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Fanfiction

BETAVERSION: Hogwarts 1962: Zirkel der Wölfe - Zirkel der Wölfe

von Kiosk

26. Zirkel der Wölfe

Personen:
Erinys Norcross: Egoistische Slytherin Drittklässlerin. Beste Freundin von Ulysses

Ulysses Rathburn: Ravenclaw Zweitklässler. Ein frühreifer Trotzkopf

Geister und Verstorbene:
Willigis Wulfgard: Ein Magier zur Zeit der Gründer. Ein leidenschaftlicher Jäger, dem einst das Land gehörte, auf dem nun Hogwarts steht. Starb durch eine Rotte von Warzenschweinen. Nun ein Geist

Der weiße Grimm: Der Geist des toten Wolfes Gwydion. Zur Zeit der Gründer der ständige Gefährte Wulfgards. Starb durch eine Rotte von Warzenschweinen

Personengruppen:
Der Werwolffanklub: Gegründet von Veikko, Erebus und Prester, zu Ehren ihres verschwundenen Kumpels Garm. Der Klub ist besonders unter den Slytherins beliebt

Bisherige Handlung: In der zweiten Eulerei entdeckte Erinys Willigis` zerschmetterte Statue und einige verkorkte Erinnerungen - nun stellt sich für Erinys die Frage, wie sie von diesem Fund profitieren könnte…als ein Vorhaben des Werwolffanklubs die Aufmerksamkeit der Lehrerschaft ablenkt, nutzt Erinys die Gelegenheit und borgt sich Dumbledores Denkarium.

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Erinys verspürte keinen Schmerz als sie auf dem Boden aufschlug. Und das obwohl sie einfach so vom Himmel gefallen zu sein schien, aus einer Höhe von zehn oder zwanzig Metern vielleicht. Noch im Sturz hatte sie damit gerechnet, mit einem gewaltigen, dumpfen Schlag auf dem Erdboden aufzukommen, einem Schlag der ihre sämtlichen Knochen brechen würde. Aber selbst das blieb aus. Seltsam, im Grunde schien ihr Sturz sogar fast geräuschlos abgelaufen zu sein, sie hörte nicht viel mehr als einen merkwürdig verzerrten Krach.
Hätte sie nicht eigentlich tot sein müssen? Sie fühlte sich zumindest nicht so, ihr Herz schlug und sie hatte den Geruch von wilden Kräutern und Blumen in der Nase. Hartes Gras kratzte ihre Wange…auch das war eigenartig. Die gesamte Gegend rund um Hogwarts war doch von hohem Schnee bedeckt gewesen?
Erinys zwang sich ihre Gedanken und Erinnerungen zu sortieren. Erinnerungen, das war das Stichwort. Sie hatte Dumbledores Denkarium geklaut, hatte sich hinüber bebeugt und war irgendwie einfach verschluckt worden. Zusammen mit Ulysses.
„Ulysses?“ Erinys öffnete die Augen und richtete ihren Oberkörper vorsichtig ein Stück weit auf. Vorsichtig, weil sie noch immer befürchtete, sie könnte sich etwas gebrochen haben - was zum Glück aber nicht der Fall war.
Ulysses lag zwei Meter neben ihr auf dem Bauch und rührte sich nicht.
„Verdammter Mist!“, fluchte Erinys leise, krabbelte zu ihm und rüttelte an seiner Schulter. Ulysses ächzte, öffnete die Lieder und war innerhalb von nur einem Augenblick wieder klar bei Sinnen und Verstand. Er setzte sich ebenfalls auf und starrte mit großen Augen an Erinys vorbei. „Wo sind wir?“, fragte er und seine Stimme war so flach, dass sie ihn kaum verstehen konnte.

Die Frage nach ihrem Aufenthaltsort war berechtigt. Sie befanden sich nicht mehr in dem Klassenzimmer mit den ausgestopften Tieren, sondern inmitten einer Hügellandschaft. Erinys ließ den Blick über einen großen, dunklen See schweifen, dessen Ufer einige hundert Meter von ihnen entfernt lag. Ansonsten bedeckten urige und oftmals verkrüppelte Bäume das Gebiet, die nur wenig Platz für das Gras ließen. Ein Stückchen weiter lag ein Wald. Tiefschwarz und wenig einladend schien er Erinys und Ulysses herausfordernd anzustarren. Seine Ausläufer zogen sich bis weit über die Hügel. Hinter diesen Hügeln sah Erinys den Horizont. Ein Horizont, der seltsam unbeständig wirkte: als würden Landschaft und Himmel in der Ferne langsam zerfallen und vergilben, ähnlich wie ein altes Photo.
„Wo sind wir?“, fragte Ulysses noch einmal. Er kam vorsichtig auf die Füße und drehte sich einmal um die eigene Achse. Die Panik in seinen Augen zeichnete sich immer deutlicher ab. „Wo ist Hogwarts, Erinys? Hogwarts ist weg! Ich erkenne hier überhaupt nichts wieder!“
Auch Erinys richtete sich ganz auf und blickte sich um. Die Gegend war seltsam. Es schien, außer ihren Stimmen, überhaupt keine Geräusche zu geben. Sie lauschte angestrengt, doch sie hörte weder Vögel noch Wind, noch sonst irgendetwas.
„Erinys!“ Ulysses schien drauf und dran zu sein sie zu schütteln. „Was hast du gemacht? Was ist das für ein Ort und wie kommen wir wieder zurück?“
Was Erinys gemacht hatte? Nichts…oder vielleicht auch alles. Zumindest schienen sie irgendwie in das Denkarium gefallen zu sein. Und dieser Ort hier? Vielleicht eine Erinnerung? Es musste eine Erinnerung sein, aber wo der Ort lag konnte sie nicht sagen. Und die Frage nach der Rückkehr war vielleicht die schwerste überhaupt. Erinys legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Himmel empor. Der Himmel war grau, völlig unbewegt und erschien so rissig als würde er gleich in sich zusammenbrechen können. Sie hatte gehofft vielleicht den Rand des Denkariums zu erkennen. Schließlich waren sie kopfüber hineingestürzt, also müsste der Ausgang logischerweise über ihnen liegen…allerdings gab es am Himmel nichts, was auch nur annährend wie ein Weg zurück aussah.
Ab diesem Punkt begannen ihre pessimistischen Gedanken damit, ein Eigenleben zu führen: Vielleicht sind wir hier gefangen!
Für immer!
Ohne zu wissen wo wir sind und wie wir wieder zurückkommen!

