Mit zitternden Händen und einer schlimmen Vorahnung nahm ich den Brief aus Remus Hand. Ganz langsam, ohne den Umschlag zu zerreisen, öffnete ich ihn und begann zu lesen:
Liebe, liebe Nymphadora,
Es tut mir so unendlich leid, es dir per Brief mitzuteilen. Wie sehr hätte ich dich vorher noch gesehen, aber meine Angst vor dem Abschied war zu groß.
Vor kurzem sind Todesser bei uns aufgetaucht in der Gegend und ich und deine Mutter hatten beschlossen, dass es besser wäre, wenn ich fliehen würde.
Gestern, als du und Remus uns besucht habt, stand dieser Entschluss schon fest, doch ich konnte es dir nicht sagen. Und ich wusste auch, dass du ebenfalls so einen Abschied nicht gern hast.
Natürlich heißt es nicht für immer Auf Wiedersehen, nicht zu hundert Prozent.
Aber ich weiß auch, dass du kein kleines Mädchen mehr bist und genau weißt, was mit alles passieren kann.
Ich habe noch eine Bitte: Könnten du und Remus zu deiner Mutter ziehen? Sie ist nun vollkommen allein. Ich mache mir keine Sorgen um ihren Schutz, mehr um ihre Psyche, wenn sie niemanden mehr hat, außer eure möglicherweise seltenen Besuche.
Ich wiederhole, wie leid es mit tut. Ich konnte dir einfach nicht gegenüberstehen.
Pass auf dich auf und Remus natürlich auch.
Liebe, liebe Grüße
Dein Papi
Ich erkannte Tränenspuren auf dem Pergament und nach einiger Zeit wurde mir klar, dass es nicht nur seine waren.
Remus stand immer noch unschlüssig im Wohnzimmer und sah mich an. Ich hielt ihm den Brief hin und beobachtete sein Gesicht, doch er schien gefasst. Hatte er sowas geahnt. Ihm dürfte ja so ein Brief nichts neues sein. Immer schickten sie mir Briefe, weil sie zu feige waren, mir selbst gegenüber zutreten. Erst Remus, dann mein Vater ... wer kam als nächstes, um mich zu verlassen und mit einem Brief zu trösten? Wenn würde ich noch verlieren? Remus hatte ich wieder. Aber mein Vater ... Wie gut fand er sich da draußen zurecht? Er kam mir nie wie ein großer Kämpfer oder ähnliches vor. Sie würden ihn gefangen nehmen und töten. Oder schlimmer. Vielleicht erkannten sie, wen sie da hatten und würden ihn foltern oder er lief gar Bellatrix in die Hände.
Ich spürte, wie ich zitterte und saß nicht mehr auf dem Sofa, sondern am Boden, die Fingernägel in meiner Knie gedrückt, sodass ich einen kleinen, fast beruhigenden Schmerz spürte, welcher allein mich daran hindern konnte, nicht laut aufzuschreien oder wegzurennen.
Remus kam zu mir und hob mich wieder hoch. Noch immer zitterte ich, doch er nahm meinen Kopf ruhig in seine Hände und drückte ihn an seine Brust, wobei ich hemmungslos anfing zu weinen. Die Tränen ließen sein Hemd feucht werden, doch er bemerkte es nicht oder schien sich nicht drum zu kümmern. Stattdessen strich er mir sanft durch das Haar und murmelte mir beruhigende Worte ins Ohr, von denen ich kein verstand. Sie erreichten mich nicht. Ich konnte nur an meinen Vater denken. Wie wir früher zusammen durch die Wälder spaziert waren und er mir meinen ersten Besen gekauft hatte, was meiner Mutter überhaupt nicht recht gewesen war. Wie wir uns Regentage mit langen Geschichten, Liedern oder kleinen Spielen vertrieben hatten oder einfach nur zusammengekuschelt auf der Couch saßen bis ich in das Land der Träume versunken war. Und bevor ich das tat, waren die letzten und auch ersten Worte, die ich von Remus hörte Es ist noch nicht zu spät.
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