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Fanfiction

Aufgehängt - Aufgehängt

von käfer

Die Prüfung war unglaublich schwer. Einige Fragen konnte Severus gar nicht beantworten und er wusste genau, dass sie davon im Unterricht nichts gehört hatten. Schließlich hatte er vor der Prüfung seine Aufzeichnungen vom ersten bis fünften Schuljahr komplett durchgesehen.
Kein Fach und keinen Lehrer hasste Severus mehr als Professor Eckenthorpe und Verteidigung gegen die Dunklen Künste. War Eckenthorpe ausnahmsweise einmal nüchtern, hielt er endlose, unzusammenhängende, sich wiederholende Vorträge über die Wichtigkeit der Beseitigung von Schwarzer Magie. War er betrunken, ließ er die Schüler aus dem Lehrbuch abschreiben – was natürlich keiner tat, sie hatten genügend andere Hausaufgaben und Eckenthorpe kontrollierte nie. Nur wenn sich der Lehrer auf der richtigen Stufe zwischen nüchtern und besoffen befand, machte er ordentlichen Unterricht, manchmal sogar mit praktischen Übungen. Aber das hatte Seltenheitswert.
Im ersten Schuljahr mussten sie sich mit den verschiedensten Kreaturen beschäftigen, die nur darauf aus waren, Zauberer zu ärgern. Aber der alte Professor war so schwach, dass er kaum noch den Zauberstab halten konnte; so blieb es meist bei theoretischen Betrachtungen. Severus wusste zwar, dass man einen Irrwisch mit dem Spruch „Riddiculus!“ vertreiben konnte, aber geübt hatten sie das nicht. Und doch konnte es passieren, dass es in der praktischen Prüfung gefordert wurde. Wie er die bestehen sollte, wusste er nicht, dabei war der Termin schon nächste Woche, viel zu wenig Zeit also, um noch etwas nachzuholen.
Severus wäre das Fach ziemlich egal, wenn ihm nicht alle Leute unmissverständlich klar gemacht hätten, dass er bestehen MUSSTE:
Slughorn hatte bei der Berufsberatung betont, dass das Magical Arts College nur Studenten aufnahm, die Verteidigung gegen die Dunklen Künste sowohl bei den ZAG´s als auch bei den UTZ-Prüfungen bestanden hatten. Wenn Severus jetzt in diesem bescheuerten Fach durchfiel, konnte er seinen Traum vergessen, Tränkemeister zu werden. Zwar gab es auch die Möglichkeit der privaten Ausbildung, aber das konnte er sich nicht leisten.
Für eine Aufnahme in das Gefolge des Dunklen Lords musste Severus aber unbedingt ein Tränkemeisterstudium beginnen, das hatte der Meister ihm persönlich gesagt. Ohne Verteidigung kein Studienplatz, ohne Studienplatz keine Aufnahme beim Dunklen Lord, ohne Aufnahme beim Dunklen Lord keine Anerkennung.
Die Mutter erwartete von Severus sowieso, dass er alle Prüfungen bestand, schließlich hatte sie selber nur Bestnoten gehabt, sogar in Verteidigung, und das, obwohl die Lehrer auch damals schon beinahe jedes Jahr wechselten.
Selbst der Vater, dem Severus´ Schulnoten sonst herzlich egal waren, hatte ihm in den Osterferien die Hölle heiß gemacht. Er vertrug nicht, dass der Sohn seines Bruders gute Noten heimbrachte und Severus nicht. Das allein bewog den Vater zu so lächerlichen Drohungen wie Stubenarrest während der ganzen Sommerferien und Enterbung.
Severus schnaubte bei dem Gedanken an die letzte Auseinandersetzung mit seinem Erzeuger. Wenn er sich jetzt Mühe gab, in Verteidigung durchzukommen, dann ganz bestimmt nicht, weil er scharf darauf war, die Hütte seiner Eltern zu erben.
Seufzend rollte er sein Pergament wieder auf und nahm das Blatt mit den Fragen zur Hand. Viel Zeit blieb nicht, um noch den einen oder anderen Punkt zu retten.
Verstohlen schaute Severus zu Lily hinüber. Die schien fertig zu sein, sie hatte die Feder weggelegt.
Potter links von ihm kicherte, der las wohl gerade die 10. Frage: „Woran erkennt man einen Werwolf?“
Oh ja, einen Werwolf konnte Severus gut beschreiben, er hatte schon einem gegenübergestanden. Die grausigen Bilder aus der heulenden Hütte verfolgten ihn selbst jetzt, zwei Jahre danach, immer noch. Wie gelähmt hatte er dagestanden und zugesehen, wie Lupin sich in ein Monster verwandelte und auf ihn zusprang. In letzter Sekunde war Potter dazwischengegangen, sonst…