„Erinys!“, kam es ungewohnt schroff von Ulysses. „Ich will Antworten!“
„Antworten?“, echote Erinys ohne ihn anzusehen. „Weißt du, eigentlich bis ich selbst ratlos. Aber ich weiß zumindest, dass es sich hierbei um eine Art…Erinnerung handelt. Wir sind in die Erinnerung eines Fremden…ähm…hineingestürzt.“
Ulysses starrte sie perplex an. „Erinnerung?“ Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare und drehte sich wieder suchend um die eigene Achse. „Von wem stammt die Erinnerung, verdammt? Obwohl, eigentlich ist es völlig egal von wem sie stammt, ich will hier raus!“
Dass der Rückweg ein Problem darstellen könnte verschwieg Erinys wohlwissend. Sie musste zugeben, dass sie selbst ängstlich und eingeschüchtert war, aber wenn sie ihre Sorgen mit Ulysses teilen würde, würde dieser wahrscheinlich in Panik geraten.
Es galt ruhig und überlegt vorzugehen. Erinys sah sich um. Ein Stück weiter entfernt lag ein gewaltiger Stein, ein Findling, mitten auf der Wiese. Er lag wahrscheinlich schon seit Ewigkeiten in dieser unmöglichen Position, die ihn so aussehen ließ, als ob er jeden Moment umkippen könnte. Sie nickte in die entsprechende Richtung. „Hilf mir da hoch, Ulysses. Von da oben habe ich besseren Überblick. Wir müssen uns orientieren.“
Ulysses zeterte nicht. Mit seiner Unterstützung schaffte es Erinys irgendwie auf den Findling zu klettern. Nun, drei Meter über den Erdboden, richtete sie sich vorsichtig auf und überblickte die Landschaft. Sie sah zerklüftete kleine Berge, die von kurzem Gras überzogen waren. Der dunkle See lag unbewegt zwischen diesen Bergen und nicht eine einzige Welle schien die Oberfläche zu kräuseln. Es wirkte fast so, als sei der See mit unsichtbaren Eis überzogen.
Erinys wandte ihren Blick in die entgegengesetzte Richtung und hielt unwillkürlich den Atem an. Dort, zwischen all den urigen Bäumen, erhob sich ein Schloss. Ein Schloss mit wohlbekannten Formen…
„Und?“, rief Ulysses. „Kannst du etwas erkennen?“
„Ich sehe Hogwarts! Glaube ich zumindest…“
„Hogwarts?“ Ulysses` Stimme überschlug sich fast vor Erleichterung.
„Naja…ich bin mir nicht ganz sicher.“ Erinys musterte das ferne Schloss genauer. „Irgendwie…fehlen einige Türme und auch ansonsten…“ Sie runzelte die Stirn. Es musste Hogwarts sein. Die Ähnlichkeit war einerseits so ungeheuer verblüffend, selbst die Farbe der Steine war exakt die gleiche…aber andererseits stimmten so viele Details nicht mit dem Hogwarts überein, in dem sie seit anderthalb Jahren zur Schule ging. Ihr Hogwarts hatte mehr Türme, sah einladend und gemütlich aus. Aber dieses Hogwarts hier wirkte wie der schmucklose, düstere Bruder des Originals. Nein, eigentlich waren „schmucklos“ und „düster“ die falschen Begriffe. Es sah vielmehr unfertig aus. Es war das Hogwarts einer vergangenen Epoche. Das Hogwarts kurz nach seiner Gründung, eintausend Jahre jünger als Erinys` Hogwarts.

Als Erinys wieder von dem Findling heruntergeklettert war, drängte sie Ulysses dazu mitzukommen. Auf dem Weg zum Schloss erklärte sie ihm so viel wie nötig. „Ich habe in der zweiten Eulerei diese Statue von Willigis Wulfgard in einer Truhe gefunden. Und in der selben Truhe lagen auch einige Phiolen in der sich die Erinnerungen befanden. Ich glaube, es sind seine Erinnerungen, Ulysses. Die Erinnerungen von Willigis Wulfgard!“
„Wenn das seine Erinnerungen sind, Erinys, dann müsste er in der Nähe sein. Aber wir haben ihn bisher nirgendwo gesehen. Oder besser gesagt, bis jetzt haben wir überhaupt noch niemanden gesehen. Nicht mal einen Vogel oder eine Ameise.“
Während des Marsches huschte Erinys` Blick von einer Richtung zur anderen, während sie verbissen versuchte, irgendein wohlbekanntes Detail wiederzuerkennen. Gut, dieser Ort mochte um Jahrhunderte jünger sein als der Ort aus Erinys` Gegenwart, doch sicherlich gab es Dinge, die Erinys bekannt vorkommen dürften. Aber je mehr sie sich anstrengte, eben dieses Bekannte ausfindig zu machen, desto Fremdartiger erschien ihr die Gegend im Allgemeinen. Dort, wo in Zukunft einst das Quidditchfeld liegen würde, gab es zum Beispiel nichts weiter als Bäume und Findlinge. Selbst die grüne, weite Wiese, die später einmal einen großen Teil der Schlossgründe bedecken würde, existierte noch nicht. Statt des Grases, ragten überall widerspenstige, riesenhafte Bäume aus dem Boden, die so unheimlich und verwachsen waren, dass Erinys sich an den Verbotenen Wald erinnert fühlte. Einige der knorrigen Stämme wirkten fast schon so wie langgezogene, schrecklich verzerrte Gesichter und die Äste reckten sich wie Hände gen Himmel.

