von mine92
Sie ist tot!
Sie hat mich verlassen!
Hat sich nicht verabschiedet!
Nie.
Hat mich hier stehen lassen
und ist gegangen.
Wahrscheinlich hat sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt!
Er ist gegangen.
Er hat mich auch verlassen.
Ja, er hat sich verabschiedet!
Aber da war sie schon tot
und ich hab nicht hingehört!
Alles war wie in einem dichten Nebel.
Ich sah nur sie,
ihren reglosen Körper,
daliegen
und ich wusste,
dass es nie wieder so werden würde,
wie früher.
Er hat mir gesagt,
ich solle stark sein.
Ich kann aber nicht.
Ich kann nicht stark sein,
ohne sie weiterleben
und sie nie wieder sehen.
Ihr Lachen,
ihre funkelnden Augen,
wenn wir uns, wie so oft, gestritten haben,
ihr Mund,
der mir manchmal ein Lächeln schenkte.
ihr gesenkter Blick,
wenn sie wieder am lernen war,
ihr selbstgefälliges Lächeln,
wenn sie etwas besser wurde,
ihr Ausdruck in den Augen,
wenn ich sie schon wieder enttäuscht hatte,
Jetzt stehe ich da.
Schaue hinaus ins Weite.
Sehe den Sternenhimmel.
So viele Sterne, denke ich mir.
Sie hätte mir jetzt bestimmt ihre Namen
und ihre Position genannt.
Aber sie wird sie mir nie nennen,
denn sie ist nicht
und wird auch nie wieder sein.
Sie ist irgendwo weit weg,
zwischen den Sternen
und schaut vielleicht zu mir hinunter,
wie ich mich quäle
und an sie denke.
Ja, hier stehe ich und weiß nicht, was ich tun soll.
Meine Seele ist schon längst zerrissen,
mein Herz auch.
Vielleicht wäre es nie passiert,
wenn ich es ihr schon früher gesagt hätte.
Früher…
Ja, damals war alles noch anders.
Damals haben wir alle drei noch gelacht.
Doch mit den Jahren, gab es immer weniger zu lachen.
Wir wurden ernster.
Sie wurde ernster.
Immer seltener bekam ich ihr Lächeln.
Immer seltener hörte ich ihr Lachen.
Bis ich nichts mehr hörte.
Nur noch ihr Schreien.
Ihr schmerzhaftes ewiges Schreien.
Das Schreien,
das ihr Tod war.
Ich kann es immer noch hören.
Wenn ich nur die Augen schließe,
sehe ich ihr Gesicht.
Ihre braunen, wärmeausstrahlenden Augen,
das buschige, braune Haar,
ihren Mund und ihre Nase,
so zierlich und schön.
Und da ist immer ihr Schreien.
Das ewige Schreien…
Ich weiß nicht, wie lange noch, ich ihr Schreien hören werde.
Ich will, dass es aufhört.
Ich will aber ihre Stimme nicht vergessen.
Ihr Aussehen.
Und ihr Lächeln.
Er hat mir kurz vor ihrem Tod gesagt,
ich soll mich trauen.
Ich soll es ihr sagen.
Bevor es zu spät ist.
Ich hab mich nicht getraut.
Habe es ihr nicht gesagt.
Hatte nicht den Mut.
Nun ist es zu spät.
Ich schaue den Sternenhimmel und den runden Mond an.
Sie leuchten aus voller Kraft, als wäre es ihre letzte Nacht.
Meine letzte Nacht.
Ich will zu ihr.
Ich will ihr sagen, was ich mich nie getraut habe.
Dass ich sie liebe.
Ich schaue durch die Sterne hindurch.
Sie ist dort.
Und er auch.
Beide sind da.
Nur ich bin hier.
Allein und verlassen.
Ich will zu ihnen.
Zu ihr.
Langsam steige ich auf den breiten Fenstersims und halte mich am Fensterrahmen fest.
Ich will zu ihr.
Zu Beiden.
So wie noch nie.
Ich schaue erneut zu den Sternen hinauf.
Sie lächeln mich an,
als wollen sie mich ermutigen.
Da weiß ich, dass es richtig ist.
Ich weiß es einfach.
Ich hole tief Luft.
Und springe….
Ein einziger Schrei, der durch die Nacht hallt
und dann bin ich bei ihr.
Ich sehe sie auf mich zukommen.
Sie lächelt.
Er steht ein paar Meter hinter ihr und grinst mich an.
Ich schaue jedoch nur sie an.
Jetzt weiß sie es, denke ich mir.
Jetzt weiß sie es bestimmt.
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