Severus knirschte mit den Zähnen. Jener Werwolf saß jetzt hinter ihm und schrieb die Prüfung in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, als ob nichts wäre. Lupin kriegte Extrastunden und durfte in den Tagen nach Vollmond schwänzen. Wenn er zusammen mit Potter, Black und Pettigrew was anstellte, wurde er nicht bestraft. Überhaupt kam die ganze Bande immer viel zu gut weg. Immer wieder waren es andere, die für Verfehlungen bestraft wurden, die die „Herumtreiber“ begangen hatten. Herumtreiber! Die ganze Schule wusste von dem bezeichnenden Namen, den sich die Bande gegeben hatte, und alle verschlossen die Augen. Am meisten Dumbledore, denn der war dicke befreundet mit den Vätern von Lupin und Potter. Nur er, Severus, mit seinem Versager von Muggel als Vater, wurde für jede Kleinigkeit hart bestraft.
„Noch zwei Minuten!“, tönte Flitwicks Stimme durch die Halle. Eckenthorpe war zu besoffen, um die Prüfung zu beaufsichtigen, so hatte der Halbzwerg übernommen. Hätte Flitwick nur auch den Unterricht übernommen, bei dem lernte man wenigstens etwas. Aber Flitwick hatte Severus´ Bitte abgelehnt, ihm Nachhilfe zu geben. Klar, Lupin hatte Vorrang…
Potter zischte und machte Zeichen hinüber zu Lily. Severus biss sich auf die Zunge. Am liebsten hätte er Potter angebrüllt, er möge seine dreckigen Pfoten von seiner Freundin lassen. Seit einiger Zeit beobachtete er, dass Potter Lily nachstellte und ihr schöntat. Severus fragte sich, wie lange sie ihn noch mit spitzen Bemerkungen abspeiste oder ob die frechen Antworten nicht nur gespielt waren und sich die beiden in Wirklichkeit neckten. „Was sich neckt, das liebt sich“ – wie oft hatte Severus diesen blöden Spruch schon gehört. Was „necken“ war, wusste er zwar, aber er brachte es nie fertig, Lily zu necken. Wenn sie sich zufällig oder absichtlich irgendwo trafen, unterhielten sie sich immer ernsthaft. Severus konnte sich einfach nicht vorstellen, zu Lily irgendwelche flapsigen Bemerkungen zu machen. Als er das einmal versucht hatte, hatte Lily ihn entsetzt angesehen und dann laut gelacht und gemeint, Severus brauche nicht krampfhaft lustig zu tun. Wenn Potter eine seiner blöden Bemerkungen losließ, schoss Lily zurück und sorgte so stets für Gelächter, was wiederum Potter genoss. Es gab Severus immer einen Stich, wenn er Lily zusammen mit anderen Jungen sah. Er wollte sie für sich. In seinen Träumen fuhr er mit seinen Fingern durch ihr langes, weiches Haar. Doch wenn sie zusammen waren, wagte er das nicht. Warum eigentlich? Es war doch nichts dabei! Andere Jungs in seinem Alter küssten sich schon längst mit Mädchen.
Vielleicht wartete Lily nur darauf, dass er genau dies tat, dass er sie einfach an sich zog und küsste? Vielleicht sollte er Lily bitten, mit ihm für die praktische Verteidigungsprüfung zu lernen und dann, wenn sie fertig waren, würde er sich bei ihr mit einem Kuss bedanken. Die Idee war gut. Severus musste es nur schaffen, Lily unter vier Augen zu treffen. Er bekam von seinen Hausgenossen schon genug Schelte, weil er mit einer Gryffindor sprach…
Plötzlich ertönte neben ihm Potters Stimme: „Alles klar, Schniefelus?“
Severus griff instinktiv nach seinem Zauberstab, aber Potter wartete nicht ab und entwaffnete ihn. Verdammt! Ehe Severus bei seinem Stab angelangt war, klatschte er auf die Erde, getroffen von einem Lähmzauber, den Black abgefeuert hatte. Ja, das konnte der gut – einem Stablosen einen Zauber überbraten! Hätte Severus seinen Zauberstab gehabt, hätte Black den kürzeren gezogen. Aber Severus hatte seinen Stab nicht in der Hand. Verflucht! Wer war noch da? Pettigrew, natürlich. Und der Werwolf saß grinsend daneben und amüsierte sich. Heiße Wut lähmte Severus Glieder und Gedanken. Wie ein kleines träumendes Mädchen war er in Gedanken versunken durch die Gegend gelaufen, ohne darauf zu achten, wohin er ging und wer in der Nähe war – und prompt den Herumtreibern vor die Zauberstäbe geraten. Verflucht noch mal! So sehr sich Severus auch abmühte, er kam nicht an den Zauberstab heran und war den arroganten Arschlöchern hilflos ausgeliefert. Ausgerechnet ihm musste das passieren, ihm dem Chief der Slytherins! Hoffentlich hatte keiner seiner Kumpels zugesehen, das wäre zu peinlich. Verhext und zugenäht! Wie er Potter kannte, würde in spätestens drei Stunden die ganze Schule wissen, dass die Gryffindors ihm wieder mal eins ausgewischt hatten. Severus konnte sich Potters hämische Stimme sehr gut vorstellen, wenn er genüsslich verkündete: „Nicht mal gewehrt hat er sich“, und wahrscheinlich würde er noch ein „die Memme“ dranhängen, sein Lieblingswort. Severus musste sich eine gute Begründung dafür einfallen lassen, dass er in die Falle getappt war und er hatte auch schon eine Idee…