Plötzlich hörte Erinys ein Geräusch. Augenblicklich blieben sie und Ulysses stehen, hielten den Atem an und lauschten. Dort, ein Dutzend Meter vor ihnen, standen zwei Männer.
Erinys verlor keine Zeit, griff Ulysses am Arm und zog ihn mit sich. Hinter der senkrecht auftürmenden Wurzel eines umgestürzten Baumes gingen sie in Deckung und spähten vorsichtig zu den Fremden hinüber.
Der eine Mann, er war kräftig gebaut und hatte zotteliges rotblondes Haar, argumentierte offensichtlich gerade mit dem Zweiten. Der Zweite war lang und drahtig und seine dunklen Gewänder, die ihn bis weit über die Knöchel reichten, ließen ihn noch größer wirken. Sein Gesicht war fahl und ein schwarzer Ziegenbart bedeckte Kinn und Wangenknochen. Der Schwarzhaarige hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während der kräftige Mann wild gestikulierend auf ihn einredete. Erinys gab sich alle Mühe auf die Worte zu achten, doch für sie klang das Geplapper seltsam fremdartig. Sie stieß Ulysses an. „Ich verstehe sie nicht“, flüsterte sie. „Reden die englisch?“
Ulysses richtete sich etwas auf, spähte über die Baumwurzel und lauschte konzentriert. „Ich weiß nicht…es muss irgendein Dialekt sein.“ Plötzlich ließ er sich zurück auf die Knie fallen und kauerte sich auf den Boden. „Mist, ich glaube der eine hat mich gesehen!“, rief er gedämpft. „Der mit dem Ziegenbart hat direkt hier herüber gesehen!“
„Was?“ Erinys verpasste ihm eine sachte Kopfnuss. „Kannst du nicht besser aufpassen?“
Sie machten sich so klein wie möglich und hofften, dass der Mann nicht herkam um sie zu suchen. Aber auch nach gut einer Minute geschah nichts, außer dass Erinys kurz davor war einen Beinkrampf zu bekommen.
„Bist du sicher, dass er dich gesehen hat?“, fragte sie.
„Er hat genau in meine Richtung gesehen. Er müsste schon blind sein um mich dabei zu übersehen.“

Erinys richtete sich wieder vorsichtig auf und spähte so heimlich wie möglich über die Baumwurzel hinweg. Die beiden Männer standen noch immer an genau der gleichen Stelle und ihr Streit war heftiger als je zuvor. Nun gestikulierte nicht nur der Rotblonde, sondern auch der Ziegenbart malte wütende Gesten in die Luft. Obwohl sie so laut waren, verstehen konnte Erinys noch immer kein einziges Wort. Ab und zu hatte sie zwar das Gefühl, gewisse Ähnlichkeiten zu vertrauten Wörtern herauszuhören, aber sie war sich keinesfalls sicher.
„Wenn du recht hast und wir sind in einer Erinnerung gefangen“, sagte Ulysses leise, während auch er langsam wieder auf die Beine kam, „und diese Erinnerung ist tatsächlich rund eintausend Jahre alt, dann bedeutet das, dass diese beiden Männer da irgendeinen uralten Dialekt sprechen. Mein Vater hat mir mal erzählt, dass die Menschen früher anders geredet haben als heute. Vielleicht stimmt das sogar.“
„Scheint fast so…meinst du, die Erinnerung stammt von einem dieser beiden Männer?“
Ulysses runzelte die Stirn. „Wahrscheinlich schon. Es ist ja sonst niemand hier. Ist einer von ihnen Willigis Wulfgard?“
„Ich weiß nicht, sie sind zu weit weg. Ich muss näher ran.“ Erinys ging wieder auf alle Viere und krabbelte bedächtig um die umgestürzte Baumwurzel herum. Sie nutzte das Dickicht als Deckung um sich näher an die Männer heranzuschleichen. Keinen Moment später folgte Ulysses ihr auch schon auf den Versen. „Was tust du denn da? Was ist wenn die uns entdecken?“, zischte er ihr panisch zu.
„Warum bleibst du nicht einfach hinter der Wurzel, Ulysses? Da findet man dich nicht.“
„Ich bleibe da doch nicht alleine sitzen!“, gab er empört zurück.

Sie gingen hinter einem kleineren Findling in Deckung, der von zwei breiten Bäumen gesäumt wurde und somit ausreichend Sichtschutz bot. Erinys und Ulysses waren jetzt so nah bei den Fremden, dass deren Streiterei schon fast unerträglich laut war. Erinys lugte über den steinernen Rand des Findlings und musterte die beiden Männer. Ihr fiel auf, wie fahlhäutig der Fremde mit dem Ziegenbart war, so als ob er seit Jahren in einem Kerker eingesperrt gewesen wäre. Er trug einen Armschutz aus Drachenleder und sein schwarzer Umhang bauschte in einem nicht vorhandenen Wind. Es mochte an der weiten Kleidung liegen, dass sein Körperbau weitestgehend versteckt blieb. Dennoch hatte Erinys das Gefühl, dass der Mann eine seltsam unförmige Haltung besaß, mit kurzen Beinen und überdurchschnittlich langen und dünnen Armen. Alles in allem war er schrecklich unansehnlich und sein kalter Blick schreckte Erinys instinktiv ab.
Der zweite, kräftige Mann mit dem wilden, rotblonden Haaren, hatte die Rechte an den Griff eines Schwertes gelegt, aber Erinys wusste nicht, ob diese Geste tatsächlich so bedrohlich war, wie sie wirkte. Sie registrierte aber, dass der Schwertgriff mit wertvollen Rubinen verziert war.

Und irgendwie kamen ihr diese Gestalten plötzlich überaus bekannt vor. Nicht, dass sie die Männer schon einmal direkt gesehen hätte, aber ihre Gesichtszüge, ihr Gebaren und ihre Kleidung waren seltsam vertraut. Wenn es stimmte, dass Erinys und Ulysses sich inmitten einer eintausend Jahre alten Erinnerung befanden, dann gab es nicht viele Personen, die Erinys aus dieser Epoche überhaupt kennen konnte. Godric Gryffindor, Helga Hufflepuff, Rowena Ravenclaw, Salazar Slytherin und Willigis Wulfgard, das waren die einzig bedeutenden Magier jener Zeit gewesen.
Und plötzlich wusste Erinys, warum ihr die beiden Männer so bekannt vorkamen. „Der mit dem Ziegenbart ist Salazar Slytherin!“, sagte sie zu Ulysses. „Und der andere muss Gryffindor sein!“
Ulysses schlug sich sachte mit der Handfläche gegen die Stirn. „Du hast Recht! Warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen. Es gibt Gemälde von ihnen in Hogwarts und erst heute bin ich an Salazars Bild vorbeigelaufen.“
„Aber sie streiten sich“, murmelte Erinys. „Die Erinnerung muss aus der Zeit stammen, als Salazar Slytherin sich mit den übrigen Gründern zerstritten hat…aber das war angeblich erst nach dem Tod von Willigis Wulfgard.“
Ganz plötzlich wandte sich die Gestalt von Salazar ab, drehte dem wütenden Godric einfach den Rücken zu und schritt eilig Richtung Schloss. Godric rief dem anderen Zauberer noch etwas zu, doch er wurde ignoriert. Und genau in diesem Moment verschwamm das Bild vor Erinys` Augen und sie kippte um, ohne zu wissen wo Himmel und Erdboden sich befanden. Die Welt drehte sich, Konturen flossen ineinander und der ferne, seltsam vergilbte Horizont schien auseinander zu bersten. Noch bevor Erinys die Gelegenheit hatte zu schreien, verschwand sie in einem schwarzen Wirbel aus Lauten und Formen.

