gespräch.
(Innerhalb der folgenden Kapitel.)


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