Teufelsschlinge und Krötenkacke! Unter der Schar Gryffindors, die Potter und Black nachgelaufen waren, befand sich auch Lily! Oh nein! Was sollte sie denn von ihm denken, wenn er sich einfach so schnappen ließ! Für einen Schwächling würde sie ihn halten, genau wie alle anderen. Severus wusste, dass er ihr niemals sagen würde, dass Potter und Black ihn nur deshalb erwischt hatten, weil er in Gedanken bei ihr gewesen war.
„Lasst ihn in Ruhe!“
Natürlich, Lilly setzte sich für ihn ein. Das tat sie immer und immer machte sie dadurch alles schlimmer. Statt Dankbarkeit zu empfinden, ärgerte sich Severus noch mehr. Wenigstens erteilte sie Potter eine Abfuhr, bezeichnete ihn als arroganten Quälgeist. Darüber lachte Potter nur, wie immer. Severus wäre am liebsten aufgesprungen und hätte Potter mit bloßen Händen erwürgt. Aber er konnte nicht, er kämpfte noch mit dem Ratzeputz-Fluch von Potter und bemühte sich, den Zauberstab zu greifen.
Severus war alles egal. Mochten sie ihn von der Schule werfen, nach Askaban schicken, den Stab über ihm brechen, egal. Potter hatte ihn vor aller Augen und vor allem vor Lily gedemütigt. Potter verdiente es nicht besser. Severus konnte seine Wut nicht mehr zügeln. Vor seinen Augen tanzten rote Kreise. Er wollte nur noch eines: Potter wehtun. Das ´Sectumsempra´ dachte Severus beinahe noch schneller als er zielen konnte. Zwischen den Kreisen sah er Blut spitzen, getroffen hatte er jedenfalls. Doch im gleichen Moment fühlte Severus sich von den Füßen gerissen und fand sich kopfunter in der Luft hängend wieder. Der Umhang rutschte ihm über den Kopf. Verfluchte traditionelle Zunftkleidung! Wenn er wenigstens Hosen unter dem Umhang tragen dürfte! So sahen alle, sah Lily seine Unterhosen.
Lily verteidigte ihn noch immer, sie ging jetzt mit gezücktem Zauberstab auf Black und Potter los. Das wagte sonst niemand.
Severus knallte auf den Boden. Sein Körper fühlte sich zerschlagen an, der Wutkloß in seiner Kehle wuchs rasend schnell, als Potter mit seiner arrogantesten Stimme höhnte: „Du hast Glück, dass Evans hier ist, Schniefelus…“
Der Wutkloß explodierte. Severus brüllte: „Ich brauche keine Hilfe von dreckigen kleinen Schlammblüterinnen wie der!“
Er erstarrte. Hatte er das jetzt wirklich gesagt? Hatte er tatsächlich seine beste, seine einzige Freundin als Schlammblut bezeichnet? Wie konnte er das nur tun?
Mit einem Mal war Severus´ ganze Wut verraucht. Abgrundtiefe Traurigkeit ergriff von ihm Besitz. Er spürte den Levicorpus-Fluch erneut in Potter aufsteigen, hörte, was der arrogante Affe sagte. Aber er wehrte sich nicht. Er hatte Lily „Schlammblut“ genannt. Das schlimmste Schimpfwort, das es in der Zaubererwelt gab. Hatte einfach seiner Wut ihren Lauf gelassen, geredet, ohne nachzudenken. Er war ein Slytherin und Slytherins nahmen keine Hilfe von Muggelstämmigen an. Aber musste er ausgerechnet Lily so beschimpfen? Die einzige Person, die ihn verstand, die ihn so nahm, wie er war, die nicht auf ihm rumhackte? Warum nur hatte er sich nicht unter Kontrolle gehabt? Ein „Zisch ab, Evans!“ hätte doch gereicht, zumal kein Slytherin in der Nähe war…
Nun würde Lily wohl nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Sie würde sich von ihm abwenden, ihm aus dem Weg gehen und das mit Recht. Er hatte es nicht besser verdient, und dennoch…
Severus würde alles dafür geben, um das Geschehene ungeschehen zu machen, aber gesagt war gesagt.
Und schon wieder hing er kopfunter in der Luft. Sollten sie ihm doch die Unterhosen ausziehen. Es war egal.


PS: Die kursiven Sätze stammen aus HP 5, „Snapes schlimmste Erinnerung“, der Rest ist auf meinem Mist gewachsen…
Was das Unterhosen ausziehen betrifft, glaube ich nicht, dass es dazu gekommen ist. Minerva McGonagall mit ihrem Gespür für Ärger ist im rechten Moment aufgetaucht und hat das Schlimmste verhindert. Allerdings hat Severus mit Sicherheit eine Strafe für den ´Sectumsempra´ bekommen, während die Rumtreiber mit einer Ermahnung davongekommen sein dürften.


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