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Sie wachte in der Großen Halle wieder auf. Oder zumindest in einem Raum, der ähnlich groß war und über ähnliche Proportionen verfügte. Natürlich konnte es nicht die Große Halle sein, denn die Decke der Großen Halle war mit keinem riesigen Mosaik verziert. Erinys öffnete die Augen ein Stück weiter und starrte zu dem Mosaik empor, das einen großen Teil der Decke ausfüllte. Es zeigte fünf verschiedenfarbige Wölfe, die sich jeweils in der buschigen Rute ihres Vordermannes verbissen hatten. In ihrer Mitte erkannte Erinys den Umriss eines Schlosses und fünf Gegenstände: Schwert, Feder, Medaillon, Kelch und eine Armbrust.
Erinys richtete ihren Oberkörper auf, während sie noch immer gebannt an die Decke starrte und das Mosaik betrachtete. Sie wusste, dass sie diesen Zirkel der Wölfe schon einmal gesehen hatte und zwar in dem Mausoleum, tief im Herzen des Verbotenen Waldes. Und sie wusste auch was es bedeuten musste: Es war das alte Wappen Hogwarts gewesen, das jedoch im Laufe der Zeit fast völlig in Vergessenheit geraten war: Ein Kreis von fünf verschiedenfarbigen Wölfen, die stellvertretend für die fünf Gründer standen.
Ein plötzlicher Wortschwall ließ Erinys zusammenzucken und leise aufschreien. Sie senkte den Blick und zu ihrem Entsetzen sah sie, dass ein Mann nur wenige Meter vor ihr stand und direkt in ihre Richtung blickte. Erinys kroch rückwärts, hinüber zu Ulysses, der noch immer mit geschlossenen Augen am Boden lag. Sie rüttelte ihn energisch wach. „Ulysses, da steht einer!“, rief sie.
Ulysses schreckte auf, als hätte ihn soeben ein starker Blitz durchzuckt. Er starrte den Fremden mit großen Augen an, atmete einmal tief durch und plapperte schließlich unkoordiniert auf ihn ein. „Wir sind bloß Schüler hier, wir machen keinen Ärger! Wir sind in diesen Topf gefallen und haben uns verlaufen! Wir kommen aus Ravenclaw und Slytherin und die Lehrer suchen bestimmt schon nach uns!“
Der Fremde reagierte nicht. Er sah zwar noch immer in ihre Richtung und lächelte schmal, aber er schien sie völlig übersehen zu haben.

Auf einmal kam ein Schatten angesprungen und rannte direkt auf den Fremden zu. Es war ein Wolf mit weißem Fell, fast so hell wie das Fell eines Polarfuchses. Das Tier lief schwanzwedelnd auf den Mann zu und ließ sich den Kopf kraulen. Der Mann lächelte und sagte etwas zu dem Wolf. Es klang wie ein Name, aber der Dialekt war so ungewöhnlich, dass Erinys ihn erst beim zweiten Mal verstand: Gwydion. Der weiße Wolf von Willigis Wulfgard, dessen Geistererscheinung eintausend Jahre später besser als „weißer Grimm“ bekannt sein würde.
Erinys löste ihren Blick von dem Tier und musterte wieder den Mann. Sein Gesicht ähnelte dem steinernen Gesicht der Willigis-Statue. Aber auch ohne diese Ähnlichkeit war Erinys klar, dass es sich bei den Fremden nur um Willigis Wulfgard handeln musste.
Willigis ließ von dem Wolf ab. Mit einer flüchtigen Handbewegung wies er Gwydion an, ihm zu folgen. Sie schritten durch die Große Halle und nahmen weiterhin keinerlei Notiz von Erinys und Ulysses. Selbst dann nicht, als Willigis fast schon über sie gestolpert wäre.
„Ähm, Sir?“, rief Erinys laut.
Keine Reaktion.
„Ich glaube, wir sind unsichtbar für sie“, sagte Ulysses. „Es ist nur eine Erinnerung. Zu ihrer Zeit existierten wir noch nicht einmal.“
Erinys kam auf die Beine. Jetzt, wo klar war, dass sie nicht befürchten mussten, entdeckt zu werden, nutzte sie die Gelegenheit sich umzusehen. Die Halle war fast leer. Nur eine lange Tafel stand an ihrem Kopfende und ein halbes Dutzend Gestalten saßen schweigend dort. Sie trugen lange Umhänge und Kutten, so dass man ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Die Menschen hatten sich über Holzteller gebeugt und löffelten eine karge Suppe. Es mussten Magier aus ganz verschiedenen Altersgruppen sein. Einige erschienen Erinys alt und zerbrechlich, andere von ihnen waren kleiner und schmaler - so wie Kinder um die zehn oder zwölf.
„Vielleicht sind es Schüler.“, gab Ulysses zu bedenken. „Oder Magier, die beim Bau der Schule mitgeholfen haben. Oder beides. Wer weiß das schon so genau.“

Erinys und Ulysses wandten sich ab und folgten Willigis Wulfgard und seinem Wolf Gwydion. Das Hogwarts jener Zeit war schmucklos und karg. An den Wänden hingen noch keine Gemälde und der Fußboden war nackt. Nur einige wenige Fackeln spendeten Licht. Willigis trat durch das Schlossportal. Es war ein trüber Tag und von der Sonne war nicht mehr zu sehen, als ein silbriger Schimmer hinter Wolkenfetzen. Die Landschaft sah genauso aus wie in der ersten Erinnerung, die selben verkrüppelten Bäume säumten das Schloss, die selben Findlinge lagen kreuz und quer herum. Willigis hielt auf den dichten Wald zu und Erinys fiel auf, dass er eine Armbrust geschultert hatte. Gwydion lief voraus und vergrub seine lange Wolfsschnauze in einem Erdloch.
Erinys` Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die Landschaft. Wie schon in der Erinnerung zuvor wirkte sie seltsam unbeständig. So als könnten sich die verschiedenen Formen und Farben jeden Moment ineinander verwirren und das ganze Bild in sich zusammenstürzen. Alles schien trüb zu sein und die Details waren wie verschwommen. Erinys betrachtete das Gras zu ihren Füßen genauer. Es war nicht mehr als eine leblose grüne Fläche. Sie hockte sich hin und fuhr mit der Handfläche darüber. Eigenartigerweise fühlte sie zwar die einzelnen Halme auf ihrer Haut, doch die Halme selbst blieben unsichtbar.
„Das ist komisch“, murmelte sie und richtete sich wieder auf. Ulysses war stehen geblieben um zu warten.
„Was ist komisch?“, erkundigte er sich.
„Die Landschaft. Sie wirkt unecht und verblasst. Als würde man ein altes Photo betrachten.“
„Nun, die Erinnerung ist eintausend Jahre alt, Erinys. Vielleicht zerfällt sie mit der Zeit und wird schwächer. Die Erinnerung zuvor wirkte jedenfalls noch…klarer.“

Sie erreichten den Waldrand und Dunkelheit legte sich über sie. Willigis Wulfgard schritt unbeeindruckt voran, offenbar konnte ihn der finstere und urige Wald in keiner Weise einschüchtern. Obwohl in der Erinnerung fast alle Laute verschluckt zu sein schienen, glaubte Erinys ein lautes Knacken im Gebüsch gehört zu haben. Sie drehte sich um und entdeckte den Schatten eines hageren Mannes, der Willigis Wulfgard zu verfolgen schien. Sie machte Ulysses darauf aufmerksam. „Sieht aus als ob der Mann dort hinten nicht zufällig hier unterwegs ist, oder?“, sagte sie argwöhnisch. „Er schleicht sich ja förmlich hinterher.“
Doch ehe sie herausfinden konnten, um wen es sich bei der Person tatsächlich handelte, brach plötzlich ein gewaltiges Tier aus dem Dickicht hervor. Es war ein Warzenschweineber, so riesig und kräftig, dass er Erinys bis über die Hüfte reichte. Die Augen des Ebers glühten wie heiße Kohlen und mit hässlichen Grunzlauten stürmte er auf Willigis Wulfgard zu. Der Magier griff nicht nach etwa seinem Zauberstab, stattdessen hob er die Armbrust und spannte einen Bolzen ein. Kurz bevor das Tier ihn erreichte, gab er einen einzigen Schuss ab. Der Eber schrie getroffen auf, als der Bolzen seine Stirn durchschlug und ganz im Kopf des Tieres verschwand. Kreischend kippte das Warzenschwein zur Seite, schlug noch ein paar Mal mit seinen Beinen aus, bevor er leblos liegen blieb. Ein Schwall Blut legte sich über den Waldboden.
Gwydion jaulte wütend und fletschte seine Zähne. Der Blick seiner blauen Augen war starr auf die Gestalt im Schatten gerichtet, die Erinys und Ulysses zuvor entdeckt hatten. Willigis rief der Gestalt etwas zu, es klang wie eine Frage doch der Dialekt blieb unverständlich.
Willigis spannte einen neuen Bolzen in seine Armbrust ein, keine Sekunde zu spät, denn sieben weitere Warzenschweine schossen aus dem Dickicht. Sie waren ähnlich bullig und stark wie der erste Eber und mindestens genauso wild. Wieder fiel Erinys dieser eigenartige rote Schimmer in den Tieraugen auf, ein Schimmern, als würden die Schweine innerlich brennen und verglühen. Von einer rasenden Wut erfasst, stürzten die sieben Eber auf Willigis und den Wolf zu. Willigis erschoss den Ersten mit seiner Armbrust und griff dann nach seinem Zauberstab. Die Warzenschweine waren so unnatürlich gierig und wild, dass zwei von ihnen sich sogleich auf den gefallenen Artgenossen warfen und mit ihren langen Hauern das Fleisch zerfetzten. Blut spritzte auf und Ulysses` gab einen kehligen Laut von sich, als sei er kurz davor sich zu übergeben.
Gwydion stürzte sich auf einen weiteren Eber und schlug seine Fänge in den borstigen Schweinenacken. Willigis feuerte zwei Zauber auf den Eber, so dass dieser getroffen an den nächsten Baum geschleudert wurde und auch nicht mehr dazu kam sich zu erheben: Gwydion hatte ihm bereits die Kehle durchgebissen.

Die Szenerie löste sich in Chaos auf und Erinys hatte Schwierigkeiten, in dem Getümmel und bei der Dunkelheit des Waldes etwas zu erkennen. Irgendwann aber geriet Gwydion unter die trampelnden Hufe eines der Warzenschweine und ein zweiter Eber stieß mit seinen Hauern in den Brustkorb des Wolfes. Ein kurzes, klägliches Winseln war Gwydions letzter Laut.
Willigis Wulfgard setzte sich gut zur Wehr. Mit Zauberstab und Armbrust tötete er einen Eber nach dem anderen und dass, obwohl er selbst bereits aus unzähligen, klaffenden Wunden blutete. Der letzte Eber fiel durch einen Bolzen, der sich durch die weiche Schweineschnauze bohrte.
Willigis warf seine Armbrust auf den Waldboden und eilte zu dem toten Wolf hinüber. Gwydions helles Fell war blutig gefärbt, aber Willigis streckte dennoch die Hand aus, um seinem alten Kampfgefährten über den Kopf zu streichen. Der Mann weinte nicht, nur sein angespannter Kiefer ließ erahnen, wie wütend er war. Er richtete sich zur vollen Größe auf und blickte zu der Gestalt im Schatten herüber. „Salazar!“, rief er, er spuckte den Namen gewissermaßen angewidert aus.
Der Mann, der den ganzen Kampf selenruhig beobachtet hatte, trat aus dem Dickicht. Salazar Slytherins listige Augen musterten Willigis voller Häme und oberhalb seines schwarzen Ziegenbartes saß ein siegessicher grinsender Mund. In seiner rechten, behandschuhten Hand lag ein Zauberstab und plötzlich wusste Erinys, dass diese Warzenschweine nicht von sich aus so wild gewesen waren. Nein, dieser Mann, Salazar Slytherin, musste die Tiere mit irgendeinem Zauber belegt haben, der aus ihnen wilde Bestien mit rotschimmernden Augen gemacht hatte.

Willigis richtete seine Armbrust auf Salazar, doch der lachte ihm nur frech entgegen. Willigis blutete aus unzähligen Wunden und taumelte bereits sichtlich. Erinys wusste, dass er sterben würde. In jedem gutrecherchierten Geschichtsbuch stand geschrieben, dass Willigis und sein weißer Wolf Gwydion eines Tages bei der Jagd von einer Rotte Warzenschweine getötet worden waren. Erinys hatte niemals an diesen vermeintlichen Fakten gezweifelt. Doch nun wusste sie, mit Blick auf Salazars hässliches Gewinnergrinsen, dass Willigis in Wirklichkeit nicht den Hauern der Eber zum Opfer gefallen war, sondern irgendeinem Komplott. Ein Komplott, dessen Gestehungsgeschichte und Hintergrund Erinys zwar nicht verstand, aber sie verstand zumindest, dass Salazar Slytherin der Mörder von Willigis war.
Erinys biss die Zähne zusammen. Dies war bloß eine Erinnerung und sie hatte keine Möglichkeit Willigis zu helfen. Er war seit eintausend Jahren tot und fast vergessen von der Welt. Erinys und Ulysses waren nicht mehr als verspätete Zeugen seiner Ermordung.
Aus Salazars erhobenem Zauberstab wurde kein todbringender Fluch abgefeuert. Es brauchte kein Avada Kedavra um Willigis` Schicksal zu besiegeln. Der Tod kam vielmehr in Form einer Schlange.

Ulysses sah sie zuerst. Ein schuppiges, leuchtend grünes Tier schlängelte sich über den Waldboden, direkt an seinen Füßen vorbei. Instinktiv machte er einen Satz zurück und schnappte entsetzt nach Luft. Die Schlange nahm natürlich keine Notiz von ihm, sondern hielt weiter auf Willigis zu. Zwei große, kugelrunde Augen wölbten sich aus den Augenhöhlen der Schlange wie zwei gelbe Eiterblasen. Der Kopf endete in hornartigen Verdickungen, ähnlich dem Kopf eines Drachen und der restliche Körper maß mindestens anderthalb Meter. Erinys beobachtete sie, wie sie sich langsam an ihr Opfer heranschlängelte, die gespaltene Schlangenzunge zitterte vor Gier. Sie nährte sich Willigis von der Seite, so dass er sie, trotz des auffallend giftgrünen Körpers, nicht einmal kommen sah.
Die Schlange richtete ihren Oberkörper auf und entblößte die Giftzähne. Willigis schrie kurz vor Schreck auf, als sie ihre Fänge durch den Stoff seiner Hose schlug und seinen geschwächten Körper mit Gift voll pumpte. Er schüttelte sie entsetzt ab und kaum war es ihm gelungen, stürzte er auch schon auf die Knie und keuchte schwer.
Salazar Slytherin zischte kurz. Im ersten Moment klang es fast so, als würde er bloß Luft durch die schiefe Zahnreihe stoßen. Aber zumindest die Schlange reagierte auf dieses Geräusch und wandte ihren Kopf zu ihm. Ein weiteres Mal zischte Salazar und - ob Zufall oder nicht - die Schlange schlängelte so schnell auf ihn zu, wie ihr schuppiger Bauch es zuließ. Er beugte sich zu ihr herunter, streckte die Hand aus. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Verwirrung beobachteten Erinys und Ulysses, wie die grüne Schlange auf die angebotene Hand kroch und unter dem Stoff von Salazars Ärmel verschwand wie in einer Schlangenhöhle.
„Ihm gehört die Schlange!“, sagte Ulysses unnötigerweise und während er das sagte, wurde sein Gesicht zusehend blasser.

Willigis Wulfgard war dem Ende nahe. Er saß auf dem Waldboden und stützte sich schwer auf beide Arme. Jeder einzelne seiner Muskeln schien zu beben und Erinys hatte den Eindruck, dass selbst Willigis` Augen wild in ihren Höhlen zitterten. Seine Adern traten blau hervor, was nicht an der Kühle des Waldes lag, sondern an dem Gift, das seinen Körper langsam tötete. Und dennoch konnte Willigis genug Kraft aufbringen, seinen Zauberstab zu heben und einen letzten Fluch auf seinen Mörder abzuschießen. Erinys wusste von der ersten Sekunde an, dass dieser Fluch sein Ziel nie erreichen würde. Es war nun mal eine historische Tatsache, dass Salazar diesen Tag unbeschadet überstehen würde, ganz im Gegensatz zu Willigis. Salazar schwenke seinen Zauberstab mit einer zackigen Bewegung, Willigis` Zauber wechselte augenblicklich die Richtung und schlug wirkungslos in einem der Bäume ein.
„Salazar!“, knurrte Willigis.
Salazar zuckte bloß mit den Schultern und lächelte hämisch. Was auch immer zwischen diesen beiden Männern zuvor vorgefallen sein mochte, im Augenblick des Mordes brauchte es keine weiteren Worte. Willigis schien die Tatsache nicht einmal besonders zu überraschen, dass Salazar ihn mit einer Reihe übler Tricks und einem Schuss Schlangengift zur Strecke gebracht hatte. Willigis fragte nicht nach dem Grund für seine Ermordung. Er wusste es einfach. Und er wusste offenbar auch, dass es keine Möglichkeit mehr gab, seinen Tod abzuwenden. Das Gift und die Verletzungen verrichteten schlussendlich ihr zerstörerisches Werk: Willigis Wulfgard brach in sich zusammen und nach einem letzten, kläglichen Zucken seiner Muskeln, regte er sich nicht mehr. Erinys starrte auf den Toten und in diesem einen Moment der absoluten Stille, hörte sie plötzlich wie ihr Herz wie wild schlug.
Sie und Ulysses hatten einen Mord beobachtet. Und das vielleicht schlimmste an der Sache war, dass sie bloß wie ohnmächtige Zeugen daneben gestanden hatten, unfähig zu helfen oder den Lauf der Dinge zu beeinflussen.

Salazar stieß einen grunzenden Lacher aus. Kurz, abgehackt und humorlos. Er warf noch einen Blick auf die leblose Gestalt von Willigis, dann machte er auf dem Absatz kehrt und schritt gemächlich heimwärts Richtung Schloss.
Erinys hatte zuerst geglaubt, die Erinnerung an diesen trüben Herbsttag müsse aus Willigis` Kopf stammen. Doch nun wusste sie, dass es die Erinnerung von Salazar Slytherin gewesen war, die Erinnerung an einen Mord, der eintausend Jahre lang fälschlicherweise als tragischer Jagdunfall angesehen worden war.
Was für eine listige Schlange, dachte Erinys voller Wut, während das Szenario vor ihren Augen zu verschwimmen begann. Dunkelheit breitete sich in ihrem Kopf aus und sie stürzte wieder in einen Strudel, der sämtliche Formen und Farben hungrig verschlang und abwärts riss.

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Eine weitere Erinnerung folgte, doch Erinys wusste gleich, dass etwas damit nicht stimmen konnte. Die Landschaft, die sich unter ihren Füßen ausbreitete, war nicht mehr als ein verzerrtes, rauschendes Meer aus Fetzen und fernen Echos. Erinys stand nicht auf dem Erdboden, sondern schien irgendwo im Nichts dahinzuschweben. Sie sah hinab auf das Innere eines kleinen Gebäudes, in dem sich mehrere Gestalten befanden. Das Bild war so trüb, dass Erinys nicht mehr als Schemen erkennen konnte. Das Szenario schien sich mit einer weiteren Erinnerung verkeilt zu haben. Man könnte es als zwei verschiedene Schablonen beschreiben, die man gewaltsam aufeinander gelegt hatte, obwohl sie nicht zusammen passten. Erinys sah schattenhafte Menschen, die nichts mit den übrigen Gestalten zu tun haben schienen. Diese Schatten bewegten sich einfach durch die Mauern des Gebäudes hindurch und ihre Stimmen klangen quäkend und verfremdet. Als ob man einem kaputten Radio zuhören würde.
Erinys wurde schwindelig. Ihr Kopf schien bei dem Anblick dieser unwirklichen Szene schlichtweg überfordert zu sein. Aus einem grauen Nebel, der in den Ecken von Erinys` Blickfeld lauerte, drangen immer neue Geräusche und weitere Schatten krochen daraus hervor. Innerhalb des Nebels glaubte sie verschiedene Landschaften vorbeirasen zu sehen, Berge, Wiesen, Dörfer. Und all die Farben, die Geräusche und die Gestalten verhedderten sich unlösbar miteinander, die Wände des Gebäudes schienen zu pulsieren und der Boden wölbte sich. Es war, als ob Erinys unter einem schrecklichen Fiebertraum litt, in dem Realität und Vorstellung verschwammen.

Sie selbst schwebte in diesem Bild ohne zu wissen wo genau sie sich befand. Sie sah sich nach Ulysses um, doch der Ravenclaw war nirgendwo auszumachen. Der Fiebertraum musste ihn verschluckt haben und plötzlich geriet Erinys in Panik bei dem Gedanken, dass sie ihn vielleicht für immer in diesem Strudel der Erinnerungen verloren hatte. Was war, wenn es tatsächlich keinen Weg mehr zurückgab, wenn er sich irgendwo rettungslos verfangen hatte?
Sie rief nach ihm, doch ihre Worte waren nicht mehr als ein dumpfes Echo, das wieder und wieder durch die Erinnerung halte. Erinys bewegte ruckartig ihre Arme und drehte sich auf den Rücken. Sie hatte eigentlich damit gerechnet, nun die Decke des Gebäudes anzublicken, doch stattdessen starrte sie geradewegs hinab in einen völlig anderen Raum. Kopfüber hing sie in der Schwebe und sah zu, wie sich mehrere schattenhafte Gestalten in einem dunklen Ort bewegten. Die Gestalten sprachen mit keinem Dialekt, sondern benutzten ein äußerst verständliches Englisch. Das war eigenartig, schließlich war Erinys davon ausgegangen, dass die Erinnerungen eintausend Jahre alt waren, und dass sie den altertümlichen Dialekt niemals entziffern würde.
„Wir haben alles abgesucht“. Die Stimme eines Jugendlichen dröhnte zu Erinys empor. Erinys versuchte ihn unter den vier Schatten auszumachen. Obwohl das Bild vor ihr verwischt und trüb war, erkannte sie einen Jungen mit blonden Haaren, der eine wohlbekannte Schuluniform trug. Es war ein Schüler aus Hogwarts, doch Erinys konnte sich nicht daran erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben.
„Die Armbrust ist entfernt worden“, sagte der Blonde weiter. „Oder vielleicht wurde sie gestohlen.“
„Sie muss gestohlen worden sein, Landolt.“ Ein dunkelhaariger Junge, dessen Körperumriss fast schon mit der Umgebung verschwamm, trat vor. Er betrachtete eine Statue, dessen helles Weiß in dem finsteren Raum gleißend erschien. So gleißend, dass Erinys kaum mehr von der Statue erkennen konnte, als einen großen blendendhellen Fleck.

„Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, dass die Armbrust offiziell entfernt worden wäre.“ Der dunkelhaarige Junge wandte sich an die drei Anderen. „Hört zu, ich will diese Armbrust, verstanden? All die Recherchen haben zu viel Zeit in Anspruch genommen, es wäre doch armselig jetzt aufzugeben, richtig?“ Seine Frage klang lauernd. So als ob er seine Begleiter wortlos darauf aufmerksam machen wollte, dass es schädlich sein würde, nicht der gleichen Meinung zu sein wie er.
„Aber wo sollen wir noch suchen, Tom?“, fragte ein weiterer Jugendlicher. Seine Stimme war tief und rau, beinahe schon erwachsen.
„Vielleicht weiß es Dumbledore?“, gab der Blonde, Landolt, zu bedenken. „Oder Slughorn? Slughorn weiß -“
„Vergiss die beiden!“ Tom klang verärgert. „Dumbledore traut mir nicht über den Weg. Und sicherlich hat er auch Slughorn davor gewarnt, meine „Neugierde“ weiterhin zu unterstützen. Nein, ich glaube eher, dass Dumbledore es war, der die Armbrust entfernt hat. Er hütet bereits Gryffindors Schwert wie einen Schatz, warum nicht auch die Armbrust?“
„Aber wie kommen wir an Dumbledore vorbei?“, fragte der vierte Jugendliche. Er klang wenig begeistert und sogar etwas eingeschüchtert. Erinys glaubte zu erkennen, wie Tom ihm einen finsteren Blick zuwarf.
„Warum klopfst du nicht einfach an sein Büro und fragst nach, ob du dir die Armbrust ausleihen kannst, Alexander?“ Toms Stimme triefte vor Spott, doch der eingeschüchterte Jugendliche, Alexander, schien das offenbar nicht bemerkt zu haben.
„Meinst du, das ist wirklich so einfach?“, fragte er.
Landolt und der Junge mit der tiefen Stimme lachten laut auf, Tom schüttelte humorlos mit dem Kopf. „Nein Alexander, das meine ich nicht. Habe ich nicht eben erwähnt, dass Dumbledore uns, insbesondere mir, misstraut? Wenn er wirklich im Besitz der Armbrust ist, dann wird er sie nicht herausgeben. Oder willst du ihn mit deinen „herausragenden“ Zauberkünsten überwältigen, Alexander?“
Diesmal fiel Alexander nicht auf den Sarkasmus hinein. Stattdessen ruckte sein Kopf empor, als sei ihm gerade ein großartiger Gedanke gekommen. „Du könntest ihn überwältigen, Tom!“, rief er. „Ich bin sicher, du bist gut genug um Dumbledore auszuschalten.“
Tom antwortete nicht darauf. Er hatte die Arme locker vor der Brust verschränkt und blickte zu Alexander hinüber. Da Erinys sein Gesicht kaum erkennen konnte, wusste sie nicht, welchen Ausdruck Toms Züge gerade angenommen hatten. Als Tom weitersprach war seine Stimme jedoch kalt und seltsam emotionslos. „Ihr geht jetzt besser“, sagte er. „Lasst mich alleine.“ Offenbar war er es gewohnt, die Befehle zu geben.

Die drei anderen Jugendlichen wandten sich zum Gehen und verschwanden in dem Nebel, der sich am Rande von Erinys` Blickfeld auftürmte. Tom blieb alleine in dem dunklen, formlosen Raum. Er, zusammen mit der gleißendhellen Statue. Erinys wusste nicht genau was er tat, doch plötzlich traf sie ein Sturm, bestehend aus einer kalten, gnadenlosen Wut. Tom war der Ursprung dieser Wut und noch während Erinys erschrocken nach Luft rang, zersprang die Statue in Dutzende Bruchstücke. Donnernd fielen die Teile zu Boden und Toms Wut ebbte schlagartig ab. Erinys spürte, wie ihr Blut panisch durch die Adern gepumpt wurde und auf einmal fürchtete sie sich vor dem dunkelhaarigen Jungen, auch wenn dieser sie nicht einmal sehen konnte. Sie fürchtete ihn mehr als den mörderischen Salazar Slytherin, denn irgendwas an diesem Jungen schien realer zu sein. Realer als für eine bloße Erinnerung üblich.
Existenter.
Tom stieß einige der Bruchstücke leicht mit dem Fuß an. Vielleicht hatte er die Hoffnung, auf einen Schatz zu stoßen, noch nicht völlig aufgegeben. „Es sieht mir zwar nicht ähnlich Kunstschätze zu zerstören, mein guter Willigis Wulfgard, doch du hast mich heute sehr enttäuscht“, sagte Tom an die zerschmetterte Statue gewandt. „Wenn du wüsstest, wie wichtig deine Armbrust für die Zukunft der Zauberwelt ist, deine verrotteten Überreste würden mir das Stück höchstpersönlich überreichen. Aber du bist eben auch nur ein Narr und warst es wert ermordet zu werden. Salazar wusste es damals schon und ich weiß es heute.“ Tom wandte sich von der Statue ab und noch während er den Ort verließ, wurde Erinys von einer körperlosen Kraft zu Boden gedrückt. Der Strudel bildete sich wieder, sog die Erinnerung in sich auf und verschluckte alles und jeden. Erinys stürzte in tiefe Schwärze, ein Schwarz so mächtig, dass es ihren Körper in einen formlosen Schatten zu verwandeln schien. Das Denkarium hielt sie gefangen und sie wusste keinen Weg zurück. Von irgendwoher glaubte sie Ulysses` Stimme zu hören, er schrie, doch dieser Schrei schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu stammen. Erinys versuchte ihm zu antworten, doch kein Laut drang aus ihrem Mund.
Sie fiel eine Ewigkeit. Es gab keinen Ausweg aus diesem tiefen, dunklen Meer. Es gab keine Formen, keine Farben, keine Geräusche. Es gab nichts außer einem ewigen, schwarzen Meer.
Weitere Ewigkeiten vergingen und gerade in dem Moment, als Erinys` jede Hoffnung verloren hatte, hörte sie eine Stimme, sie wurde von jemandem gepackt und aus dem Meer herausgezogen.
Es war Professor Dumbledore.

Fortsetzung folgt…

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Kommentar: Ich bin ja ein großer Tom Riddle Fan. Das hier ist nicht der erste Hinweis auf Toms Schulzeit in Zirkel der Wölfe. Allerdings wird die Armbrust-Geschichte mehr sein, als nur eine kleine Hommage. Im nächsten Schuljahr z.B. wird die Sache immens wichtig werden…

Tami9: Fällt es nicht schon unter die Kategorie „Gehörigen Mist bauen“, wenn man Dumbledores Denkarium einfach ungefragt entwendet? ;)
Gut, Harry hat in den Originalbüchern ebenfalls das Denkarium unerlaubt benutzt, aber Erinys hat noch einen drauf gesetzt, in dem sie den Gegenstand einfach mitgenommen hat. Ich an ihrer Stelle hätte das nie und nimmer getan.


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